Übrigens hat Frau Nahles, die sich auf einer Rundtour durch die Bundesrepublik befindet, neulich von mindestens 20 Städten gesprochen, in denen derartige Modellprojekte bundesweit noch einmal auf den Weg gebracht werden müssten.
Der dritte Anstrich zielt auf die sich zunehmend durchsetzende Erkenntnis, dass die Regelungen zur Förderhöchstdauer, die mit der Instrumentenreform Eingang ins SGB II gefunden haben, eher hemmend als befördernd auf die Integrationsbemühungen wirken. Viele Experten sehen diese starre Vorgabe, nämlich maximal 24 Monate innerhalb von fünf Jahren fördern zu dürfen, problematisch und empfehlen, die mögliche individuelle Förderdauer auch ein Stück an der Dauer der Arbeitslosigkeit zu orientieren. So schlägt der DGB in seinem aktuellen Strategiepapier vor, sich bei Personen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen, die nur langfristig an den Arbeitsmarkt herangeführt werden können, am Instrument des früheren Beschäftigungszuschusses zu orientieren.
Für diejenigen, die nicht wissen, was sich dahinter verbirgt: Da konnte man bei den alten Regelungen nach einer ersten Phase von 24 Monaten unbefristet weiterfördern, wenn auch danach eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erwarten war.
Der vierte Anstrich orientiert sich an der Erfahrung, dass insbesondere Langzeitarbeitslose nach langer Abstinenz vom Arbeitsmarkt trotz erfolgreicher Vermittlung vielfach die Probezeit nicht überstehen. Daher sollte man eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen, um ihnen durch eine rechtskreisübergreifende Integrationsbegleitung – bei Bedarf eben auch über den Wiedereintritt ins Arbeitsleben hinaus – Unterstützung anbieten zu können.
Der fünfte Anstrich nimmt ebenfalls die Diskussion zur Schaffung flexiblerer Möglichkeiten der Förderung öffentlicher Beschäftigung auf. Die Finanzierung und Steuerung von Instrumenten, wie unter dem Anstrich drei bereits erläutert, muss langfristig, will heißen, mehrjährig auch außerhalb der bisherigen Steuerungslogik der Jobcenter möglich sein. Ich hatte gestern die Gelegenheit, beim Sommerfest des Landtages noch einmal mit einem Kollegen der Bundesagentur darüber zu sprechen. Das
Der sechste Anstrich zielt auf eine gemeinsame Kampagne des DGB mit 18 Organisationen ab, also Sozial-, Frauen- und Jugendverbänden, Kirchen, aber auch Erwerbsloseninitiativen, die deutlich macht, dass Würde keine Ausnahme kennt. Damit wird auch ganz klar die Behauptung des Ministerpräsidenten widerlegt, das im Moment in der Diskussion befindliche Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie und damit die vorgesehenen Mindestlohnregelungen seien genau so formuliert, weil die Gewerkschaften es ausdrücklich gewünscht haben. Ich denke, die Protestaktion von DGB, Frauenrat und den großen Sozialverbänden am 30. Juni vor dem Bundestag hat die Ablehnung von Ausnahmen vom Mindestlohn noch einmal deutlich bestätigt.
Aus meiner Sicht haben Niedriglöhne bislang nicht zu besseren Arbeitsmarktchancen für Langzeitarbeitslose geführt, und ich bin auch überzeugt davon, dass sie das künftig nicht tun werden. Stattdessen besteht eher die Gefahr, dass es neue Drehtüreffekte gibt, wenn sich Unternehmen einfach dadurch Wettbewerbsvorteile verschaffen können, dass sie Langzeitarbeitslose sechs Monate unter Mindestlohnniveau bezahlen und sie anschließend wieder rausschmeißen. Daher sollte die Landesregierung im Rahmen der Beteiligung des Bundes- rates am Gesetzgebungsverfahren auch auf die Streichung dieses Passus und anderer Ausnahmereglungen hinwirken.
Auf die Anstriche 7 und 8 kann ich zusammenhängend eingehen. Sie wissen, die ASMK hat die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Leistungs- und Verfahrensrechtes auf den Weg gebracht. Schaut man in den Zwischenbericht, dann finden sich nur wenige sinnvolle Maßnahmen, deswegen überrascht auch die fast einhellige Ablehnung der Landesdatenschutzbeauftragten nicht. Auch dazu werde ich im Detail in der Debatte noch etwas sagen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Hesse. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich über die Gelegenheit, mit Ihnen eines meiner Schwerpunktthemen zu erörtern, und darüber, dass die Fraktion DIE LINKE meinen Kurs offenbar teilt.
Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit mit all seinen sozialpolitischen Folgen stellen wir in den Fokus, deswegen war ich dazu auch am Dienstag gemeinsam mit Frau Haupt-Koopmann, Herr Foerster sagte es bereits, bei der
Landespressekonferenz. Mir ist wichtig, dass wir bei der Suche nach Lösungen, wie man der Langzeitarbeitslosigkeit begegnen kann, alle Arbeitsmarktakteure im Land mit ins Boot holt. Hierfür ist das „Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit“ ein gutes Gremium. In der dritten Hauptrunde haben wir uns Ende Mai mit den Sozialpartnern, den Kammern und der Bundesagentur für Arbeit darauf verständigt, das Thema Langzeitarbeitslosigkeit intensiv zu bearbeiten.
Die Landesregierung hat bereits mit der Vorlage des neuen Operationellen Programms des ESF für die Förderperiode 2014 bis 2020 deutlich gemacht, wo sie ihre Schwerpunkte setzt. Dazu gehört insbesondere, dass wir ein stärkeres Gewicht auf die Förderung der sozialen Eingliederung legen werden.
So soll die Teilhabe arbeitsloser Familien gezielt gestärkt werden. Wir werden deshalb familienorientierte Maßnahmen wie den Familiencoach gezielt fördern. Ebenso werden Integrationsprojekte für Arbeitslose weiter gestärkt. Dabei stehen vor allem Arbeitslose im Mittelpunkt, die schon länger ohne Beschäftigung sind. Sie brauchen für die Integration eine besonders intensive Betreuung, deshalb werden wir in der neuen Förderperiode eng mit den Jobcentern zusammenarbeiten und unsere Kräfte bündeln. Die Jobcenter mit ihrer Erfahrung bei der Betreuung und Integration von Langzeitarbeitslosen sind in der neuen Förderperiode als stimmberechtigte Mitglieder in den Regionalbeiräten vertreten.
Sie bringen damit ihr fachliches Know-how in die Votierung der Integrationsprojekte, des Familiencoachs und der kleinen Projekte im besonderen Maße ein. Wir brauchen diese Expertise, denn die Jobcenter kennen die regionalen Bedarfe und werden dementsprechend bei der Planung und Ausgestaltung der Projekte mitwirken.
Sie sehen also, wir sind gut aufgestellt, und selbstverständlich werde ich nicht nachlassen, die Bundesregierung aufzufordern, für einen ausreichenden Haushaltsansatz bei den Eingliederungsmitteln und ein auskömmliches Verwaltungskostenbudget zu sorgen.
(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist auch schon ein Fortschritt. – Vincent Kokert, CDU: Was sagt die Genossin Nahles dazu?)
Bereits im Januar des Jahres habe ich zu Ihrem Antrag „Arbeitsmarktpolitische Spielräume gewinnen – Haushalte der Jobcenter bedarfsgerecht ausstatten“ ausgeführt, dass die 90. ASMK einstimmig die Bundesregierung dazu aufgefordert hat, und ich habe auch ausgeführt, dass die Arbeitsgruppe „Eingliederung“ beim BundLänder-Ausschuss aufgefordert wurde, zur Überarbeitung und Fortentwicklung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB II und III bis Mitte 2014 konkrete Vorschläge zu erarbeiten.
Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung Anfang April allen Jobcentern mitgeteilt hat, dass für die Haushaltsjahre 2014 bis 2017 weitere insgesamt 1,4 Milliarden Euro für Arbeitsuchende zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel wurden sowohl für Leistungen zur Eingliederungs
arbeit als auch für Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereitgestellt. Die Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern haben davon entsprechend der Verteilungsschlüssel der Eingliederungsmittelverordnung 2014 11,6 Millionen Euro erhalten. Im Klartext heißt das, den Jobcentern stehen 11,6 Millionen Euro mehr Finanzmittel zur Verfügung.
Im Übrigen hat der Bund mit dem Bundeshaushalt 2014 das Gesamtbudget von fast 8 Milliarden Euro für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf dem Niveau des Jahres 2013 gehalten, obwohl im Jahr 2014 bundesweit mit einem weiteren Rückgang der Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu rechnen ist. Für die Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern ist somit insgesamt mit einem Gesamtvolumen für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten von rund 270 Millionen für 2014 ein Anstieg des Gesamtbudgets im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent zu verzeichnen. Mit diesem Ergebnis – Herr Foerster, Sie haben es bereits angedeutet – können wir aber langfristig nicht zufrieden sein. Insbesondere die deutlich angestiegenen Kosten im Verwaltungskostenbudget, zum Beispiel durch Mieterhöhungen und Tarifanpassungen, müssen durch eine sach- gerechtere Ausstattung gedeckt werden.
Aber auch das Eingliederungsbudget für eine Integration von Personen mit besonders hohen Vermittlungsproblemen muss entsprechend auskömmlich sein. An dieser Stelle werden wir in unseren Forderungen dem Bund gegenüber nicht nachlassen.
Zu der Arbeit der AG „Eingliederung“ kann ich Ihnen mitteilen, dass diese ihre Arbeit abgeschlossen hat. Die dort erarbeiteten Vorschläge werden jetzt im Bundesministerium geprüft und in den politischen Gremien diskutiert. Ziel ist es, diese Vorschläge in das geplante SGB-IIÄnderungsgesetz einzubringen, und zwar gemeinsam mit den Vorschlägen der Bund-Länder-AG „Rechtsvereinfachung“. Diese Arbeitsgruppe hat vorgestern ihren Bericht fertiggestellt. In den letzten Wochen ist in der Presse eine ganze Menge zu diesem Bericht geschrieben worden. Vielfach sind Vorschläge einzelner Länder oder sonstiger Akteure veröffentlicht worden. Dabei ist aber auch, und das möchte ich betonen, viel Unsinn geschrieben worden. Ich rate Ihnen, lesen Sie den endgültigen Bericht und Sie werden sehen, dass es zu vielen Erleichterungen auch für die Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher kommen wird.
Im Übrigen werden wir insbesondere auch bei dem von der Bundesregierung angekündigten neuen BundesESF-Programm genau hinsehen, was das Programm für Mecklenburg-Vorpommern und die Langzeitarbeitslosen im Land bedeutet.
Lassen Sie mich abschließend mit aller Deutlichkeit sagen, ich stelle mich den unbequemen und schwierigen Seiten des Arbeitsmarktes. Langzeitarbeitslose müssen wir noch stärker in den Fokus nehmen, um diesen Menschen wieder eine Perspektive geben zu können. Das
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute meinen Kollegen Torsten Renz vertreten. Ich muss mich ausdrücklich entschuldigen, dass Sie auf seine charmante Art und Weise verzichten müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Anfang der Woche wurde die Arbeitsmarktstatistik für den Juni 2014 vorgestellt. Die Zahlen in Kürze: Zum ersten Mal in einem Juni wurde die Grenze von 90.000 Arbeitslosen unterschritten. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist weiter angestiegen. 529.900 Beschäftigte, das ist ein Plus von 4.600 Beschäftigten oder 0,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Die aktuellen ifo-Konjunktur- prognosen prognostizieren weiteren wirtschaftlichen
Aufschwung bis ins nächste Jahr. Davon profitieren alle, ob über 55 oder unter 25, ob schwerbehindert oder langzeitarbeitslos, das können Sie genau diesem Wortlaut der aktuellen Arbeitsmarktstatistik entnehmen. Abgesehen davon hat die Chefin der Regionaldirektion Nord, Margit Haupt-Koopmann, schon im April darauf hingewiesen, dass neue sozialversicherungspflichtige Jobs von den Unternehmen in M-V immer häufiger mit arbeitslosen Frauen und Männern besetzt würden.
Insofern können wir aufgrund der aktuellen Zahlen Ihrem ersten Antragspunkt leider nicht zustimmen, sehr geehrter Herr Foerster. Der Anteil an von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen ist gegenüber dem letzten Arbeitsmarktbericht nicht gestiegen, sondern gesunken, und zwar konkret um zwei Prozent gegenüber dem Vormonat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns zunächst bei den Zahlen bleiben. In Ziffer 1 ihres Antrages verweist DIE LINKE auf den hohen und wachsenden Anteil an Langzeitarbeitslosen. Ich habe Ihnen ja einleitend die aktuellen Junizahlen dargestellt. Diese Zahlen stützen den genannten Befund auch laut Aussage der Chefin der Regionaldirektion ausdrücklich nicht.
Sie gehen aber noch einen Schritt weiter und sagen, der Anteil an Arbeitslosen ist in Mecklenburg-Vorpommern der höchste in einem Flächenland, und besonders proble
matisch sei die Langzeitarbeitslosigkeit, heißt es dann in Ihrer Begründung. Hier kommt ein falscher Zungenschlag in Ihre Argumentation, sehr geehrter Herr Foerster.