Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer aus seiner Heimat vor Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung fliehen muss, hat einen Anspruch auf Schutz und Unterstützung. Die aktuelle Situation macht es erforderlich, dass die Voraussetzungen dafür zu schaffen sind, dass die Herausforderung steigender Flüchtlingszahlen künftig praktisch gemeistert werden kann.
Es ist vor allem das Verdienst der Handelnden vor Ort, dass die Aufnahme bei uns im Land dank umfangreicher Anstrengungen gut gelingt. Die Kommunen stehen vor großen, besonders vor großen logistischen Herausforderungen. Entscheidungen müssen so vorbereitet und getroffen werden, dass Lasten gerecht verteilt werden und die breite Akzeptanz unter den Menschen nicht verloren geht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik Deutschland wird stark gefordert, doch die Bundesrepublik ist nicht überfordert. Gefordert ist aber die Europäische Union. Es bedarf einer besseren Abstimmung bei der Aufnahme von Flüchtlingen zwischen allen
Mitgliedsstaaten. Wenn sich Europa als Wertegemeinschaft begreift, muss dies auch bei der Aufnahme und bei dem Schutz von Flüchtlingen gelten.
Seit dem 1. Januar 2014 ist die Dublin-III-Verordnung des Rates der Europäischen Union anzuwenden. Sie regelt die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Staates, der für die Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Grundsätzlich gilt, dass jeder Asylantrag, der im Dublin-Raum durch Drittstaatsangehörige gestellt wird, in nur einem dieser Staaten inhaltlich geprüft wird. Ist dieser Staat festgestellt und stimmt einer Rücküberstellung zu, muss der Asylbewerber dort sein Asylverfahren durchlaufen.
Die Dublin-Verordnung ist in allen Mitgliedsstaaten der EU sowie in Norwegen, Island, der Schweiz und Liechtenstein unmittelbar geltendes Recht. Der Anwendungsbereich des Dublin-Verfahrens wird durch diese Verordnung auf alle Flüchtlinge, die internationalen Schutz ersuchen, ausgedehnt. Eine inhaltliche Prüfung der Asylgründe findet im Dublin-III-Verfahren nicht statt. Die Effizienz von Asylverfahren und die Rechtsgarantien Asylsuchender sollen durch die neue Verordnung gestärkt werden.
Hintergrund für die Einführung der Dublin-Verordnung war einerseits die Idee, dass jede Person nur einmal einen Asylantrag stellen kann. Andererseits war geplant, dass sich im Gegenzug auch die Kriterien zur Prüfung von Asylanträgen und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende harmonisieren. Dies ist allerdings leider bis zum heutigen Tag nicht eingetreten.
In der Erklärung der Landessynode der EvangelischLutherischen Kirche in Norddeutschland zur Dublin-IIIVerordnung im Kontext der europäischen Flüchtlingspolitik wird festgestellt, dass aus unabhängigen Berichten hervorgeht, dass Geflüchtete nicht überall in Europa menschenwürdig behandelt werden. Auf Grundlage der Dublin-III-Verordnung erfolgt Abschiebung auch in unzumutbare Zustände und das hat zum Beispiel Familientrennung, Obdachlosigkeit oder ungerechtfertigte Inhaftierung zur Folge.
Sehr geehrte Damen und Herren, trotz des gemeinsamen europäischen Asylsystems herrschen in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Anerkennungs- und Aufnahmebedingungen. Dass die Anwendung der DublinVerordnung verändert werden muss, wird auch an der in den letzten Wochen geführten Diskussionen zum Kirchenasyl deutlich.
Das Kirchenasyl steht in einer jahrhundertealten Tradition, aus der es sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer Art Institution entwickelt hat, die dann eingreift, wenn Abschiebung in Gefahrensituationen droht. Kirchenasyl – die Definition dazu hat Frau Gajek bereits geliefert – setzt keine anderen Rechtsnormen um, als die in der Verfassung und im internationalen Recht geltenden. Aber es unterstellt, dass auch staatliches Handeln im Einzelfall Rechtsnormen übersehen kann.
In der Dublin-III-Verordnung ist vorgesehen, dass, wenn zum Beispiel Deutschland einen anderen Staat zur Rücknahme eines Asylsuchenden anfragt, nach Zustimmung des angefragten Staates höchstens sechs Monate Zeit bleiben, um die Abschiebung dorthin durchzuführen.
Ist dieser Zeitraum überschritten, wird in dem Fall Deutschland für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Um also nicht in Staaten mit schlechten Aufnahmebedingungen abgeschoben zu werden, kommt es vor, dass Asylbewerber für diese Zeit in die Illegalität abtauchen oder der Schutz durch eine Gemeinde im Kirchenasyl wichtig werden kann.
Wie die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche erklärte, gab es, wie gehört, im Februar 226 Kirchenasyle mit den schon erwähnten 411 Personen. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft handelt es sich tatsächlich in den meisten dieser Fälle um sogenannte Dublin-Fälle. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte angedacht, die Frist, in der die Überstellung der Asylbewerber an das betreffende EULand möglich ist, wieder von 6 auf 18 Monate zu verlängern.
Mittlerweile haben sich die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf geeinigt, dass die Tradition des Kirchenasyls nicht infrage gestellt wird. Gleichzeitig wurde die Einführung einer verschärften Fristenregelung aufgehoben. Die Kirchen erkennen ihrerseits an, dass das Kirchenasyl kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut ist. Wir begrüßen die Einigung, dass die Gewährung von Kirchenasyl nur in Einzelfällen als Ultima Ratio in Betracht kommt. In solchen Fällen soll es demnach so frühzeitig wie möglich eine Einzelfallprüfung geben, für die Kirche und Bundesamt zentrale Ansprechpartner benennen. Dieses Verfahren soll zunächst bis zum Herbst erprobt werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn es in ganz Deutschland mit mehreren Zehntausend Gotteshäusern 226 Fälle von Kirchenasyl gibt, dann wirkt die Debatte darüber im Nachhinein etwas überdimensioniert.
Der Streit und die Schärfe in der Auseinandersetzung über das Engagement von Kirchengemeinden waren in der Sache nicht hilfreich. Wir müssen der durch Krieg, Terror, Verfolgung und Hunger ausgelösten Flüchtlingssituation gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Kräften Rechnung tragen. Die Debatte um das Kirchenasyl sollte beendet und stattdessen sollten die Strukturen für Flüchtlinge europaweit verbessert werden.
Es braucht ein gerechtes Aufnahme- und Verteilungssystem von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren, die Zahl der Konflikte, die Menschen zur Flucht zwingen, hat in den letzten Jahren zugenommen, und es spricht viel dafür, dass diese auch künftig nicht weniger wird. In vielen Konfliktregionen der Welt wächst die Bevölkerung. Perspektivisch werden mehr junge Menschen nach Lebensmöglichkeiten suchen, die sich in ihren Ländern nicht bieten. Wir müssen Zuwanderung daher noch stärker auch als Chance für unser Land begreifen.
Der SPD-Parteivorstand hat Ende November 2014 ein Aktionsprogramm zur Flüchtlingspolitik beschlossen. Die SPD tritt darin dafür ein, das Dublin-III-Verfahren zu reformieren. Derzeit nehmen 5 von 28 EU-Mitglieds-
staaten rund drei Viertel der Asylbewerber in der Europäischen Union auf. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat Wege zu einem europäischen Quotenmodell aufgezeigt, damit Flüchtlinge gerechter über Europa verteilt werden. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Förderung einheitlicher Standards im gemeinsamen europäischen Asylsystem. Seit 1999 wird in der Europäischen Union daran gearbeitet, in der Realität ist davon noch recht wenig zu spüren.
Unser Aktionsprogramm zur Flüchtlingspolitik beinhaltet auch den Willen, bei der Sicherung der Außengrenzen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union weiterhin auf eine Veränderung der Frontex-Verordnung hinzuwirken. Hier fordern wir eine Erweiterung des Mandats der Grenzschutzagentur auf Einsätze zur Seenotrettung. Wer in der EU Schutz beantragt, hat oft lebensgefährliche Einreisewege hinter sich. Hier muss geprüft werden, wie Schutzsuchenden eine sichere und legale Einreise in die Europäische Union ermöglicht werden kann.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in unserem Land zeigen sich solidarisch mit den Menschen, die bei uns Zuflucht und Schutz suchen. Die Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge ist derzeit groß.
Bündnisse, in denen auch die Kirchen zuverlässige Partner sind, stellen sich den aktuellen Herausforderungen und bieten keinen Platz für Ausgrenzung. Dies muss auch in Zukunft so bleiben. Dabei ist es wichtig, dass wir uns den Gegnern von Integration, die versuchen, Ängste und Vorurteile zu schüren, engagiert entgegenstellen.
Deutschland, ja, unser Bundesland Mecklenburg-Vor- pommern muss ein weltoffenes Land bleiben, in dem die Menschen selbstbestimmt, aktiv, tolerant und friedlich miteinander leben! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Das Kirchenasyl hat eine langjährige Tradition. Es hat sich zu einer Art Institution entwickelt, die den Menschen hilft, denen Abschiebung in Gefahrensituation droht. Das hat meine geschätzte Kollegin Kaselitz auch erzählt.
Im Jahre 1983 wurde das erste Kirchenasyl in Berlin gewährt. Im Jahr 1994 wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gegründet. Das Kirchenasyl ist eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben. In dieser Aufnahmezeit werden Entscheidungen von Behörden überprüft, die die Möglichkeit schaffen, ein neues Asylverfahren zu eröffnen.
Sehr verehrte Damen und Herren, wir alle wissen, dass im Falle einer Abschiebung den Betroffenen Tod, Repressalien und Haftstrafe drohen. Und daher...
Die Kirchengemeinden stehen für den Schutz der Menschen vor Tod, Verfolgung und Folter. Sie stehen also für Menschenrechte.
Das Kirchenasyl ist nicht gegen nationales beziehungsweise internationales Recht und stellt keinen Bruch für die geltenden Gesetze dar.
Die Gemeinden stellen den Wohnraum zur Verfügung und greifen auf die Unterstützung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zurück. Eine Beratung wird durchgeführt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da das Dublin-System und die gesamte EU-Asylpolitik die ganze Zeit versagt haben und auf der ganzen Strecke gescheitert sind, kann das Kirchenasyl in wenigen Fällen sogar die Folgen für die Betroffenen lindern. Dafür gebührt den Kirchengemeinden Respekt.
Die sogenannte Rücküberstellung findet nur bei einem kleinen Teil der Fälle statt. Nur 13 Prozent von 35.000 Asylsuchenden, die Deutschland im vergangenen Jahr in einen anderen EU-Staat zurückschicken wollte, wurden auch tatsächlich abgeschoben.