Protocol of the Session on July 3, 2014

Also ich habe gelernt, dass der öffentliche Fahnenmast

(Udo Pastörs, NPD: Flaggenmast heißt das. Sie waren doch beim Militär!)

eine offenbar höchst politische und schützenswerte Einrichtung ist in diesem Land. Ich stelle mir die Frage: Was ist eigentlich schlimm an einer Ausnahmeregelung? Ich

stelle mir die Frage: Was spricht eigentlich gegen eine Änderung der Beflaggungsordnung dieses Landes? Argumente dagegen habe ich bislang nicht gehört, außer von der SPD eben,

(Martina Tegtmeier, SPD: Neutralitätsbestreben. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

wir würden ja gern, aber wir beugen uns hier auch an dieser Stelle dem Unwillen oder dem Nichtwillen unseres Koalitionspartners. Also überzeugend war das nicht, das lassen Sie mich am Anfang feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nach dem geschichtlichen Überblick, Kollegin Gajek, möchte ich einen geografischen Überblick hinzufügen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ländern wie Kamerun oder Nigeria werden gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen mit Gefängnisstrafe belegt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Für viele ist das übrigens auch ein Grund, ihr Heimatland zu verlassen und in Deutschland um Asyl zu bitten. Familienmitglieder mit einer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung werden verstoßen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Gewalt gegen Homosexuelle wird als Akt der Tapferkeit gesehen, die Menschen werden sich selbst überlassen und zu Freiwild. Auch Menschen, die sich für die Belange und Rechte Homosexueller einsetzen, werden massiv bedroht, so auch die Kameruner Rechtsanwältin Alice Nkom, die Todesdrohungen erhält, weil sie sich für die Verfolgten einsetzt. Sie ist in diesem Jahr mit dem Menschenrechtspreis von Amnesty International Deutschland ausgezeichnet worden.

In Ländern wie Russland ist die Symbolik für gleichgeschlechtliche Lebensweise verboten und unter Strafe gestellt. Ein entsprechendes Gesetz dazu wurde auf föderaler Ebene im Juni 2013 vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet. Jegliche positive Äußerung über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien, wie das Internet, sind unter Strafe gestellt. Das bedeutet auch, dass Veranstaltungen für Schwule und Lesben nicht beworben werden dürfen und nicht öffentlich stattfinden können. Homosexualität wird tabuisiert und als gesellschaftlich nicht konform gesehen. Homosexuelle werden diskriminiert, gleichgeschlechtliche Paare haben keine Rechte.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Gegenwartspolitik, auch in Europa. Als demokratische Gesellschaft, als weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern können und dürfen wir dies nicht akzeptieren!

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die weltweiten diskriminierenden Auswüchse gegenüber homo-, bi-, trans- und intersexuellen Menschen müssen für uns ein Grund sein, jetzt erst recht die Rechte gleich

geschlechtlicher Lebensweise vehement einzufordern, Vielfalt, Toleranz zu leben und, ja, die Regenbogenflagge hochzuhalten in einem freien Land.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss selbstverständlich sein, Symbolik für die Menschenrechte an öffentlichkeitswirksamen Orten zu platzieren. Eine Genehmigungspflicht für die Regenbogenflagge oder auch die Flagge der Menschenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ist ein Hohn, lieber Herr Innenminister und liebe Landesregierung! Denn es ist eben nicht nur die Haltung der Landesregierung, es ist auch die Duldung des Ministerpräsidenten, der sich gern eine andere Regelung gewünscht hätte. Wie windelweich ist das denn, liebe Landesregierung?

Das öffentliche Anbringen von Flaggen und anderer Symbolik für Menschenrechte und gegen Diskriminierung muss in einer demokratischen Gesellschaft ohne Umschweife möglich sein, sonst brauchen wir doch von einem weltoffenen Mecklenburg-Vorpommern gar nicht zu reden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Udo Pastörs, NPD: Das hat doch nichts mit weltoffen zu tun.)

Die Regenbogenflagge wird in vielen Kulturen weltweit als Zeichen der Toleranz, der Vielfältigkeit und der Hoffnung verwendet. Sie wird in der internationalen Friedensbewegung eingesetzt und mit umgedrehter Farbgebung in der Schwulen-und Lesbenbewegung. Seit Jahren wird die Regenbogenflagge als Symbol für Weltoffenheit und Toleranz akzeptiert in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern.

Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern verwies jedoch in diesem Jahr,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum auch immer!)

in diesem Jahr seltsamerweise auf die Genehmigungspflicht für das Setzen von Flaggen privater Organisationen vor öffentlichen Gebäuden und – jetzt kommt der Riesenfauxpas – befand, dass das Setzen der Regenbogenflagge vor dem Rathaus in Schwerin nicht genehmigungsfähig ist. Warum, das vermag bis heute niemand zu erklären,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat er auch nicht erklärt.)

und auch die Redebeiträge des Innenministers und von Frau Tegtmeier haben hier keine Aufklärung gegeben.

(Torsten Renz, CDU: Dann fragen Sie mal Frau Gramkow, wie das alles zustande gekommen ist!)

Damit hat die Landesregierung – und nicht nur der Innenminister – einen falschen Weg eingeschlagen. Ich will das noch einmal wiederholen.

Die Landesregierung hält Recht und Gesetz hoch, um das öffentliche Anbringen der Regenbogenflagge nicht zu genehmigen, also zu verbieten. Das ist unglaublich und unverantwortlich. Selbst wenn die Regenbogenflagge trotz allem couragiert von der Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt und von anderen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Land angebracht wurde und dies immerhin vom Innenminister stillschweigend geduldet wird,

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

obwohl ja hier offensichtlich ein Rechtsbruch vorliegt, werden diejenigen, die für Menschenrechte, Vielfalt und Toleranz eintreten, in eine rechtlich kritische Situation gebracht, und das sollten wir nicht länger zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Das widerspricht auch dem Landesprogramm für Demokratie und Toleranz, das widerspricht allem, was wir in Sachen Gleichstellung bereits erreicht haben. Artikel 5 Absatz 1 der Landesverfassung besagt, ich zitiere: „Das Volk von Mecklenburg-Vorpommern bekennt sich zu den Menschenrechten als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit.“ Zitatende. Ein Bekennen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Bekennen heißt auch, das Zeigen und das uneingeschränkte Nutzen entsprechender Symbolik für die Menschenrechte, ohne es vorher genehmigen zu müssen.

In dem vorliegenden gemeinsamen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE geht es grundsätzlich um die Gleichstellung homo-, bi-, trans- und intersexueller Menschen, um Vielfalt, Toleranz und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. Wie es unter anderem um die bisherige rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und der Ehe im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern steht, dazu liegt der Landesregierung eine Kleine Anfrage von mir vor. Leider gibt es noch keine Antwort von der Landesregierung. Es wurde um Fristverlängerung gebeten, der ich auch im Interesse der Sache entsprochen habe.

Dass eine Änderung der Gesetzeslage notwendig ist, darauf verwies das Bundesverfassungsgericht im Juni 2013. Es stellte fest, dass der Ausschluss eingetragener Lebenspartnerschaften vom Ehegattensplitting verfassungswidrig ist, und forderte die steuerrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehen. Durch das Ehegattensplitting wird die Steuerbelastung verheirateter Paare gesenkt.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundestag hat hierzu einen Beschluss gefasst. Die nun verabschiedete Regelung sieht vor, dass die Splittingvorteile auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften rückwirkend ab dem Jahr 2001 gelten. Die Adoption bedarf jedoch noch einer gesetzlichen Anpassung. Hier sperren sich bislang CDU und CSU auf Bundesebene vehement.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wären die rechtlichen Ungleichheiten ausgeräumt. Es gäbe endlich Rechtssicherheit und eine tatsächliche Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Lebenspartnerschaften. Initiativen für eine Ehe gleichgeschlechtlicher Paare gab es bereits mehrfach, jedoch ohne geltendes Recht ändern zu können.

Im Oktober 2013 legte die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vor.

(Torsten Renz, CDU: Und wie haben die GRÜNEN abgestimmt?)

Im März 2013 wurde im Bundesrat ein Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts eingereicht. Der Bundesrat hat mehrheitlich für den Antrag gestimmt. Somit ist Ihre Frage, lieber Kollege Renz, beantwortet.

(Torsten Renz, CDU: Nee, im Bundestag, wollte ich wissen.)

Der Bundesrat hat mehrheitlich für den Antrag gestimmt, der die Ehe für Schwule und Lesben öffnen soll. Der Entwurf wurde jedoch im Bundestag, lieber Kollege Renz, noch unter der schwarz-gelben Regierung abgelehnt.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, abgelehnt. – Torsten Renz, CDU: Ja, und die GRÜNEN haben aber zugestimmt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die Gleichstellung mit allen verfügbaren Mitteln voranbringen! Ein Zurückfallen muss verhindert werden und erst recht eine Annäherung an Gesellschaften, in denen Diskriminierung per Gesetz verordnet werden kann!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein erster Schritt dazu,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)