Protocol of the Session on September 4, 2013

(Helmut Holter, DIE LINKE: Durchstarten in Mecklenburg-Vorpommern!)

Wer sich dann von diesen jungen Frauen und Männern entscheidet, den Schulabschluss im zweiten Bildungsweg zu erwerben, muss weiterhin tief in die eigene Tasche greifen und bis zu 700 Euro zahlen, um seinen Abschluss zu finanzieren. Sie geben keinen einzigen Euro für das kostenfreie Nachholen von Schulabschlüssen und keinen einzigen Euro für das Lesen- und Schreibenlernen der 150.000 funktionalen Analphabeten in Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Nicht einmal Ihre eigene Koalitionsvereinbarung haben Sie im Blick gehabt, als Sie das Päckchen schnürten.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Fehlen von zwei tragenden Wänden für erfolgreiche Schulen zeigt mir in erschreckender Klarheit die Windschiefe der künftigen Bildungspolitik.

Zum einen mangelt es an der Finanzierung für die so dringend erforderliche Unterrichtsberatung und Unterrichtsentwicklung. Nachdem dieses Unterstützersystem auf die Hälfte reduziert wurde und nun in MecklenburgVorpommern lediglich fünf Unterrichtsberaterinnen und Unterrichtsberater für 566 Schulen im allgemeinbildenden Bereich zur Verfügung stehen, spielt dieser wichtige Punkt in Ihrem Vorhaben überhaupt keine Rolle.

(Regine Lück, DIE LINKE: Die Armen!)

Keine Qualitätsoffensive, keine Qualitätssteigerung für Unterricht und Schulentwicklung!

Zum anderen wird das Zentrum von Schule, nämlich der Unterricht, gnadenlos beiseitegeschoben. Keine Stunde mehr Förderung, keine Stunde mehr an Unterstützung für jede Schülerin und jeden Schüler. Keine Maßnahme zielt auf eine Verbesserung des Unterrichts und auf eine Erhöhung der individuellen Förderung für jedes Kind.

Sehr geehrte Damen und Herren, durch das 50Millionen-Paket wird der Legastheniker nicht besser lesen und schreiben können. Die Ganztagsschullandschaft wird nicht erblühen und die Zahl der funktionalen Analphabeten wird nicht sinken.

(Egbert Liskow, CDU: Hat das einer behauptet?)

Wir werden weiterhin die farbenfrohe rote Laterne bei den Jugendlichen ohne Schulabschluss tragen und bundesweit die größte Lücke bei der Besetzung der Schulleitungsstellen haben. Ihre Meldung müsste in Wahrheit ernüchternd lauten: Wir nehmen den Schulen in den kommenden zwei Jahren etwas weniger weg als in der vorangegangenen Zeit. Und um die daraus resultierende Katerstimmung zu vermeiden, laufen Sie Gefahr, ein Potemkinsches Dorf zu errichten, denn diese 50 Millionen werden nicht dafür sorgen, dass bei der nächsten Inspektionsreise des Ministers durch die Schulen des Landes der große Jubel ausbricht oder sich gar die Bedingungen des Lernens verbessern. Meine Fraktion fordert eine Qualitätsoffensive „Unterricht“, um das Fundament stabil und sicher zu gestalten,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

damit jede und jeder endlich Vertrauen in die Schulentwicklung haben kann, denn Bildung basiert auf Vertrauen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Danke, Frau Oldenburg.

Ums Wort hat gebeten der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kollegin Oldenburg, das war eine starke Rede, stark an der Realität vorbei.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und das Problem ist, dass Sie es in Wahrheit besser wissen. Sie wissen es besser, Sie sind Schulleiterin, Sie kennen die Verhältnisse an unseren Schulen. Ich finde es schon bemerkenswert, wie Sie einen Kraftakt von 50 Millionen Euro zusätzlich – der Ihnen gewiss nicht gefällt, weil er Ihnen parteipolitisch nichts bringt, der eher das Gegenteil bewirkt –, wie Sie den versuchen, in einer Art und Weise madig zu machen, was ich aus meinen Lehrergesprächen nicht widergespiegelt bekomme, und das sind inzwischen über 500.

Gewiss ist es so, dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht mit allem zufrieden sind. Allerdings sind wir auch keine Prediger, die hier durchs Land ziehen und das Paradies versprechen, sondern wir versuchen, reale Probleme zu lösen. Ich würde aber auch gerne einmal einige von Ihren Falschbehauptungen hier richtigstellen.

Die Stundenverpflichtungen für Lehrer werden nicht gesenkt, das ist eine eklatante Falschbehauptung. Warum sagen Sie nicht, denn Sie wissen das, dass die Klassenleiter an Regionalen Schulen in Zukunft eine Stunde

weniger Unterricht haben? Warum sagen Sie nicht, denn Sie wissen das, dass die Gymnasiallehrer bis zur Klassenstufe 10 in Zukunft eine Stunde weniger Unterricht haben? Warum sagen Sie nicht, weil Sie es wissen, dass wir die Unterrichtsverpflichtung für Grundschulen auf den deutschlandweit niedrigsten Wert reduzieren, den niedrigsten? Jetzt sagen Sie: Ja, stimmt ja.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, nee, das stimmt …)

Ja, warum sagen Sie denn hier Gegenteiliges?

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nein, nein, nein!)

Warum sagen Sie nicht, dass wir die Altersanrechnungsstunden für alle Kollegen ab 57 das erste Mal mit einer Stunde einführen, also deutlich mehr Geld ausgeben? Warum behaupten Sie hier Dinge, von denen Sie selber wissen, dass sie falsch sind? Ich schätze Sie wirklich als fachlich kluge Kollegin, aber ich möchte Sie bitten, in der Argumentation redlich zu bleiben.

Der nächste Punkt – Ganztagsschule. Da gibt es hier eine große Diskussion über die Ausweitung der Ganztagsschule. Ich wünsche mir das auch. Ich sage Ihnen nur, wir haben fast 70 Prozent Ganztagsschulen oder Halbtagsschulen in Mecklenburg-Vorpommern, und seien wir doch mal ehrlich, die Bedingungen in diesen Schulen – das werden Sie doch nicht bestreiten –, die waren nicht anständig für die Lehrerinnen und Lehrer. Sie wissen ganz genau, dass die Anrechnungsfaktoren für den Unterricht dazu geführt haben, dass die Lehrer in ihrer Freizeit die Vor- und Nachbereitung für die Angebote gemacht haben. Damit machen wir jetzt Schluss. Wir behandeln Lehrerinnen und Lehrer, die sich in der Ganztagsschule engagieren, vernünftig.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Was heißt „vernünftig“?)

Und da muss man sich entscheiden: Wenn das Geld nur für die eine Maßnahme reicht, nämlich für die qualitative Verbesserung der Ganztagsschule, dann kann man nicht auch noch ein großes Ausbauprogramm finanzieren. Und wenn Sie das ernsthaft in den Vordergrund stellen wollen, dann sagen Sie bitte Ihren Kollegen in Ihrer Schule, dass es Ihnen lieber ist, es gibt mehr Ganztagsschulen und die Arbeitsbedingungen für Ihre Kollegen bleiben weiterhin schlecht. Ich bin fest davon überzeugt, dass auf diese Art und Weise gute Schule nicht funktionieren kann.

Warum stellen Sie sich hier hin und behaupten, es gäbe für die beruflichen Schulen nicht zusätzlich Geld? Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass das Lehrerpersonalkonzept,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt, Herr Minister.)

dass das Lehrerpersonalkonzept drei Jahre früher ausläuft als geplant? Das kostet 3,5 Millionen Euro.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das kostet 50 Stellen.)

Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass in dem 50-Millionen-Paket 4,6 Millionen Euro für Berufsschulen jedes Jahr zusätzlich bereitgestellt werden, um die Schüler-Lehrer-Relation zu

verbessern? Haben Sie noch nichts davon gehört, dass wir den Berufsschulen 8 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um über 200 Kollegen zu qualifizieren mit Anrechnungsstunden? Haben Sie auch noch nichts davon gehört, dass wir 1 Million Euro für Vertretungsunterricht, für die Kooperation mit der Wirtschaft in die berufliche Schule investieren?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist aber ’ne ganze Menge, oder? – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Ist Ihnen das alles unbekannt? Können Sie sich hier ernsthaft hinstellen und die Behauptungen, die Sie hier getroffen haben, aufrechterhalten?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Natürlich nicht. – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Selbstverständlich!)

Ich würde gerne auch etwas zum Thema Berufsreife sagen. Ja, dieses Land hat ein Riesenproblem. Ich würde aber noch mal dafür werben, nicht jeden, der eine Berufsreife nicht erwirbt, als Schulabbrecher zu bezeichnen. Diese Gruppe teilt sich in zwei: die einen machen wirklich keinen Schulabschluss und die anderen machen einen Förderschulabschluss. Ich sage ausdrücklich: Diese Quote ist nicht akzeptabel! Es sagen uns ja auch alle Wissenschaftler: Das kann gar nicht so sein, Mecklenburg-Vorpommern kann nicht so viele sonderpädagogisch förderbedürftige Kinder haben.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Das ist durch nichts irgendwie zu rechtfertigen. Aber ich würde Sie um eines bitten, sagen Sie nicht 70 Prozent dieser Schüler in Zeiten von Inklusion, dass ihr Abschluss nichts wert ist. Stellen Sie sich da bitte nicht hin und sagen, das lohnt sich sozusagen überhaupt nicht, was die dort machen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das sagt keiner.)

Sie wissen doch, dass wir mehrere Maßnahmen einleiten werden, um dieses Problem anzugehen. Sie wissen, dass ab diesem Schuljahr mehr Vorlaufklassen an den Start gebracht werden als bisher, damit Schüler die Berufsreife erwerben können. Sie wissen, dass das ab dem nächsten Schuljahr noch mal vervierfacht wird mit dem 50-MillionenProgramm. Sie wissen, dass ab diesem Schuljahr auch in Ihrer Schule Materialien für Schüler und Lehrer bereitgestellt werden, um die Kernfächer Deutsch und Mathe zu stärken. Und ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber ich sage es Ihnen jetzt: Wir werden außerdem aus dem Europäischen Sozialfonds 18 Millionen Euro zur Verfügung stellen für Förderstunden in Klassen, in denen es besondere Lernprobleme gibt. Wir werden 16 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um über 2.000 Lehrer weiterzubilden, damit sie sich noch besser um lernschwache Kinder kümmern können, und noch eine ganze Reihe von Maßnahmen mehr.

Bei allen parteipolitischen Differenzen, Frau Oldenburg, bitte ich Sie sehr herzlich, wenn Sie sich hier hinstellen, um zu kritisieren, dass Sie dann wirklich bei den Fakten bleiben und nicht gegen das eigene Wissen, über das Sie verfügen, argumentieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Um das Wort gebeten hat jetzt die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE.

(Torsten Renz, CDU: Das wird jetzt etwas sachlicher. Alte Klasse, Frau Bernhardt, wir bauen auf Sie!)

Natürlich, Herr Renz.