Protocol of the Session on March 13, 2015

der Antrag ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn man feststellt, dass es ein Marktversagen gibt, wo die Politik gegensteuern muss, indem sie in diesen Markt eingreift. Das ist die Erkenntnis, die wir zurzeit auf dem Energiemarkt haben. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum das Ganze so ist, aber es ist trotzdem interessant, dass wir uns jetzt damit beschäftigen.

Wenn wir allerdings als Politik in diesen Markt eingreifen, dann ist es sinnvoll, sich genau kundig zu machen, was auf diesem Markt läuft und warum bestimmte Sachen schieflaufen, und nicht nur das Symptom zu sehen und zu sagen, aha, das ist jetzt die Sache, die schiefläuft, wir hätten gerne mehr Kraft-Wärme-Kopplung, da sind wir uns politisch alle einig, sondern was sind die Ursachen dafür, dass es das nicht gibt.

Ich sitze im Aufsichtsrat der Stadtwerke Rostock und wir haben Ende des letzten Jahres die Entscheidung getroffen, die drei GuD-Turbinen des Kraftwerkes Rostock in den nächsten Jahren abschnittsweise zu erneuern. Wir müssen dazu nicht das ganze Kraftwerksgebäude austauschen, sondern nur die Turbinen selbst.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das Spannende ist, wir haben diese Entscheidung getroffen, obwohl der Markt momentan angespannt ist für Stromerzeugungsanlagen aus Gas. Die Geschäftsführerin hat uns versichert, dieses Kraftwerk werden wir auch am derzeitigen Markt so finanzieren können.

Das deutet darauf hin, dass bestimmte Kraft-WärmeKopplungs-Anlagen unter bestimmten Bedingungen mit dem Markt momentan noch klarkommen. Das ist für mich auch ein ganz wesentlicher Grund, warum ich sage, lasst uns da sehr differenziert in diese Diskussion gehen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Was wir alle vermeiden wollen, sind Mitnahmeeffekte, dass Kraftwerksbetreiber, die im Moment noch Geld verdienen, einfach noch eine Schippe obendrauf kriegen, aber wir trotzdem Kraftwerke, die wir eigentlich retten wollen, nicht nach vorne bekommen.

Ein erster Unterschied, den ich schon mal feststellen kann, ist, dass wir tatsächlich klar sagen würden, KraftWärme-Kopplungs-Anlagen, die ihre Primärenergie aus Braunkohle und Steinkohle ziehen, wollen wir eigentlich nicht länger über den Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus führen.

(Egbert Liskow, CDU: Haben Sie mit der LINKEN schon mal gesprochen, mit Frau Gramkow?)

Das ist uns ein wichtiges Anliegen, weil das eine Möglichkeit ist, um in einen Markt einzugreifen, der im Moment schiefläuft. Und wir sind uns alle einig, die massiv niedrigen Strompreise haben nicht nur – auch – mit immer mehr Erzeugungsanlagen aus regenerativen Energien zu tun, die in einen Markt einspeisen, sondern haben im Moment auch etwas damit zu tun, dass es ein Überangebot von Kraftwerkskapazität am Markt gibt.

Deswegen ist einer der wichtigsten Vorschläge, der auch in der GRÜNEN-Bundestagsfraktion vertreten wird, die zehn schmutzigsten Kohlekraftwerke möglichst schnell

vom Netz zu nehmen, um wieder einen Markt am Strommarkt hinzubekommen. Das sind alles Sachen, die damit zusammenhängen und die man bedenken muss, wenn man jetzt Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen fördern will.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

So ist zum Beispiel auch im Antrag der GRÜNEN, der jetzt im Februar im Deutschen Bundestag zu diesem Thema eingebracht wurde, drin, dass man sagt, wir wollen nur Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen fördern, die auf mindestens 75 Prozent Gesamtwirkungsgrad kommen. Das schafft man eigentlich relativ schnell, sage ich jetzt mal so, das ist keine ganz große Hürde. Aber gucken wir uns das Steinkohlekraftwerk Rostock an, das hat einen elektrischen Wirkungsgrad von knapp 44 Prozent – 43,6 oder so was – und dann kommt die Fernwärme oben- drauf, das reicht insgesamt für 63 Prozent, ist aber weit von den 75 entfernt.

(Egbert Liskow, CDU: Was macht ihr denn?)

Jetzt ist es natürlich schwierig, unter Umständen auch vor dem Bundesverfassungsgericht, bestimmte Primärenergien aus der Kraft-Wärme-Kopplung auszuschließen und zu sagen, Braunkohle und Steinkohle kommen eben nicht in Betracht, aber durch solche Regelungen – 75 Prozent Gesamtwirkungsgrad – muss erreicht werden, kann ich tatsächlich einen politisch gewollten Ausschluss von Braun- und Steinkohle durchsetzen. Der andere wäre, dass wir eine CO2-Komponente einführen und über eine CO2-Komponente erreichen, dass Gaskraftwerke beziehungsweise Primärenergie aus Bioenergie immer noch im Markt drinbleiben können bei der Kraft-WärmeKopplung, dass allerdings die aus Braun- und Steinkohle nicht mit hineingehört.

Notwendig ist das Ganze – es gibt ja eigentlich ein Marktinstrument, das heißt Emissionshandel, das haben wir hier schon ganz oft besprochen –, weil der Emissionshandel – da sind sich momentan wirklich alle einig – so nicht funktioniert. Selbst wenn er so funktioniert, wie die EU sich das wünscht – die wollen ja nun auf 15 Euro pro Tonne CO2 hochgehen, mehr wollen sie ja nicht –, wird es nicht ausreichen, zwischen Gaskraftwerken und Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken eine Marktunterscheidung hinzubekommen. Das bedeutet praktisch, dass die mehr oder weniger abgeschriebenen Stein- und Braunkohlekraftwerke den Markt für die nächsten Jahre übernehmen und Gaskraftwerke, die zum Beispiel neu gebaut werden, in der Regel wirtschaftlich keine Chance haben.

Wenn wir über das Thema Kraft-Wärme-Kopplung reden, müssen wir auch über das Thema Flexibilisierung reden und welche Anreize es dafür geben kann. Das Thema Power-to-Heat ist genannt worden, wir haben gute Beispiele im Land: die Stadtwerke Schwerin mit einem großen Warmwasserspeicher, 16.000 Kubikmeter, die in der Lage sind, Power-to-Heat, also Strom aus dem Stromnetz zu ziehen, der raus muss aus dem Stromnetz, um sozusagen die Stabilität des Stromnetzes zu erhalten. Und die haben nicht etwa 20/30 Prozent aus Strom – das wäre auch ökologisch nicht sinnvoll –, sondern 1 bis 2 Prozent der Fernwärme kommt damit aus dem Stromsektor – eine sehr sinnvolle Anlage. Ich würde mir wünschen, dass die woanders möglich ist.

Wir haben zum Beispiel bei den Stadtwerken in Rostock überlegt, ob nicht eigentlich Rostock mit fast 200.000 Ein

wohnern ideal für eine ähnliche Anlage wäre. Dann muss man aber irgendwann bekennen angesichts des absoluten Wärmeüberschusses in Rostock, bedingt durch das Steinkohlekraftwerk, das eigentlich noch mehr Wärme auskoppeln könnte, dass solche Modelle in Rostock praktisch nicht machbar sind, jedenfalls nicht wirtschaftlich vertretbar. Mit massiver Förderung kriegt man immer alles hin, aber wir kriegen es nicht so hin wie die Stadtwerke Schwerin, die es am Markt finanziert bekommen haben, das kriegen wir zurzeit in Rostock noch nicht hin.

Wir müssen uns außerdem Gedanken machen – das gehört dazu und da wünsche ich mir natürlich auch die Unterstützung der CDU –, wir müssen einen Markt für Fern- und Nahwärme schaffen, das ist ein großes Problem.

(Udo Pastörs, NPD: Das Geld.)

Und das ist eine der Achillesfersen der Fern- und Nahwärme. Sie müssen nämlich die ganzen Netze verlegen. Wenn in einer Straße, wo 300 Häuser stehen, 10 sagen, wir finden, das ist eine gute Idee, und der Rest sagt, wir finden, das ist keine gute Idee, wir machen weiter mit unserem Erdgas oder mit der Ölheizung, dann hat Fernwärme in dieser Straße wirtschaftlich keine Chance, das ist einfach so.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Deswegen gibt es Fernwärmesatzungen beziehungsweise Wärmesatzungen, die wir auch in Rostock haben und die wir absolut erfolgreich zum Nutzen aller anwenden. Dadurch kriegen wir Fernwärme auf einen Preis, der durchaus vergleichbar ist mit Wärme aus Öl und Erdgas.

(Torsten Renz, CDU: Der ist aber subventioniert.)

Aber würde man das abschaffen –

(Torsten Renz, CDU: Das ist aber staatlich subventioniert.)

das muss man ganz deutlich sagen –, dann ist die Fernwärme nicht mehr in der Lage,

(Torsten Renz, CDU: Den Markt schaffen ist doch Quatsch.)

in diese Gebiete dort zu liefern und müsste sich rausnehmen.

(Torsten Renz, CDU: Den Markt schaffen ist doch Quatsch, zumindest marktwirtschaftlich gesehen. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Abnahme schaffen dafür und damit einen Markt wiederherstellen – das ist ja übrigens genau das Ziel des CDU-Antrages. Natürlich ist der CDU-Antrag ein klarer Verstoß gegen die reine Marktlehre, das muss man ganz deutlich sagen, aber sie funktioniert tatsächlich am Strommarkt nicht mehr.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das wusste die CDU nicht.)

Da können wir jetzt eine Geschichte aufmachen von der Atomenergie, die ihre Versicherungen nicht abliefern muss – das hatte ich alles vorgetragen –, mit den 2 Milliarden Euro Haftpflichtversicherungen, obwohl eigentlich 200 Milliarden als Haftpflichtsumme notwendig wären.

Das sind alles Punkte, wo das Marktversagen schon sehr viel früher eingeführt wurde, weil es immer politische Interessen innerhalb des Energiemarktes gegeben hat, das ist tatsächlich so. Dem müssen wir uns jetzt stellen, wir werden da weiter eingreifen müssen, aber das müssen wir extrem behutsam machen. Deswegen ist es sinnvoll zu gucken, erhöhen wir einfach mal den KraftWärme-Kopplungs-Bonus für alle um das Doppelte, ohne differenziert zu gucken – das kann nicht sein.

(Torsten Renz, CDU: Aber die Zielstellung muss doch sein, dass sich das irgendwann selbst rechnet.)

Richtig. Das ist das Ziel. Das hätten wir zum Beispiel, wenn wir 100 Prozent Erneuerbare hätten, dann können die Erneuerbaren problemlos gegeneinander stehen, je nachdem, wie billig, wie flexibel oder wie einsatzbereit sie sind und so weiter. Das ist sozusagen die grüne Konzeption zu sagen, wir wollen auf erneuerbare Energien umstellen und dann haben wir auch einen Markt innerhalb der Regenerativen.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, dann machen Sie doch mal!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jaeger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Petereit für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es in der Sache erneut mit einem Problem zu tun, welches grundlegende Missstände im BRD-System aufzeigt. Wieder geht es um die Kernfrage, ob Versorgungssicherheit unseres Volkes mit Strom, Wasser und so weiter abgekoppelt vom Gewinndenken betrieben werden soll oder ob sie eben gewinnbringend sein muss.

Energiewende hin oder her, wenn die Energieversorgung auf umweltschonender Grundlage erfolgen soll, dann darf sie eben nicht an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Wenn ein effektives Energieversorgungssystem durch sinkende Börsenstrompreise infrage gestellt wird, dann muss man sich fragen, ob ein solches Börsensystem überhaupt eine Daseinsberechtigung hat.

(Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)

Ähnlich wie bei der Bevölkerungs- oder auch bei der Gesundheitspolitik muss man sich im Klaren sein, dass sich idealistische Ziele im kapitalistischen Sinne nicht rentabel erreichen lassen. Sofern die Daseinsfürsorge dem freien Markt geopfert wird, um Gewinne zu privatisieren, ist es auch nicht möglich, Versorgungssicherheit ohne Mehrkosten durch ein Solidarsystem aufzufangen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Stimmt sich die NPD noch intern ab, oder …?)

Wir lehnen Ihren Antrag daher ab, und zwar nicht, weil wir KWK-Anlagen als Unsinn ansehen, sondern weil wir nicht beim Energiebörsenpoker an der Leipziger Börse mitspielen wollen. Dort sind die Preise seit 2011 um 25 Prozent gesunken.