Protocol of the Session on April 23, 2015

Weder die Justizministerin noch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD Fraktion, Heinz Müller, haben diesen Umstand gewürdigt beziehungsweise den Vertretern ihren Glückwunsch ausgesprochen, denn diese haben das Volksbegehren mit viel ehrenamtlichem Engagement umgesetzt und zum Erfolg geführt.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Das ist natürlich auch insofern bemerkenswert, dass SPD und CDU in ihrem Koalitionsvertrag die Stärkung der Bürgerbeteiligung als Ziel verankert haben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass diese in Wahrheit gar nicht gewollt ist. Jedenfalls gab es aus den Reihen der Koalition oder der Regierung keine Versuche, hier etwas zu verbessern. Man hatte eher das Gefühl, dass man vom Souverän doch lieber nicht gestört werden möchte.

Kürzlich erging ja auch die Antwort auf unsere Große Anfrage zur Landesverfassung. Zur Absenkung der Quoren von Volksbegehren und Volksentscheiden hat die Regierung demnach keine Meinung. Ich denke, mit diesem Desinteresse tut man der Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern keinen Gefallen. Wir möchten, dass dieses Volksbegehren gewürdigt wird. Man mag unterschiedlicher Meinung sein über das Anliegen des Volksbegehrens, über den Erfolg dieses Volksbegehrens als Tatsache selbst jedenfalls nicht.

In Punkt 2 des Antrages geht es um die Unterstützung des absehbaren Volksentscheids. Es ist ja kein Geheimnis, dass es einen geben wird. Das hat Herr Müller bereits in der Ersten Lesung angekündigt und auch die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU haben das über die Presse verlautbaren lassen. Es hieß ja, dass vermutlich keine neuen Argumente vorgetragen werden. Dessen war man sich auch sicher, da die Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen an den Finanzausschuss bereits zu einem Zeitpunkt einging, bevor die Anhörung im Europa- und Rechtsausschuss überhaupt durchgeführt wurde.

Ich stelle das an dieser Stelle nur fest, um darauf zu verweisen, dass der Volksentscheid bereits beschlossene Sache ist. Werten möchte ich den Umgang mit dem Volksbegehren in diesem Zusammenhang nicht, was wir aber von der Regierung und dem Landtag erwarten, ist eine Unterstützung des Volksentscheides. Es muss das Ziel aller Demokraten sein, für eine möglichst hohe Abstimmungsbeteiligung zu sorgen. Denken Sie gemeinsam mit mir daran zurück, als wir seinerzeit den Volksentscheid über die Landesverfassung hatten. Es war der bis dahin

einzige Volksentscheid im Land und man warb allerorten für eine hohe Beteiligung. Das war auch richtig so.

Wenn es um Volksentscheide geht, muss der Staat immer ein Interesse an einer hohen Beteiligung haben. Es versteht sich aber natürlich von selbst, dass es lediglich um die Werbung für die Beteiligung geht. Bezüglich des Gegenstandes des Volksentscheides ist es der Regierung verboten, hier einen Abstimmungskampf zu führen. Unser Volksabstimmungsgesetz enthält hierzu keine Regelungen. Allerdings ergibt sich eine Neutralitätspflicht aus den Wahlgrundsätzen.

Der bayrische Verfassungsgerichtshof hat hierzu sinngemäß klargestellt, dass Regierung und Landtag nur insoweit informieren dürfen, wie es um Kenntnisnahme und nicht um Überzeugungsarbeit geht. Das Bundesverfassungsgericht stellt jedenfalls klar, dass die Regierung nicht gleichsam neben den beteiligten Gruppen in den Abstimmungskampf eingreifen kann. Ich kann Ihnen auch versichern, dass man ein Auge darauf haben wird, inwieweit Regierung und Landtag dieser Neutralitätspflicht nachkommen.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir als demokratische Fraktionen uns in Bezug auf unser Anliegen einig sind und Sie unserem Antrag zustimmen können. Würdigen Sie das erste erfolgreiche Volksbegehren in Mecklenburg-Vorpommern und kämpfen Sie gemeinsam mit uns für eine hohe Abstimmungsbeteiligung! – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf aus dem Plenum: Das machen wir gerne.)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Borchardt, Sie haben in Ihren Worten gesagt, dass sich Ihnen ein bestimmter Verdacht aufdränge. Nun, ich will diese Redewendung gern aufgreifen und Ihnen sagen, dass sich mir auch ein Verdacht aufdrängt, der Verdacht nämlich, dass es mit diesem Antrag darum geht, hier ein Thema warmzuhalten, um das mal so salopp auszudrücken, das im Augenblick gar nicht mehr so warm ist, denn erwartungsgemäß war die Debatte um die Zweite Lesung zur Änderung des Gerichtsstrukturgesetzes nicht mehr das, was die öffentliche Meinung noch massiv bewegt. Aus Ihrer Sicht gibt es natürlich Veranlassung, hier nachzulegen, und ich denke, dem dient dieser Antrag.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns uns der Sache zuwenden.

Zunächst einmal, Frau Borchardt, Sie haben hier gerade noch einmal zum Gegenstand gemacht, dass das Abstimmungsergebnis schon feststehe und dass ich das ja schon gesagt habe. Ich will hier gerne dem Sinn nach wiederholen, was ich gesagt habe, und ich will noch mal

sehr deutlich machen, sehr klar unterstreichen, wir haben dieses Gesetz nicht in einem Hoppla-hopp-Verfahren beschlossen, sondern wir haben dieses Gesetz nach sehr ausführlichen Beratungen beschlossen. Es gab umfangreiche Anhörungen, es hat eine Menge an schriftlichem Material vorgelegen, die Argumente dafür und die Argumente dagegen in erheblichem Umfang, das ist unbestritten. Sie haben hier auf dem Tisch gelegen und wir haben diese Argumente abgewogen.

Wir haben in Abwägung dieser Argumente einem Gesetzentwurf der Landesregierung unsere Zustimmung gegeben, der bestimmte Reformen in der Gerichtsstruktur vorsieht, und natürlich stehen wir zu dem, was wir hier beschlossen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich sind wir so souverän, dass wir sagen, na ja, wenn es jetzt neue Argumente gibt, dann überlegen wir neu, oder wenn eine objektiv neue Situation eintreten würde, überlegen wir auch neu. Aber wenn dies nicht passiert, dann haben wir selbstverständlich überhaupt keine Veranlassung, von der Position, die wir bezogen haben, abzuweichen. Ich habe in der Tat meiner Erwartung Ausdruck verliehen, dass ich nicht erwarte, dass sich grundsätzlich neue Argumente ergeben.

Das war ja auch nicht zu erwarten, Frau Borchardt, weil alle Argumente dagegen ja bereits im normalen Gesetzgebungsverfahren vorgetragen worden sind. Insofern ist hier eine Erwartungshaltung gewesen: Wenn es denn keine neuen Argumente gibt, und das ist nicht zu erwarten, dann werden wir selbstverständlich bei unserer Position bleiben. Alles andere wäre doch auch unnatürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Und dann stellt sich die Frage: Missachten wir damit die Unterschriften von 120.000 Menschen in diesem Land? Nein, selbstverständlich tun wir das nicht. Wir haben im Europa- und Rechtsausschuss – Thomas Krüger hat das gemacht – in Anwesenheit der Vertreter des Volksbegehrens dieses ausdrücklich gewürdigt. Der Vorwurf, den Sie uns da machen, ist unhaltbar, um es vorsichtig auszudrücken. Aber ich sage Ihnen auch, wir respektieren nicht nur 120.000 Unterschriften als ein wichtiges Faktum im demokratischen Leben unseres Landes, sondern wir respektieren und achten ebenso den Beschluss dieses Parlaments,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

dieses vom Volk gewählten Parlaments, und fegen den nicht einfach vom Tisch, weil auf der anderen Seite diese Unterschriften gesammelt worden sind. Das wäre allerdings auch im demokratischen Sinne äußerst bedenklich, wenn wir den einfach vom Tisch wischen würden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Grundgesetz – Sie haben das Grundgesetz angesprochen, Frau Borchardt, ich komme gleich noch mal dazu – und unsere Landesverfassung gehen vom Grundsatz der parlamentarischen Demokratie aus, vom Grundgedanken der parlamentarischen Demokratie. Selbstverständlich wären auch andere Modelle möglich, und wenn wir in die regionale und kommunale Situation der Schweiz gehen, dann sehen Sie, dass da sehr wohl andere Modelle praktiziert werden.

(Udo Pastörs, NPD: Sehr fruchtbar.)

Aber in unserem Bundesland und in der Bundesrepublik Deutschland gehen wir von der parlamentarischen Demokratie aus.

Und wenn Sie, Frau Borchardt, eben gesagt haben, das Grundgesetz sei ja für beides, die direkte Demokratie und die parlamentarische Demokratie, dann schauen Sie sich doch bitte das Grundgesetz an! Das Grundgesetz sieht Volksabstimmungen in der Sache nur für einen einzigen Fall, nämlich für die Neuordnung des Bundesgebietes vor. Wir als SPD halten das übrigens für zu wenig. Wir würden hier gern mehr unmittelbare, direkte Demokratie haben,

(Udo Pastörs, NPD: Wollten die Alliierten damals nicht.)

aber die derzeitige Situation ist so.

Auch unsere Landesverfassung sieht in erster Linie die Gesetzgebung durch das Parlament vor. Ich muss Ihnen aus meiner ganz persönlichen Überzeugung sagen, ich halte dies für eine richtige Grundentscheidung unserer Landesverfassung. Ich fühle mich darin, in dieser Form der Demokratie, außerordentlich wohl.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Das glaube ich.)

Ich sehe allerdings auch, und auch das halte ich für richtig, dass es in dieser Verfassung, in dieser parlamentarischen Demokratie die Möglichkeit gibt, parlamentarische Entscheidungen durch eine Initiative des Volkes und eine anschließende Abstimmung des Volkes zu korrigieren. Ja, diese Möglichkeit sieht unsere Verfassung vor und ich halte das für richtig.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, solange eine solche Korrektur nicht erfolgt ist, ist doch die Entscheidung des Parlaments zu respektieren! Und wenn diese Entscheidung des Parlaments durch Volkes Willen korrigiert werden soll, dann stellt sich die nächste Frage, dann stellt sich die Frage – und auch darauf sind Sie eingegangen, Frau Borchardt –, ob denn so ein Quorum richtig ist und ob es die richtige Höhe hat.

Ich halte eine derartige Quorumsregelung für absolut notwendig. Wir würden nämlich sonst in die Situation kommen, dass es relativ kleinen, gut organisierten Gruppen gelingen kann, über direkte Gesetzgebung Mehrheiten ihren Willen aufzuzwingen.

(Udo Pastörs, NPD: Aufzuzwingen!)

Das wäre dann durchaus möglich. Das ist eine Erkenntnis der politischen Praxis und da können wir uns international durchaus umschauen, dass so etwas funktioniert.

Wir brauchen also eine Mindestbeteiligung bei solchen plebiszitären Elementen

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und nicht ohne Grund sieht die ganz große Mehrheit der Länder der Bundesrepublik Deutschland eine solche Mindestbeteiligung vor. Und dann stellt sich die Frage, ob denn unsere mit einem Drittel die richtige Höhe hat. Okay, darüber kann man diskutieren, aber vielleicht orientieren wir uns am leuchtenden Beispiel BadenWürttembergs und lassen alles so, wie es ist, die haben nämlich auch eine Beteiligung von einem Drittel.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, Grundsatz parlamentarische Demokratie: Das Parlament hat

ein Gesetz beschlossen. Es gibt den Wunsch, und die Unterschriften sind da, dies durch einen plebiszitären Akt zu korrigieren. Wir werden, und das sieht das Gesetz vor, als Parlament und als Regierung dazu unsere Meinung sagen. Wir werden begründen, warum wir das getan haben, was wir getan haben, warum wir diesen Beschluss gefasst haben, und wir werden dann in aller Ruhe als staatliche Organe, als Parlament und als Regierung abwarten, was das Volk, was diese Volksentscheidung für ein Ergebnis erbringen wird.

Es ist Aufgabe der politischen Meinungsträger, das heißt, der politischen Parteien, vielleicht der Initiatoren dieser Volksinitiative, vielleicht anderer, Werbung für oder gegen irgendetwas zu machen, das ist nicht Aufgabe des Parlaments und das ist nicht Aufgabe der Regierung. Ganz nebenbei gesagt, wüsste ich auch gar nicht, wie die Regierung denn hier konkret werben soll. Dazu schweigt sich der Antrag auch aus. Aber, wie gesagt, ich halte es auch nicht für sinnvoll, dass dies geschieht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Die Abstimmung selbst wird für genügend Aufmerksamkeit in der Bevölkerung sorgen und wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wir gelegentlich dem einen oder anderen sagen, respektiert doch mal dieses oder respektiert doch mal jenes, sollten in aller Ruhe das Votum des Volkes abwarten und dieses dann respektieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Lieber Herr Müller, ich möchte gleich eingangs auf zwei, drei Anmerkungen eingehen, die Sie gerade vorgetragen haben. Sie sind eingestiegen in Ihrem Redebeitrag – ich hoffe, ich habe das richtig verstanden und gebe das jetzt richtig wieder – mit der Einschätzung – ich sage jetzt nicht Unterstellung –, dieser Antrag würde hier eingebracht werden, weil wir das Thema warmhalten wollten und weil das Volksbegehren, der mögliche Volksentscheid und die Gerichtsstrukturreform nicht mehr so im Fokus der Öffentlichkeit seien.

(Heinz Müller, SPD: Sie haben mich richtig verstanden, Herr Suhr. – Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ganz unrecht hat er da nicht.)

Dass Ihr Fraktionsvorsitzender Ihnen beipflichtet und sagt, so ganz unrecht hat er da nicht, wundert mich jetzt gerade an dieser Stelle nicht besonders, nein.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, das sollte Sie auch nicht wundern. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)