Protocol of the Session on January 30, 2014

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wie kriegen wir das denn zusammen, Herr Schulte?)

Ja, Herr Kollege Suhr, Sie werfen der Landesregierung auf der einen Seite vor, …

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Herr Kokert, lassen Sie mich mal ausreden!

… Sie werfen der Landesregierung vor, dass sie sich nicht genug Zeit gelassen hat, um neue Angebote heranzuholen. Auf der anderen Seite werfen Sie der Landesregierung vor, dass sie sich zu viel Zeit genommen hat, damit diese Angebote entsprechend quantifiziert und untersetzt werden können.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo habe ich das denn gefordert?)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was Sie als Aktivität bezeichnen, das ist wahrscheinlich,

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Landesregierung könnte mal anfangen zu handeln, zu agieren. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Herr Kollege Suhr, was Sie als Aktivität bezeichnen, ist genau das, was Sie selber offensichtlich auch als Aktivität leisten, sich hin und wieder mal – und das sage ich jetzt mit aller Drastik – da hinzustellen,

(Vincent Kokert, CDU: Genau. So ist es.)

möglicherweise auch eine Betroffenheitsträne in einer Kirche in Stralsund abzudrücken

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Genau.)

und dann zu sagen, das ist das gewesen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das ist nicht die Arbeit, die man tatsächlich von einer Landesregierung erwarten kann!

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht – da können Sie auch debattieren, wie Sie wollen –, es nicht das Verschulden der Landesregierung, das ist tatsächlich in dieser Situation nicht mehr, als die vorhandenen Angebote hergeben. Das ist einfach eine Tatsache. Und wenn Sie, Herr Kollege Suhr, noch ein zusätzliches haben, dann kommen Sie damit rüber!

(Vincent Kokert, CDU: Richtig. Nehmen wir gerne auf. Nehmen wir gerne auf.)

Ich schätze mal, die Landesregierung und der Insolvenzverwalter werden das gerne prüfen. Und wenn die Finanzierung stimmt, vielleicht bringen Sie die ja auch gleich selber mit, dann kann ich mir gut vorstellen, dass der Insolvenzverwalter Ihnen persönlich den Zuschlag erteilt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kommen wir doch mal wieder zurück zu der Situation, wie sie ist, gerade im Rahmen eines Prozesses. Das ist ja kein Prozess, der nur hier in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden hat. Schauen Sie doch einfach mal, wie lange das Insolvenzverfahren bei Nobiskrug gedauert hat, wie lange das Insolvenzverfahren bei Sietas gedauert hat – alle mit dem Versuch, tatsächlich mehr oder weniger erfolgreich die Werftstandorte zu erhalten. Bei Sietas hat es ja nun nicht geklappt. Schauen Sie sich das an und dann werden Sie sehen, dass es völlig normal ist, dass man erst einmal schaut, welche Angebote liegen denn überhaupt vor, und das dauert seine Zeit.

Das dauert allein deswegen Zeit, weil alle Bieter, selbst ernsthafte Bieter, erst mal in einem Interessenbekun

dungsverfahren schauen werden, ob das denn überhaupt für sie Sinn macht, dort ein Angebot abzugeben. Dann werden sie im nächsten Schritt, wenn das stattgefunden hat, sich tatsächlich hinstellen und sagen, okay, wir sind bereit, ein Angebot abzugeben. Danach werden diese Angebote durch den Insolvenzverwalter geprüft, weil der das ja dem Gläubigerausschuss empfehlen muss – nicht der Landesregierung, die sind nur ein Teil davon. Und dann wird der Insolvenzverwalter hinterher sagen, dieses oder jenes Angebot macht Sinn, aber da muss – so, wie das in diesen Fällen ja auch tatsächlich der Fall ist – noch geschaut werden, ob die Finanzierungskonditionen, die damit verbunden sind, sinnvoll sind. Wie gesagt, das ist Aufgabe des Insolvenzverwalters, nicht der Landesregierung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man am Ende eines solchen Prozesses – und der hat bei allen anderen Werften genauso lange gedauert –, wenn man denn am Ende eines solchen Prozesses sieht, dass das, was der Markt dort bietet, nicht das ist, was wir uns für die industrielle und nachhaltig sinnvolle Entwicklung des Standorts Stralsund – und zwar völlig egal, ob Werft oder irgendwelche anderen Industriearbeitsplätze – wünschen, dann ist es tatsächlich Aufgabe der Landesregierung – und das ist ja auch genau das, was sie tut, und das stört Sie ja offensichtlich, dass sie das tut –,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau.)

dann ist es Aufgabe der Landesregierung zu schauen, ob es außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht mögli- cherweise noch weitere Interessenten gibt, die eigentlich gar nicht an der Insolvenzmasse interessiert sind, sondern die sagen, wir als potenzielle Investoren sind bereit, unabhängig von der Insolvenz an diesem Standort zu investieren und tatsächlich einen Industriestandort zu entwickeln.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da bin ich dann auch ganz ehrlich, ich mache den Bereich maritime Wirtschaft jetzt über zehn Jahre, ich mache das gerne, aber ich sage in aller Deutlichkeit: Bevor ich einen schlecht laufenden Werftstandort in Stralsund habe, habe ich lieber einen gut florierenden Industriestandort mit industriellen Arbeitsplätzen, insbesondere im Bereich der metallverarbeitenden Industrie.

(Udo Pastörs, NPD: Bemerkenswert.)

Wenn das das Ergebnis der Arbeit der Landesregierung ist, dann, finde ich – und das sehen ja offensichtlich Betriebsrat, Gewerkschaften genauso –,

(Vincent Kokert, CDU: Ja.)

ist das ein gutes Ergebnis für den Standort Stralsund.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig, Herr Schulte.)

Und da sind mir 300, 400 nicht maritime Arbeitsplätze, nicht maritime industrielle Arbeitsplätze allemal lieber als vielleicht 50 oder 60, die irgendein potenzieller Werft- investor anbietet. Auch das gehört zur Wahrheit.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schon bemerkenswert – und damit komme ich dann auch zum Ende –, wie sich mit dem Zeitablauf manche Argu

mentationen und Diskussionen selbst – ich habe ja an die Diskussion zu Beginn des Insolvenzverfahrens hier auch erinnert – ad absurdum führen. Wie gesagt, man kann nicht auf der einen Seite beklagen, dass eine Landesregierung zu viel getan hat, um möglicherweise eine Insolvenz zu vermeiden, und hinterher, wenn es dann doch dazu gekommen ist, stellt man sich an selber Stelle hin und sagt, jetzt beklagen wir hier, dass ihr nicht schnell genug zuseht, dass es wieder rauskommt. Das mag vielleicht – nein, das funktioniert nicht mal in Stralsund. Aber es ist zumindest keine vernünftige Politik in diesem Land. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr umfangreich gehört und detailliert vorgetragen bekommen, was geht, eventuell geht, was nicht geht. Vom Herrn Ministerpräsidenten haben wir gar nichts gehört.

Auf dem Tisch liegt ein Angebot einer Firma New Global Wind. Das kann man kommentieren mit viel Wind um nichts ohne konkrete Absicherung eines finanziellen Angebotes. Vergessen wir es!

Wir haben als Zweites Nordic Yards. Die wollen kaufen, haben anscheinend das Geld nicht zur Verfügung. Sie wollen auch, dass die Fähren, die eine komplette Fehlkonstruktion darstellen – massiv mit Fördermitteln des Landes finanziert –, dort auf der Werft, ja, umgebaut werden, dass sie überhaupt eingesetzt werden können. Die wollen Fördergeld eventuell einsetzen – das wird ja dann gefordert von Nordic Yards, da sind die Fühler schon ausgestreckt –, die wollen also ein vermurkstes Schiff mit Fördergeldern überhaupt in die Lage versetzen, dass es eingesetzt werden kann.

Der dritte Punkt, der festzuhalten ist: Das Land ist im Risiko mit 280 Millionen,

(Jochen Schulte, SPD: 250.)

und die Gläubiger – die Banken in erster Linie – wollen Geld sehen. Und was ich dem Herrn Ministerpräsidenten vorwerfen muss, ist, …

Ist er weggelaufen?

(David Petereit, NPD: Ja.)

Macht nichts.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber nicht vor Ihnen. Machen Sie sich keine Sorgen!)

Aber der Herr Wirtschaftsminister ist auch nicht da.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Doch, der sitzt dahinten.)

… was man Ihnen vorwerfen muss, ist, ganz klar, dass Sie hier Rosstäuscherei betrieben haben. Und das ist in diesem Land an sich schon Tradition, dass immer

dann, wenn etwas sehr gut funktioniert an irgendeinem Industriestandort – Dassow könnte ich nennen, aber auch die Werften –, dann ist der Ministerpräsident da, und da legt man sich ins Zeug und sagt, guck, das ist unser Projekt, das funktioniert, die Werft baut gerade zwei Fähren, und dann schiebt man sich nach vorne. Wenn das Ganze dann nach hinten runterfällt, stutzt sich das Ganze auf die formaljuristische Realität zurück, indem man das sagt, was formalrechtlich richtig ist – wir haben es gerade von Herrn Schulte hier ausgiebig gehört –, dass man sagt, das ist gar nicht unser Problem, wir können aus formalrechtlichen Gründen hier überhaupt nicht mehr gestaltend eingreifen, und verschanzt sich hinter EU-Recht und Insolvenzrecht, was natürlich formal richtig ist.