Protocol of the Session on May 16, 2014

Die Intervention des Ministerpräsidenten, die ja nicht vorgesehen war, der Beitrag von Herrn Holter und der Beitrag von Herrn Kokert haben sehr deutlich gemacht, dass eine parlamentarische Debatte auch erbringen kann, dass wir im Sinne der Menschen dieses Landes aufeinander zugehen können und den Versuch machen, konstruktiv miteinander umzugehen.

(Torsten Renz, CDU: Das haben wir schon immer gemacht.)

Das ist eine Form, die, glaube ich, dem Landtag guttun würde, und wir sollten das an der einen oder anderen Stelle in dieser Form und, ich finde, auch in dieser Qualität wiederholen. Dazu haben Sie alle beigetragen, deshalb möchte ich auch darauf eingehen und das voranstellen, bevor ich im Zuge dieser Debatte zu einem kritischen Redebeitrag komme.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist schade. Ich habe gedacht, Sie haben jetzt den Mut, das zurückzuziehen. – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Lieber Herr Kollege Kokert, ich hätte den Mut, das zurückzuziehen,

(Vincent Kokert, CDU: Dann machen Sie es!)

wenn Sie mir zusichern, dass der Standard, den Sie hier mit anderen gesetzt haben, in diesem Landtag zur Regel wird,

(Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Torsten Renz, CDU)

aber da bin ich im Augenblick in der Einschätzung noch etwas vorsichtig.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir fühlten uns motiviert, uns nach zweieinhalb Jahren Landtagsangehörigkeit einmal grundsätzlich damit zu beschäftigen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

wie die Mehrheit dieses Landtages mit der Minderheit dieses Landtages umgeht, und das nach dieser Zeit mal zu reflektieren. Dabei geht es mir nicht um den Stil der Auseinandersetzung,

(Vincent Kokert, CDU: Uns manchmal schon.)

denn ich bin ausdrücklich dafür, dass wir uns hier im Hause klar und hart in der Sache im besten demokratischen Sinne streiten. Es geht mir vor allen Dingen um den Umgang mit den Initiativen der Opposition. Dazu lohnt es sich, sehr geehrte Damen und Herren, einen Blick in die Landesverfassung zu werfen. In dem uns allen vorliegenden Kommentar, die Quelle ist Litten/Wallerath, heißt es, ich zitiere: „In unserer Landesverfassung ist die Aufgabe der Opposition in einem konstruktiven Sinne beschrieben.“ Zitatende. Im Artikel 26 Absatz 2 heißt es

dazu: Die „Parlamentarische Opposition hat insbesondere die Aufgabe, eigene Programme zu entwickeln“

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

„und Initiativen für die Kontrolle von Landesregierung und Landesverwaltung zu ergreifen sowie Regierungsprogramm und Regierungsentscheidungen kritisch zu bewerten“.

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach gesagt und Sie finden das, glaube ich, auch als Ausdruck unserer differenzierten Positionierung zu Vorlagen der Landesregierung, die wir von Sachargumenten abhängig machen, dass wir das als konstruktiv kritische Opposition betreiben. Wir nehmen diese Aufgabe sehr ernst, wir hinterfragen das Regierungshandeln regelmäßig über das uns zur Verfügung stehende Mittel der Anfragen. Wir bewerten Initiativen der Landesregierung und der Landesverwaltung regelmäßig und nutzen zur Darstellung unserer Position natürlich auch die Medien.

(Vincent Kokert, CDU: Wollen Sie jetzt, dass wir Sie loben, oder was soll dieser Vortrag?)

Wenn sich der Landtag, so wie in dieser Sitzung, jedoch vor allem mit politischen Initiativen der Oppositionsfraktionen auseinandersetzen muss, weil kaum Initiativen der Regierungsfraktionen vorliegen, aber gleichzeitig von vornherein klar ist, dass die Oppositionsvorschläge nahezu vollständig abgewiesen werden …

(Heinz Müller, SPD: Da hätten Sie jetzt Ihr Manuskript ändern sollen.)

Ja, nahezu vollständig, Herr Müller.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist der Nachteil, wenn man sich alles aufschreiben lässt. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Es gab gestern einen Änderungsantrag, es gab heute die gerade von mir gewürdigte Situation, aber ansonsten gilt die Regel, dass hier

(Vincent Kokert, CDU: Stimmt auch nicht!)

im Landtag abgebügelt wird.

(Vincent Kokert, CDU: Stimmt auch nicht!)

Wenn also gleichzeitig von vornherein klar ist, dass die Oppositionsvorschläge nahezu vollständig abgewiesen werden, dann ist eine sachinhaltliche Auseinandersetzung in den dafür zuständigen Ausschüssen von vornherein ausgeschlossen.

Sie setzen der Opposition mit Ihrem Verhalten frühe Grenzen. Sie entziehen sich damit der Sachauseinandersetzung in den Ausschüssen, eben weil Sie – bis auf ganz wenige Ausnahmen – gar nicht erst zulassen, dass Sachanträge oder Gesetzesinitiativen der Opposition die Ausschüsse erreichen. Sie entziehen den Ausschüssen, in denen ja vor allem die Sacharbeit geleistet werden soll, die Möglichkeit, sich überhaupt mit konstruktiven Vorschlägen der Opposition auseinanderzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich fand es in diesem Zusammenhang schon sehr bemerkenswert, wie SPD und CDU diesen, nennen wir es einmal Zustand, kommentieren. Im „Nordkurier“ hatte sich Uwe Reißenweber vor einigen Tagen unter der Überschrift, Zitat: „Schnarchtüten auf der Landtagsbank?“, mit Fragezeichen,...

(Vincent Kokert, CDU: Das ist so nach Ihrem Geschmack, Herr Suhr, ne?)

Mit Fragezeichen, Herr Kokert.

… Zitatende,

(Vincent Kokert, CDU: Das ist so nach Ihrem Geschmack. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

mit den Initiativen der Landtagsfraktionen von SPD und CDU auseinandergesetzt.

(Vincent Kokert, CDU: Dann erwarten Sie von uns konstruktive Zusammenarbeit?!)

Die SPD ließ verlautbaren, dass es in einem parlamentarischen System üblich sei – diesem Artikel zu entnehmen –, dass die Oppositionsfraktionen über möglichst viele An- träge ihre politische Arbeit darstellen und dass die Re- gierungsfraktionen zusammen mit der Landesregierung betrachtet werden müssen, denn schließlich würden Gesetzesentwürfe meist von der Landesregierung eingebracht und nicht von den Regierungsfraktionen.

(Heinz Müller, SPD: Richtig. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, was einfach nur der Wahrheit entspricht.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn das zum Leitbild Ihres politischen Handelns wird, dann reduzieren Sie die Arbeit des Landtages vor allem darauf, Regierungsvorlagen abzunicken und Oppositionsvorlagen abzublocken.

(Heinz Müller, SPD: Ist das im Landtag von Baden-Württemberg anders? – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber es ist dieser Landtag, es sind die Abgeordneten, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden, und Wählerinnen und Wähler dürfen zu Recht erwarten, dass die von ihnen gewählten Vertreter und Vertreterinnen auch jenseits des Regierungshandelns politische Initiativen entwickeln.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem Zusammenhang steht auch ein bemerkenswerter Kommentar seitens der CDU im gleichen Artikel, Zitat: „Als Regierungsfraktion löse man viele Probleme direkt mit der Landesregierung, sodass die politische Arbeit oft außerhalb der Plenarsitzungen stattfinde.“ Auch dies, sehr geehrte Damen und Herren, muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Bürgerinnen und Bürger wählen ein Landesparlament, welches dann zum großen Teil aus Abgeordneten besteht, die ihre politische Arbeit direkt mit der Regierung und außerhalb des Parlaments machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn das der Leitsatz Ihres Handelns ist, dann haben wir in der Tat ein unter

schiedliches Verständnis von Parlamentarismus. Mehr kann man dieses Parlament wahrlich nicht abwerten. Wenn das wirklich so sein sollte, wenn das wirklich Ihre Vorstellung von der Arbeit des Landtags sein sollte, dann entziehen Sie dem demokratisch gewählten Gremium seine Kernkompetenz.

Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden über die Zusammensetzung dieses Landtages und sie erwarten zu Recht, dass die von ihnen gewählten Abgeordneten nicht nur im Hinterzimmer der Regierung ihre Probleme vortragen und Lösungen auskungeln, sondern dass sie sich auf offener Bühne mit ihren politischen Initiativen zeigen und dass das auf einer Ebene der sachlichen Auseinandersetzung geschieht. Sie erwarten vor allen Dingen, dass wir uns einer sachlichen Auseinandersetzung nicht verschließen. Das genau tun Sie aber mit diesem Verfahren, das Sie hier zum Standard gemacht haben.

Der „Nordkurier“ lässt übrigens in seinem Artikel vom 13. Mai eine, wie ich finde, sehr schlüssige Frage zu und stellt sie: „Macht Macht behäbig …?“ ist die Frage. Ich finde, dass diese Frage überaus berechtigt ist. Ich finde, dass diese Frage für das Agieren von SPD und CDU zumindest teilweise mit einem „Ja“ beantwortet werden muss, und ich will dies an einem Beispiel deutlich machen. Wie bereits beschrieben, konzentriert sich die Arbeit in den Ausschüssen zu Gesetzesinitiativen im Wesentlichen auf Vorlagen der Regierung. Unsere Vorlagen werden, wie gerade ausgeführt, zum weitaus größten Teil im Landtag geblockt.

Übrigens fand ich gestern den Zusammenhang sehr bemerkenswert, als unsere Fraktion dafür kritisiert wurde, dass sie Anträge, die sie in nicht öffentlichen Sitzungen eines Ausschusses gestellt hat, dann hier nicht noch mal vortragen kann. Das war ein klassisches Beispiel, dass Sie die Initiativen der Opposition der Öffentlichkeit vorenthalten wollen. Das ist in der Tat nicht unser Verständnis, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)