Protocol of the Session on February 1, 2012

(Marc Reinhardt, CDU: War auch Mutter von Hartz IV.)

und in der Vergangenheit haben wir auch immer klar und deutlich Position zu flächendeckenden Mindestlöhnen bezogen.

Zur Tarifautonomie nach dem Grundgesetz hat der Wirtschaftsminister eigentlich schon alles klar und deutlich ausgeführt. Allerdings ist es natürlich immer die Aufgabe des Staates, für die Tarifvertragsparteien die entsprechenden Rahmenbedingungen festzulegen. Im luftleeren Raum und ganz ohne rechtlichen Rahmen können auch die Tarifparteien nicht agieren. Es ist ja so, dass Grundsatzentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bei

spielsweise hier mitunter einige Grenzen setzen, und der Staat hat, wie gesagt, auch bei Tarifautonomie die Pflicht, rechtliche Rahmenbedingungen vernünftiger Art zu setzen.

In Mecklenburg-Vorpommern, das hat Herr Foerster schon ausgeführt, haben wir in vielen Bereichen leider zu verzeichnen, dass wir hier im Niedriglohnsektor arbeiten. Das leidige Thema haben wir in der vergangenen Legislaturperiode auch schon öfter hier im Haus behandelt. Gleichwohl müssen wir natürlich sagen, dass es nicht immer die Gier unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen ist, die dazu führt, dass mitunter niedrige und nicht zumutbare Löhne hier im Land gezahlt werden, denn oftmals sind diese kleinen Unternehmen sehr unter Druck und ziemlich am Rande ihrer Möglichkeiten.

Trotz alledem sind viel zu viele Menschen bei uns im Land davon betroffen, Aufstockungsbeiträge einfordern zu müssen. Wir haben das ganz große Problem hier im Land, dass wir zum einen nur 50 Prozent der Unternehmen in tariflicher Bindung haben und zum anderen in der Gesamtbetrachtung sehr, sehr niedrige Löhne haben, auch bei den tariflich gebundenen Unternehmen teilweise stark ausgeprägt. Das ist eine Entwicklung, der man natürlich energisch entgegenwirken muss, weil sittenwidrige Löhne, moralisch stark angreifbare Löhne politisch einfach nicht akzeptabel sind.

Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn als rechtliche Barriere, um den Missbrauch von Schlupflöchern für unmoralische Dumpinglöhne, wie sie derzeit beispielsweise auch in Logistikzentren großer Lebensmitteldiscounter aufgedeckt wurden, zu verhindern. Wer voll arbeitet, der muss von seiner Arbeit auch ohne staatliche Unterstützung leben können. Alles andere ist staatliche

Alimentierung von Unternehmensgewinn auf Kosten der Allgemeinheit.

Wir stehen hier in der Bundesrepublik allen Anzeichen nach vor einem Systemwechsel

(Udo Pastörs, NPD: Hoffentlich! Wäre schön.)

und brauchen dazu eine breite gesellschaftliche Akzeptanz.

(Udo Pastörs, NPD: Wir helfen Ihnen.)

Eine Forderung nach einem Mindestlohn von 8,50 Euro, wie das über meine Mutterpartei erfolgt, ist eine akzeptable Größe.

Übrigens, Herr Foerster sagte vorhin, dass die SPD

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

der Fraktion DIE LINKE einen Überbietungswettbewerb an die Backe heftet. Aber wenn man sich anhört, dass vom „Klotzen statt kleckern“ beim Mindestlohn gesprochen wird, wenn ich mal den Vorsitzenden Herrn Ernst Klaus zitieren darf, dann ist das doch schon wieder ein bisschen denkwürdig.

(Torsten Renz, CDU: Ernst Klaus? Klaus Ernst, ne, oder?)

Ich meine, klotzen mit dem Geld anderer Leute, das kann man ja machen, aber ob man sich das dann hinterher nicht ankreiden lassen muss, das ist die andere Frage.

Auf Bundesebene sind verschiedene Forderungen laut geworden. Die Bündnisgrünen haben die Forderung nach 7,50 Euro Mindestlohn aufgestellt,

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 8,50 Euro.)

DIE LINKE, haben wir ja gehört, nach 10 Euro, die SPD nach 8,50 Euro.

(Udo Pastörs, NPD: Wir 8,80 Euro, vor Jahren schon.)

Da kann man sich fragen: Woher ist das abgeleitet worden, warum gerade diese Beträge?

(allgemeine Unruhe)

Erst einmal stelle ich fest, mit einem Satz von 8,50 Euro können wir uns auch auf der europäischen Ebene sehen lassen. Wir haben da ein breites Spektrum von Mindestlöhnen, aber ich orientiere mich jetzt nur mal an dem oberen Viertel oder Drittel. Nun kann man natürlich sagen, die Luxemburger haben einen viel besseren Mindestlohn und auch die Franzosen. Aber wenn man einmal dahinterguckt, ist es bei den Luxemburgern so, dass die Sozialabgaben, die die Unternehmen abführen müssen, wesentlicher niedriger sind als bei uns.

(Torsten Renz, CDU: Deswegen können wir das auch nicht so eins zu eins vergleichen.)

Wenn man sich den Mindestlohnsatz von Frankreich, der auch etwas über unserer Forderung liegt, anschaut, dann muss man natürlich realisieren, dass die Franzosen die 35-Stunden-Woche haben, also mit weniger Arbeitsstunden wahrscheinlich dann zum relativ gleichen Ergebnis kommen.

Von einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro würden nach einer Studie der Prognos AG im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung deutschlandweit rund fünf Millionen Menschen profitieren. Zudem würden die öffentlichen Kassen Deutschlands um voraussichtlich 7,1 Milliarden Euro pro Jahr entlastet werden.

Die Mindestlohnforderung von 8,50 Euro leitet sich aus der bundesweiten Definition eines existenzsichernden Einkommens ab. Dies liegt bei monatlich mindestens 1.054 Euro netto, was bei einer 40-Stunden-Woche einem Bruttostundenlohn von 8,50 Euro entspricht. Aufgrund des gesetzlichen Schutzes der Tarifautonomie ist ein Wert darüber hinaus, ohne wirklich konkret belegt zu sein, meiner Meinung nach rechtlich etwas fragwürdig. Mir fallen zwar auch alle guten Gründe ein, warum ein höherer Satz wünschenswert wäre, ein gesetzlich verankertes Rundum-sorglos-Paket wird es aber nicht geben können. Das würde einen Mindestlohn bedeuten, der bei voller Arbeitszeit oberhalb der Armutsgefährdungsgrenze der Europäischen Sozialcharta liegt und der müsste dann sogar 12,40 Euro brutto betragen.

Werte Abgeordnete von der Fraktion DIE LINKE, in der letzten Legislaturperiode haben wir zähneknirschend Ihre Anträge zu flächendeckenden Mindestlöhnen abgelehnt, aus Koalitionsdisziplin.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

Ja, das haben wir auch immer klar und deutlich gesagt, Sie erinnern sich sicherlich deutlich, Herr Koplin. Heute tun wir das aus anderen Gründen.

Wir haben mit unserem Koalitionspartner in unserer Koalitionsvereinbarung Regelungen zur Einführung von Mindestlöhnen verankert. Das war ein sehr großer Erfolg. Der Minister hat eben ausgeführt, was alles für ihn mit dazugehört.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was ihm da zugemutet wird, wollten Sie sagen.)

Dass Sie uns das natürlich missgönnen und wir das als Erfolg für uns verbuchen, das kann ich voll verstehen.

(Torsten Renz, CDU: Bei uns gilt noch: Ein Mann, ein Wort!)

Übrigens sehe auch ich diesen Kompromiss seinerzeit in der Koalitionsvereinbarung so als letzten Sargnagel zu einer Neuauflage von Rot-Rot, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Aber, wie man sieht, Sie fühlen sich in der Opposition recht wohl und sorgen für solche Anträge und für unserer Meinung nach etwas überzogene Forderungen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Endlich hat sie es erkannt, die SPD!)

auch dass Ihnen der Oppositionsmantel immer besser passt.

(Torsten Renz, CDU: Ja, ja, das stelle ich auch fest.)

Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut.)

Danke.

Das Wort hat jetzt Frau Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, begrüßen natürlich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

(Torsten Renz, CDU: Warum haben Sie das nicht gemacht, als Sie in der Bundesregierung in der Verantwortung waren? Das hätten Sie doch beschließen können!)

In der Tat ist zu beklagen, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse zunehmen und mehr als ein Viertel aller Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor arbeiten. Die Tendenz ist steigend. Vor allem in Deutschland, in Ostdeutschland und insbesondere auch in unserem Bundesland nimmt der Niedriglohnsektorbereich zu. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

(Torsten Renz, CDU: Auf wie viel Prozent sind sind wir denn jetzt? Das kann ja nicht sein.)

Menschen, die Vollzeit arbeiten, müssen von ihrem Lohn auch ohne Aufstockung leben können.