Protocol of the Session on October 17, 2014

Nein, das ist kein Vorurteil.

(Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe es richtig gut erlebt.

Es ist uns, das sage ich jetzt mal so, sowohl auf Referentenebene als auch auf Ministerebene gelungen, dass man an Mecklenburg-Vorpommern vorbei nichts mehr unbedingt organisiert, weil man uns ernst nimmt. Das war harte Arbeit. Wenn Sie mich fragen, es ist mein wichtigstes Projekt, auch wenn ich wahrscheinlich nicht mehr in Verantwortung bin, wenn es irgendwann greift. Wir müssen, um dieses Land überhaupt existenzfähig zu halten,

(Torsten Renz, CDU: Was heißt das?)

genau an diesem Punkt unheimlich viel Kraft einsetzen.

(Michael Andrejewski, NPD: Nordstaat.)

Und jetzt bin ich mal bei dem Thema: Das gilt überhaupt nicht parteipolitisch. Nehmen Sie bitte mal zur Kenntnis, dass die GRÜNEN in Baden-Württemberg oder in Nordrhein-Westfalen, wo sie auch mit in der Regierung sitzen, vermutlich ganz andere Ansprüche an die neuen Beziehungen haben, als das die GRÜNEN in MecklenburgVorpommern haben.

(Burkhard Lenz, CDU: Richtig.)

Für die LINKEN gilt das Gleiche, obwohl sie ja nicht in allen Landesparlamenten vertreten sind.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nicht für SPD und CDU.)

Auch ein CDU-Minister in Thüringen ist viel, viel näher bei uns als natürlich der CDU-Minister in Hessen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sie sind weg von Parteipolitik, es geht hierbei um nackte Länderinteressen. Deshalb ist es natürlich auch schwierig, wenn all diese Debatten, die sich bei uns noch relativ auf Augenhöhe abspielen, geführt werden.

Stellen Sie sich vor, in der FMK, in der Finanzministerkonferenz, habe ich genauso eine Stimme wie mein geschätzter Kollege Herr Söder. Im Bundesrat sieht das schon ganz anders aus. Da hat natürlich MecklenburgVorpommern mit seinen drei Stimmen längst nicht so ein Gewicht wie die großen Länder, wenn es um Abstimmungen geht. Und wenn ich mir dann die Koalition in Berlin angucke, da hat die CSU, Bayern, ein Drittel. Ich habe also ein hohes Interesse daran, dass wir auf dieser gleichen Augenhöhe möglichst vernünftige Entscheidungen hinbekommen.

Das mal rein organisatorisch mit Blick darauf, was man natürlich als Parlamentarierin, die ich ja auch bin, richtig finden müsste: eine breite Debatte über das, was nach 2020 passiert. Aber die Praktikabilität, schätze ich ein, die geht absolut gegen null.

(Egbert Liskow, CDU: Sie ist null.)

Die Entscheidung ist bereits gefallen: Sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat haben entschieden, dass es keine FöKo III geben wird.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, es wird keinen jahrelangen Prozess geben mit einer Beteiligung von mehr als hundert Personen, um die Dinge auf den Punkt zu bringen. Und darum sind es auch die Ministerpräsidenten der Länder gewesen, die uns als Finanzminister den Auftrag gaben, noch in diesem Jahr Entscheidungsgrundlagen vorzubereiten, die dann wirklich auch einer gemeinsamen Entscheidung zugeführt werden. Übrigens, der Bund sagt in solchen Diskussionen immer sehr süffisant – Herr Schäuble kann das fantastisch –: Sie sind 16 Länder, ich habe 50 Prozent. – Auch das muss man immer noch wissen bei diesen Verhandlungen. Das im Grunde deshalb, um Ihnen mal deutlich zu machen, in welcher Gemengelage wir uns allein organisatorisch befinden.

Kommen wir mal zur Gemengelage, die sich natürlich inhaltlich ergibt: Ich bedanke mich für das Interesse aller Fraktionen an diesem Thema. Ich habe das im Finanzausschuss erlebt. Da habe ich ja schon sehr umfassend vortragen können, wie wir auf dem Weg sind, diese neuen Beziehungen zu gestalten. Ich habe gespürt, dass ich dabei die Rückendeckung aus allen Fraktionen habe, aber das ist ja auch nicht verwunderlich, denn es ist unser gemeinsames elementares Interesse, auf eigenen Beinen stehen zu können und dass man uns da nicht noch mehr die Basis unter den Füßen wegzieht. Insofern biete ich jetzt schon an, gern noch ausführlicher im Finanzausschuss zu berichten, wie weit es im Detail jetzt ist, wie der Stand der momentanen Tagessituation ist,

denn Sie können sich sicherlich vorstellen, das ändert sich innerhalb einer Woche schon ganz gewaltig.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Je nachdem, wie Herr Söder geschlafen hat.)

Ja, der ist aber nicht der Einzige. Es gibt da noch mehrere Länderfürsten, die haben schon Ideen, die uns ganz schön wehtun würden.

Ich hatte im Finanzausschuss berichtet, das sage ich jetzt noch mal für das ganze Plenum, dass wir uns im Grunde schon seit vier Jahren darauf vorbereitet haben, als finanzschwache Länder gemeinsam diesen Weg zu gehen. Denn jedem ist ja klar, dass die Armen ein bisschen dichter zusammenrücken müssen, wenn man den Reichen eine Position entgegenstellen will.

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Insofern war es eine große Anstrengung, das Forum mit mittlerweile zwölf Ländern über diese Phase hin zu gemeinsamen Positionen zu koordinieren. Da wir diesen teilweise undankbaren Job übernommen hatten, könnte ich sehr lange aus dem Nähkästchen plaudern. Ich will Sie heute am Freitagvormittag damit nicht noch betun. Dennoch ist das vielleicht wirklich mal ein Thema für „am Rande“ und auch sehr spannend. Wir haben viel gelernt dabei.

Diese gute Botschaft hält natürlich nur bis zu einem gewissen Grade, denn ich muss Sie nicht davon überzeugen, dass ein Stadtstaat wie Hamburg mit dieser Wirtschaftskraft letztendlich nicht ganz deckungsgleich zu kriegen ist mit einem schwachen Land wie dem Saarland, um einfach auch mal im Westbereich zu bleiben. Wir Ostländer sind ja nicht die einzigen, die Probleme haben, nach 2020 mit diesen Rahmenbedingungen, zu denen die Schuldenbremse gehört, umzugehen.

Insofern haben wir uns erst in letzter Zeit das Thema Ostländer noch einmal konkret gegriffen, weil ich feststellen muss, dass wir natürlich die am engsten abgestimmten Interessen haben. Die fünf Flächenostländer und Berlin, da passt im Grunde kein Stück Papier dazwischen. Es ist ja auch klar, wir haben die gleiche Finanzdecke, die uns jetzt wegbricht, wir haben noch den gleichen Nachholprozess zu gestalten, dazu gibt es inzwischen wissenschaftliche Gutachten. Und auch die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister haben das schon deutlich artikuliert, dass sie in den neuen Ländern durchaus Nachholbedarf sehen. Das haben wir nicht nur mit Freude zur Kenntnis genommen, sondern auch gleich veraktet, um es später wieder abrufen zu können.

Im Grunde ist es also dieses Ostpapier, das – Frau Rösler, vielen Dank, dass Sie es auch loben – unsere innerste Überzeugung ist. Da dieses Papier Ihnen allen zugänglich ist, verzichte ich jetzt darauf, auf die einzelnen Positionen noch mal einzugehen. Da ist eine ganze Menge Fachspezifisches drin, das vielleicht nicht jedem Hörer hier unbedingt geläufig und in der Kürze der Zeit auch nicht beizubringen ist. Die Grundzüge heißen dennoch, dass wir diesen Aufholprozess, der nicht abgeschlossen ist, gestalten können müssen, und dazu müssen wir verschiedenen Ansinnen der Südländer eine Absage erteilen.

Ich nenne nur mal das Thema, den Umsatzsteuervorwegabzug nicht mehr vorzunehmen. Das ist ein innigst

hervorgebrachter Wunsch von Nordrhein-Westfalen. Um sich mal den Bundestag vorzustellen,

(Heinz Müller, SPD: Och!)

da reichen alle Abgeordneten der neuen Länder wohl kaum, um die Abgeordneten von Nordrhein-Westfalen stimmlich auszugleichen. Nun stellen Sie sich mal vor, solche Beschlüsse würden im Bundestag auf die Tagesordnung kommen. Davor würde mir Himmelangst werden, muss ich mal so sagen, weil unsere Karten dadurch schlechter werden, wenn dies passieren würde.

Der Umsatzsteuervorwegausgleich ist ja deshalb eingezogen worden, damit die unterschiedliche Steuerkraft der Länder nicht so extrem aufeinanderprallt. Es sollte der Druck vom horizontalen Finanzausgleich zu dem, was Bayern gerne mit 1 Milliarde Euro weniger betun möchte, gezogen werden. Wir erhalten aus diesem Umsatzsteuervorwegabzug mehr, als der eigentliche Länderfinanzausgleich ist. Das heißt, dieses Thema ist für uns noch viel, viel wichtiger als die 400 Millionen Euro Länderfinanzausgleich.

Im Moment gibt es eine sehr differenzierte, komplizierte Gemengelage bei diesem und jenem Thema. Ich sage nur das Thema: Was passiert mit dem Soli? Wie wird er an die Länder und Kommunen verteilt? Wie wird dann für Ausgleich gesorgt, dass das Ganze in strukturschwächere Regionen kommt? Das sind ja alles unsere Forderungen, die wir dabei haben. Dafür gibt es mehrere Mechanismen, alle mit Vor- und Nachteilen, alle mit einer kleinen Schraubenumdrehung, mit ganz schlimmen Zahlenfolgen versehen. All das wird bei uns ganz akribisch aufgearbeitet und bewertet, und wir sind mit Vehemenz dabei, unsere Länderinteressen dabei auch zu vertreten.

Dazu gehört auch das Thema „Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft in den Länderfinanzausgleich“. Es liegt quasi auf der Hand, dass die kommunale Finanzkraft einbezogen werden muss. Wir werden ja als Länder und Gemeinden gemeinsam betrachtet und wir haben natürlich die Verantwortung dafür, wie unsere Kommunen ausgestattet sind. Deshalb haben wir ein hohes Interesse daran, dass es einen höheren Einbeziehungsgrad gibt. Ich sage Ihnen nur mal, um das auch deutlich zu machen, es gibt am anderen Ende des Stricks Länder, die sagen: Wir wollen das überhaupt nicht mehr einbeziehen, das interessiert uns überhaupt nicht.

Die 64 Prozent waren damals ein gegriffener Kompromiss eines Gesamtpakets. Auch die waren schon schwierig genug, die Verhandlungen beim letzten Mal. Mir fehlt einfach der Optimismus, dass man jedes Ziel, das man hier vertritt, auch erreicht.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ich denke, es wird am Ende des Tages ein Kompromiss herauskommen müssen, der dem Grundgesetz genügt. Davon, denke ich, können wir als Land überhaupt nicht abgehen. Wir müssen die gleichen Lebensverhältnisse in Ost, in West, in Nord und Süd natürlich weiter als Ziel definieren und wir müssen auch die Finanzbeziehungen danach ausrichten. Davon werden wir auch bis zum letzten Mittel nicht abgehen, aber niemand kann heute sagen, welche Stellschraube trägt dazu bei, dieses Gesamtziel zu erreichen.

Und die Verhandlungen nehmen, das hat man ja auch in der Vergangenheit gesehen, teilweise einen dynamischen Charakter an, sodass es große Papiere gibt. Wir als Finanzminister können jetzt sagen, wir haben fertig, wir haben den Ministerpräsidenten unser Bund-LänderPositionspapier vorgelegt. Wir haben einen halben Meter Papier mit Anlagen, Berechnungen und allem erarbeitet. Da steckt ganz, ganz viel Arbeit drin, und trotzdem macht es nur eins deutlich: die widerstreitenden Interessen der Länder.

Es wird also einer großen Kraftanstrengung bedürfen und natürlich auch einer gewissen Kompromissbereitschaft aller Länder, um diese widerstreitenden Interessen durch die Tür zu kriegen. Ich stelle mir bei einem Beteiligungsprozess natürlich auch vor, dass man vor einer „Nacht der langen Messer“ jetzt noch fragen müsste: Wie weit darf ich überhaupt gehen? So kann man nicht verhandeln!

Im Grunde ist das, was Sie als Beteiligung wünschen, für mich eine sehr nachvollziehbare Forderung im Sinne von: Letztendlich sind Sie als Haushaltsgesetzgeber nachher auch zuständig

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Genau.)

für die Dinge.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Eben. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Genau.)

Soweit kann ich das gut nachvollziehen.

Ich würde auch auf gar keinen Fall den hochgeschätzten Präsidenten entgegentreten, die jetzt mehr Beteiligung wünschen. Aber auch dort ist nicht klar, deshalb sagte ich es vorhin gleich, die FöKo III wird es nicht geben. Man wird also einen Weg finden müssen, wie man diese Beteiligung organisiert, und ich denke, dafür ist jedes Land für sich allein verantwortlich.

Ich biete nach wie vor an, sehr transparent und ausführlich zu berichten, wie der aktuelle Stand ist. Und wenn Sie dann als Fraktion das Gefühl haben, Ihre Interessen werden durch die Finanzministerin gegenüber den anderen Ländern nicht ordnungsgemäß vertreten, dann müssten Sie das vielleicht mal mit mir an dieser oder jener Stelle gerne diskutieren. Denn auch wenn ich sage, ich gebe da alles, wird das vielleicht für den einen oder anderen nicht genug sein. Ich habe mir Mühe gegeben, Ihnen deutlich zu machen, in welcher Gemengelage wir uns da befinden als kleines Land im Nordosten. Die Kraft, die ich eigentlich nehme, trotzdem den Hals aufzureißen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

wenn es darum geht, unsere Interessen zu vertreten …