Protocol of the Session on April 23, 2015

Solche Anlagen, solche Tierfabriken gehören geschlossen. Wenn solche Betriebe nach dem geltenden Recht genehmigungsfähig sind, dann stimmt etwas nicht mit den Regelungen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Sehr gut.)

Auch deshalb brauchen wir Bestandsobergrenzen auf wissenschaftlicher Grundlage. Ich wage mir nicht vorzustellen, was im Falle eines Seuchenausbruches in den großen Straathof-Betrieben los wäre. Das wäre geradezu eine Katastrophe.

Wenn wir LINKE über Obergrenzen sprechen, dann reden wir nicht über einheitliche starre Bestandsgrenzen für alle Investitionsvorhaben. Wir sprechen von territorial oder regional ausgerichteten Bestandsgrößen beziehungsweise zulässigen Tierkonzentrationen in den Stall- abteilungen, also von Bestandsgrößen, die sich an den regional vorherrschenden natürlichen Bedingungen messen lassen. Zulässig ist nur so viel Tierhaltung, wie ein Standort und eine Region vertragen. Das ist sicher nicht einfach und es ist deshalb eine große Anforderung an die Agrarforschung, hier etwas vorzulegen. Deswegen die Forderung in unserem Antrag, auf einer wissenschaftlichen Grundlage die Festlegung vorzunehmen.

Dabei müssen auch die Fragen der Besiedlung oder Vorranggebiete für Nutzungen, wie zum Beispiel den

Tourismus, ebenso unbedingt Berücksichtigung finden wie die Möglichkeiten zur Minderung von Lebendvieh, Gülle- und Futtertransporten. Eine an den Boden gebundene bäuerliche Tierhaltung, die wieder zu einem gesunden, notwendigen Kreislauf von Boden, Pflanze, Tier, Boden und damit den Anforderungen an eine wissenschaftliche Fruchtfolge als die hohe Schule der Landwirtschaft gerecht wird, das muss das Ziel sein.

(Beifall Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.)

Dafür muss der Weg geebnet werden, dafür setzen wir uns ein und das meinen wir unter anderem mit einer bäuerlichen Landwirtschaft. Das hat nichts mit der Betriebsgröße zu tun.

Für uns LINKE steht aber auch fest, dass wir die gesamte Verantwortung nicht nur in die Richtung der Landwirte abschieben dürfen. Wenn unsere Gesellschaft eine andere Tierhaltung will, die sich am Tierwohl ausrichtet, dann muss sie auch als Ganzes die Verantwortung übernehmen. Da ist als Erstes die Politik zu nennen, die die Spielregeln festlegt. Da ist der Verbraucher zu nennen, dem absolut klar sein muss, dass er für mehr Tierwohl auch etwas mehr bezahlen muss. Da ist aber vor allem auch der Einzelhandel zu nennen, …

Herr Tack, kommen Sie bitte zum Ende.

… der nicht einfach die Kostenschraube für seine Zulieferer; die Landwirte; immer weiter anziehen kann und gleichzeitig nach nachhaltig erzeugten Lebensmitteln ruft und dann das Prinzip ausgibt: Geiz ist geil.

Ich werde in der zweiten Rede weitere Ausführungen machen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male stehen die Tierhaltung und damit die Landwirtschaft, die Ernährungswirtschaft, der Lebensmitteleinzelhandel und der Verbraucher im Fokus des Hohen Hauses.

Ich finde es gut, dass wir diese Debatte führen und ich nehme für mich und unser Haus, das ich zu vertreten habe, in Anspruch, dass wir über die letzten Jahre hinweg dem Ziel zu einer modernen, artgerechteren Tierhaltung in bäuerlich geprägten Strukturen weitergekommen sind. Ich will das auch untersetzen. Wenn man sich die Zahlen jetzt mal auf der Zunge zergehen lässt, dann bitte ich auch immer wieder zu berücksichtigen, dass wir in den letzten 25 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern 1,7 Milliarden Euro allein in bäuerlich geprägte, modern ausgerüstete Tierhaltung investiert haben,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Trotzdem haben wir nur drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Das ist immer noch sehr wenig.)

ich glaube, das ist ein großer Erfolg für mehr Tierschutz, für mehr Tierwohl und für die Sicherheit von Lebensmitteln. Insofern bin ich auch bereit, ausdrücklich weiter dafür zu kämpfen, weitere und neue Wege anzuschieben, um zu einer gesellschaftlich akzeptierten Tierhaltung zu gehen.

Und wenn Sie heute mal auf die Internetseite unseres Leibniz-Institutes in Dummerstorf gehen würden, dann könnten Sie erkennen, dass zurzeit ein wissenschaftlicher Kongress dort stattfindet, der gerade auch die Frage, wie können wir mit neuen Indikatoren dafür sorgen, dass wir für mehr Tierwohl, aber auch für mehr Tiergesundheit und letzten Endes wiederum für mehr Verbraucherschutz sorgen, diskutiert.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das interessiert Ihre Kollegen von der Regierung nicht. Es ist nämlich keiner da.)

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Diskussion um die Tierbestandsobergrenzen in der Tierhaltung muss einfach weiterentwickelt werden. Ich nehme für mich und unser Haus in Anspruch, dass wir mit dem Masterplanprozess, in den im Übrigen dieses Hohe Haus und alle gesellschaftlich relevanten Gruppen in Deutschland erstmals eingebunden waren, einen Diskussionsprozess angeschoben haben, der nicht nur für Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch für die Bundesrepublik Deutschland Früchte trägt.

Ich habe in den Koalitionsverhandlungen in Berlin ausdrücklich die Forderung aufgemacht, die Diskussion um die sogenannte industrielle Massentierhaltung endlich zu definieren und zum anderen dafür zu sorgen, dass wir diese Obergrenzendiskussion jetzt auf den Weg bringen.

Der Wissenschaftliche Beirat – das wird sicherlich bei Professor Tack noch mal zum Ausdruck kommen heute oder vielleicht auch bei anderen Rednern –, der Wissenschaftliche Beirat hat gerade vor einigen Tagen eine immerhin 474- oder 447-Seiten starke Analyse vorgelegt. Ich fühle mich in dem, was wir auf den Weg gebracht haben in Mecklenburg-Vorpommern durchaus absolut bestätigt. Ja, wir wollen mit der gesellschaftlichen Debatte einen Prozess anschieben, der für mehr Wertschöpfung, für Regionalität, für Qualität, aber auch für Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpom- mern sorgt. Alles andere sind Hirngespinste, die sich der eine oder andere wünschen kann, die aber nicht umgesetzt werden.

Im Übrigen weise ich erstens darauf hin, oft wird der Begriff der Massentierhaltung benutzt, ohne richtig zu wissen, was er bedeutet und wie viele Tiere nun eigentlich wirklich in den Ställen zu viel drin sein sollen. Vielleicht kann der eine oder andere, der diesen Begriff immer wieder auch in den Mund nimmt, das heute mal erklären.

Zweitens. Das Problem ist, dass es bisher keine – ich betone, keine – wissenschaftlichen oder rechtlichen Definitionen für diesen Begriff gibt. Also auch derjenige, der

das verbreitet oder darüber schreibt, sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Drittens. Das führt oftmals zu einem völlig verzerrten Bild, vor allem als wäre Mecklenburg-Vorpommern ein einziger Stall, wenn ich das mal im übertragenen Sinne sagen darf, und das, obwohl wir mehr als jedes andere Bundesland tatsächlich unter Naturschutz gestellt haben und uns letzten Endes damit auch die Verantwortung übernommen haben, für mehr Naturschutz und Umweltschutz zu sorgen.

Und was immer wieder vergessen wird, ist, MecklenburgVorpommern hat die geringste Viehdichte in Europa. Das hat auch etwas mit sozialer Verantwortung und letzten Endes mit dem Erhalt der ländlichen Räume zu tun. Wir brauchen Tierhaltung in unserem Lande, um damit vitale ländliche Räume zu erhalten.

Insofern wird die nicht vorhandene Definition der Massentierhaltung oft leider, betone ich, schamlos für ideologisch aufgeblähte Diskussion ausgenutzt und gleichzeitig wird die Frage, ab wann zu viel ist, sachlich nicht beantwortet. Und das müssen wir versuchen zu erreichen. Wir brauchen eine Versachlichung des Themas, nämlich Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung.

Doch wir müssen auch eine sachliche und vor allen Dingen wissensbasierte Diskussion führen, um in der Frage weiterzukommen. Wie Ihnen bekannt ist, strebe auch ich eine größenmäßige Begrenzung von Tierhaltungsanlagen an. Das habe ich immer wieder gesagt. Für mich gelten die reinen Gewerbeanlagen, die in diesem Lande stehen, nicht dem Leitbild einer landwirtschaftlichen Entwicklung. Im Übrigen, das betone ich noch mal, sind sie auch nicht durch unser Haus genehmigt worden. Dies habe ich in der Öffentlichkeit immer wieder so vertreten und dafür habe ich auch in den Koalitionsverhandlungen in Berlin gekämpft. Leider, leider waren die CDU und insbesondere auch die CSU in den Verhandlungen nicht bereit, sich auf konkrete Zahlen einzulassen.

Aber ich glaube, es ist gut, dass wir jetzt eine wissenschaftliche Expertise des Beirates beim BML haben. Ich bin gespannt, wie der Bund der Anforderung im Koalitionsvertrag nachkommen wird. Doch der Bund ist ganz klar verpflichtet, diese Obergrenzendiskussion zu führen. Hier muss der Bund jetzt noch einen Gang zulegen. Ich gehe davon aus, dass wir das innerhalb dieses Jahres bekommen.

Ich habe schon angedeutet, ich bin froh, dass der Wissenschaftliche Beirat nun grundlegende Änderungen in der Tierhaltung und in der Landwirtschaft angemahnt hat. Das sind im Übrigen die Dinge, die ich seit Jahren hier immer wieder vertreten habe. Doch schreibt auch der Wissenschaftliche Beirat fest, dass das Betriebsmanagement wesentlich wichtiger für das Tierwohl ist, als eine konkrete Tierzahl. Das heißt, die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Tier und letzten Endes damit auch der Betreuung der Tierbestände wird zunehmend deutlicher zum Hauptthema der Zukunft.

Ich glaube, wir haben uns auch richtigerweise durchgesetzt, im Übrigen mit den GRÜNEN-Kolleginnen und -Kollegen in den Ländern zusammen, ich habe mich durchsetzen können, auf Bundesebene mehr und andere und vor allen Dingen neue Tierschutzindikatoren in die Bewertung der Tierhaltung mit aufzunehmen.

Dennoch ist es so, dass ich glaube, dass wir mit diesem Papier auf Bundesebene, aber auch auf Landesebene einen Diskurs aufnehmen werden. Denn für mich steht fest: Es muss eine bodengebundene, bäuerlich ausgerichtete Landwirtschaft, die gesellschaftlich akzeptiert wird, langfristig gewährleistet werden, ansonsten haben wir keine Chance, diesen Volkswirtschaftszweig, der im Übrigen der wichtigste mittlerweile ist in diesem Bundesland, erfolgreich weiter voranzubringen. Alles andere ist auch nicht mehr vermittelbar. Dies hat nichts mit dem Papier der sogenannten Greifswalder Gruppe zu tun. Ich bin der festen Überzeugung, der Prozess im Rahmen des Masterplanprozesses war richtig und die Ansätze sind absolut richtig und zielführend.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen weise ich ausdrücklich darauf hin, dass wir das erste Bundesland sein werden gemeinsam mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die aus dem Schnabelkürzen und dem Schwänzekürzen bei den Ferkeln und dem Schwein mit dem Jahr 2017 und 2018 aussteigen werden. Insofern ist es ein guter Anlass, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Doch wir müssen natürlich auch die Probleme ansprechen dürfen, ohne die ideologischen Scheuklappen wieder schlagartig zu schließen oder auch gegebenenfalls dagegen zu argumentieren. Denn wenn wir derartige Vorgaben für die Tierhaltung einführen wollen und vielleicht auch müssen, sind sie national, besser europaweit einheitlich einzuführen. Alles andere würde zu Wettbewerbsverzerrungen und letzten Endes zu einem Arbeitsplatzverlust führen. Das können wir für unser Bundesland jedenfalls nicht verantworten. Das mögen Städte anders sehen als diejenigen, die in den ländlichen Räumen leben

(Andreas Butzki, SPD: Genau.)

und dort auch in der Zukunft arbeiten wollen. Wir brauchen auch Arbeit und wir brauchen vor allen Dingen eine angepasste und sinnvolle Entwicklung auch in den ländlichen Räumen, was die Landwirtschaft anbetrifft.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Zeiten ändern sich.)

Regionale Lösungen in einer der vier ärmsten Regionen Europas würden damit auch Haltungsbedingungen für Nutztiere nicht generell einfach so verändern oder verbessern, aber schaden gegebenenfalls der Landwirtschaft und unserem Land. Mit 0,4 Großvieheinheiten je Hektar im Vergleich zu den grüngeführten Agrarministerien anderer Bundesländer,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir reden doch jetzt über den Antrag der LINKEN, hören Sie doch mal! – Zurufe von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die zum Teil das Dreifache der Tierhaltung in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein haben, nehme ich zur Kenntnis, dass die viehstarken Regionen erheblichen Anpassungsbedarf haben, um überhaupt die 2-GVGrenze zu erreichen.

Für uns gilt im Übrigen schon seit Jahren – auch da sind wir Vorreiter, leider wird das nie zur Kenntnis genommen –, dass wir die 2-GV-Grenze, von der Professor Tack gesprochen hat, in unsere Agrarförderinstrumentarien voll aufgenommen haben. Es werden keine Betriebe gefördert, die mehr als zwei GV pro Hektar in Mecklenburg-Vorpommern halten.

(Thomas Krüger, SPD: Genau so.)

Das heißt in der Konsequenz, dass wir nur bäuerlich geprägte Betriebe,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ob in ökologischer Form oder in konventioneller Form, in unserem Bundesland fördern, und dieses im Übrigen noch mit vier Indikatoren ausdrücklich verstärkt versetzt haben.

In Mecklenburg-Vorpommern werden im Übrigen alle Tierarten, mehr als 50 Prozent der Tiere, in Anlagen gehalten, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigt worden sind. Dafür ist nicht das Haus, was ich vertrete, zuständig. Im Geflügelbereich sind es im Übrigen sogar bis zu 95 Prozent, bei den Sauen sind es 97 Prozent.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)