Protocol of the Session on April 23, 2015

Wir haben nun von Herrn Minister Backhaus gehört, es sei Rechtssicherheit geschaffen worden und Großinvestitionen wie Nord Stream und so konnten gemacht werden. Offensichtlich ist es mit der Rechtssicherheit nicht so weit her, sonst hätten wir jetzt nicht nur ein Pilotverfahren,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

sondern schon ein Vertragsverletzungsverfahren, was uns in dem Mahnschreiben ja auch vorliegt.

(Minister Dr. Till Backhaus: Mit der Meldung sind die gesichert, die Gebiete. Da hat sie wohl nicht zugehört.)

Selbst wenn die Auffassung geklappt hätte, die Sie hier geschildert haben, dass die NSG nach Bundesnaturschutzgesetz hätten reichen können, auch für die EUKommission, um dann FFH-konform gelten zu können, selbst wenn das geklappt hätte, was nun bundesweit – Sie haben das geschildert: andere Rechtsauffassung – gescheitert ist, welchen Erfüllungsgrad hätten wir dann jetzt in Mecklenburg-Vorpommern? Zehn Prozent? Wie viel wäre es denn? Ich weiß es nicht. Meine Anfrage ist ja schon etwas her, da waren es 26, ganze 26 dieser 235 Gebiete, für die es NSG-Ausweisungen gab. Selbst wenn es geklappt hätte, hätten wir jetzt das gleiche Dilemma, auf jeden Fall in diesem Bundesland.

Eine andere Frage stellt sich zu der Landesverordnung, die jetzt schon mehrfach angekündigt wurde. Wie ist denn bei einer solchen Landesverordnung die Bürger- beteiligung? Eine Landesverordnung ist ein Paket aus einem Guss. Wie soll denn vor Ort die Bürgerbeteiligung stattfinden? Das ist eine völlig ungelöste Frage.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das hat doch alles stattgefunden. Die sind festgesetzt.)

Sie sagen, bis zum Jahresende 2015 könnte die Landesverordnung in Kraft treten, sagen aber gleichzeitig, eine anlastungsfreie Umsetzung würde wegen Personalengpässen schwierig werden. Auch das sind lauter ungelöste Fragen.

Ich verstehe den Widerstand der Fraktionen gegen diesen Antrag nicht, denn der Punkt 1 unseres Antrages ist fast genau das, was das Mahnschreiben sagt: Bis Ende 2015 soll dieses Bundesland, nicht irgendein anderes, sondern genau dieses Bundesland, Artikel 4 Absatz 4 umsetzen.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Wir schreiben nichts anderes als das, was die EUKommission in ihrem Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland ganz klar verlangt, das ist frisch auf dem Tisch. Deswegen kann ich nicht nachvollziehen, dass das nicht geteilt wird.

Dann die 16 Millionen: Ja, das ist eine Größenordnung, Frau Dr. Schwenke hat es auch erwähnt und angesprochen. Da würde sich mir jetzt die Frage stellen, wie viel Geld ich für einen einzigen solchen Plan denn brauche. Wie würde sich das dann realisieren lassen? Reicht das aus? Muss da nachgebessert werden? Das sind Fragen über Fragen.

(Minister Dr. Till Backhaus: Große Gebiete, kleine Gebiete, ganz kleine Gebiete.)

Dann die fünf zusätzlichen Stellen, die durch Verschiebungen gewonnen werden: Die sind befristet, das ist nachvollziehbar, es ist eine begrenzte Aufgabe, die Befristung kann ich nachvollziehen. In den StÄLU sollen

also fünf befristete Stellen geschaffen werden. Im Grunde geht es ja fast um 100 Prozent der Aufgabe, die noch zu schaffen ist. Durch das Mahnschreiben haben wir ja diese 98 Prozent der Nichterfüllung auf dem Tisch.

(Bernd Schubert, CDU: Die werden doch sowieso eine Kleine Anfrage stellen.)

Fünf Menschen, die hoffentlich hochgradig qualifiziert sind, sollen dann auch nur beaufsichtigen, wie die Auftragsvergabe und Auftragserfüllung durch die Büros stattfinden. Und wir haben es schon gehört, Frau Schwenke ist darauf eingegangen, die Büros reißen ja mittlerweile wirklich die Hufe hoch, denn die Experten fallen nicht vom Himmel.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Hier ist einfach über die Jahre hinweg Raubbau betrieben worden, zu wenig Arbeit erfüllt worden und auch zu wenig ausgebildet worden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tja.)

Wenn wir uns einmal Brandenburg angucken: Nur dort ist ein ganz anderer Erfüllungsgrad nachzulesen. Dort sind alle FFH-Gebiete als NSG ausgewiesen worden. Wenn wir uns Niedersachsen angucken, auch dort ist es komplett geschafft worden. Ich vermute mal, zehn Prozent sind geschafft worden.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Meine Anfrage ist zwei Jahre alt, vielleicht sind es ja mittlerweile schon mehr als 14 Gebiete, für die eine solche NSG-Verordnung vorliegt.

Dann gibt es auch aus eigener Verlautbarung des Landes ganz klare Arbeitsaufträge, die in die Richtung gehen, die wir hier einfordern. Sie brauchen nur einmal in das Konzept zur Erhaltung der biologischen Vielfalt hineinzuschauen. Da sehen wir ganz genau, was passieren muss. Auch hier weise ich noch mal darauf hin, dieses Thema wird uns in den kommenden Haushaltsberatungen vertieft beschäftigen. Wir werden uns diesem Thema widmen und wir werden sicherlich nicht die Einzigen sein, die bestimmte Anträge dazu stellen.

Eine Erwähnung muss noch gemacht werden: Auch in einem Statusseminar, was im Jahr 2011 stattgefunden hat, gab es schon Kernforderungen zum Stand des Natura2000-Systems in Mecklenburg-Vorpommern. Das war ein Statusseminar in Güstrow, wo Fachleute aus der Umweltverwaltung, aus Fachbüros und aus den Umweltverbänden zusammenkamen. Die haben die damals vorliegenden Arbeitsergebnisse und die damals – es ist ja gar nicht lange her – notwendigen Schritte in einem Sonderband zusammengefasst. Auch dort kann man nachlesen.

Es ist also wirklich nicht überraschend. Die Situation, in der wir uns jetzt befinden, ist nicht aus heiterem Himmel wegen differierender Rechtsauffassungen, wie Herr Minister das geschildert hat, eingetreten. Nein, man ist sehenden Auges hier in die Kurve gefahren, und ich habe die Befürchtung, wir könnten da einen üblen Unfall erleiden.

(Minister Dr. Till Backhaus: Komisch, alle Länder, alle 16.)

Ich schließe mich natürlich dem Antrag der Überweisung in den Ausschuss an. Selbst wenn das nicht gelingen wird, was sich ja schon ein bisschen abzeichnet, werden wir uns dem Thema dann eben im Ausschuss auf andere angemessene Art und Weise widmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3909(neu) in den Agrarausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3909(neu). Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3909(neu) bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Steigende Armut ernst nehmen und Ursachen bekämpfen, Drucksache 6/3889.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Steigende Armut ernst nehmen und Ursachen bekämpfen – Drucksache 6/3889 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wiederholt thematisiert die Linksfraktion Armut und die Bekämpfung der Ursachen von Armut im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, und dies zum einen aus prinzipiellen Gründen, denn Armut grenzt von gesellschaftlicher Teilhabe aus, Armut macht krank, ja, Armut verringert die Lebenserwartung, wie einige Untersuchungen zeigen, zum Beispiel die von Professor Rosenbrock und anderen, Armut spaltet die Gesellschaft und gefährdet somit den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Armut zu thematisieren, ist aber aus zwei Gründen auch ein aktueller Anlass und geboten, denn zum einen haben wir seit einigen Wochen den aktuellen Bericht zur Armutsentwicklung vorgelegt bekommen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und zum anderen gibt es einige Äußerungen der Bundesarbeits- und Sozialministerin Frau Nahles, die darauf hindeuten,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Armut ist mal zu definieren.)

dass man geneigt ist, die Definition von Armut zu verändern, um so Armut wegzudefinieren.

Zunächst zum Bericht des Paritätischen. Frau Nahles ist nachzulesen in der „Zeit“ und in der „Süddeutschen Zeitung“ Ende März dieses Jahres.

(Patrick Dahlemann, SPD: Ja, wir definieren das. – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Ich gehe nachher noch mal darauf ein, Herr Dachner, gern, weil ich merke, dass Sie ein besonderes Interesse daran haben, was Ihre Parteikollegin auf Bundesebene so verzapft.

Ja, zunächst zum Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Im Feststellungsteil unseres Antrages haben wir Kernpunkte dieser umfangreichen Analyse herausgearbeitet. Armutsbekämpfung ist eine gesellschaftspolitische, eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und die beginnt damit, sich die Dimension von Armut vor Augen zu führen, deshalb unser Feststellungsteil, deshalb wurden die Kernpunkte herausgearbeitet.

Der erwähnte Bericht weist aus, dass bundesweit die Armut steigt und mit einer Quote von aktuell 15,5 Prozent mittlerweile einen neuen Höchststand erreicht hat. Was bei uns hier in Mecklenburg-Vorpommern Besorgnis finden muss, ist, Mecklenburg-Vorpommern hat, so weist es dieser Bericht aus, einen überproportionalen Anstieg der Armut und ist weiterhin das Flächenland mit der höchsten Armutsquote in der gesamten Bundesrepublik. Nahezu jede vierte Einwohnerin beziehungsweise jeder vierte Einwohner ist hierzulande von Armut betroffen beziehungsweise bedroht.

Der anhaltende Anstieg der Zahl armer Menschen muss zunächst verwundern. Erst gestern hat Bundesminister Gabriel die Prognose für das Wirtschaftswachstum, also die Grundlage des volkswirtschaftlichen Reichtums, nach oben korrigiert. Sie haben vielleicht auch gelesen, dass es ursprünglich die Erwartung gab, dass das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent steigen wird. Nun hat Bundesminister Gabriel gestern verlautbart 1,8 Prozent, und was die Exportquote betrifft, hat man ebenfalls nach oben korrigiert von 3,6 auf 4,7 Prozent. Erst gestern haben wir vom hiesigen Wirtschaftsminister – ach, Herr Glawe sitzt vor mir –, erst gestern haben wir, Herr Glawe, von Ihnen erfahren, dass sich die Zahl der Arbeitslosen seit 2006 von 211.000 Arbeitslosen auf durchschnittlich 93.100 im vergangenen Jahr verringert hat.

Wie geht das zusammen, muss man sich fragen, wenn das Bruttoinlandsprodukt steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt und dann aber die Armutsquote steigt? Offenbar geht der zunehmende volkswirtschaftliche Reichtum mit einer immer größeren Ungleichverteilung einher und offenbar ähnelt der Beschäftigungsboom einer Scheinblüte, denn die erhöhte Anzahl der Erwerbstätigen geht einher mit einer Aufspaltung zahlreicher Arbeitsverhältnisse in mehrere geringfügige und prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder in sozialversicherungspflichtige Teilzeitverhältnisse, darüber hat mein geschätzter Kollege Henning Foerster hier schon mehrfach gesprochen.

Es bewahrheitet sich also die Brecht‘sche Parabel, die da lautet:

„Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: ‚Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.‘“

Armutsbekämpfung verlangt demzufolge Verteilungsgerechtigkeit, und noch weiter gefasst, Armutsbekämpfung verlangt mit dem Blick auf die konkrete Situation der Einzelnen beziehungsweise von Personengruppen einen systemischen Ansatz. Es geht somit um die Veränderung von gesellschaftlichen Verhältnissen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.)