verschwendet, von Vereinen und Verbänden, von Menschen, die sich für Demokratie und Toleranz engagieren, seitenweise Bekenntnisse zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung abzuverlangen, statt sie in ihrem Handeln zu unterstützen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schnelle Antworten sind nicht gefragt, aber ehrliche. Die Gefahr von weiteren Verbrechen ist allgegenwärtig. Was gestern in Zwickau geplant wurde, kann morgen schon in Anklam passieren. In Mecklenburg-Vorpommern nimmt das Aggressions- potenzial der Neonazis weiter zu. Auch in MecklenburgVorpommern werden jüdische Friedhöfe geschändet. Bürgermeister, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen, werden bedroht. Wahlkreisbüros demokratischer Abgeordneter werden Ziel von rechtsextremistischen Anschlägen.
Bis heute wurden die Fälle nicht geklärt. Der Briefkasten eines Staatsanwaltes, der sich besonders im Kampf gegen den Rechtsextremismus engagiert, wurde in die Luft gesprengt. In einschlägigen Internetforen wird offen zu Gewalt gegen Andersdenkende aufgefordert. So fängt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Landtag darf das Thema mit der heutigen Aussprache nicht zu den Akten legen. Wir müssen weiter hinterfragen und wir brauchen vor allen Dingen Aufklärung und Öffentlichkeit. Wir brauchen aber keinen Aktionismus. Wir müssen jedoch als Erstes dafür sorgen, dass zivilgesellschaftliche Strukturen und Initiativen für Demokratie und Toleranz ermuntert und auch dauerhaft finanziell unterstützt werden.
Wir sollten daher alle die Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern ermuntern, in der laufenden Haushaltsdebatte des Bundes die Kürzungs- und Umschichtungspläne aus dem Hause der Bundesministerin Schröder nicht zuzulassen. Wir brauchen eine unabhängige Beobachtungskommission gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und nicht nur eine neue Täterdatei. Ich erinnere daran, dass bereits 1992 als gemeinsames Gremium von Bund und Ländern eine Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer, rechtsterroristischer, insbesondere fremdenfeindlicher Gewaltakte, IGR, eingerichtet wurde. Was hat dieses Gremium seit 1992 getan?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Stärkung der Beratungsstrukturen für Opfer rechtsextremer und ausländerfeindlicher Gewalt und, natürlich, wir brauchen das NPD-Verbot jetzt. Allerdings wird dieses Verbot alleine nicht ausreichen.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen auch, und das will ich hier deutlich unterstreichen, die politische Erkenntnis, dass Protest gegen Neonaziaktivitäten, dass Protest gegen Naziaufmärsche und auch das Blockieren
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)
Ich fordere daher von dieser Stelle, dass die Verfahren gegen die Vorsitzenden der Linksfraktion im Sächsischen und Thüringer Landtag André Hahn und Bodo Ramelow wegen ihrer Beteiligung an den Protesten gegen rechtsextreme Aufmärsche in Dresden umgehend eingestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind, das können nur erste Forderungen und Vorschläge sein. Ich hoffe jedoch, wir alle ziehen frei von Vorurteilen und Vorhaltungen die richtigen Schlussfolgerungen. Dann und nur dann hat der Blick in den tiefen Abgrund des Versagens auch Sinn gemacht. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir alle sind geschockt und beschämt darüber, was sich in Deutschland an menschenverachtender Grausamkeit auftut.
In den vergangenen Tagen mussten wir schmerzhaft lernen, dass sich die Rechtsextremisten offensichtlich eben nicht mehr nur mit Aufmärschen, rassistischen Parolen und menschenverachtenden Auftritten in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zufrieden geben.
(Michael Andrejewski, NPD: Weil sie von V-Männern aufgehetzt werden. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)
Die Gewalttätigkeit des Rechtsextremismus hat eine neue, bisher nicht dagewesene Qualität erreicht. Ganz offensichtlich schrecken Rechtsextremisten inzwischen auch nicht mehr vor Mord an Polizisten, an Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland, auch an Mitbür- gerinnen und Mitbürgern mit ausländischer Herkunft zurück. Ich möchte an dieser Stelle der Opfer gedenken und den Angehörigen unser Mitgefühl aussprechen.
Meine Damen und Herren, der Sachverhalt selbst dürfte Ihnen weitgehend bekannt sein. Am 4. November 2011 verübten zwei maskierte Täter einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Sparkasse in Eisenach. Die Täter benutzten für die Flucht ein Wohnmobil, das wenige Stunden später von der Polizei entdeckt wurde. Als sich die Polizeibeamten dem Fahrzeug näherten explodierte das
Am Nachmittag desselben Tages kam es in einer Wohnung in Zwickau zu einer Verpuffung und einem Wohnungsbrand. Sehr schnell stellte sich ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen heraus. Die im Wohnmobil gefundenen Leichen, bei denen es sich um Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos handelte, hatten die Wohnung zusammen mit einer Beate Zschäpe, die sich später der Polizei stellte, genutzt. Alle drei Personen waren nach einem rechtsextremistisch motivierten Sprengstoffdelikt in Jena im Jahre 1998 untergetaucht. Sie waren unter anderem auch im damaligen neonazistischen „Thüringer Heimatschutz“ aktiv.
Die sich an die Ereignisse in Eisenach und Zwickau anschließenden Ermittlungen offenbarten und offenbaren nach wie vor ein erschreckendes Szenario. Nicht nur, dass die Personen in Verdacht stehen, mehrere Banküberfälle verübt zu haben, sie werden ebenfalls für die sogenannten Döner-Morde, den Mord an einer Polizistin in Heilbronn und verschiedene Sprengstoffanschläge,
bei denen Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, verantwortlich gemacht. Die Spur der Täter führte dabei offenbar auch nach Mecklenburg-Vorpommern.
Im Februar 2004 wurde in Rostock ein türkischer Mitbürger ermordet. Im November 2006 und im Februar 2007 wurde in Stralsund das gleiche Geldinstitut zweimal überfallen. Nach allem, was wir bisher wissen, wurden diese Taten sehr wahrscheinlich aus einer rechtsextremistischen Motivation heraus begangen. Sowohl der ermittlungsführende Generalbundesanwalt als auch der Bundesinnenminister gehen von rechtsextremistischem Terrorismus aus. Warum die Verdächtigen und die jetzt erkennbaren Tatzusammenhänge nicht früher festgestellt wurden, bedarf der dringenden, der umfassenden und der sachlichen Klärung. Dies gilt auch für die Frage, warum die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund den Sicherheitsbehörden erst jetzt bekannt geworden ist.
Ich möchte jedoch ausdrücklich betonen: Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Sachverhalts dürfen jetzt keine voreiligen Urteile gefällt werden. Die Sicherheitsbehörden müssen jetzt den Gesamtkomplex sorgfältig und umfassend aufklären. Erst danach sollte die Diskussion über möglicherweise und auch vielleicht sehr sinnvolle zu treffende Konsequenzen beginnen. Ich halte die pauschalen Verdächtigungen, die derzeit gegenüber den Verfassungsschutzbehörden getätigt werden, für verfehlt.
(Udo Pastörs, NPD: Pauschalverurteilungen gegen uns halten Sie für berechtigt, ja? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Klar ist aber auch, wo Fehler gemacht wurden, müssen sie konsequent aufgearbeitet und auch Konsequenzen gezogen werden.
Meine Damen, meine Herren, die Frage, ob von der NSU auch in Zukunft Gefahren für das gesamte Land ausge
hen, kann mit Blick auf den gegenwärtigen Ermittlungsstand nicht abschließend beantwortet werden. Die weiteren Ermittlungen werden zeigen, ob hier ein größeres, bisher unbekanntes Netzwerk agiert. Auf jeden Fall ist hohe Wachsamkeit gefragt und angezeigt. Im Hinblick auf die vorgefundenen Listen ist nach Auffassung der Sicherheitsbehörden, auch des Landes MecklenburgVorpommern, aktuell nicht davon auszugehen, dass diese Listen an einen größeren Verteilerkreis versandt wurden, und es ist nach derzeitigem Sachstand auch keine Gefahr für Einzelpersonen erkennbar.
Zum jetzigen Ermittlungsstand sind aus den Listen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass konkrete Straftaten geplant sind.
Betonen möchte ich aber auch, dass mir gegenwärtig keine Informationen darüber vorliegen, die auf Strukturen der NSU in unserem Land, also in MecklenburgVorpommern hinweisen. Unabhängig davon beobachten wir in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren eine besonders aktive und gut organisierte rechtsextremistische Szene, von der unübersehbar Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehen. Es ist daher auch weiterhin wichtig, richtig und unverzichtbar, diesen menschenverachtenden Bestrebungen in einem breiten Bündnis aller Demokraten offensiv entgegenzutreten.
Die auch im Koalitionsvertrag unterstrichene Notwendigkeit einer konsequenten Bekämpfung rechtsextremistischer Umtriebe
muss deutlich fortgesetzt werden. Wichtig ist eine nachhaltige Unterstützung und Vertrauen auch in die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die den Anteil an der Aufklärung der agierenden Szenen zu leisten haben,
unabhängig von den von meinen Vorrednern geforderten demokratischen Bündnissen und Aktivitäten auf allen Ebenen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für mich steht eindeutig fest, die NPD schafft den geistigen Nährboden für neonazistische Kameradschaften
und letztendlich somit auch für die NSU-Täter. Deshalb brauchen wir unter anderem auch ein neues NPDVerbotsverfahren.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Dieses Verbotsverfahren löst natürlich nicht alle Probleme, es ist aber ein Baustein in dem Gesamtkomplex im gesamtgesellschaftlichen Auftreten gegen die NPD, gegen Kräfte, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung aushebeln wollen.