Protocol of the Session on October 29, 2020

Das Wort hat die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die CoronaLage hat sich in den letzten Tagen verschärft. Ich habe bereits gestern bei der Einbringung des Nachtragshaushaltes das angesprochen und möchte es noch einmal verdeutlichen. Wir hatten gestern bei uns im Land die bisher höchste Infektionszahl an einem Tag mit 160 Neuinfektionen. Und am heutigen Morgen hat das Robert Koch-Institut eine neue Rekordzahl an Infektionen für ganz Deutschland gemeldet: 16.000. Wir haben es mit einem dynamischen Infektionsgeschehen zu tun, einem dramatischen Anstieg der Neuinfektionen.

Die zweite Corona-Welle erwischt ganz Europa, und wenn wir uns einmal diese Europakarte vor Augen führen, dann wissen wir, dass längst alle Länder um uns herum Risikogebiete sind und dass auch die Risikogebiete in Deutschland massiv zugenommen haben. Die zweite Corona-Welle erwischt Europa, Deutschland und auch Mecklenburg-Vorpommern mit voller Wucht. Und deshalb, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, brauchen wir jetzt eine nationale Kraftanstrengung.

Unser Ziel ist, dass wir eine akute nationale Gesundheitsnotlage verhindern wollen. Wir brauchen einen Wellenbrecher. Wir müssen den Monat November zum Wellenbrecher der Corona-Welle machen. Es muss uns gelingen, durch Reduzierung von Kontakten die Welle im November zu brechen, damit wir eine gute Aussicht auf den so wichtigen Weihnachtsmonat Dezember haben. Wir wollen nicht, dass sich Weihnachten das wiederholt, was wir alle Ostern erlebt haben, dass wir nicht unsere Eltern besucht haben zu Ostern, dass keine Gäste kommen konnten, dass es keine Gottesdienste gab. Wir wollen, dass das Weihnachtsfest ein Fest der Familie wird, dass die Menschen in den Gottesdienst gehen können und dass sie auch ihre Weihnachtseinkäufe vor Ort erledigen können, dass sie Gäste empfangen können. Darum geht es, wenn wir jetzt im November verzichten, dass ein Ausblick auf ein gutes Weihnachtsfest möglich ist. Und deshalb appelliere ich an Bürgerinnen und Bürger, dass wir jetzt gemeinsam diese Anstrengung machen, im November die Welle brechen, damit wir wieder die Corona-Lage gut im Griff haben.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Ralph Weber, AfD: Klares Nein dazu.)

Und deshalb, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sind, wie ich es gestern auch bereits angekündigt habe, die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundeskanzlerin in eine gemeinsame Beratung gegangen und wir haben gemeinsam überlegt, wie wir genau das in Deutschland hinbekommen, dass wir wieder die Kontakte reduzieren.

Und ich möchte Ihnen an einzelnen Zahlen deutlich machen, warum es so notwendig ist, weil ich weiß, dass es sich in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht so dramatisch anfühlt, wie es schon längst in weiten Teilen von Deutschland ist. Das ist das Miese und Fiese am Corona-Virus. Wir können ihn nicht sehen, und das, was wir heute tun, wirkt sich erst in 14 Tagen in Infektionszah

len aus und eben nachgelagert in der Frage, wie stark kommt unser Gesundheitssystem unter Druck. Und deshalb ist in der ganzen Zeit dieser Pandemie vorausschauendes Handeln gefordert. Wir müssen die ganze Sache vom Ende her denken. Wir müssen verhindern, dass unsere Intensivbetten voll sind, wir müssen verhindern, dass wir keine Kontaktnachverfolgung mehr machen können, weil die Gesundheitsämter überfordert sind. Dass das noch nicht so gekommen ist, weil wir im Frühjahr hart reagiert haben, weil wir eine super Arbeit der Gesundheitsämter haben, weil die Bürgerinnen und Bürger sich zu großen Teilen an die Regeln gehalten haben, dass das nicht so schlimm gekommen ist, kann doch keine Ausrede dafür sein, dass wir Handlungsbedarfe haben. Das muss uns ermutigen, dass es Sinn macht, früh zu handeln, damit wir nicht in diese akute Gesundheitsnotlage kommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und wenn wir auf Deutschland schauen, dann ist die Realität, dass längst viel mehr Kreise und kreisfreie Städte Risikogebiet sind, als dass sie es nicht sind. Wenn wir auf Deutschland schauen, dann ist es so, dass man bei 75 Prozent der Infektionen nicht mehr sagen kann, wo haben sich die Menschen infiziert, an welchem Ort, in welcher Situation. Und deshalb ist die Behauptung, hier bei mir, da kann nichts passieren, die stimmt nicht, weil wir es gar nicht mehr wissen. Wenn 75 Prozent der Infektionen im Bundesdurchschnitt da sind, wo wir nicht mehr nachverfolgen können, wo haben sie sich eigentlich infiziert, in welcher Situation, können wir nicht davon ausgehen, dass es Bereiche gibt, die davon nicht betroffen sind.

Und gestern wurde deutlich, dass die Zahl der Neuinfektionen alle sieben Tage sich verdoppelt und die Zahl der belegten Intensivbetten alle zehn Tage. Und eine Modulation unserer eigenen Universität Greifswald macht deutlich, dass wir selber in den nächsten Tagen, in den nächsten zwei Wochen Risikogebiet werden können und dass auch, wenn bei uns nicht eingegriffen wird, wir zum Beispiel im Januar volle Kapazitäten haben, was Intensivmedizin angeht.

Und ich will auch ganz deutlich sagen, ja, wir haben aufgerüstet, ja, wir können noch weitere Betten frei machen, ja, wir können weitere Beatmungsgeräte zur Verfügung stellen. Aber wer will denn eigentlich, dass wir erst mal in diese Situation kommen, dass wir auf alle Notkapazitäten zurückgreifen müssen? Wer möchte solche Zustände, die wir längst in anderen Ländern haben, wie die Niederlande, die Schweiz, die nicht ein unterentwickeltes Gesundheitssystem haben? Wer möchte denn, dass wir in eine solche Situation kommen?! Deswegen appelliere ich an alle Verantwortungsträger, wir müssen die Sache vom Ende her denken, frühzeitig handeln, entschlossen handeln. Das hat uns schon im Frühjahr geholfen, das hat uns viele Möglichkeiten im Sommer ermöglicht, und deshalb müssen wir politisch handeln. Aber wir sind auch darauf angewiesen, wie von Anfang an in dieser Pandemie, dass unsere Bürgerinnen und Bürger mitziehen. Politik kann nicht die Regeln allein bestimmen, kann sie nicht alleine umsetzen und kontrollieren, wir brauchen unsere Bürgerinnen und Bürger.

Und an dieser Stelle möchte ich mich an die Menschen in unserem Land wenden, die seit Monaten durchhalten, die den größten Anteil daran haben, dass Mecklenburg

Vorpommern selbst in dieser zweiten Welle nach wie vor das Land ist mit den geringsten Infektionen. Vielen Dank für dieses Durchhaltevermögen! Und ich bitte Sie, dass wir weiter durchhalten. Trotz dieser ganzen schwierigen Nachrichten bin ich zuversichtlich, dass wir mit diesem klaren Kurs frühzeitig handeln, klare Regeln, Solidarität, gemeinsam handeln, sich daran halten, dass wir so gut durch die Krise kommen. Es kommt auf jede und jeden in unserem Land an!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Torsten Renz, CDU)

Und deshalb, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, haben wir uns gestern als Ministerpräsidenten der Länder und mit der Bundeskanzlerin auf einen Wellenbrecher für den Monat November konzentriert und verständigt. Diese Maßnahmen, die wir gestern beraten haben, sollen ab 2. November greifen. Die wichtigste Maßnahme in der kommenden Zeit wird es nach wie vor sein, Abstand halten, Maske tragen, da, wo es nötig ist, und im November gilt es, Kontakte reduzieren, Kontakte reduzieren, Kontakte reduzieren. Und dieser Gedanke trägt unseren Beschluss und deshalb gibt es die erste wichtige Maßnahme. Die Bürgerinnen und Bürger werden gebeten, ihre Kontakte stark zu reduzieren, und sie werden eingegrenzt auf das absolut Notwendige: ein Hausstand und noch ein Hausstand, maximal zehn Personen. Wir fordern auch die Bürgerinnen und Bürger auf, generell auf nicht notwendige private Reisen und überregionale Tagesausflüge zu verzichten. Ich will ganz klar sagen, in Mecklenburg-Vorpommern kann sich jeder frei bewegen und natürlich kann man einen Ausflug machen an die Ostsee, im Wald spazieren, das ist alles nicht untersagt.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich weise aber darauf hin, dass wir gerade im November auf Familienbesuche verzichten sollten, gerade mit Blick auf den Dezember. Leider müssen wir im November auch auf Urlaubsreisen und Urlaubsgäste verzichten. Außerdem müssen wir im November bei der Freizeitgestaltung uns wieder stark einschränken. Theater, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Kosmetikstudios, Massagesalons, Fitnessstudios, Sportanlagen und Schwimmbäder werden geschlossen, Bars und Kneipen werden geschlossen, Restaurants dürfen nur Essen zum Mitnehmen anbieten. All diese Maßnahmen sind auf den November beschränkt. Und drei Bereiche bleiben ganz bewusst offen.

Wir haben gestern in den Beratungen überlegt, das Ziel ist, 75 Prozent der Kontakte in Deutschland zu reduzieren, und das geht dann nicht damit, dass man sagt, man schränkt mal die Zahl bei einer Familienfeier ein, sondern wir haben ganz genau überlegt, welche Kontakte sind für die Bürgerinnen und Bürger dringend notwendig und auf welche Kontakte im Freizeitbereich kann man für den Monat November verzichten. Und zu den dringend notwendigen Bereichen gehört für uns, dass natürlich die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger sicher sein muss. Der Einzelhandel bleibt komplett geöffnet. Und das ist mir wichtig, niemand muss einen Noteinkauf machen, die Versorgung ist gesichert. Und anders als im Frühjahr – und das war uns sehr wichtig – bleiben auch Kitas und Schulen geöffnet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ja, viele Wissenschaftler sagen, hier ist eine Vielzahl der Kontakte. Ja, das stimmt. Aber unsere Anstrengung muss sein, dass Kitas und Schulen offen bleiben. Wir haben alle erlebt, was das für brutale Auswirkungen sind, wenn Kitas und Schulen wochenlang geschlossen sind, für die Kinder, für die Schüler, auch für das pädagogische Personal, für die Familien, aber auch für die Wirtschaft. Es können Wirtschaftsbereiche nicht offen gehalten werden, wenn es keine Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt. Und deshalb müssen unsere Anstrengungen bleiben, auch mit der Reduzierung von Kontakten außerhalb von Kita und Schule, insbesondere auch im privaten Bereich. Wir müssen alles daransetzen, dass Kitas und Schulen weiter offen bleiben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und wir wollen natürlich den Bereichen, die eingeschränkt werden für den Monat November, denen wollen wir helfen. Und eine Voraussetzung gestern für die Zustimmung meinerseits in dieser MPK war, dass wir eine klare Hilfe für die betroffenen Branchen haben und dass es diese Hilfe schnell gibt.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Das hat der Bund zugesagt. Für die Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, die im November schließen müssen, wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für die finanziellen Ausfälle zu entschädigen. Bei Selbstständigen und kleinen Unternehmen beträgt dieser Erstattungsbetrag 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonates. Auch für größere Unternehmen wird es außerordentliche Wirtschaftshilfen geben.

Und an dieser Stelle möchte ich mich an die Unternehmerinnen und Unternehmer, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenden. Diese Einschnitte, dass wieder bestimmte Bereiche geschlossen werden müssen, trifft sie hart, nicht nur materiell, sondern auch emotional, weil Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Interesse haben, ihrer Tätigkeit nachzugehen. Dafür leben sie. Ob es der Gastrobereich ist, ob es die Hotels sind, ob es die Kosmetikstudios sind, die Fitnessstudios, all diese Leute machen einfach ihre Arbeit gerne. Wir schränken sie wieder ein. Wir wissen, dass das ein harter Schritt ist. Und deshalb war es uns wichtig, an dieser Stelle für eine gute materielle Entschädigung zu sorgen. Und ich bin froh, dass wir uns gestern auf diese Entschädigung geeinigt haben.

Und auch hier appelliere ich an unsere Bürgerinnen und Bürger in M-V: Wir haben es in der Hand, ob diese Wirtschaftsbereiche eben immer wieder solche Einschnitte erleben müssen oder ob sie offen bleiben können, indem wir uns in allen Bereichen gut bewegen. Es geht nicht darum, dass die Schutzmaßnahmen nicht gut genug sind. Es geht darum, dass wir insgesamt Kontakte reduzieren müssen. Und ich bitte diese Branchen um Verständnis. Wir als Landesregierung setzen uns dafür ein, dass diese Entschädigung des Bundes schnell und zügig kommt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich wurde in den letzten Tagen oft gefragt: Warum sind diese Maßnahmen

auch in Mecklenburg-Vorpommern nötig? Ich will dazu sagen, dass es darum geht, eine nationale Kraftanstrengung zu machen. Auch wir in Mecklenburg-Vorpommern haben ein Interesse daran, dass diese zweite Welle bricht, denn sie kommt auch bei uns an, insbesondere leider deshalb, weil Möglichkeiten, die Ein- und Ausreise in und aus Risikogebieten zu beschränken, gefallen sind. Ich halte das für ein Risiko, ich hätte mir das anders gewünscht. Und gerade deshalb müssen auch wir in M-V jetzt handeln.

Aber wir in Mecklenburg-Vorpommern sind auch von dieser zweiten Welle betroffen. In den vergangenen sieben Tagen haben sich in Mecklenburg-Vorpommern 579 Menschen neu mit Corona angesteckt. Zehn werden im Krankenhaus behandelt, davon müssen sechs beatmet werden. Noch immer sind diese Zahlen geringer als in allen anderen Bundesländern, aber sie sind höher als je zuvor in Mecklenburg-Vorpommern. Der Anstieg der Neuinfektionen ist auch bei uns angekommen. Und wir können nicht so tun, als ob wir nicht davon betroffen wären. Und wir haben mittlerweile mit dem Landkreis Vorpommern-Greifswald sogar ein Risikogebiet in unserem Land. Das ganze Land ist mittlerweile nach CoronaAmpel auf Orange gesprungen. Und deshalb beraten wir heute Mittag mit unseren Landräten und Oberbürgermeistern, dass wir auch die Maßnahmen für Orange noch an diesem Wochenende umsetzen, zum Beispiel Beschränkung von Familienfeiern.

Ich habe die herzliche Bitte an die Bürgerinnen und Bürger, wir können jetzt nicht das Wochenende nutzen, um noch mal richtig Party zu machen, um uns dann ab 2. November zu beschränken. Das macht keinen Sinn. Diese Infektionen laufen dann in den Novembermonat rein. Deshalb habe ich die herzliche Bitte, auch wenn diese Maßnahmen erst ab 2. November rechtlich gelten, es macht Sinn, sich jetzt schon daran zu halten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Was droht, wenn nicht klar gehandelt wird, das sieht man mit einem Blick in unsere Nachbarstaaten. All unsere Nachbarn sind in der zweiten Corona-Welle schlimmer betroffen als in der ersten. Im Großraum Paris sind die Krankenhäuser voll. Alle Operationen, die nicht dringend notwendig sind, werden verschoben. Ein Arzt hat berichtet, dass auf seiner Station 15 Patienten auf dem Gang liegen. Das Personal ist erschöpft, übermüdet und am Ende der Kräfte. In Lüttich in Belgien müssen Patienten schon in Nachbarstädte verlegt werden, weil in den Krankenhäusern der Stadt kein Platz mehr ist.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das kann man doch gar nicht vergleichen mit Deutschland!)

Unser Gesundheitswesen ist besser vorbereitet als im Frühjahr. Wir haben genug Schutzkleidung für die Krankenhäuser, Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Wir können deutlich mehr Tests durchführen und auswerten. Die Ärzte haben vieles über das Corona-Virus gelernt. Es gibt zum Glück erste Medikamente, die den Verlauf mildern und die Krankheitszeit verkürzen. Trotzdem kann es auch bei uns zu einer Überlastung der Krankenhäuser kommen, wenn die Zahl der Corona-Kranken ungebremst ansteigt. Und auch in Deutschland warnen Kliniken bereits vor Überlastung und Personalnot auf der

Intensivstation, zum Beispiel die Berliner Charité. Nicht nur in Berlin, sondern in einem Drittel der deutschen Städte und Kreise mit mehr als der Hälfte der Bevölkerung ist die Ampel mittlerweile auf Dunkelrot. Wenn sich mehr als 100 Menschen von 100.000 in einer Woche neu infizieren, ist es kaum noch möglich, die Ansteckung nachzuverfolgen.

Und ich will es noch mal auf den Punkt bringen. Das heißt übersetzt, dass mittlerweile 50 Prozent der Menschen in Deutschland in Regionen leben, die eine Inzidenz nicht von 50 haben, sondern von dem Doppelten, von 100. 100 heißt, die Gesundheitsämter können nicht mehr sicher nachverfolgen, können nicht jedem sicher sagen: Du warst Kontaktperson, bitte lass dich testen! Damit steigt das Risiko, dass Menschen infiziert sind und davon gar nicht wissen. Und wenn 50 Prozent der Bundesbürger in ganz Deutschland längst in diesen Regionen leben und Mecklenburg-Vorpommern die Schutzstandards, dass wir Einschränkungen für Risikogebiete machen, wenigstens für diese Risikogebiete aus der Hand genommen werden, wer glaubt denn, dass diese Sache an MecklenburgVorpommern vorbeigeht? Wir hatten bisher keine Reisen in und aus Risikogebieten ohne Schutzstandards. Im Sommer gab es diese Risikogebiete nicht. Aber jetzt gibt es eben viele Bundesbürger, die auch bei uns gerne zu Gast sind, ob in den Familien, ob im touristischen Bereich, darum geht es gar nicht. Es geht nicht um die Übernachtungen im Hotel, es geht um die Mobilität. Und diese Mobilität darf nicht unterschätzt werden.

Erinnern Sie sich alle, wie es begonnen hat? Die Skiurlauber, die zurückkamen? Vorher hatte M-V kein Corona-Virus. Erinnern Sie sich, was nach den Sommerferien war, als doch Menschen aus M-V in Risikogebiete gereist sind und zurückkamen? Und ja, so ist es jetzt auch mit den Herbstferien, aber längst ist das CoronaVirus in M-V angekommen und ist sozusagen, das Virus läuft auch in M-V. Und meine Verantwortung als Ministerpräsidentin und wir als Landesregierung, wir haben die Verantwortung, den Menschen zu sagen, was ist. Ich würde mir wünschen, dass es anders ist, aber es handelt sich nicht um einen Alptraum, aus dem wir morgens aufwachen können, es handelt sich um die knallharte Realität. Und ich habe die Bitte, dass alle diese Realität zur Kenntnis nehmen.

Man kann über den Weg, über die Maßnahmen unterschiedlicher Meinung sein, aber was nicht geht, ist, dass, wenn es um die Gesundheit der Bevölkerung geht, die Bevölkerung belogen wird, dass man mit Fake News so tut, als gäbe es kein Problem. Das stimmt nicht, es gibt das Corona-Virus! Es gibt die Gefahr des Corona-Virus, insbesondere für ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, wo wir ein Drittel ältere Bevölkerung haben. Da können wir nicht so tun, als gäbe es kein Problem. Und die AfDFraktion, die die ganze Zeit ihren eigenen Streit, ihre eigene unklare Linie übertüncht mit genau diesen Falschbehauptungen, zeigt in dieser Krise, dass unser Land unsicher wäre, wenn Sie hier auch nur ein Fünkchen im Regierungshandeln zu sagen hätten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Es ist unverantwortlich, was Sie tun!

Und deshalb weiß ich es sehr zu schätzen, dass die Abgeordneten von den Fraktionen der SPD, der CDU

und auch der Fraktion DIE LINKE diese Dinge genauso kontrovers beraten, überlegen, die Abwägung treffen, was ist denn jetzt richtig und was nicht. Und es geht an keinem von uns spurlos vorbei, niemand hat den Königsweg. Aber die Voraussetzung für die Bürgerinnen und Bürger, für Verlässlichkeit und Verantwortung ist, dass wir den Menschen diese Fakten nicht vorenthalten und dass wir diskutieren und überlegen – und das tun wir alle Tage und oft bis tief in die Nacht –, wie ist denn jetzt eine gesunde Balance zwischen Schutz der Gesundheit für die Bevölkerung, Schutz unserer Wirtschaft und Arbeitsplätze und Schutz des sozialen Zusammenlebens.

Und da möchte ich mich mal bei den Abgeordneten ganz herzlich bedanken, die in vielen Runden mit uns darüber diskutieren. Und ich finde es gut, dass es heute die Möglichkeit gibt, diese aktuellen Überlegungen der MPK und auch der Kanzlerin hier zur Diskussion zu stellen. Und ich begrüße außerordentlich, dass die drei Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE einen entsprechenden Antrag hier gleich einbringen werden. Und auch Ihre Änderungsvorschläge begrüßen wir als Landesregierung und werden selbstverständlich, wenn es hier zu dieser Beschlussfassung kommt, diese Vorschläge berücksichtigen, so, wie wir es bereits im Frühjahr getan haben.

Ich finde die Debatte, wie kann man zusammenarbeiten, berechtigt. Wir müssen handlungsfähig bleiben, das sage ich auch. Und ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei den Abgeordneten dieser drei Fraktionen, weil ich weiß, dass es keine einfache Diskussion ist. Wer wüsste es nicht, wenn die Ministerpräsidentin und die Ministerinnen und Minister nicht selbst, dass Sie diese Verantwortung übernehmen, dass Sie bereit sind, dass Sie sich nicht einfach nur zurücklehnen und nörgelnd danebenstehen. Das weiß die Landesregierung und ich bin sicher, das wissen die Bürgerinnen und Bürger sehr zu schätzen. Vielen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, diese Diskussion hatten wir auch im Frühjahr. Und da ist es gelungen, mit großer breiter parlamentarischer Mehrheit auch ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger zu senden, dass Maßnahmen notwendig sind und dass wir aber auch bereit sind zu helfen. Und das Frühjahr war wesentlich schwieriger, weil die Maßnahmen noch härter waren. Ich will ausdrücklich sagen, es gab nie einen Lockdown. Lockdown bedeutet, es gibt eine Ausgangssperre. Es gibt keine Ausgangssperre! Es gibt einzelne Regionen in Deutschland, wo das notwendig geworden ist, zum Beispiel in Bayern. Gucken Sie sich die Situation in Berchtesgaden an! Berchtesgaden ist übrigens keine Metropole mit Partymeilen, Berchtesgaden ist eine Tourismusregion. Und dort gibt es jetzt einen Lockdown. In Mecklenburg-Vorpommern gab es nie einen Lockdown und keine Ausgangssperre. Was wir im Frühjahr hatten, war ein harter Shutdown mit viel mehr Einschränkungen – Kita, Schule, keine Familienbesuche, keine Reisen. Das wollen wir natürlich verhindern, weil wir wissen, wie hart diese Situation ist für die Menschen, für die Wirtschaft, für das soziale Zusammenleben.

Uns ist aber durch diesen harten Einschnitt gelungen, dass wir die Corona-Welle in den Griff bekommen haben, die erste, und dass wir dann im Frühjahr und Sommer

Schritt für Schritt die Dinge öffnen konnten. Endlich war nach Ostern möglich, auf was wir alle gehofft hatten. Viele Familien konnten wieder Urlaub machen. Und wir konnten wieder den Einzelhandel öffnen. Ja, es ist lästig, beim Einkaufen die Maske zu nutzen. Wem geht es nicht so? Aber es ist immer noch besser, die Maske zu tragen und dafür die Dinge offen zu lassen. Und wir hatten eine sehr gute Tourismussaison. Wir konnten Geburtstage und Hochzeiten feiern, Konfirmation und Jugendweihe. Wir konnten auftanken, Kraft auftanken, die wir jetzt im Herbst und Winter brauchen, denn es gibt einen ganz praktischen Unterschied: Im Frühjahr und vor allem im Sommer war es möglich, dass viele Dinge draußen stattfinden können. Das ist jetzt zunehmend vorbei. Im Herbst und Winter werden alle Dinge nach innen verlagert. Und in den Innenräumen gibt es eine 19 Prozent höhere Ansteckungsgefahr als draußen. Und das erleben wir. Dort laufen die Infektionen schneller. Und ich bin sehr froh, dass wir in allen Branchen gute Schutzkonzepte entwickelt haben.

Und ich will mich bei allen Branchen, gerade die, die jetzt wieder eingeschränkt werden, bedanken für die Schutzkonzepte. Es war nicht umsonst. Wir hatten im Frühjahr und Sommer diese Möglichkeiten, und wir werden diese Schutzkonzepte wieder brauchen, wenn wieder geöffnet wird. Da bin ich ganz zuversichtlich. Aber klar ist, dass diese Konzepte zurzeit nicht ausreichen, um die notwendige Kontaktreduzierung zu machen. Und deshalb möchte ich darum bitten, dass so, wie in der ersten Runde wir auch wieder in dieser Zeit überlegen: Waren die Schutzkonzepte gut? Wollen wir sie jetzt für den Winter an der einen oder anderen Stelle verstärken? Und dann bin ich zuversichtlich, dass wir auch in diesen Branchen wieder vorankommen.