Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erich Kary und seine Mutter wurden am 19. April 1943 nach AuschwitzBirkenau transportiert. Erich Kary verliert seine Mutter in der Gaskammer von Auschwitz. Er selber wird von der SS mit einer Nummer tätowiert und als Arbeitsmaterial eingestuft.
Mit diesen Ausführungen hat der Zeitzeuge Erich Kary uns am 27.01.2012 auf der Gedenkveranstaltung des Landtages anlässlich des Gedenktages zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus an die Gräueltaten des Naziregimes erinnert. Durch Proklamation hat der Bundespräsident Roman Herzog diesen Gedenktag 1996 eingeführt. Seitdem erinnern wir jährlich am 27. Januar auf nationaler sowie internationaler Ebene der Opfer des Nationalsozialismus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die unzähligen Toten sind Mahnung an diese grausame Zeit und sind gleichzeitig Verpflichtung für unsere Gesellschaft, aber auch für jeden Einzelnen, immer wieder aufzuzeigen, wozu Menschen fähig sind, wenn sie durch ein menschenverachtendes System fehlgeleitet werden. Deshalb brauchen wir eine Kultur des Hinschauens und vor allem des Aufklärens.
Dazu muss jeder seinen Beitrag leisten. Herr Kary hat für sich entschieden, dass er seit den 70er-Jahren über
seine Schreckenserlebnisse in den Schulklassen berichtet. Ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Überwindung es gekostet haben muss, eigene Erlebnisse wie einen Transport nach Gleiwitz im Januar 1945 zu schildern.
In der Gedenkveranstaltung berichtete er, wie die Häftlinge sieben Tage ohne Verpflegung unterwegs waren. Gut zwei Drittel der Häftlinge haben diese Strapazen nicht überlebt. In seinem Waggon waren es am Ende zwölf Häftlinge. Einer von ihnen sagte: „Wer dies wirklich übersteht, soll die Pflicht haben, der Nachwelt zu berichten, was wir erlebt haben.“ Herr Kary führte aus, dass sie die meiste Zeit vor Schwäche geschlafen haben. Sie lagen zwischen den Toten, denn stehen konnten sie nicht mehr.
Diese Bilder wird man nicht mehr los. Immer wieder unterbrach Herr Kary seinen Vortrag mit den Worten: „Man sieht immer wieder diese Bilder.“ Weiter sagte er: „Die Menschen müssen wissen, was damals geschehen ist, und mir ist auch die Aufklärung der heutigen Jugend wichtig.“ Diese Aufforderung ist Verpflichtung an uns alle, dafür zu sorgen, dass auch den kommenden Generationen diese schrecklichen Taten des NS-Regimes in ihrem Ausmaß im Bewusstsein bleiben, damit sich solche Verbrechen nicht wiederholen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die aktuelle Mordserie von Ausländern durch rechtsextremen Terrorismus ist eine Schande für Deutschland und macht deutlich, dass wir im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nachlassen dürfen. Wie schnell geht vielen der Begriff „Döner-Morde“ über die Lippen. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat diesen Begriff zu Recht zum Unwort des Jahres 2011 erklärt, mit der Begründung, dass die sachlich unangemessene, folkloristisch stereotype Etikettierung einer rechtsterroristischen Mordserie ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts ist anschaulicher als der Bericht von Zeitzeugen, doch es ist absehbar, dass in 10 bis 20 Jahren diese Möglichkeit nicht mehr gegeben sein wird. In unserem Landtag gibt es zwei Abgeordnete, die vor Beendigung des Krieges geboren wurden. Mit dem Geburtsjahr 1942 beziehungsweise 1944 wird eine Darstellung – für die Betroffenen glücklicherweise – der Kriegsereignisse nicht mehr möglich sein. Das zeigt aber auch, dass wir vor einer neuen Situation und damit vor einer noch größeren Herausforderung bei diesem Thema stehen, nämlich: Wie können wir ohne Zeitzeugen garantieren, dass das Erbe und die Verpflichtung von Herrn Kary weiterleben?
Diese Frage muss jetzt beantwortet werden und darf nicht auf ein Morgen verschoben werden. Die Feinde unserer friedlichen, demokratischen Grundordnung mit ihren menschenverachtenden Ideologien dürfen nie wieder eine Chance haben. Aus meiner Sicht kann die Antwort nur lauten: Bildung, Bildung und nochmals Bildung. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Aussage nicht pathetisch gemeint ist, sondern ich bin fest davon überzeugt, dass nur die Vermittlung von Wissen die Antwort gegen Vergessen und Unwissenheit sein kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die politische Bildung bezieht sich nicht nur auf die demokratische
Wissensvermittlung durch Pädagogen an schulischen Einrichtungen. Nein! Alle Bürgerinnen und Bürger werden aufgerufen, sich im Sinne dieses demokratischen Selbstverständnisses zu engagieren. Insofern bin ich froh, dass sich in unterschiedlichen Lebensbereichen Menschen einbringen.
Exemplarisch möchte ich den Film-Ideen-Wettbewerb für Vielfalt, Demokratie und Zivilcourage in MecklenburgVorpommern „Klappe gegen rechts“ nennen. Aber auch Verbände wie der Deutsche Caritasverband starten Projekte wie zum Beispiel für Respekt und Demokratie gegen Rechtsextremismus. Aktuell in diesen Tagen verstärken die beiden großen Kirchen in unserem Land ihr Engagement gegen Rechtsextremismus. Mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums startet die AG TEO, „Tage Ethischer Orientierung“, das Programm „Kirche stärkt Demokratie“ mit dem Ziel, die Verbindung von Kirche als Partner von Schule und Gemeinden zu entwickeln.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bewusstsein für Demokratie und Toleranz ergibt sich als notwendige Konsequenz aus den Erfahrungen der Geschichte. Demokratie stärken heißt, junge Menschen zur Zivilcourage gegenüber gewalttätigen, diskriminierenden und rassistischen Tendenzen zu motivieren, ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie sich auch in kritischen Situationen für Werte wie Freiheit, Menschenwürde und Toleranz einsetzen können. Diese Aufgabe ist Verpflichtung. Dazu benötigen wir jeden Einzelnen, damit sich Geschichte, wie sie uns Erich Kary anhand seiner Erlebnisse berichtet hat, niemals wiederholt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihre immer gleiche ritualisierte sogenannte Vergangenheitsbewältigung zerschellt im Volke und insbesondere bei der Jugend an einer Mauer aus Gleichgültigkeit – zu Recht. Das könnten Sie ändern, wenn Sie die ausgetretenen Pfade einmal verlassen würden. Eine einzige kleine Korrektur in dem vorliegenden Antrag würde dazu reichen, nur ein Wort im dritten Abschnitt müsste man austauschen. Der würde dann lauten: „Die Gräueltaten des stalinistischen Regimes im sowjetisch beherrschten Teil Deutschlands dürfen in ihrer Brutalität und in ihren Ausmaßen nicht vergessen oder verharmlost werden. Sie müssen im täglichen Denken und Handeln verankert bleiben, um zu verhindern, dass sich solche Verbrechen jemals wiederholen.“
Das wäre mal was ganz Neues. Zwei Millionen von der stalinistischen Roten Armee ermordete deutsche Vertriebene, Hundertausende von stalinistischen Verbrechern vergewaltigte Frauen, auch in Polen und Jugoslawien, nicht nur in Deutschland,
dazu die Opfer in den fröhlich von den Stalinisten weiter genutzten Konzentrationslagern Buchenwald und Sach
senhausen und sogar Auschwitz, wo das NKWD, Stalins Geheimdienst, sofort nach dem 27. Januar 1945 Regimegegner internierte, Deutsche und Polen! Wie viele Opfer es unter sowjetischer Herrschaft im Konzentrationslager Auschwitz gab, wissen wir nicht. Das wird vielleicht die polnische Geschichtsschreibung rauskriegen, die deutsche garantiert nicht.
Wer eine Wiederholung solcher Gräueltaten verhindern wollte, müsste die Erinnerung daran am Leben halten. Aber dazu hat das herrschende Parteiensystem wenig Lust. Man begnügt sich mit einem Minimalgedenken, gar nicht zu vergleichen mit dem Aufwand, den man mit dem Nationalsozialismus treibt, weil man Rücksicht nimmt auf die geistigen Nachfahren der stalinistischen Massenmörder, die hier im Landtag sitzen und sich DIE LINKE nennen.
Die dürfen sich hier hinter Hitler verstecken, damit sich bloß keiner ihre kriminelle SED- und KPD-Vergangenheit genauer ansieht.
Aus dieser Vergangenheit als Träger der kommunistischen Diktatur in der DDR müsste DIE LINKE ja wenigstens eines gelernt haben:
(Regine Lück, DIE LINKE: Fassen Sie sich an die eigene Nase und geben Sie nicht immer anderen Empfehlungen!)
wie man eine Gedenkkultur nicht gestalten sollte, wenn man nicht will, dass sich die Leute angeödet abwenden. 40 Jahre lang wurden die Schüler mit antifaschistischen Lehrinhalten geradezu bombardiert. Niemand entkam dem Erziehungssystem, ohne permanent von einer Gedenkstätte zur anderen geschleift zu werden. Maßlosigkeit und Dauerbearbeitung erzeugen aber nur eines: Überdruss. Es geht bei den Schülern zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus,
ohne dass die Lehrer das unbedingt merken würden. Ich kenne das selber noch aus dem Vorläufer des heutigen NS-Gedenkkults, dem klassischen Religionsunterricht. Man sitzt da gezwungenermaßen, zusätzlich auch noch im Konfirmandenunterricht und in der Christenlehre, und wird pausenlos mit dem Herrn Jesus vollgequatscht, bis man es nicht mehr hören kann. So erzeugt man Atheisten. „Sehe ich Sie regelmäßig in der Kirche?“, hat der Pfarrer gefragt – natürlich nicht. Sobald die Konfirmation vorbei war, ist man da nie wieder reingegangen.
Und welche der Jugendlichen, die Sie in der Schule mit der Dauerbewältigung des Dritten Reiches traktieren, sehen Sie denn wieder anlässlich der offiziellen Gedenkfeiern, etwa am 27. Januar? Es müsste Ihnen doch langsam aufgefallen sein, dass Sie da unter sich sind, immer dieselben, wie eine Sekte, trotz des ganzen Propagandagetöses, das Sie veranstalten.
Vielleicht sind Sie auch nicht die Richtigen, um die Sache der NS-Verfolgten zu vertreten. Deren Gedenken hat es überhaupt nicht gutgetan, dass sich so verlogene Figuren wie Ulbricht oder Honecker auf sie berufen haben. – Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen. In Sachsenhausen und Buchenwald gab es nie Gefangene des Stalinismus und in Demmin ist 1945 nichts Schlimmes passiert.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber wir reden jetzt über die Wannseekonferenz, Herr Andrejewski. – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)
Wer wie DIE LINKE in ihrer Zeit als SED solche Märchen erzählt, dem glaubt man gar nichts mehr. Und wenn derjenige, der solche Märchen erzählt, NS-Verbrechen thematisiert, erzeugt er mehr Zweifel und Unglauben als die wildesten Auschwitzleugner, die von der Justiz verfolgt werden. Wenn Karl-Eduard von Schnitzler auf dem „Schwarzen Kanal“ etwas erzählt hat, glaubten die meisten DDR-Bürger instinktiv das Gegenteil.
So weit ist es mittlerweile auch mit der politischen Klasse der BRD gekommen. Bei dem Herrn, der augenblicklich versucht, einen Bundespräsidenten darzustellen – er heißt, glaube ich, Wulff –,
ist doch mit Händen zu greifen, dass seine Aufrufe gegen rechts und zu mehr Aufklärung über NS-Untaten reine Taktik sind.
Er kalkuliert ganz richtig, dass man sich jeder Kritik entzieht, wenn man den großen antifaschistischen Mahner und Warner gibt. Also mahnt und warnt er permanent vor Rassismus und Nazismus und hofft dabei, dass keiner auf seine kleinkarierten Skandale schaut. Pure Berechnung ist das, weiter nichts, und zwar schlechte Berechnung,
denn Wulff müsste ja wissen, dass das nicht einmal bei Michel Friedman, alias Paolo Koksnase Pinkel, geklappt hat. Wieso sollte es also bei ihm funktionieren?
Er ist ein unglaubwürdiger Sachwalter der NS-Verfolgten. Jedes Mal, wenn er zu diesem Thema den Mund aufmacht, sagen mehr Leute, davon wollen wir nichts mehr hören und wir glauben daran gar nicht mehr. Wenn man kein glaubwürdiges Personal hat, nützt es einem gar nichts, mit staatlicher Macht Gedenktage durchzusetzen. Das hat Gaddafi auch versucht. Was hat es ihm genützt?
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie gedenken Sie der Opfer? – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)