Protocol of the Session on July 2, 2015

An der Landesregierung mag dies zwar möglicherweise vorbeigegangen sein. Sie sagt ja immer: Wieso? Es liegen keine Anzeigen vor. Aber nicht jede Verletzung wird auch angezeigt, das wissen Sie.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Kopfverletzungen gibts auch.)

Allerdings, wenn man mal über die Presse der letzten Monate hinwegschaut, ist es eben nicht so, dass es überhaupt keine Fälle gibt, bei denen Polizeihunde Demonstranten und Gegendemonstranten angreifen, sondern es ist leider immer wieder trauriger Normalfall.

(Michael Andrejewski, NPD: Dann halten Sie mal Ihre Chaoten zurück!)

Bei einer Demonstration gegen die Abschiebung eines dreißigjährigen Somaliers am 10. April 2014 in Göttingen wurden einem Bericht der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ zufolge mindestens zwei Demonstranten von Polizeihunden gebissen. Am 1. Mai 2014 wurde ein Gegendemonstrant, ein Demonstrant gegen eine NPD-Kund- gebung, in Duisburg von einem Polizeihund attackiert und gebissen.

(Udo Pastörs, NPD: Oooh!)

Er wurde, so die „Rheinische Post“, mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht.

(Udo Pastörs, NPD: Dann soll er die Polizisten in Ruhe lassen, dann beißt der Polizeihund auch nicht.)

Bei Gegendemonstrationen gegen drei Kundgebungen der rechtsextremen Partei DIE RECHTE in Dortmund wurde mindestens ein Demonstrant von einem Polizeihund in den Arm gebissen.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Die „Ruhr Nachrichten“ vom 21. Dezember 2014 berichten, die Hundeführer hätten Schwierigkeiten gehabt, den Hund von dem Verletzten zu trennen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nur ein überblickartiger Auszug aus der Presselage des vergan

genen Jahres. Ich möchte auch auf einen Artikel in der OZ vom 21.03.2015 verweisen, wo Herr Michael Ebert, Chef der Rostocker Polizei, gesagt hat – zwar in einem anderen Zusammenhang, ich sage das gleich noch mal, aber der Vollständigkeit halber möchte ich Ihnen das hier vortragen –, Zitat: „Aber auch Hunde sind nicht ganz verlässlich.“ Er meinte in diesem Fall Spürhunde, weil es damals um die Verfolgung des Täters Herrn John, Ralf John, des Gewaltverbrechers, ging. Da hatten die Hunde ja möglicherweise an falschen Stellen angeschlagen,

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

obwohl der Herr John schon an ganz anderer Stelle, nämlich in Berlin war.

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben den auch nicht gefunden, Herr Saalfeld, nicht wahr?)

Aber dieses Zitat ist deswegen wichtig, weil es noch mal darauf hinweist, dass Polizeihunde nicht zu 100 Prozent kontrolliert werden können.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Leider geht aus den drei Presseberichten nicht hervor, ob die Polizeihunde auf Befehl ihres Hundeführers oder aus eigenem Antrieb zugebissen haben.

(Udo Pastörs, NPD: Hundeführer geben keine Befehle, die geben Kommandos.)

Das ist aber für die Bewertung ihres Einsatzes und die rechtliche Bewertung ganz entscheidend.

Nach dem Leitfaden 371 zur Eigensicherung im Polizeidienst darf zwar ein Polizeihund auch ohne Beißkorb geführt werden, damit sich der jeweilige Beamte effektiv vor gegen ihn gerichtete Angriffe schützen kann, dabei hat der Beamte aber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu beachten. Die beschreibt das Oberlandesgericht Hamm aus haftungsrechtlicher Sicht wie folgt, und das trage ich gerne hier vor – das wissen übrigens unsere Beamten auch, aber ich will darauf eingehen, wie schwierig das dann in der Praxis ist –, Zitatanfang: „Darf der Beamte den Hund … ohne Beißkorb führen, muß er ihn soweit beherrschen, daß der Hund nicht willkürlich zubeißen kann. Denn nicht der Hund, sondern der Beamte als Hundeführer muß darüber entscheiden, ob in der konkreten Situation ein tatsächlicher Angriff vorliegt und ob der Hund ihn, den Beamten, durch Zubeißen schützen darf oder nicht. Der Beamte genügt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt deshalb nur, wenn er sicherstellt, daß er, der Beamte, die Situation beherrscht und nicht der Hund.“ Zitatende.

Ich halte das in der Realität für sehr schwierig,

(Udo Pastörs, NPD: Ja, Sie haben auch viel Ahnung von der Sache.)

und deshalb weist jetzt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf hin, dass das in Teilen von Demonstrationen, wo ja das Versammlungsrecht verwirklicht wird, problematisch ist.

Auf den Demonstrationen, die ich beobachtet habe, wirkten die eingesetzten Hunde durchaus aggressiv. Ich kann da von einem persönlichen Fall sprechen.

(Heiterkeit und Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Ich bin mit meinem Landtagsabgeordnetenausweis an einer Polizeisperre vorbeigegangen, und da gab es zwei Möglichkeiten:

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

einen Meter am Hund vorbei oder so ein bisschen drum herum, an einem Geländer vorbei. Da sagten mir die freundlichen Beamten, die wirklich sehr freundlich waren: Gehen Sie bitte mal dahinten rum, nicht so nah am Hund vorbei.

(Manfred Dachner, SPD: Ja, warum wohl, Herr Saalfeld? Warum wohl? – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Na ja, ich glaube, ich sah jetzt nicht so gefährlich aus

(Heiterkeit bei Manfred Dachner, SPD)

und ich wollte auch die Polizisten nicht angreifen, aber wenn selbst die Hundeführer schon empfehlen, doch den Abstand größer zu halten, dann glaube ich,

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

dass diesen Beamten ganz klar ist, dass eben die hundertprozentige Kontrolle nicht möglich ist.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Dass dieser Eindruck nicht täuscht, ja, sogar gewollt ist, Herr Dachner, habe ich dem Artikel „Schnüffler am Werk“ in der Ausgabe 8/2007 des Magazins „Deutsche Polizei“ entnommen. Den möchte ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten. Darin heißt es – und hören Sie sich das bitte genau an –, der Polizeihund sei für Sicherheit im Vorfeld polizeilicher Lagen und Ermittlungserfolge in der Repression längst unverzichtbar. Zitatanfang: „Sein enormes Wahrnehmungsvermögen und die daraus resultierende Unberechenbarkeit für unser Gegenüber, machen den Polizeihund zu einem schlecht kalkulierbaren ‚Gegner‘.“ Jetzt steht ein Zitat im Zitat: „‚Nicht der Förster, sondern die Angst vor dem Förster hütet den Wald‘ – dies kann auch auf den Polizeihund umgelegt werden.“ Zitatende.

(Heiterkeit bei Manfred Dachner, SPD: Wir haben gar keine Förster im Einsatz.)

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Unkalkulierbarkeit ist durchaus Einsatzmittel,

(Michael Silkeit, CDU: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.)

und das ist zumindest dann problematisch,

(Udo Pastörs, NPD: Vermittelte Unkalkulierbarkeit.)

wenn Grundrechte sichergestellt werden sollen. Deswegen fordern wir, dass in Zukunft bei Versammlungen Hunde hier nicht mehr eingesetzt werden sollten.

(Michael Andrejewski, NPD: Am besten auch keine Polizeibeamten. – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Vor der Einreichung unseres Antrages hat sich meine Fraktion, vertreten durch Herrn Suhr, bei der Polizeihundeschule in Klinken über die Ausbildung von Polizeihunden informiert. Leider gab es da terminliche Probleme, sonst wäre ich gerne mitgekommen.

(Udo Pastörs, NPD: Oh wei! Da hätten Sie aber einen großen Bogen machen müssen.)

Polizeihunde, die auf Demonstrationen eingesetzt werden, absolvieren, wie gesagt, vorher eine Schutzhundeausbildung. Davon hat sich die CDU sicherlich auch in Kenntnis gesetzt beziehungsweise sich dessen versichert. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf Gehorsamsübungen gelegt. Die Hunde lernen unter anderem, auf ein Kommando des Hundeführers oder der Hundeführerin den für eine Störung im Sinne des Polizeirechts Verantwortlichen zu packen – nicht zu beißen, sondern zu packen. Deswegen hat man hinterher selten Spuren. Das wusste ich vorher auch nicht, aber das beantwortet möglicherweise die Frage, warum der eine oder andere das dann eben nicht zur Anzeige bringt.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Heiterkeit und Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Die Hunde verbeißen sich also nicht, sie fassen lediglich fest mit den Zähnen zu und lassen auf ein Kommando des Hundeführers auch wieder von dem sogenannten Störer ab.