Protocol of the Session on May 15, 2014

Herr Minister, Sie haben Ihre Redezeit um fünf Minuten überzogen. Diese Zeit wird den Oppositionsparteien zur Verfügung gestellt.

Ich rufe auf den Abgeordneten Herrn Eifler von der CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Jaeger, das ist vollkommen nachvollziehbar, die Frage der Auseinandersetzung mit der Fernwärmeproblematik. Wir haben heute das Thema „Energiewende braucht starke Forschung“ auch im Landtag diskutiert, und das wird sich sicherlich auch in dem Themenkomplex wiederfinden. Man muss sich diesen Möglichkeiten natürlich sehr offen stellen und sie da, wo es angebracht ist, mit nutzen.

Was in Feldberg passiert ist, das ist in der Tat für alle Beteiligten ärgerlich, es ist eine Insolvenz und da hingen Fernwärmekunden dran, die in großer Sorge waren. Das ist schlicht und ergreifend ärgerlich für alle Beteiligten, aber eines weise ich entschieden zurück, nämlich den Vorwurf der Mitverantwortung dieses Hauses.

In Ihrem Antrag, Herr Jaeger, gehen Sie auf den Punkt ein und verlangen, der Landtag möge feststellen, die Fernwärmeversorgung gehöre zur Daseinsvorsorge, ohne dabei – obwohl Sie den Antrag ausführlich begründet haben – aber auf technische Anforderungen, die rechtlichen und finanziellen Auswirkungen einzugehen. Deshalb habe ich mich auf das Thema Daseinsvorsorge etwas gründlicher vorbereitet, und hierzu meine,

(Udo Pastörs, NPD: Wie bei den Straßen. Wie bei Ihrer Rede mit den Straßen.)

hierzu meine Ausführungen: Rechtliche Grundlage der Daseinsvorsorge in Deutschland ist die grundgesetzlich geregelte kommunale Selbstverwaltung – das ging auch aus dem Redebeitrag vom Minister über Stadtwerke hervor –, kommunale Angelegenheit. Auch wenn das Grundgesetz den Begriff „Daseinsvorsorge“ meidet, umschreibt es den Begriff wie folgt: „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“. Das Bundesverwaltungsgericht versteht darunter diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben.

Was zum Inhalt der Daseinsvorsorge wird, muss letztendlich jede Kommune im Rahmen der Selbstverwaltung für sich entscheiden. Das sind in Städten wie zum Beispiel Rostock, Stralsund oder Greifswald ganz andere kommunale Aufgaben als in vielen ländlich geprägten Gemeinden in unserem Land. Fazit: Daseinsvorsorge ist also keineswegs bundes- und landeseinheitlich regelbar. Verwaltungsrechtlich versteht man unter Daseinsvorsorge alle Dienstleistungen der Kommune, an deren Erbringung ein allgemeines öffentliches Interesse besteht.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Ausbau von Fernwärmenetzen ist mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden. Oft ist eine Fernwärmeversorgung für den Endverbraucher kostenintensiver als eine dezentrale Wärmeversorgung. Das haben wir auch auf unserer Ausschussfahrt in Neustrelitz erfahren. Obwohl die Bedingungen für eine Fernwärmeversorgung äußerst günstig sind, kann die Fernwärme nicht mit modernen Individuallösungen konkurrieren. Deshalb muss hinterfragt werden, inwieweit Verbraucher in Mecklenburg-Vorpom- mern zusätzlich im Rahmen der Energieversorgung belastet werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren, die unter Ziffer II des Antrages geforderten Maßnahmen sind gänzlich abzulehnen. Es ist wohl kaum möglich, in die Vertragsfreiheit zwischen Kommunen und Privaten so einzugreifen, dass Versorgungssicherheit für Fernwärmekunden gewährleistet wird. Inwieweit bei solchen Einwirkungs- und Kontrollrechten private Dritte als Fernwärmenetzbetreiber be- ziehungsweise Fernwärmeversorger auftreten würden, bleibt ohnehin fraglich. Ebenso ist die Schaffung eines rechtlichen Rahmens auf Bundesebene, der die flächendeckende Fernwärmeversorgung und Versorgungssicherheit gewährleistet, höchst fraglich.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das steht da gar nicht drin im Antrag. Schön, dass Sie es widerlegen.)

Eine flächendeckende Fernwärmeversorgung ist gerade in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern nicht zielführend und mit großer Wahrscheinlichkeit nicht finanzierbar.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wo steht denn das? Wo steht denn das? Sie widerlegen gerade etwas, was ich nie behauptet habe.)

Fernwärmeversorgung kann nur in solchen Kommunen zum Tragen kommen, die durch Erneuerbare-EnergienAnlagen, Biogas über ausreichende Wärmekapazität verfügen und diese kostengünstig an Endverbraucher abgeben können. Hier komme ich auf das energetische Dreieck, was wir immer wieder ins Gespräch bringen, zurück: Es muss umweltfreundlich sein, es muss bezahlbar sein und es muss eine Versorgungssicherheit gewährleistet sein, Herr Jaeger.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist richtig.)

Zwingende Regelungen über Satzungen würden zu weiteren Belastungen von Kommunen, aber auch von Endverbrauchern führen, welche die Akzeptanz der Energiewende letztendlich infrage stellen würden. Aus den zuvor genannten Gründen wird meine Fraktion den Antrag ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unter der Überschrift „Zukunft der Fernwärmeversorgung sichern – Potenziale der Fernwärme für die Energiewende nutzen“ verknüpft die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute zwei

wichtige gesellschaftliche Bereiche, die Energiewende und die Daseinsvorsorge. Niemand wird hier bestreiten – und ich denke, das haben Sie auch nicht getan, Herr Eifler –, dass eine warme Wohnung ein Grundbedürfnis, wir meinen, ein Grundrecht ist. Da schlug der Fall der Insolvenz des privat betriebenen Biomasseheizkraftwerkes im Februar in Feldberg landesweit nicht zu Unrecht hohe Wellen. Der NDR und die örtliche wie überörtliche Presse berichteten ausführlich.

Betroffen von dem Ausfall waren vor allem die großen Gebäude der 4.000 Einwohner zählenden Gemeinde, die am Netz des Heizwerkes hängen: Schule, Altenheim, Rathaus, die Klinik am Haussee, eine Kindertagesstätte sowie 50 Hausanschlüsse mit zum Teil bis zu 14 Wohnungen – so der NDR. Ein Notbetreiber, der übergangsweise die Wärmeversorgung übernahm, fand sich zum Glück mit den Stadtwerken Neustrelitz. Einige private Endkunden rüsteten kurzfristig auf andere Heizungen um. Heute haben wir erfahren, es ist hier gerade schon festgestellt worden, dass das Heizkraftwerk geschlossen wird, weil inzwischen zu wenige Fernwärmeabnehmer da sind.

Ich unterstütze Sie in dem Falle, Herr Kollege Jaeger, wenn Sie sagen, und das hat ja auch der Minister hier bestätigt, wenn ein Fernwärmenetz oder ein Nahwärmenetz anliegt, dann sollte man alles Mögliche unternehmen, dass das auch erhalten bleibt. Und die einzige Lösung, die ich dafür gesehen hätte, wäre, dass dieses Heizwerk von der öffentlichen Hand übernommen wird.

(Egbert Liskow, CDU: Ach so? Und wer soll das bezahlen?)

Die öffentliche Hand, Herr Liskow, das habe ich gerade gesagt.

(Egbert Liskow, CDU: Wer ist denn die öffentliche Hand?)

Ja, das hätte man besprechen können.

(Egbert Liskow, CDU: Aha! – Bernd Schubert, CDU: Oh!)

Die Insolvenz in Feldberg war der erste Fall eines privaten Fernwärmenetzbetreibers in Mecklenburg-Vorpom- mern, bundesweit gab es leider schon mehrere Beispiele. Das macht deutlich, dass für solche Fälle eine Lösung benötigt wird.

Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN schwebt an dieser Stelle eine Regelung vor, wie sie für Strom- und Gasendkunden vorhanden ist. Gaskunden insoweit eingeschränkt, dass es Regelungen nur für Erdgasnetze und nicht für einen Anschluss an Gastanks gibt. Bei Strom und Gas ist geregelt, dass im Falle der Insolvenz eines Anbieters eine weiterlaufende Grundversorgung des Endabnehmers vorgeschrieben ist.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig.)

Den Unterschied zwischen den Strom- und Gasnetzen und den Fern- und Nahwärmenetzen beachten Sie allerdings nicht. Bei Strom und Gas gibt es flächendeckend zentrale und dezentrale, aber miteinander verbundene Versorgungsnetze, in die eine große Zahl von Versorgern einspeist. Wenn ich in Schwerin wohne, kann ich mir

problemlos Strom und Gas zum Beispiel vom Hamburger Ökoanbieter LichtBlick kaufen und diesen Anbieter jederzeit ohne Schwierigkeiten wechseln. Das geht bei Wärmeversorgung und Wärmenetzen nicht. Meist gibt es hier nur einen einzigen Anbieter, der in das Netz einspeist. Zudem sind die Fernwärmenetze nicht miteinander verbunden. All das macht eine rechtliche Regelung zur Versorgungssicherheit mit Wärme extrem kompliziert.

Eine Lösung über den in Ihrer Antragsbegründung vorgeschlagenen Weg des Energiewirtschaftsgesetzes, bei dem Sie davon ausgehen, dass Strom-, Gas- und Wärmenetze gleich zu behandeln sind, da sie ja Energie übertragen, sehen wir deshalb skeptisch. Strom und Gas: ein Netz und viele Anbieter, Wärme: ein lokal begrenztes Netz und fast immer nur ein Anbieter – das macht es schwierig, über das Energiewirtschaftsgesetz zu gehen.

Eine verstärkte Aufsicht und sogar eine Weisungsbefugnis der öffentlichen Hand gegenüber den Fernwärmeanbietern, das brauchen wir, um rechtzeitig auf eine Insolvenz privater Anbieter reagieren zu können beziehungsweise rechtzeitig vorsorgen zu können. Aus unserer Sicht gehören Nah- und Fernwärmenetze generell in die öffentliche Hand, und wir sind froh, dass das in MecklenburgVorpommern überwiegend so ist.

Ihre Forderung nach einem rechtlichen Rahmen auf Bundesebene, der den Ausbau einer flächendeckenden Fernwärmeversorgung befördert – „einer flächendeckenden“, es steht so im Antrag, Herr Kollege Jaeger –, um so die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, ist vielleicht verständlich, aber den Weg sehen wir nicht, wie wir dahin kommen können. Ein flächendeckendes Fernwärmenetz in Mecklenburg-Vorpommern würde

einen generellen Anschluss- und Benutzungszwang not- wendig machen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass das einen gewaltigen Proteststurm heraufbeschwören würde. Auch aufgrund meiner Greifswalder Erfahrungen sehe ich das so. Aber diesen Proteststurm, den könnte man ja erstens vielleicht noch aushalten und zweitens möglicherweise überwinden, wenn die Sinnhaftigkeit vermittelt werden könnte.

Fern- und Nahwärmenetze müssen ausgebaut werden, das meinen auch wir, aber bitte nur dort, wo es tatsächlich sinnvoll ist. Es müssen genügend Abnehmer der Fernwärme vorhanden sein, dass es ökonomisch, ökologisch sinnvoll und auch sozial verträglich ist, solche Netze zu installieren. Auch bei der Wärmeversorgung, das ist unsere Auffassung, müssen die Menschen etwas von solchen Maßnahmen haben. Deshalb finde ich persönlich zum Beispiel diese Idee der Nahwärmenetze in den Bioenergiedörfern sehr sinnvoll. Aber auch dort betrifft es einen räumlich abgegrenzten Bereich ohne Anschluss- und Benutzungszwang.

Ich weiß, Kollege Jaeger, gerade dem Projekt stehen Sie relativ kritisch gegenüber.

(Michael Silkeit, CDU: Zu Recht. – Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anschluss- und Benutzungszwang führen zu örtlichen Monopolen. Bei solchen Nahwärmenetzen finde ich das

überhaupt nicht schlimm, weil dort die Überwachung und die Preisbildung einfach aufgrund der Nähe und Begrenztheit transparent gestaltet werden können. Demokratische Kontrolle muss gewährleistet werden. Im Fernwärmemarkt kann man nicht unbedingt immer von Transparenz reden.

2012 sagte die Landesregierung, Fernwärmeversorger haben bei der Versorgung ihrer Kunden wegen der Leitungsgebundenheit eine marktbeherrschende Stellung und wo ein kommunalrechtlicher Anschluss- und Benutzungszwang herrscht, verfügt der Versorger über eine rechtlich abgesicherte Monopolstellung. Mit diesen Worten begründete damals Staatssekretär Rudolph eine Untersuchung zu den Fernwärmepreisen in Mecklenburg-Vorpommern bei rund 40 Unternehmen. Die Landeskartellbehörde hatte den Anfangsverdacht zu hoher Fernwärmepreise. Meine Kollegin und Vizepräsidentin Regine Lück begrüßte diese Untersuchung damals und bemerkte dazu, die Beheizung städtischer Wohnquartiere mit Fernwärme ist eine saubere Lösung und separaten Einzelheizungsanlagen vorzuziehen, aber letztlich hängen Akzeptanz und Attraktivität immer von den Kosten ab. Also noch mal: Auch dort muss demokratische Kontrolle gewährleistet sein und sie muss vor allen Dingen besser werden.

Und trotzdem, ich sehe es wie Sie, die erneuerbaren Energien müssen eine deutlich größere Rolle bei der Wärmeversorgung spielen, Power to Heat wird auch aus unserer Sicht die Zukunft sein.

Natürlich haben Sie mit Ihrem Ansatz recht, dass die Energiewende nicht nur eine andere Art der Stromproduktion sein darf. Selbstverständlich müssen wir dem Bereich der Wärmeerzeugung und des Wärmeverbrauches dringend mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich sage es noch einmal: Erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung, das ist die Zukunft, dazu sehen wir keine vernünftige Alternative. Das heißt auch, dass die Schnittstellen zwischen Strom- und Wärmenetzen ausgebaut und verbessert werden müssen. Die Diskussion dazu reicht ja weit über die Insolvenz eines einzelnen Biomasseheizkraft- werkes in Mecklenburg-Vorpommern hinaus.

Über die Wege, wie wir Strom- und Wärmeversorgung besser koppeln können, sollten wir vielleicht im Energieausschuss diskutieren. Eine gemeinsame Diskussion mit dem Wirtschafts- und vielleicht sogar dem Innenausschuss würden wir für zielführend halten.

Für solche Fälle wie in Feldberg müssen Regelungen gefunden werden. Niemand darf aufgrund von Fehlkalkulationen und Missmanagement eines Fernwärmeversorgers im Kalten sitzen bleiben, und schon gar nicht öffentliche Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen oder Krankenhäuser. Die Lösung des Problems scheint uns aber nicht so sehr im flächendeckenden Fernwärmenetz zu bestehen,

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern eher in der Hoheit der Eigentümer beziehungsweise in den Möglichkeiten, die Verantwortung für die Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand auch wahrnehmen zu können. Wir würden eine Überweisung des Antrages befürworten, ansonsten wird sich unsere Fraktion der Stimme enthalten. – Danke schön.