Protocol of the Session on November 15, 2013

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gerkan.

(Zurufe von Minister Harry Glawe und Regine Lück, DIE LINKE)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der festen Überzeugung, der Antrag der LINKEN kommt zum richtigen Zeitpunkt.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Warum denn das? Erklären Sie uns das mal!)

Jetzt liegt es in den Händen der ostdeutschen Verhandlungsführer, in den aktuellen Koalitionsverhandlungen, meine Damen und Herren,

(Rainer Albrecht, SPD: Da reden wir schon Monate.)

eine Anschlussregelung für die Altschuldenhilfe über das Jahr 2013 hinaus zu fordern. Die Ostinfrastrukturminister haben sowohl vonseiten der CDU als auch vonseiten der SPD 2010 und 2011 eine solche Anschlussregelung eingefordert. Hier sollte doch also etwas machbar sein. Oder gilt hier wieder, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern,

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Oh!)

nur weil der Antrag jetzt von der Opposition kommt?

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Den Antrag hatten wir schon im Juni.)

Im Bundestag hat unsere bündnisgrüne Fraktion bereits einen entsprechenden Antrag auf der Drucksache 17/4698 gehabt. Der GRÜNEN-Antrag setzt sich sehr eingehend mit der Altschuldenproblematik auseinander.

(Egbert Liskow, CDU: Und was hat er erreicht?)

Lassen Sie mich aber den Antrag der LINKEN durchaus kritisch beleuchten. Zum Punkt 1, Satz 1: „Die Altschuldenhilfe ist bislang nicht gelöst worden, ostdeutsche Wohnungsunternehmen wurden weder deutlich entlastet noch befreit.“ Wir meinen, das ist an dieser Stelle nicht ganz richtig. Der Minister Glawe hat bereits das eine oder andere dazu gesagt. Bereits seit 1993 werden mit

dem gültigen Altschuldenhilfe-Gesetz ostdeutsche Wohnungsunternehmen erheblich teilentlastet, wurden doch insgesamt 14 Milliarden Euro im Rahmen des Solidarpaktes aus dem Erblastentilgungsfonds finanziert und zudem auch Zinshilfen gewährt. Infolge der zweiten Novellierung des Altschuldentilgungsgesetzes von 2001 wurden weitere 1,1 Milliarden Euro gewährt.

Wir können jedoch festhalten: Es gab eine Entlastung, nur dass diese das Gesamtproblem noch nicht löst. Eine sinnvolle politische Forderung ist, wie im vorliegenden Antrag gefordert, langfristig auf eine vollständige Befreiung hinzuwirken. Auch die GRÜNEN-Bundestagsfraktion fordert in ihrem Antrag, die Altschuldenhilfe unbedingt über das Jahr 2013 hinaus fortzuführen, über die gesamte Laufzeit des Programms „Stadtumbau Ost“, eben bis zum Jahr 2016.

Die in 2 b) geforderte Anschlussregelung der Altschuldenhilfe unterstützen wir voll und ganz. Wir plädieren jedoch für eine Ausweitung der Antragsberechtigung auf alle mit Altschulden belasteten Wohnungsunternehmen und Wohneigentümer. Und nicht zuletzt ist die Einführung der Kopplungsregelung wie hier im Antrag absolut richtig, das heißt, bei Abriss nicht mehr nachgefragter Wohngebäude ab Baujahr 1949 den gewährten Entlastungsbetrag vollständig in den Erwerb und die Sanierung von Wohngebäuden in den Innenstädten und in Sanierungsprojekte in Stadtquartieren zu investieren.

Kritisch sehen wir die Wertung in der Forderung unter 2 a). Es geht im politischen Umgang mit der Altschuldenproblematik weniger um die Frage der ausreichenden Wahrnehmung ostdeutscher Interessen im Bundesrat – der hat ja einen entsprechenden Beschluss schon auf den Weg gebracht hier –, sondern es geht hier vielmehr um die Zukunftsfähigkeit ostdeutscher Klein- und Mittelstädte. Deren Entwicklung liegt uns hier als Bündnisgrünen besonders am Herzen.

Meine Damen, meine Herren, was würde ohne eine Fortführung der Altschuldenentlastung passieren, wie hier im vorliegenden Antrag gefordert wird? Viele Akteure und Wohnungsunternehmen könnten sich am Stadtumbau nicht mehr beteiligen. Es käme zum Stillstand mit einer neuen Leerstandswelle – ein Zustand unserer Städte, den wir so, denke ich, alle nicht haben wollen. In diesen Schrumpfungsbezirken sind die Wohnungsunternehmen am stärksten mit Altschulden belastet. Und gerade in diesem Gebiet, meine Damen und Herren, erzielen sie doch nur einen geringen Mietzins. Das ist ein Teufelskreislauf.

Wer nur geringe Einnahmen erzielt, kann auf Dauer auch seine Altschulden nicht bedienen, geschweige denn sich am Stadtumbau beteiligen. Dringend notwendige Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen wie auch ein barrierefreies und altengerechtes Wohnen können kaum getätigt werden. Von daher kommen wir insgesamt zu dem Entschluss, diesen Antrag unbedingt vonseiten der Bündnisgrünen zu unterstützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Albrecht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit diesem Antrag soll die Landesregierung wiederholt aufgefordert werden, gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Ländern auf eine endgültige Lösung der Altschuldenfrage zu drängen. In den neuen Ländern standen nach dem Ende der DDR die Städte und Kommunen vor großen Herausforderungen, unter anderem auch in der Wohnungswirtschaft.

Die schlechte Bausubstanz von Alt-, aber auch von Neubauten machte umfassende Restaurierung und Sanierung zur Verbesserung der Lebensqualität notwendig. Die im Zuge der Herstellung der Deutschen Einheit vorgenommenen Übertragungen der Altschulden auf die kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften führten zu erheblichen finanziellen Belastungen. Mit dem Altschuldenhilfe-Gesetz und der Altschuldenhilfeverordnung sind die ostdeutschen Wohnungsunternehmen in die finanzielle Lage versetzt worden, in erforderliche Modernisierungs- und Verbesserungsmaßnahmen für das Wohnumfeld zu investieren. Im Rahmen des „Stadtumbaus Ost“ hat die Altschuldenhilfe maßgeblich dazu beigetragen, dass der durch die demografische Entwicklung notwendige Rückbau von Wohnungen in den neuen Ländern durchgeführt und Wohnquartiere deutlich aufgewertet wurden.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich kann ja hier warten.

Mit dem Rückbau konnte insgesamt das soziale Umfeld in den Plattenbausiedlungen stabilisiert und die Attraktivität der Innenstädte verbessert werden.

Nach der Wiedervereinigung haben die ostdeutschen Wohnungsunternehmen einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Wohn- und Lebensqualität geleistet. Als zentrales Handlungsinstrument für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung der Städte und Gemeinden hat sich in über 40 Jahren die Städtebauförderung erwiesen. Mit dem Rückbau von circa 250.000 Wohnungen bis Ende 2009 konnte gleichzeitig das soziale Umfeld in den Plattenbausiedlungen stabilisiert und die Attraktivität der Innenstädte verbessert werden.

Bereits im Jahr 2011 sprachen sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten auf der 40. Regionalkonferenz in Leipzig für eine Anschlussregelung für die 2013 auslaufende Altschuldenhilfeverordnung aus. Eine Neuregelung würde weiterhin einen wichtigen und nachhaltigen Beitrag für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung in den neuen Ländern leisten. In den kommenden Jahren sind schätzungsweise 400.000 Wohnungen in den neuen Ländern von Leerstand bedroht. Vor diesem Hintergrund sind weitere Anstrengungen notwendig, um die demografischen und strukturellen Probleme der Wohnungswirtschaft auch in den kommenden Jahren zu lösen.

Seit dem Jahr 2002 wurden rund 23.000 Wohnungen in Mecklenburg-Vorpommern abgerissen beziehungsweise zurückgebaut. Ohne eine geeignete Anschlussregelung zur Altschuldenentlastung muss mit einem weiteren Anstieg von Wohnungsleerständen, verbunden mit der wirtschaftlichen Gefährdung der Wohnungseigentümer, gerechnet werden.

Meine Damen und Herren, in Mecklenburg-Vorpommern müssen bis 2020 noch circa 20.000 bis 25.000 Wohnun

gen rückgebaut werden, auf denen teilweise noch aus der Zeit der Wiedervereinigung Deutschlands Altschulden lasten. SPD und CDU haben sich, wie die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag lobenswert hervorhebt, in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, sich auf Bundesebene für eine geeignete Anschlussregelung für die Altschuldenhilfe einzusetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Der Bund wird zugleich aufgefordert, für die bis 2013 geltende Altschuldenhilfe eine geeignete Anschlussregelung für kommunale Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften vorzunehmen. Dies ist auch für sogenannte Neubaublöcke in ländlichen Gemeinden erforderlich.“

Die Regierungskoalition hat sich bereits in der Juni- sitzung des Landtages für die Fortführung der 2013 auslaufenden Altschuldenhilfe für kommunale Wohnungsunternehmen ausgesprochen. Der Minister hat in der Aussprache deutlich gemacht, dass durch Mecklenburg-Vor- pommern gemeinsam mit den anderen neuen Ländern die entsprechende Forderung nach einer geeigneten Anschlussregelung für die Altschuldenhilfe in jüngster Zeit wiederholt gegenüber dem Bund geltend gemacht wurde, sei es auf der Ministerpräsidentenkonferenz Ost oder über die Bauministerkonferenz auf Bundesebene.

Auch auf Bundesebene laufen derzeit Koalitionsverhandlungen, an deren Ende eine solche Koalitionsvereinbarung stehen kann. Die SPD wird mit Regierungsverantwortung dafür sorgen, dass die Städtebauförderung wieder verlässlich ausgestattet und dabei das Programm „Soziale Stadt“ zum Leitprogramm wird. Dazu wollen wir die von der Bundesregierung zusammengestrichene Städtebauförderung mit 700 Millionen Euro wieder verlässlich ausstatten.

(Torsten Renz, CDU: Der Satz musste sein, ne?)

Das musste sein, ja, Herr Renz.

Meine Damen und Herren, man merkt, dass die Fraktion DIE LINKE die Koalitionsvereinbarung sehr genau studiert hat. Im Vordergrund der Wohnraumförderung des Landes wird in Zukunft auch die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung und der Belange mobilitätseingeschränkter Menschen stehen. Hierzu kommt eine Strategie „Wohnen mit Zukunft“, in der unter anderem die Themen langfristige Entwicklung der Wohnungsmärkte und Wohnraumbedarf, integrierte Wohnmodelle, Kosten und Standards sowie Eigentumsbildung eine besondere Rolle spielen werden. Dabei wird das Landesprogramm der Städtebauförderung eine hohe Bedeutung haben, um insbesondere die Anpassung der sozialen und technischen Infrastruktur flexibel projektbezogen zu unter- stützen.

Die Umsetzung des Stadtumbaus im Land MecklenburgVorpommern dokumentiert eindrucksvoll der BundLänder-Bericht zum Programm „Stadtumbau Ost“ auf Drucksache 17/10942, Seite 27 folgende. Auch die Erkenntnisse aus der Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ werden in unsere weiteren Aktivitäten mit einfließen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch einige Anmerkungen zu den Altschulden an sich machen: Der Abbau beziehungsweise der Erlass von Altschulden, also Krediten, setzt voraus, dass die Unternehmen die-

se auch beziffern können. Nach Aussage der Arbeits- gemeinschaft mecklenburgisch-vorpommerscher Wohnungsunternehmen können circa 90 Prozent ihrer Mitglieder diese Altkredite nicht mehr genau benennen. Warum ist das so? Nach 24 Jahren sind diese Altkredite, welche auf den einzelnen Objekten lasten, bereits um- geschuldet, abgelöst, mit anderen Krediten zusammengelegt, ergänzt, neu aufgenommen, bestenfalls getilgt worden.

(Harry Glawe, CDU: So ist es.)

So kann der Geschäftsführer der größten Wohnungsgesellschaft in unserem Land, der Wohnen in Rostock GmbH, nicht mehr feststellen, auf welchen Objekten in welcher Höhe noch Altkredite liegen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ja, das ist ein Problem.)

Für bis heute unsanierte und ohne neue Kredite belastete Objekte können, wenn denn vorhanden, überhaupt noch diese Kredite benannt werden. Das ist richtig. Diese sind aber dann sicherlich leergezogen oder stehen kurz davor und müssen auch aus städtebaulichen Gründen abgerissen werden.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Für diese Unternehmen ist dies betriebswirtschaftlich natürlich eine Katastrophe. Trotzdem geht es der großen Mehrheit der Wohnungsunternehmen nicht mehr nur um die Altschuldenproblematik an sich, sondern um die Gesamtsituation in der Wohnungswirtschaft. Ich hatte diese Themen bereits angesprochen. So wird es eine vordringliche Aufgabe der Politik auf allen Ebenen sein, diese Anforderung zu meistern, wie zum Beispiel durch Zuschussprogramme für Investitionen.

Die SPD-Fraktion wird auf die neuen Anforderungen reagieren und Lösungen zeitnah anbieten. Dass wir an dieser Stelle sensibel mit diesem Thema auf Bundesebene umgehen müssen, spricht für sich selbst. Auch in den alten Bundesländern türmen sich die Probleme in der Stadtentwicklung, auf den Wohnungsmärkten und der demografischen Entwicklung. Deshalb bin ich froh, dass es der SPD-Verhandlungsgruppe gelungen ist, das Programm „Soziale Stadt“ auch für die nächsten Jahre abzusichern.

Meine Damen und Herren, wie Sie anhand meiner Ausführungen zur Kenntnis nehmen konnten, ist die Landesregierung gemeinsam mit den Fraktionen von SPD und CDU schon bedeutend weiter, als die Linksfraktion uns und der Öffentlichkeit glauben machen wollen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau, genau. – Regine Lück, DIE LINKE: Also das hat ja jetzt noch gefehlt. Also das schlägt ja dem Fass den Boden aus!)

Wie bereits in der Debatte in der Junisitzung des Landtages wird die SPD-Fraktion diesen Antrag als nicht nötig ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)