Protocol of the Session on March 11, 2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 88. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der heutigen, der 89. und 90. Sitzung liegt Ihnen vor.

Der Ältestenrat schlägt vor, bei Tagesordnungspunkt 6 eine Aussprache von 150 Minuten vorzusehen. Des Weiteren sollen die Tagesordnungspunkte 11 und 12 in verbundener Aussprache beraten werden. Hierfür ist eine Aussprachezeit von 120 Minuten vorgesehen. Auf Antrag der Fragestellerin ist im Ältestenrat Einvernehmen erzielt worden, den Tagesordnungspunkt 18 von der Tagesordnung abzusetzen. Wird der so geänderten Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 88., 89. und 90. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserer Ministerin Frau Birgit Hesse ganz herzlich nachträglich zu ihrem runden Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Udo Pastörs, NPD – Gratulationen)

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 88., 89. und 90. Sitzung die Abgeordneten Heino Schütt, Bernd Schubert, Professor Dr. Fritz Tack, Dr. Ursula Karlowski und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Impfbereitschaft verbessern – Impfpflicht schützt die Gesundheit und rettet Leben“ beantragt.

Aktuelle Stunde Impfbereitschaft verbessern – Impfpflicht schützt die Gesundheit und rettet Leben

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Impfbereitschaft verbessern – Impfpflicht schützt die Gesundheit und rettet Leben“ – es geht um nicht mehr und nicht weniger als um diese beiden Bücher, der ein oder andere kennt sie vielleicht. Das gelbe Buch ist das aus Neuzeiten, das rote Buch ist das aus der DDR-Zeit. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ein CDU-Fraktions- vorsitzender auch die Hoheitszeichen der DDR hochhält, aber ich getraue mich das heute einfach mal

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist ein rotes Buch.)

und sage Ihnen, genau darum geht es in der aktuellen Debatte, um die besorgniserregende Verbreitung der Masern in Deutschland. Kaum ein Thema beherrscht in den letzten Tagen die Medien so wie dieses, und auch deshalb haben wir dieses aktuelle Thema in die Aktuelle Stunde gewählt, weil wir glauben, dass unter den be

troffenen Menschen und unter den Eltern große Unsicherheit darüber herrscht, wie man jetzt damit umgehen soll. Als Gesetzgeber, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir natürlich in der Pflicht, Antworten darauf zu finden.

Die Zahlen allerdings beweisen in Mecklenburg-Vorpom- mern, dass wir jedenfalls bei dem Thema Impfschutz sehr weit vorne stehen. Die beiden Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind die einzigen, die über der 95-prozentigen Impfquote, die von der UN empfohlen ist, und darüber stehen. Wenn ich mir den Hinweis erlauben darf, haben wir das auch zum Ziel in unserem Koalitionsvertrag gemacht. Da scheinen wir jedenfalls erfolgreich zu sein. Aber nichtsdestotrotz hören die Grenzen natürlich nicht an der Landesgrenze auf, wenn es um ansteckende Krankheiten geht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Deshalb muss man natürlich darüber sprechen, wie gelingt es uns auch zukünftig, diesen Impfschutz von über 95 Prozent in unserem Land aufrechtzuerhalten.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durch gute Beratung und Aufklärung.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kehrseite der Medaille ist, dass es auch in Mecklenburg-Vorpom- mern bereits in diesem Jahr neun bestätigte Masernfälle gegeben hat. Derzeit prüft man einen Fall, es ist noch ein Verdachtsfall. Man weiß noch nicht genau, ob es tatsächlich Masern sind. Das heißt aber auch, die Masern stehen bei uns direkt vor der Haustür.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, solange jedem Bundesland, aus meiner Sicht, die Möglichkeit freisteht zu entscheiden, ob es eine allgemeine Impfpflicht gibt, ob es eine abgeschwächte Impfpflicht gibt, wird dieses Thema zu einem unkalkulierbaren Risiko werden. Deshalb muss man heute auch hier in der Aktuellen Stunde sagen, in der Handlungspflicht ist in erster Linie der Bund.

(Ministerin Birgit Hesse: Richtig.)

Ohne eine bundesgesetzliche Regelung zum Thema Impfpflicht werden wir bei diesem Thema wohl kaum weiterkommen.

Bei den Masern, das weiß der eine oder andere von Ihnen vielleicht, handelt es sich um eine hochansteckende Viruserkrankung. Eine Infektion kann schwerwiegende Folgen mit sich bringen, die oft erst Jahre nach der Erkrankung auftreten. Der einzige Schutz vor dieser fatalen Krankheit – wenn sie einmal ausgebrochen ist, gibt es im Prinzip kaum eine Heilungschance, man kann nur unterstützen –, der einzige Schutz ist die einfache Impfung und dann eine zweite hinterher nach einer Grundimmunisierung. Das Problem, was wir dabei haben, ist, Menschen mit schwachem Immunsystem oder Säuglinge unter elf Monaten dürfen nicht geimpft werden.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss man sich natürlich auch die Frage stellen, wenn man zu den sogenannten Impfgegnern gehört: Ist es noch richtig, auf die Unversehrtheit des Körpers zu

pochen, wenn man mit dieser Unversehrtheit des eigenen Körpers andere lebensbedrohlich anstecken kann?

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, genau.)

Diese Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren, kommt mir in der aktuellen Debatte etwas zu kurz.

Wenn man sich die Frage stellt, warum verzichten Menschen eigentlich auf den Impfschutz, dann gibt es darauf vielleicht viele Antworten. Ich will jetzt nicht über irgendwelche grünen Stuhlkreise anfangen und irgendwelches esoterisches Gequatsche,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, na, na, na, na!)

ich will mich einfach,

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ich will mich einfach nur darauf konzentrieren, wo wahrscheinlich tatsächlich die Ursachen liegen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die liegen wahrscheinlich in der Unwissenheit, vielleicht auch in der Nachlässigkeit, manchmal vielleicht auch in fehlendem Problembewusstsein. Was wir einfach sagen müssen, ist, dass dies, allen Aufklärungskampagnen zum Trotz, gerade in den alten Bundesländern nach wie vor zu niedrigeren Impfraten führt, als wir uns das wünschen würden.

Und wenn wir natürlich sehen: Wo haben wir denn die meisten Fälle der Masern gehabt? Das habe ich mir nicht ausgesucht, sondern das ist ja auch so überall nachzulesen. Den schlimmsten Fall hatten wir mal in einer Waldorfschule. Warum hatten wir den? Weil es dort nur eine Impfquote von 25 Prozent gab

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

und weil sehr viele Eltern der Meinung waren, wir brauchen für unsere Kinder keine Grundimmunisierung mehr, weil die anderen werden das schon für uns regeln. Wenn dann ein großer Haufen aufeinandertrifft, der nicht geimpft ist, greifen die Masern sehr schnell um sich. Sie gehören mit zu den ansteckendsten Krankheiten, die die Menschheit überhaupt kennt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde Slogans wie „Mein Körper gehört mir“ in Anbetracht dieser aktuellen Diskussion bei den Masern und in Anbetracht dieses kleinen Pikses völlig unangemessen und unangebracht, und ich fordere diejenigen auf, die das immer wieder in die aktuelle Debatte bringen: Hören Sie endlich auf mit solchen Binsenweisheiten! Nur Impfen schützt gegen todbringende Krankheiten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Aber wir diskutieren ja heute im politischen Raum und deswegen sehe ich dort auch die Politik in der Pflicht. Die Medienberichterstattung der letzten Tage zeigt, dass es ein hohes Interesse an diesem Thema gibt. Ich werde

mich heute noch daransetzen und einen Brief an den Bundesminister Gröhe schreiben, der ja schon selber gesagt hat, er könnte sich das durchaus vorstellen.

Es gibt derzeit zwei Diskussionen, die in der Bundesrepublik geführt werden. Die erste Diskussion ist, Kinder, die in eine Kindertagesstätte kommen sollen und kommen wollen, müssen zukünftig geimpft werden,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit denen, die nicht geimpft werden dürfen?)

und dann kann man natürlich die Diskussion weiterführen und sagen: Was ist mit denen, die dann in die Schule kommen?

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit denen, die nicht geimpft werden dürfen?!)

Und da wird jetzt von den GRÜNEN – deswegen quakt Frau Gajek hier schon wieder die ganze Zeit dazwischen – …

(Zurufe von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist genau dieses esoterische Gequatsche, Frau Gajek,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, na, na!)

was ich damit gemeint habe. Hier geht es nicht darum …

Einen Moment!

(Zurufe von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)