Protocol of the Session on July 1, 2015

Aber, Frau Drese, an Ihre Adresse: Wir meinen es sehr ernst damit, dass der Landtag mit unserem Gesetzentwurf – und das haben wir ja nicht zum ersten Mal versucht, da gebe ich Ihnen recht und danke auch schön für die Aufzählung –,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass der Landtag hier wirklich ein Stoppzeichen setzt und den Volksentscheid abwartet.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ja, Herr Dr. Nieszery, ich weiß es ja, es macht aus Ihrer Sicht keinen Sinn.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, macht es doch nicht.)

Macht es doch! Macht es doch!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein. Aus meiner Sicht nicht. – Torsten Renz, CDU: Jetzt kommen Sie doch mal mit neuen Fakten!)

Uns hier aber vorzuwerfen, dass es immer nur Schaufensteranträge sind und so weiter und so fort, das stimmt mich schon sehr nachdenklich,

(Egbert Liskow, CDU: Warum?)

weil wissen Sie, es hat sich einerseits schon gelohnt, diese Anträge immer wieder zu stellen, um Ihre Position bezüglich bestimmter demokratischer Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die Ausweisung diesbezüglich, hier von Ihnen am Pult zu hören.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wie Sie wissen, wird sowohl der Richterbund als auch die Rechtsanwalts...,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben wir irgendwas bestritten? Haben wir irgendetwas bestritten? Haben wir das getan? Nein.)

Ja, das haben Sie getan und ich werde Ihnen das auch beweisen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee, habe ich nicht. Dann nennen Sie mal ein Beispiel! Jaja, das will ich sehen. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Und, Frau Drese, auch das wissen Sie: Als das Volksbegehren hier im Landtag abgelehnt wurde, haben wir den Dringlichkeitsantrag gestellt. An diesem Tag gab es zwar aus Kreisen des Koalitionsausschusses die Festlegung, dass man, wenn es dazu kommt, am 6. September den Volksentscheid durchführen wird, aber, auch das wissen Sie, festgelegt wird dieses Datum von der Landesregierung, und das hat sie in der Kabinettssitzung, nachdem wir den Gesetzentwurf hier über einen Dringlichkeitsantrag eingebracht haben, dann auch getan.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Also konnten wir in unserem Entwurf, in der Begründung, nur davon ausgehen, dass im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten des Volksabstimmungsgesetzes vom Prinzip her gesagt wird, spätestens bis dann muss es durchgeführt werden. Auf einen Termin konnten wir uns doch gar nicht festlegen. Dann hätten Sie uns natürlich auch wieder vorgeworfen, dass die Landesregierung das festlegt und nicht wir. Aber so geht das Spiel nun schon seit Wochen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist kein Spiel! Das ist kein Spiel!)

denn wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie in der Aussprache zu unserem damaligen Gesetzentwurf immer die Ausrede: Wo bleibt denn das Volksbegehren? Die Unterschriften sind ja noch nicht da und vieles andere mehr. Nun steht fest, die Volksabstimmung wird am 6. September stattfinden, der Volksentscheid,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

und Sie tun so, als wenn Sie das überhaupt nicht interessiert,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das stimmt doch gar nicht! Ich finde das hoch spannend.)

nicht interessiert in dem Sinne, dass Sie die von Ihnen beschlossene Gerichtsstrukturreform hier im Land umsetzen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Was wir wollen, und darauf zielt unser Gesetzentwurf ab, ist, dass Sie diesen Volksentscheid abwarten sollten, um das Geld im Land zu sparen, denn: Was machen Sie jetzt? In den nächsten Wochen steht Grevesmühlen auf der Tagesordnung.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und?)

Vor dem Volksentscheid steht noch Wolgast auf der Tagesordnung, danach Demmin. Sie setzen um, das kostet das Land viel Geld, und wir meinen: Stoppen, aussetzen, und zwar unter dem Gesichtspunkt, wenn sich das Volk am 6. September für die Gerichtsstrukturreform in Ihrem Sinne ausspricht, dann können Sie ja weiter umsetzen, dann sind alle demokratischen Rechte, die die Bürgerinnen und Bürger haben, ausgeschöpft. Das wissen wir. Wenn es aber Nein sagt, müssen Sie am nächsten Tag alles wieder zurückdrehen, und was das für Auswirkungen hat, das haben Sie selbst im Rechts- und Europaausschuss hinterfragt, wenn ich mich recht erinnere.

Wir haben also aus zwei Gründen hier noch mal diesen Antrag gestellt, nämlich unter Berücksichtigung der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger: Wie geht der Volksentscheid aus, sagt er Ja zum vorliegenden Gesetzentwurf der Initiatoren des Volksbegehrens oder lehnt er diesen Gesetzentwurf ab? Wir gehen davon aus, die Bürgerinnen und Bürger sagen Ja zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.

Nun wird uns immer vorgeworfen, dass wir teilweise was Schwarzes an die Wand malen in Bezug auf das OVGUrteil. Auch da muss ich Ihnen sagen – Frau Drese, das wissen Sie als Rechtsanwältin genauso gut wie ich –, selbstverständlich hat das OVG gesagt, die Landesregierung kann eine Zweigstellenverordnung machen. Den Ermächtigungsspielraum hat sie, das hat auch niemand abgestritten, aber sie kann nicht in die Rechte der Präsidien eingreifen. Die Rechte der Präsidien sind, alle richterlichen Aufgaben eigenständig zu entscheiden,

(Stefanie Drese, SPD: Ja.)

und das ist der Punkt.

In der Zweigstellenverordnung ist aber ganz ausdrücklich festgelegt, welche inhaltlichen Fragen oder welche fachlichen Fragen innerhalb der einzelnen Zweigstellen geklärt werden sollen oder draufgesetzt.

(Stefanie Drese, SPD: Aber das bedeutet doch nicht automatisch das Ende der Zweigstellen.)

Das bedeutet zum Beispiel, Demmin ist für Familienrechtssachen zuständig, als Zweigstelle, und wenn das Präsidium Neubrandenburg sagt, Amtsgericht, nein, machen wir nicht, dann ist es diesen Zweig los.

(Stefanie Drese, SPD: Und wenn das Präsidium sagt, mach noch mehr, dann ist das so.)

Und wenn diese Entscheidung, Frau Drese, dazu führt, dass die Zweigstellen ausgedünnt werden, die inhaltli

chen Fragen, dann bedeutet das, dass die Zweigstellen immer weniger Bedeutung haben werden und sich der Verwaltungsaufwand immer mehr erhöhen wird für die Amtsgerichtsdirektoren. Und das wissen Sie! Das war nämlich auch ein Grund, die Zweigstellen in unserem Land in den letzten Jahren zu schließen.

Dazu kommt, dass wir als Land und auch die Justizministerin da nicht einschreiten können, aber wir sind zuständig für die materiellen und finanziellen Voraussetzungen. Das heißt, wenn die Präsidien jährlich festlegen, welche Aufgaben die Zweigstellen haben werden, müssen wir die materiell-technische Basis zur Verfügung stellen.

(Stefanie Drese, SPD: Müssen wir doch aber jetzt auch.)

Nun kann man ja übertrieben sagen, das Amtsgericht in Stralsund könnte sagen, alles, was an richterlichen Aufgaben anfällt – da wohnt nur ein Richter in Bergen –, ziehen wir uns nach Stralsund. Dann können wir nichts dagegen tun!

Und jetzt gucken wir uns mal die Situation in Stralsund an. Erinnern Sie sich bitte! In der ersten Debatte war noch davon die Rede, dass wir in Stralsund das Justizzentrum aufstocken müssen, weil der Platz vielleicht nicht ausreicht. Von diesem Vorhaben sind Sie ja abgegangen, weil die Kosten zu hoch waren. Im Justizzentrum in Stralsund wurden dann alle möglichen Räume zur Verfügung gestellt, damit alle Aufgaben in Stralsund abgeleistet werden können und die Personen, die dort hinkommen, auch Platz haben. Wenn es aber so kommt, dass das Präsidium in Stralsund sagt, bestimmte Aufgaben ziehen wir uns nach Stralsund, heißt das Platzmangel, und dafür sind wir zuständig.

Nun wird das sicherlich nicht von heute auf morgen kommen, davon bin ich überzeugt. Da brauchen wir keine Angst zu haben. Aber die Zeit wird dafür arbeiten, dass die Zweigstellen an Bedeutung verlieren, und dann hilft uns auch die rechtliche Festschreibung im Gesetz nicht. Denn dann werden Sie uns hier ein Gesetz vorlegen mit der Maßgabe, die Zweigstellen aufzuheben, weil sie nicht effektiv arbeiten, weil die Zeiten der Abschlüsse, der Eingänge und alles Weitere sich verlängert haben und damit die Effizienz der Gerichte nicht mehr gegeben ist und so weiter und so fort. Mit Koalitionsmehrheit werden Sie den Gesetzentwurf dann wieder ändern und die Zweigstelle X entfernen, die Zweigstelle Y – peu à peu, also so richtige Salamitaktik.

(Egbert Liskow, CDU: So machen wir das.)

Und das sind die Auswirkungen.

Unter diesem Gesichtspunkt bin ich schon der Auffassung, dass wir heute den Mut finden sollten, noch in dieser Woche die Zweite Lesung durchzuführen, mit der Mehrheit des Landtages die Umsetzung zu stoppen und den 06.09. abzuwarten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Im Moment reicht es knapp.)

Nicht mehr und nicht weniger will dieser Gesetzentwurf. Ich glaube, das sind wir den Initiatoren und insbesondere den 140.000 Bürgerinnen und Bürgern, die für das Volksbegehren unterschrieben haben, schuldig.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eins sagen: Hier wird immer so getan, als ob das OVG-Urteil, weil es schriftlich noch nicht vorliegt, keine Auswirkungen haben wird oder sonst etwas. Fest steht aber, dass dieses Urteil ein Feststellungsurteil ist. Und auch da sage ich Ihnen, Frau Drese, das wissen Sie.

(Udo Pastörs, NPD: Da bin ich mir nicht so sicher.)