Vorpommerns zu sprechen. So, wie die sich derzeit und seit vielen Jahren darstellt, sind die Kommunen nicht in
der Lage, ausreichend Mittel für die Beseitigung der winterbedingten Straßenschäden bereitzustellen.
Der genaue Bedarf lässt sich nicht genau abschätzen. Der Städte- und Gemeindetag geht von 100 Millionen Euro Finanzbedarf aus, um allein die Schäden dieses Winters zu beseitigen. Viele Kommunen verschaffen sich gerade einen Überblick über die Straßenschäden, um langsam mit der Beseitigung zu beginnen. Eines aber lässt sich jetzt schon sagen: Die in die Kommunalhaushalte eingestellten Mittel werden wie in den letzten Jahren auch nicht ausreichen, um alle Schlaglöcher zu beseitigen. Egal, in welcher Kommune ich mich erkundigte, überall bekam ich die gleiche Auskunft.
Deshalb, meine Damen und Herren, hat Ihnen meine Fraktion diesen Antrag vorgelegt. Wir stehen zur Verantwortung der Kommunen für ihr Straßennetz. Wenn sie aber derart in Finanznöten sind, kann sich das Land nicht aus seiner Mitverantwortung stehlen, sondern muss sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen.
Wir wollen daher ein einmaliges, durch das Land auf- gelegtes Darlehensprogramm von mindestens 20 Millionen Euro, aus dem sich die Kommunen mit zinslosen Krediten bedienen können, um ihre Straßen zu sanieren. Mit unserem Antrag lehnen wir uns an das „Programm zur Erneuerung von Straßendecken kommunaler Stra- ßen 2011“ an, wohl wissend, dass es auch diesmal nicht ausreichen wird. Meine Fraktion will die Kommunen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, deshalb der Weg über Darlehen.
Und, meine Damen und Herren der Koalition, wenn Sie fragen, woher die 20 Millionen Euro kommen sollen: Allein die in 2012 und 2013 eingesparten Zinsausgaben des Landes geben die Summe mehrfach her. Sie haben sich ja auch schon aus diesem Topf bedient. Wenn das Land nicht hilft, werden wir in wenigen Jahren ein wirkliches Problem haben. Dann kann sich nämlich kaum noch abseits der Fern- und Bundesstraßen mit Lkw, Pkw oder sogar mit dem Fahrrad bewegt werden. Und mit Haushaltslöchern stopft man kein einziges Schlagloch. – Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Zustands unserer kommunalen Straßen kann man natürlich aus zwei Richtungen beleuchten: Man kann das Thema als ein kommunales Thema auffassen und von dort aus an die Sache herangehen. Man kann es als ein verkehrspolitisches Thema auffassen und von hier aus argumentieren.
Die LINKEN haben es vorgezogen, ihre verkehrspolitische Sprecherin zur Einbringung zu schicken, sehen also – und so habe ich Sie auch verstanden, Frau Dr. Schwenke – dieses primär als ein verkehrspolitisches Thema. Nun,
wenn dem so ist, dann hätte ich allerdings erwartet, dass Ihr Antrag auch mehr zur verkehrspolitischen Situation insgesamt sagt. Ich kann dann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum sich Ihr Antrag in seinem Text und in seiner Begründung auf die kommunalen Straßen begrenzt und nicht das Thema Straßenbau beziehungsweise Straßenunterhaltung insgesamt in den Blick nimmt.
Ich halte das für ein Problem. Und Sie werden mir gestatten, dass ich es primär auch als ein kommunales Thema sehe: Wie sind Kommunen ausgestattet, um ihrer Straßenunterhaltungspflicht nachzukommen?
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren und lieber Kollege Ritter, lassen Sie mich zunächst einmal feststellen, die Kommunen, die Städte, die Gemeinden, für Kreisstraßen die Kreise sind unterhaltsverpflichtet bei ihren Straßen. Das ist eine der zahlreichen Aufgaben, die unsere kommunalen Körperschaften haben. Und das unterscheidet sie gar nicht vom Land, denn das Land ist für die Unterhaltung der Landesstraßen verantwortlich.
Eine dieser Aufgaben, eine dieser zahlreichen Aufgaben, die unsere kommunalen Körperschaften haben, nämlich die Straßenunterhaltung, heben Sie in der heutigen Sitzung hervor und machen dazu einen Antrag. Und ich frage mich zunächst einmal: Warum heben Sie ausgerechnet diese kommunale Aufgabe hervor? Die Unterfinanzierung, von der Sie gern sprechen, bezieht sich ja auf alle Selbstverwaltungsaufgaben. Eine davon heben Sie hervor. Will uns DIE LINKE damit ihre Priorität darlegen? Oder ist dies eher Zufall und der Tatsache geschuldet, dass der ADAC hier sehr laut ruft? Das ist die zweite Frage, die ich von Ihnen gern beantwortet hätte.
Aber das Dritte, und das ist keine Frage, sondern das ist eine Feststellung: Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Kommunen über ihre Prioritätensetzungen sehr gern selbst entscheiden und dass das Thema kommunale Selbstverwaltung und welche unserer Aufgaben statten wir denn jetzt finanziell besser aus und welche statten wir finanziell weniger gut aus, eine Entscheidung ist, die den Kommunen natürlich wichtig ist. Sie wollen dies selbst entscheiden.
Und deswegen – ich weiß, dass ich selber damit gar nicht immer so ganz glücklich bin –, aber genau deswegen ist es eine Analogie, dass die Kommunen auch gerne möchten, dass ihnen Finanzmittel eben nicht mit irgendeiner Zweckbindung zur Verfügung gestellt werden, sondern möglichst zu einer freien Entscheidung, und sie dann selbst in kommunaler Selbstverwaltung entscheiden können, saniere ich damit Straßen oder erfülle ich andere kommunale Aufgaben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, und Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, warum Sie denn nicht in dieser Richtung argumentieren und in dieser Richtung sagen, ja, ich stärke kommunale Selbstverwaltung. Und wenn Sie dies täten, dann hätten Sie dem, was wir hier gestern diskutiert haben, vielleicht ein wenig an- ders gegenübertreten sollen, denn wir – das heißt die Koalition – tun genau dies. Ich habe das gestern dargestellt und wir haben es hinreichend diskutiert. Wenn wir 55 Millionen vorziehen und wenn wir 100 Millionen zur Verfügung stellen in den nächsten drei Jahren zu
sätzlich und sagen, das ist für Sanierung, das ist für Investition, aber wir schreiben euch noch nicht einmal vor, Sanierung von Straßen, sondern ihr könnt es auch für die Sanierung von Gebäuden oder für andere Zwecke einsetzen, dann ist dieses sicherlich viel eher im Sinne dieses Gedankens der kommunalen Selbstverwaltung. In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren von den LINKEN, macht Ihr Vorschlag, macht Ihr Antrag wenig Sinn.
Und lassen Sie mich noch zwei letzte Gedanken anfügen: Wenn Sie sagen, Frau Dr. Schwenke, ein einmaliges Programm, wir aber gleichzeitig in Ihrem Antrag lesen und alle wissen, es ist das gleiche Programm wie letztes Jahr und wir wollen es dieses Jahr wieder – und ich vermute mal, auch nächstes Jahr wird es einen Winter geben, und es ist zu befürchten, auch dann werden Straßen leiden –, dann sollten wir nicht über ein einmaliges Programm reden, sondern dann sollten wir so ehrlich sein zu sagen, also wir wollen dies verstetigen und wollen es jedes Jahr haben.
Und ein Zweites. 20 Millionen hört sich toll an, aber es ist ein Kreditprogramm. Das haben Sie ja auch in Ihrer Einbringung sehr deutlich gesagt. Das war also sehr klar. Das heißt, das Einzige, was die Kommunen am Ende materiell davon haben, ist die Einsparung der Zinsen, und die sind bei der derzeitigen Situation am Kreditmarkt, aber auch bei den Zinssätzen, zu denen der kommunale Aufbaufonds Kredite zur Verfügung stellt, recht gering. Es ist ein sehr kleines, ein sehr bescheidenes Programm.
Und wenn ich all dies zusammenziehe, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass es wenig Sinn macht, hier mit kleinen Kreditunterstützungszinshilfsprogrammen den Kommunen zu helfen, sondern dass es viel mehr Sinn macht, den Weg zu gehen, den wir gehen, dass wir nämlich den Kommunen Geld, echtes Geld zur Verfügung stellen,
mit dem dann auch Straßensanierung gemacht werden kann, aber je nach den Entscheidungen der kommunalen Selbstverwaltung
auch andere Aufgaben erfüllt werden können. Das halte ich für einen wesentlich klügeren und einen wesentlich besseren Weg. Und Sie werden verstehen, dass wir diesen Weg weitergehen wollen und nicht auf Ihren Weg zurückfallen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch wirklich gut gemacht. Das trifft aus meiner Sicht auch auf diese Vorlage zu.
Auf den ersten Blick ist klar, da wird ein wesentliches Problem erkannt. Die Unterstützung, die das Land seinen Kommunen gewährt, reicht nicht aus. Damit können nicht alle Ausgaben getätigt werden, die die Kommunen aus meist nachvollziehbaren Gründen für eigentlich notwendig halten.
Dazu gehört auch die Instandhaltung beziehungsweise Instandsetzung des kommunalen Wegenetzes. Und weil dafür das Geld nicht reicht, setzt jedes Jahr im Frühling der Ruf nach Sonderprogrammen ein, damit wenigstens die größten Löcher – so heißt es an der Stelle dann immer – geflickt werden können. Wir kennen das. Und so ein Programm möchte uns auch der vorliegende Antrag für dieses Jahr wieder vorschlagen. Was also auf den ersten Blick gut erscheint, weil es gut gemeint ist, birgt bei näherem Hinsehen jedoch einige Probleme, die ich Ihnen gerne vorstellen möchte.
Erstens. Diese Form der Ad-hoc-Förderung kommt einseitig einem Bereich, nämlich dem Verkehr, und da wiederum einseitig nur der Straße, also dem Kraftfahrzeugverkehr, zugute. Damit laufen wir Gefahr zu übersehen, welche Kosten der Straßenverkehr am Ende wirklich erzeugt.
Zweitens. Das wiederum hält uns davon ab, einen wesentlichen Grund für die strukturelle Unterfinanzierung in diesem Bereich wahrzunehmen, denn in der Straßenbauplanung werden die Folgekosten für den Straßenunterhalt – egal, auf welcher Ebene: auf kommunaler Ebene oder auf Landesebene – generell ignoriert. Würden wir diese Kosten aber in die Kostenberechnungen einbeziehen, kämen wir möglicherweise auf die Idee, Straßen zurückhaltender zu planen. Ich will nur mal wieder das Beispiel B96n auf Rügen nennen.
Drittens. Deswegen muss das Ziel sein, dass die wahren Kosten von Anfang an vollständig dargestellt werden, und dazu gehören auch die prognostizierten Kosten beziehungsweise die jährlich wieder anfallenden Kosten für die Instandsetzung beziehungsweise Instandhaltung. Der vorliegende Antrag ist aber solange kurzsichtig, solange er nicht wenigstens fordert, künftig die Kosten von Straßenbauprojekten einschließlich der Unterhaltsfolgekosten zu berücksichtigen. Das ist nicht nachhaltig.
Viertens. Der Antrag fordert eine pauschale Summe und nennt sonst keine Bedingungen oder Voraussetzungen. Damit gibt es auch keinerlei Lenkungswirkung. Und das war auch ein Punkt, den wir gemeinsam mit der SPD zu dem Soforthilfeprogramm der Landesregierung feststellten. Die Belange des Radverkehrs und des Busverkehrs kommen nicht vor, und die Erfahrung lehrt uns, dass sie in der Praxis dann zu kurz kommen.
Damit kann so ein Antrag aus der Perspektive einer Politik, die sich für nachhaltige Mobilität einsetzt – und so verstehe ich die Politik unserer Fraktion –, nicht unterstützt werden.
Was mich aber am meisten stört, ist noch etwas anderes. Stellen Sie sich vor, dass vor dem Hintergrund der kom
munalen Finanzausstattung ein Antrag gestellt würde, der so ähnlich aussieht wie der vorliegende: ein Antrag, der ein Sofortprogramm für die Kommunen fordert, nur dass da nicht „Straßen“ stünde und nicht „Schlaglöcher“, sondern, sagen wir, „Theater und Orchester“ und „Kulturprojekte und -initiativen“.
(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Heinz Müller, SPD: Und in der Woche darauf einen für Kindergärten.)
Ich vermute, Widerspruch und Empörung wären dann unüberhörbar. Bei Heinz Müller klang es eben schon an.
Dabei sind etwa im Kulturbereich die Lücken so groß, dass jeder Vergleich mit Schlaglöchern eine Verniedlichung ohnegleichen wäre.