Protocol of the Session on January 29, 2014

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Um vielleicht mal mit ein paar Gegenargumenten meiner Vorredner aufzuräumen –

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

ich weiß nicht, ob Sie es erkannt haben: Bei der Überschrift „,Kinderland M-Vʻ weiter vorantreiben!“, die Sie ja alle so erregt hat,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, bloß Frau Gajek.)

haben Sie vielleicht erkannt, „Kinderland M-V“ ist in Anführungsstrichen, was für Ironie sprechen sollte und nicht für Anerkennung der Leistungen, die hier in Mecklenburg-Vorpommern getan werden.

(Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Noch schlimmer, noch schlimmer! – Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Torsten Renz, CDU)

Denn wenn ich an die Armutsquote bei den Kindern denke, wenn ich an das KiföG denke, die Unterfinanzierung, die steigenden Elternbeiträge, den Fachkräftebedarf, die fehlende Ausbildungsplatzplanung beim KiföG,

(Andreas Butzki, SPD: Das kommt aber auch nicht gut rüber. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

beim Thema Kinder- und Jugendarbeit, was die Anhörung im letzten Jahr ergeben hat, dass wir auch hier nicht gut dastehen, oder auch heute bei der Ablehnung von Kinderrechten im Grundgesetz durch Herrn Renz, dann wahrlich, meine Damen und Herren, spricht das alles nicht für ein Kinderland Mecklenburg-Vorpommern. Inso

fern sollten Sie vielleicht auch die Ironie in den Überschriften erkennen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Mucha, wenn Sie sagen, ich soll bei diesem Thema Betreuungsgeld doch nach Bayern schauen, weil es an einer dritten Partei läge, dass das Betreuungsgeld nicht abgeschafft und sich nicht dagegen gewandt wurde, so möchte ich doch an unseren Antrag im Januar 2013 hier im Landtag erinnern – „Betreuungsgeld stoppen!“ – wo wir gefordert haben, eine Klage gegen das Betreuungsgeldgesetz einzulegen. Soweit ich noch richtig zähle, waren es zwei Parteien – die Koalitionsfraktionen –, die hier dagegengestimmt haben. Insofern muss ich nicht nach Bayern schauen, sondern bleibe einfach in Mecklenburg-Vorpommern. Schon hier gelingt es nicht, sich gegen das Betreuungsgeld zu wenden.

(Zuruf aus dem Plenum: Das wäre ja auch schlimm.)

Und, Herr Renz, wenn Sie uns unterstellen, wir würden den Eltern die Erziehungskompetenz absprechen,

(Torsten Renz, CDU: So eine Formulierung ist schlimm. Die ist schlimm.)

dann kann ich nur dazu sagen: Herr Renz, das ist eine Fehlinterpretation. Bitte lesen Sie sich doch noch mal, wenn die Rede dann da ist, diese Rede durch, dann werden Sie auch Ihren Irrtum erkennen und dass wir mitnichten den Eltern die Erziehungskompetenz absprechen.

Ich denke, dies sind zwei wichtige Anliegen, die wir hier angesprochen haben und die auch weiter verfolgt werden müssten. Insofern, sehr geehrte Frau Hesse, danke ich Ihnen für Ihre klaren Worte gegen das Betreuungsgeld und für die Kinderrechte im Grundgesetz. Ich hoffe, Sie können die Damen und Herren von der CDU zeitnah überzeugen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach was! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

wünsche Ihnen viel Erfolg dabei und bei Ihrer zukünftigen Arbeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Nun zu einigen Zahlen aus den Antworten auf meine Kleine Anfrage vom 06.01.2014, wo es ja um den Landesbezug geht, der hier von Herrn Mucha und auch Herrn Renz in Abrede gestellt wurde. Aus dieser Kleinen Anfrage geht hervor, dass bis zum Ende des Jahres 2013 in Mecklenburg-Vorpommern 681 Anträge auf Betreuungsgeld gestellt wurden. Schaut man sich die Geburtenraten von jährlich 12.000 Kindern in Mecklenburg-Vorpommern an, so kann man daran und an den Anträgen sehen,

(Torsten Renz, CDU: Das ist doch ein Prozess, Frau Bernhardt. Das ist doch ein Prozess, der wächst doch auf.)

dass es wirklich nicht geeignet ist

(Torsten Renz, CDU: Das wächst doch auf. Haben Sie es mathematisch nicht verstanden?)

und nicht angenommen wird von der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern, was das für ein Zeichen ist.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wie der Kleinen Anfrage weiter zu entnehmen ist, sind fast zwei Drittel der Antragstellerinnen des Bewilligungsbescheides verheiratet und kommen überwiegend aus dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ei, jei, jei.)

gefolgt von den Landkreisen Ludwigslust-Parchim und Vorpommern-Greifswald. Daran ist zu sehen: …

(Torsten Renz, CDU: Was wollen Sie jetzt damit sagen?)

Da komme ich jetzt zu, Herr Renz, warten Sie mal ab.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verhältnismäßig wenige Anträge auf Betreuungsgeld wurden in Rostock und Schwerin gestellt. Sie sehen also,

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

dass ein deutliches Gefälle in der Inanspruchnahme von Betreuungsgeld zwischen ländlichen Regionen und den dicht besiedelten Städten mit gut ausgebauter Infrastruktur und einem einfacheren Zugang zu Kindertagesbetreuungseinrichtungen besteht.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Durchschnittlich leben in den Haushalten mit Betreuungsgeld 2,02 Kinder. Nehmen wir einmal diese Zahl und gehen davon aus, dass für jedes Kind in einer solchen durchschnittlichen Familie Betreuungsgeld beansprucht wird, dann bedeutet das, dass Mutter oder Vater bis zu vier Jahre – mit Elternzeit sogar etwa sechs Jahre – von der Erwerbstätigkeit ferngehalten werden.

Da der Einstieg in die Berufstätigkeit nach dieser Zeit nicht einfach ist und zunächst eine gewisse Anlaufphase berücksichtigt werden muss, ist davon auszugehen, dass die Mutter beziehungsweise der Vater vier Jahre auf ein eigenes Einkommen und entsprechende Rentenansprüche verzichtet. Insbesondere die Mütter, die nun mal überwiegend für die Betreuung der Kinder heute noch zuständig sind, machen sich auf Dauer wirtschaftlich abhängig von dem Partner, von dem Ehemann. Dies ist ganz und gar nicht im Sinne eines modernen Geschlechterverhältnisses und im Sinne von Gleichstellung von Mann und Frau im Land.

(Egbert Liskow, CDU: So ein Blödsinn!)

Die zweitgrößte Gruppe nach den verheirateten InanspruchnehmerInnen von Betreuungsgeld in MecklenburgVorpommern mit 57,4 Prozent sind Alleinerziehende mit 28,6 Prozent. Von ihnen haben bis Ende 2013 insgesamt

216 Personen einen Antrag auf Betreuungsgeld gestellt. Für 141 von ihnen wurde der Antrag bereits bewilligt. Das zeigt eine deutliche Schieflage und verdeutlicht die prekäre Situation, denn es beanspruchen vor allem diejenigen Betreuungsgeld, die nicht nur in Teilzeit oder prekär arbeiten können. Das zeigt auch die erste Auswertung auf der Ratgeberseite „Betreuungsgeld aktuell“.

Auf der Seite des Bundesministeriums für Familien, Frauen, Senioren und Jugend ist zu lesen: Das Betreuungsgeld dient dem Ziel, jungen Eltern eine umfassende, bestmögliche Wahlfreiheit zu eröffnen. Eltern sollen frei entscheiden können, ob sie ihr Kind privat betreuen oder in einem öffentlich geförderten Angebot betreuen lassen. Dies ist ein Hohn und ein vorgeschobenes Argument. Ich will es noch deutlicher sagen: Es ist eine Klatsche ins Gesicht für die Eltern, die aufgrund der strukturellen Bedingungen in ihrer schlechten sozialökonomischen Situation die Wahlfreiheit eben nicht haben.

(Egbert Liskow, CDU: Sie erzählen wirklich nur Müll.)

Denn eine Wahlfreiheit besteht erst dann, wenn tatsächlich jeder einen Zugang zur wohnortnahen Kinderbetreuung hat – auch in Randzeiten und in Unabhängigkeit von Einkommen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Gerechte Bedingungen für eine solche Wahlfreiheit bestehen erst dann, wenn gesellschaftliche Strukturen geschaffen werden, um Familien-, Erwerbs- und Privat- leben miteinander vereinbaren zu können, und wenn die reale Chance besteht für Mütter und Väter und vor allem auch für Alleinerziehende, dass sie Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung mit einem gesetzlich verankerten Mindestlohn haben.

Für sozial schwächere Familien sind 100 Euro beziehungsweise 150 Euro ab diesem Jahr jedoch sehr viel Geld. Sie kommen mitunter in die Versuchung, dieses Geld zu beanspruchen, und verzichten auf die gezielte Förderung ihrer Kinder in den Kindertageseinrichtungen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist wieder eine Unterstellung.)

Die Bildungs- und Zukunftschancen ihrer Kinder werden dadurch womöglich beeinträchtigt.

(Egbert Liskow, CDU: Es lebe der Sozialismus!)

Und am Ende schließt sich der Kreis der Zweiklassengesellschaft. Familien haben also keine tatsächliche Wahlmöglichkeit, sondern kommen durch diese Regelung vom Regen in die Traufe, aber nicht auf eine solide Basis.