Schaut man sich die Historie des Teilzeit- und Befristungsgesetzes an, der Kollege Suhr ist darauf eingegangen, dann stellt man fest, dass die rot-grüne Bundes- regierung 2001 zwar festlegte, dass ein Arbeitnehmer nicht ohne Sachgrund mehrfach hintereinander beschäftigt werden kann, allerdings kann seitdem der sachgrundlos befristete Vertrag ja binnen zwei Jahren dreimal verlängert werden, dazu kommen noch Sonderregelungen.
Die Möglichkeit, mit Sachgrund zu befristen, gibt es schon länger, und man sollte meinen, die Nutzung dieser Variante sei weniger problembehaftet als die andere, ist sie aber leider nicht. Ein Beispiel: So erhielt eine Justizangestellte aus Nordrhein-Westfalen 13 befristete Verträge binnen elf Jahren. Die Frau zog vor Gericht und 2012 entschied der Europäische Gerichtshof leider,
dass die mehrfache Befristung von Arbeitsverträgen in ihrem Fall, da jeweils Sachgründe vorlagen, nicht gegen europäisches Recht verstößt. Er trug den deutschen Gerichten lediglich auf, darauf zu achten, dass Befristungsmöglichkeiten nicht zu Ungunsten der Beschäftigten ausgenutzt werden. Klarer ist durch dieses Urteil leider gar nichts geworden und folglich hat das BAG in mehreren Verfahren zwischenzeitlich auch unterschiedliche Entscheidungen getroffen.
Fakt ist dagegen, dass Arbeitgeber befristete Beschäf- tigungsverhältnisse bevorzugen, weil die konkreten Arbeitsbedingungen zweitrangig sind. Wegen der Hoffnung der Beschäftigten auf eine Festanstellung können sie Bezahlung, Arbeitszeit, Urlaub und alle weiteren Beschäftigungsbedingungen leichter diktieren. Bemerkenswert ist ferner, dass die europäische Befristungsrichtlinie ja eigentlich vorgesehen hat, den Missbrauch von be- fristeter Beschäftigung zu Ungunsten unbefristeter Beschäftigung einzudämmen. Angesichts der Praxis in vielen deutschen Unternehmen ist dieses Ziel allerdings klar verfehlt worden, dazu noch zwei Beispiele aus der Praxis:
Ein Postzusteller aus den neuen Ländern erhielt nach Abschluss seiner Ausbildung 30 befristete Verträge binnen drei Jahren mit einer Laufzeit zwischen einem und sechs Monaten. Er beklagte in einem Gespräch bei seiner zuständigen Gewerkschaft, dass er praktisch nie wisse, welcher Zustellbezirk ihm in der kommenden Woche zugeteilt wird und wie die Einsatzzeiten seien. Da das Teilzeit- und Befristungsgesetz eine derartige Aneinanderreihung befristeter Verträge ja nur mit Sachgrund vorsieht, wurden diese konstruiert. In jedem Vertrag stand ein neuer Name, für den jeweils Vertretungsdienste zu leisten seien. Stutzig wurde der Kollege, als er eines Tages seinen eigenen Namen als zu vertretende Stammarbeitskraft in einem Vertragsentwurf fand.
Ein anderes Beispiel: Eine Gymnasiallehrerin aus den alten Bundesländern arbeitete zwischen 1985 und 2009 mit nicht weniger als 20 befristeten Verträgen, darunter waren Jahresverträge, aber auch solche für drei oder sechs Monate. Nachdem die Kollegin dann zwischen 2003 und 2009 durchgehend befristet beschäftigt wurde, klagte sie endlich gegen diese Kettenbefristung. Leider verlor sie den Prozess, da aus Sicht des Gerichtes jeweils Sachgründe vorlagen. Als ihr letzter Vertrag auslief, stand sie auf der Straße und hat bis heute keine neue Anstellung gefunden. Auf Nachfrage, warum ihre Bewerbungen keine Berücksichtigung mehr fanden, wurde ihr offen erklärt, dass sie in der Region keine Anstellung mehr finden werde, weil ihr ehemaliger Schulleiter sich dafür starkgemacht habe.
Ich verzichte an der Stelle auf weitere Aufzählungen. Es gibt viele weitere Beispiele, die der DBG 2013 in einer Dokumentation „Interviews und Erfahrungsberichte aus der Arbeitswelt“ veröffentlicht hat. Dort machen auch Betriebsräte aus renommierten Unternehmen deutlich, dass seit der Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes verstärkt auf diese befristeten Vertragsformen gesetzt wird. Nach ihrer Auffassung werden Befristungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft und oftmals haben nur noch Spezialisten eine Chance auf den sofortigen Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages. Irgendwie passt diese ganze Praxis nicht zu der auch in diesem Haus mit Blick auf die demografische Entwicklung formulierten Sorge um die Sicherung des Fachkräftebedarfs und die dazu geäußerten Dinge. Stattdessen ist leider auch hierzulande für einige Tausend Kolleginnen und Kollegen die Tatsache „Hire and Fire“ teilweise jahrelange traurige Realität und deswegen bleibt meine Fraktion auch nach der heutigen Debatte dabei, das beste Argument für ein berufliches Engagement hierzulande sind sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist etwas traurig, dass Sie sich dieser Diskussion, die durch Frau Tegtmeier angeregt wurde, der man sich auch stellen sollte, dass Sie sich hier nicht einer Lösung stellen. Meine Frage wäre nämlich gewesen – um es vorwegzunehmen, ich kann die Lösung auch nicht präsentieren, aber wenn wir den Umstand haben, so, wie Frau Tegtmeier es hier ausgeführt hat und Sie selbst jetzt auch noch mal darauf eingegangen sind –: Wenn der Befristungsgrund die Finanzierung aus Haushaltsmitteln ist, zum Beispiel eben aus dem Haushalt der Stadt Schwerin, und ein kleiner Verein, der im Ehrenamt geführt wird, auf die Mittel angewiesen ist und nun jährlich die Gewähr hat, dass diese Mittel kommen, wie wollen Sie jetzt diesen Verein in die Lage versetzen, dass der ein Arbeitsverhältnis unbefristet abschließt?
Wenn Sie da eine Lösung haben, dann sollten Sie die hier bitte präsentieren! Und was machen Sie? Sie nehmen das Beispiel von Frau Tegtmeier und sagen, das wird von Juristen kritisch gesehen. Das ist für Sie dann
auch wenn es nicht das Anliegen dieses Antrages ist, Sie stellen trotzdem diesen Arbeitsmarkt bezüglich der Befristung ohne sachlichen Grund dar, als wenn wir in Deutschland Wildwestzustände haben. Sie tun so, als ob am Arbeitsmarkt passieren kann was will. Und so lapidar sagen Sie, dann gibt es noch zig Ausnahmen. Deswegen ist es mir noch mal wichtig, den Zustand in Deutschland in diesen drei Punkten, die in Paragraf 14 festgelegt sind, hier darzustellen.
Der erste Punkt im Absatz 2 ist klar definiert: Ohne Sachgrund dürfen Sie nur zwei Jahre befristet beschäftigen. Punkt. Was anderes gibt es da nicht.
Dann kommt der nächste Punkt, da kommen Sie mit Ihren Sonderfällen. Da will ich mal sagen, was ein Sonderfall ist.
Im nächsten Absatz steht nämlich: „In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist“ ohne Sachgrund eine Beschäftigung befristet möglich.
Und da frage ich mich, warum hat der Gesetzgeber das so getan. Weil es nämlich aus meiner Sicht Sinn macht, das ist ganz klar arbeitgeberfreundlich, wenn sie in die Arbeitswelt starten, am Wettbewerb teilnehmen. Warum soll dann dieses Mittel gestrichen werden als ein Grund ohne Sachgrund, obwohl es ja im Prinzip schon ein Sachgrund ist?
Ein zweiter Sonderfall, und viel mehr finden Sie in dem Gesetz gar nicht, ist dann hier definiert: Für die Dauer von fünf Jahren können Sie ohne Sachgrund einen Arbeitsvertrag abschließen, wenn der Arbeitnehmer 52 Jahre oder älter ist. Auch hier sage ich, was hat der Gesetzgeber sich dabei gedacht – ich glaube, eine sinnvolle Lösung im Interesse von älteren Arbeitnehmern, dass sie in Arbeit kommen.
Und dann haben wir hier keine Wildwestzustände und unendlich viele Ausnahmeregelungen, sondern das sind diese drei Dinge, die ich eben benannt habe.
Am Ende will ich Ihnen sagen, wenn wir darüber diskutieren wollen, diese sachgrundlose Beschäftigung abzuschaffen – was ja zum Beispiel CDA fordert –, und Sie den Sachgrund nehmen, die acht Punkte, die dort auf-
geführt sind, und die zwei Punkte, die ich eben benannt habe – einmal mit dem Lebensalter und einmal mit der Gründung der Firmen –, reinpacken in den Absatz 1, haben Sie nämlich schon einen Sachgrund. Und dann ist es aufgrund der Arbeitsmarktlage tatsächlich fast wurscht – so will ich das mal formulieren –, ob es diesen einen Passus „sachgrundlos“ noch gibt.
Also darüber könnte man gerne diskutieren, aber nicht so, wie Sie den Antrag gestellt haben: Hier mal im Ab- satz 1 das Wort „zwei“ einfügen – oder je nach Wetterlage kann es auch eine andere Zahl sein, die eingefügt werden soll –,
und uns das als riesigen Antrag vorlegen. Also da kann ich nur noch mal wiederholen, das lehnen wir ab. – Danke schön.
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3888 zur Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt da- gegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3888. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3888 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU, einigen Gegenstimmen aus der Fraktion der NPD sowie Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einigen Stimmen der NPD abgelehnt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Mittwoch, 3. Juni 2015, 10.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ein schönes Wochenende!