Protocol of the Session on November 14, 2013

Sehr geehrte Damen und Herren, das muss doch die Frage provozieren danach, warum diesen Hinweisen hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht nachgegangen worden ist. Und an anderer Stelle heißt es, ich zitiere wieder: „Im Rahmen einer Besprechung zwischen der in dem Mordfall ermittelnden Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2004 habe das Landesamt für Verfassungsschutz Informationen übermittelt, dass Rauschgiftschulden und Rauschgiftgegenstände ursächlich für die Ermordung sein sollten.“

Ich unterbreche jetzt mal das Zitat. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat diese Information übermittelt. Da kann man die Frage stellen: Was hat das Landesamt für Verfassungsschutz mit Rauschgifttatbeständen zu tun? Da kann man auch die Frage stellen: Inwieweit hat denn dieser Hinweis des Landesamtes für Verfassungsschutz dafür Sorge getragen, dass in genau diese falsche Richtung ermittelt worden ist?

Und ich setze jetzt fort mit diesem Zitat, dann heißt es weiter, Zitatbeginn: „Anfragen an das Landesamt für Verfassungsschutz über einen möglichen rechtsextremen Hintergrund des Mordes“ seien seitens der SoKo „Kormoran“ seinerzeit hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht gestellt worden. Vielmehr „sei davon ausgegangen“ worden, „dass das Landesamt für Verfassungsschutz weitere Informationen“, etwa zu einem rechtsextremistisch motivierten Hintergrund, „mitgeteilt hätte, wenn sie dort vorhanden gewesen wären“, Zitatende.

Das heißt, die Behörden haben gar nicht weiter in die Richtung ermittelt, weil sie davon ausgegangen waren, wenn es denn rechtsextremistisch motiviert gewesen wäre, hätte uns das Landesamt für Verfassungsschutz schon berichtet, hat es aber nicht. Ganz im Gegenteil, ein Rauschgifttatbestand wurde mitgeteilt vom Landesamt und die Ermittlungsrichtung lief in die falsche Richtung.

Das ist nur ein Beispiel, aus dem, finde ich, der Untersuchungsausschuss dezidiert herausgearbeitet hat, dass es notwendig ist zu untersuchen, wie man zukünftig derartige Dinge verhindern kann. Und ich finde durchaus, es ist zulässig, allein aus diesem Beispiel heraus abzuleiten, dass in der Tat auch die Behörden hier in MecklenburgVorpommern fehlgeleitet worden sind und, ich sage das vorsichtig, bestimmte Ermittlungsrichtungen in Richtung Rechtsextremismus gar nicht erst in Erwägung gezogen wurden. Und das ist in der Tat etwas, was uns sehr große Sorgen machen muss und was uns dazu verleiten muss, finde ich, diese Dinge zu untersuchen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieses alles ist aus heutiger Sicht befremdlich und auch kaum nachvollziehbar. Bezogen auf die notwendigen Schlussfolgerungen stelle ich aber noch mal fest: Die Ermittlungsrichtung, die falsche Ermittlungsrichtung ist auch in MecklenburgVorpommern verfolgt worden und sie ist vom Landesver

fassungsschutz beeinflusst worden. Allein dieses Beispiel belegt, wir müssen auch hier aus diesen Erkenntnissen lernen und wir müssen die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Und nun hat insbesondere Herr Ringguth ja auch darauf hingewiesen, dass wir möglicherweise unterschiedliche Einschätzungen haben zu der Frage, was sind denn die richtigen Konsequenzen, und da, in der Tat sehr geehrte Damen und Herren, wird es in den nächsten Wochen und Monaten zum Schwur kommen. Genau über diesen Punkt werden wir uns intensiver auseinandersetzen müssen.

Ich finde, wir werden heute mal den Auftakt zu dieser Debatte durch meine Fraktion mitbestreiten – meine Vorredner haben das ja bereits getan –, und auch hier lohnt ein dezidierter Blick in den Bericht des Untersuchungsausschusses. Ich will einmal sechs Punkte herausgreifen, von denen ich a) glaube, dass sie eine Relevanz für Mecklenburg-Vorpommern haben, und von denen ich b) glaube, dass es lohnenswert ist, hier darüber nachzudenken und darüber zu diskutieren, ob wir uns diese Punkte zu eigen machen sollten.

Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages kommt zu folgenden Empfehlungen:

Erstens. Interkulturelle Kompetenz muss ein fester und verpflichtender Bestandteil der Polizeiausbildung sein und zu professionellem Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt befähigen. Vordringlich die unmittelbaren Vorgesetzten der Kriminal- und Schutzpolizeibeamten sollen durchaus in Fortbildungen sensibilisiert werden.

Zweitens. Der Verfassungsschutz braucht mehr Wissen und eine größere Sensibilität für die Gefahren, die Demokratie und Menschenwürde in Deutschland durch die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts und rechtsextremer Strukturen drohen. „In den Verfassungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentalitätswechsel“, Sie haben das vorhin zitiert und ich zitiere, Herr Ringguth, aus dem Untersuchungsausschussbericht: „In den Verfassungsschutzbehörden wird ein umfassender Mentalitätswechsel und ein neues Selbstverständnis der Offenheit gebraucht – und keine ,Schlapphut-Haltung‘ der Abschottung.“

Ich sage erläuternd dazu, die Debatte, die wir hier immer wieder führen zu der Frage: Sollte – und da hat mich gefreut, Herr Dachner, was Sie vorhin ausgeführt haben –, sollte der Landesverfassungsschutz und sollte möglicherweise die Parlamentarische Kontrollkommission in der Zukunft nicht vielleicht den Mut haben, in stärkerem Maße die Öffentlichkeit zu suchen und in den Bereichen, in denen das geht, darüber zu berichten, was er denn tut oder treibt? Ich glaube, dass das ein elementarer Bestandteil für mehr Vertrauen in der Gesellschaft ist.

Vierter Punkt. Der als höchst problematisch erkannte Bereich des Einsatzes von V-Personen muss gezielt untersucht werden. Sie erinnern sich vielleicht, das war Bestandteil unseres Gesetzentwurfes in der letzten Landtagssitzung, den wir ebenfalls zurückgezogen haben, weil wir gehofft haben, dass es zu diesem gemeinsamen Antrag kommt, und dazu ist es ja schlussendlich gekommen. Aber das Thema, das sage ich hier ausdrücklich, ist für meine Fraktion nicht vom Tisch.

Da rein passt auch eine fünfte Forderung des Untersuchungsausschusses. Wenn man schon mit sogenannten

V-Leuten arbeitet, dann sind klare Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und der Eignung von Vertrauensleuten für deren Anwerbung und die Beendigung der Zusammenarbeit erforderlich.

Sehr geehrte Damen und Herren, es wird alleine aus diesen Punkten deutlich, es liegt eine Menge Arbeit vor uns, und zwar in einem Zusammenhang, von dem ich hoffe, dass die Demokraten hier auch weiter zusammenstehen. Es ist aber auch deutlich geworden, dass wir hier sehr unterschiedliche Auffassungen haben. Ich hoffe auf konstruktive Lösungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ums Wort gebeten hat jetzt der Innenminister des Landes Lorenz Caffier.

(Beifall Marc Reinhardt, CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Als zuständiger Innenminister, der zum damaligen Zeitpunkt keine politische Verantwortung gehabt hat, aber heute die politische Verantwortung trägt, genau wie alle Innenminister in der Bundesrepublik Deutschland, inklusive des Bundesministers, kann ich nur sagen: Für das Versagen der Sicherheitsbehörden gibt es keine Entschuldigung und alle müssen sich für dieses Versagen auch schämen. Dazu gibt es keine andere Aussage.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das darf aber nicht dazu führen, dass die Sicherheitsarchitektur in Deutschland, die über viele Jahrzehnte stabil und gut gearbeitet hat und auch arbeitet, grundsätzlich infrage gestellt wird und dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten, wie es hin und wieder diskutiert wird. Und wenn es denn so kommt, wie es kommt, dass es möglicherweise zu einer Großen Koalition im Bund kommt, dann wird, sofern denn die 75 Weisen in der Halle der Bürger demnächst dem Arbeitspapier zustimmen, wird es in einer Formulierung münden innerhalb des Koalitionsvertrages, der erstmalig auch den Bestandteil des Bundestagsuntersuchungsausschusses mit einformuliert.

Aber, Herr Kollege Suhr, die Reihenfolge ist eine andere. Wir wollen gesamtstaatliches Handeln, wir wollen eine Verzahnung der Länder und wir wollen nicht Klein-Klein. Deswegen sollten wir auch genau dieses Verfahren gehen und deswegen wird es auch heißen, der NSUUntersuchungsausschuss hat parteiübergreifend zahlreiche Reformvorschläge für die Polizei, die Justiz und den Verfassungsschutz zur parlamentarischen Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste sowie zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechts- extremismus, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus erarbeitet.

Soweit die Bundesebene betroffen ist, machen wir uns diese Empfehlung zu eigen und werden sie zügig umsetzen. Soweit die Länder betroffen sind, werden wir mit ihnen im Dialog für die Umsetzung dieser Empfehlung arbeiten, etwa beispielsweise bei der einheitlichen Verfahrensführung von Staatsanwälten. Genau hier wird aus meiner festen Überzeugung, und da ich selbst mit in dieser Arbeitsgruppe wirke, der richtige Weg formu-

liert und es wird auf die Konsequenzen des NSU eingegangen.

Und, lieber Kollege Peter Ritter, als zuständiger Minister habe ich natürlich erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Landtag die Ermittlungsbehörden bei den notwendigen Reformen im Zusammenhang mit den Ereignissen der NSU nicht alleine lässt, sondern sie stärken will, möglicherweise auch personell. Und „personell“ heißt für mich, auch eine Stärkung bei der PKK, denn schließlich sind die Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten die Kontrollfunktion und sie tragen mit dazu bei,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ziemlich eingeschränkt.)

welches Ansehen und welches Auftreten wir nach außen hin gemeinsam haben, und deswegen trägt auch solches zur Stärkung bei. Ich konnte keine Unterschiede hier sehen.

Klar ist auch, dass ich von Anfang an gesagt habe, in Sicherheitsbehörden in Deutschland wurden Fehler gemacht, in der einen Region mehr, in der anderen Region weniger, aber grundsätzlich wurden Fehler gemacht. Es hat Ermittlungspannen gegeben gerade bei den Behörden in der Zusammenarbeit untereinander. Diese Fehler müssen gründlich aufgearbeitet werden, alle notwendigen Konsequenzen müssen gezogen werden. Das ist nicht immer einfach.

Wenn ich gerade ein relativ neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts nehme, dann wird noch mal sehr deutlich das Trennungsgebot in die Mitte der Diskussion gestellt. Dieses Trennungsgebot ist für die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei und überhaupt von Sicherheitsbehörden ein durchaus problematisches Feld. Und diejenigen, die auch in der PKK sitzen, wissen das. Ich finde schon, auch in Deutschland muss man darüber reden, ob rund 70 Jahre nach dem Krieg dieses Trennungsgebot noch seinen Bestandsschutz hat. Es ist aus gutem Grund eingeführt worden. Darüber muss man nicht diskutieren, aber für einen Minister, der für die Sicherheit zuständig ist, ist es schon schwierig zu sagen, ich weiß was, was meine Verfassungsschutzbehörden wissen, aber ob ich das meinem Polizeichef sagen darf, das ist eine andere Frage.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das geht uns genauso als PKK-Mitglieder.)

Das ist eine schwierige Situation und deswegen glaube ich schon, wir tun in Deutschland gut daran zu fragen: Was ist zeitgemäß nicht nur im Zeitalter von IT und von schnellen Netzen, sondern auch im Zeitalter von geschichtlichen Entwicklungen und Strukturen? Dazu zählt aus meiner festen Überzeugung auch das Trennungsgebot.

Das durch diese Pannen zerstörte Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden und in unsere Rechtsordnung muss zwingend wiederhergestellt werden, dazu gehört auch, und da sind wir uns über alle Parteigrenzen einig, eine Neuordnung der Sicherheitsbehörden, vor allem aber eine Neuordnung in der Zusammenarbeit – Klammer auf, auch das Thema Trennungsgebot muss dort wieder auf den Prüfstand.

Zum Reformprozess selbst lassen Sie mich derzeit Folgendes feststellen: Bereits die selbstkritische Betrach

tung der eigenen Arbeit hat bei den politisch Verantwortlichen und in den Sicherheitsbehörden zu einem Umdenkprozess geführt, der in eine Reihe von bereits getroffenen Maßnahmen eingeflossen ist. Hierzu gehört beispielsweise das schon mehrfach erwähnte gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus und Terrorismus, das sich nach meiner Einschätzung zu einem wertvollen Instrument des Informationsaustausches zwischen dem Bund und den Ländern etabliert. Insbesondere hat diese Einrichtung das Gefühl für eine gemeinsame Verantwortung aller Sicherheitsbehörden gestärkt. Genau diese gemeinsame Stärkung und diese gemeinsame Verantwortung, dieses gemeinsame Handeln ist ein Ergebnis, was zwingend notwendig ist aus dem Versagen im Zusammenhang der Aufarbeitung der Ereignisse rings um den NSU.

Auch die Rechtsextremismusdatei ist ein wichtiges Instrument für die Zusammenarbeit. Ihre Befüllung schreitet voran. Allerdings, und das möchte ich hier ausdrücklich betonen, sind die sich aus dem Urteil des Bundes- verfassungsgerichtes zur Antiterrordatei ergebenden Folgerungen für den Datenaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz noch nicht abschließend geklärt. Und auch dieses sollte im Zusammenhang mit den mit dem Trennungsgebot zusammenhängenden Fragen deutlich geklärt werden.

Bei allen Forderungen nach Transparenz und Informationsaustausch sind die Regeln unserer Verfassung zu beachten. Und wir kommen ja nachher auch noch im anderen Tagesordnungspunkt zu dem Thema Datenschutz. Auch dieses spielt in dem Gesamtzusammenhang eine Rolle und darf nicht einfach negiert werden.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, da sich die öffentliche Kritik in erster Linie gegen den Verfassungsschutz richtet und der Bundestagsuntersuchungsausschuss teilweise zu Recht deutliche Vorwürfe gegen den Inlandsnachrichtendienst erhebt, hat die Innenministerkonferenz bereits einige Schwerpunkte, was die Reform der Verfassungsschutzbehörden betrifft, beschlossen. So soll zur Stärkung der Analysefähigkeit unter anderem die Schule für Verfassungsschutz zu einer Akademie umgebaut und mit einem erweiterten Fortbildungsangebot entwickelt werden sowie einen engeren Austausch mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen pflegen. Der Verfassungsschutz soll sich zu einem Informationsdienstleister – und da liegen wir ja nicht ganz weit auseinander, wenn ich die Wortbeiträge der Kolleginnen und Kollegen Revue passieren lasse – entwickeln, der zukünftig enger mit anderen Behörden, wissenschaftlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren kooperiert.

Was den letzten Punkt betrifft, sind wir, glaube ich, in Mecklenburg-Vorpommern bereits auf einem guten Weg. Im Rahmen des Landesprogrammes „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken“ hat sich das landesweite Beratungsnetzwerk „Demokratie und Toleranz“ gegründet. Es versteht sich als Zusammenschluss aus staatlichen Behörden, nichtstaatlichen Beratungsstrukturen und Ak- teuren in freier Trägerschaft, die für eine demokratische Kultur eintreten und gemeinsam gegen den Rechtsextremismus vorgehen. Daran beteiligt sind sowohl der Verfassungsschutz des Landes als auch Polizei und Justiz.

In diesem Netzwerk wird die ansonsten von interessierten Kreisen herbeigeredete Frontstellung zwischen Staat

und Zivilgesellschaft aufgebrochen. Das ist ein guter Ansatz und nach meiner festen Überzeugung auch der richtige Weg. Gleichzeitig zeigt sich dadurch auch, dass im Verfassungsschutz des Landes keineswegs eine ausgeprägte Schlapphut-Haltung besteht – auch dazu sollten wir beitragen, dass diese Haltung abgebaut wird – und er künftig auch noch verstärkt mit seiner Arbeit in die Öffentlichkeit treten muss. Dafür gab es in den letzten Tagen und Wochen auch Aktionen mit meinen Abteilungen. Ich glaube, auch das ist der richtige Weg.

Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle muss ich auch Wasser in den Wein gießen, denn Offenheit und Öffentlichkeit dürfen den Kern der Funktionsfähigkeit eines Verfassungsschutzes, aber auch des Staatsschutzes bei der Polizei und der Justiz nicht beeinträchtigen. Diesem Zweck dient der Schutz der vom Gesetzgeber als Nachrichtenmittel vorgesehenen Vertrauenspersonen. Der Kollege Dachner ging darauf durchaus schon ausführlich ein.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages hat zum weiteren Einsatz von Vertrauenspersonen deutliche Forderungen erhoben, die schon zuvor im von der Innenministerkonferenz angestoßenen Reformprozess als wichtig und als bedeutsam anerkannt wurden. Hierzu gehört insbesondere eine verbindliche Festlegung von gemeinsamen Standards und Ausschlusskriterien für die Werbung und den Einsatz von Vertrauenspersonen. Dies soll in den jeweiligen Dienstvorschriften der Verfassungsschutzbehörden normiert werden. Auch muss geprüft werden, ob hier gesetzliche Regelungen notwendig sind sowie eine bessere Abstimmung des Einsatzes von Vertrauenspersonen. Zu diesem Zweck wird beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine spezielle Datei eingerichtet werden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen, dass jetzt die bundesweit geforderten Standards im Bereich der Quellenführung, in Mecklenburg-Vor- pommern jedenfalls, bereits seit Jahren verbindlich sind. In den anderen Ländern muss man dies noch tun. Also wir sind hier nicht immer ganz hinten, sondern in vielen Fällen auch ganz vorn.

Nicht nur der Verfassungsschutz, auch die Polizei befindet sich in den Fragen in einem Prozess der Neuorientierung, der jedoch nicht kurzfristig abgeschlossen werden kann, wenn man dabei berücksichtigt, über wie viele Jahrzehnte sich die Sicherheitsarchitektur in Deutschland entwickelt hat. Jedenfalls stelle ich auf jeden Fall jetzt bereits eine größere Sensibilität bei der Wahrnehmung und Bewertung der sogenannten PMK oder Politisch Motivierten Kriminalität fest. Zu diesem Zweck überprüfen die Polizeibehörden beispielsweise fortlaufend offene Haftbefehle bei erkannten Rechtsextremistinnen und -extremisten und ermitteln bei bisher ungeklärten Straftaten im Hinblick auf einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund, einer der Kardinalfehler bekanntermaßen im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen.

Für den Bereich der Justiz stimme ich ausdrücklich den Forderungen des Bundestagsuntersuchungsausschusses zu, nach denen dem Generalbundesanwalt mehr Kompetenzen übertragen werden sollen. Hier wartet auf die neue Bundesregierung eine wichtige Aufgabe im Zusammenhang des Gesamtpaketes.

Weitere Reformschritte sind, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der „Bund-Länder-Kommission

Rechtsterrorismus“, in Arbeit und sollen auf der Innenministerkonferenz Anfang Dezember in Osnabrück beschlossen werden. Ob und inwieweit sich daraus auch gesetzgeberischer Veränderungsbedarf in MecklenburgVorpommern ergibt, ist danach zu prüfen. Ich schließe dies nicht aus, will dem aber auch nicht vorgreifen. Und ich weise noch mal auf den eingangs zitierten Passus aus dem möglichen Koa-Vertrag hin, dass wir darauf achten müssen, dass erst die Bundesgesetzgebung dazu geschaffen wird, im Anschluss die Landesgesetzgebung.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, notwendige Reformschritte sind eingeleitet oder stehen unmittelbar bevor. Selbstverständlich werde ich dem Landtag oder dem Innenausschuss möglicherweise auch in der einen oder anderen Frage mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der PKK Rede und Antwort stehen.

Im Hinblick auf die im Antrag erhobene Forderung nach der verstärkten parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes kann ich persönlich derzeit keine Defizite feststellen. Es sind ja Sie, die in der PKK sitzen. Und wenn Sie Defizite haben oder meinen, wir müssen hierzu noch bestimmte Informationen liefern, dann lassen Sie uns darüber reden. Das wollen wir gerne tun, sofern wir nicht gegen den gesetzlichen Auftrag und auch die damit verbundenen Anforderungen vom Datenschutz bis zur Geheimhaltung verstoßen.

Der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages standen und stehen, was gerade den Bereich NSU betrifft, sämtliche Informationen zur Verfügung. Im Gegenteil, ich habe in der PKK auch den Chef des LKA zu den jeweiligen Sitzungen mit hinzugebeten. Nachfragen wurden nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Aber an dieser Stelle müssen wir aufpassen, dass bei allem notwendigen Reformbedarf der Rechtsstaat nicht mit dem Bade ausgekippt wird. Das Gewaltenteilungsprinzip hat in Deutschland Verfassungsrang und zum Ziel, die Staatsgewalten im Gleichgewicht zu halten. Dabei kommt keiner Gewalt, keiner Gewalt ein grundsätzlicher Vorrang zu. Der Exekutive wird ein eigenständiger Handlungsbereich zugewiesen, der durch die andere Gewaltenteilung nicht unzulässig eingeengt werden darf.