Protocol of the Session on March 22, 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 38. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich ganz herzlich unserer Kollegin Simone Oldenburg zum Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Gratulationen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute erinnern wir uns an den 23. März 1933, den Abschluss der faktischen Entmachtung des Deutschen Reichstags.

(Der einzige vonseiten der Fraktion der NPD anwesende Abgeordnete verlässt den Plenarsaal.)

Der deutsche Parlamentarismus ging vor 80 Jahren an seiner systematischen Aushöhlung, an Rechtsbruch und an den brutalen Angriffen seiner Feinde zugrunde. Fehleinschätzungen und Unentschlossenheit derer, die die Demokratie hätten verteidigen müssen, trugen zu ihrem Untergang bei.

Am 23. März 1933 hatte der Reichstag über das „Gesetz“ – und ich zitiere – „zur Behebung der Not von Volk und Reich“, das sogenannte Ermächtigungsgesetz, abzustimmen. Dieses Gesetz sollte wie eine Verfassungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden, weil es legislative Befugnisse vom Reichstag auf die Reichsregierung übertragen sollte.

Eine verfassungsrechtliche Grundlage gab es für ein derart weitreichendes Gesetz nicht. Die Regierung sollte umfassende Macht erhalten. Sie sollte selbst Gesetze erlassen und dabei sogar von der Verfassung abweichen dürfen. Eine Kontrolle der Regierung war nicht vorgesehen. Die Ermächtigung war inhaltlich nicht beschränkt und sollte von vornherein für volle vier Jahre gelten. Die Reichstagsabgeordneten sollten durch ihre Zustimmung zu dem Ermächtigungsgesetz Hitlers Reichsregierung vom Reichstag völlig unabhängig machen.

Das Ermächtigungsgesetz für die Regierung bedeutete gleichzeitig die Selbstentmachtung für den Reichstag, der danach nur noch bedeutungsloses Scheinparlament einer Diktatur war. Heute wissen wir, Deutschland war da schon auf dem Weg eines rasenden Absturzes in die Katastrophe.

Unter welchen Bedingungen kam es zu dieser Abstimmung? Um die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Reichstags zu ihrem Ermächtigungsgesetz zu sichern, setzten die Nationalsozialisten auf Terror im Vorfeld, Annullierung der KPD-Mandate, Inhaftierung von Reichstagsabgeordneten unter Missachtung von deren parlamentarischer Immunität, Änderung der Geschäftsordnung des Reichstags, Versprechungen an die Zentrumspartei. Der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz gingen Verfolgung und Inhaftierung, Mord und Terror voraus.

Den kommunistischen Reichstagsabgeordneten waren per Gesetz ihre Mandate aberkannt worden. Viele von ihnen, aber auch Reichstagsabgeordnete der SPD befanden sich in sogenannter „Schutzhaft“. Aufgrund einer gezielten Änderung der Geschäftsordnung des Reichstages wurden die Mandate „unentschuldigt fehlender“ Abgeordneter bei der Ermittlung der notwendigen Mehrheit nicht mehr mitgezählt.

Willkür und Repressalien blieben nicht ohne Wirkung auf die anderen Reichstagsabgeordneten. Die Abgeordneten der Zentrumspartei wurden über diese Einschüchterung hinaus mit Versprechungen – Achtung der Reichsorgane und der Kirchen sowie zukünftiger Einbeziehung der Zentrumspartei – zur Zustimmung gewonnen. Hitler hatte nie vor, diese Versprechungen einzuhalten. Ein halbes Jahr später existierte die Zentrumspartei nicht mehr.

Eine Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes war nur noch von der SPD-Fraktion zu erwarten. Die Abgeordneten der SPD waren Drohungen ausgesetzt und fürchteten um Leib und Leben. Die Krolloper, in der das Parlament nach dem Reichstagsbrand zusammenkam, war von SA- und SSLeuten umstellt, deren Sprechchöre bis in den Sitzungssaal dröhnten. Im Saal bildeten uniformierte und bewaffnete SA-Einheiten eine einschüchternde Drohkulisse.

Die Mitglieder der SPD-Reichstagsfraktion berieten in einem noch benutzbaren Raum des Reichstagsgebäudes, ob sie angesichts dieser lebensbedrohlichen Situation, unterstrichen durch massive Einschüchterungsversuche, an der Abstimmung in der gegenüberliegenden Krolloper teilnehmen oder nur eine schriftliche Erklärung abgeben sollten.

„Ich“, ich zitiere, „gehe hinüber und wenn sie mich in Stücke reißen. Man muß vor aller Welt den Nazis widersprechen und mit Nein stimmen.“ Ende des Zitats. Diese mutigen Worte sprach die SPD-Reichstagsabgeordnete Louise Schroeder vor 80 Jahren.

Auch Clara Bohm-Schuch sprach sich vehement da- für aus, den Nazis die Stirn zu bieten. Sie wurde im August 1935 für zwei Wochen inhaftiert und starb 1936 an den Spätfolgen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Otto Wels ließ es sich nicht nehmen, die Ablehnungsrede selbst zu halten. Ich zitiere: „Kein anderer als ich hat in dieser schweren Stunde die Verpflichtung, das Nein der Sozialdemokratie auszusprechen. Auf jede Gefahr hin werde ich es tun.“

Wie hatte es zu dieser in der deutschen Parlamentsgeschichte beispiellosen Situation kommen können?

Deutschland befand sich Anfang der 30er-Jahre in einer schweren wirtschaftlichen Situation mit hoher Arbeitslosigkeit, Not und Elend. Die Reichsregierungen hatten im Reichstag keine eigene Mehrheit und stützten sich als Präsidialregierung auf den Reichspräsidenten. Lehnte der Reichstag eine Gesetzesvorlage der Regierung ab, setzte die Regierung diese über eine Notverordnung des Reichspräsidenten um. Die Regierungen wechselten in rascher Folge. Neuwahlen erbrachten keine stabilen Regierungsmehrheiten. Reichstagswahlen fanden wegen vorzeitiger Neuwahlen in schneller Folge statt.

Nach den Reichstagswahlen im November 1932 hatte sich wieder keine stabile bürgerliche Mehrheit ergeben. Der

Reichskanzler von Papen scheiterte im Dezember 1932, sein Nachfolger von Schleicher im Januar 1933.

Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler, der ehemalige Reichskanzler von Papen zu seinem Stellvertreter ernannt. Beide verband die Ablehnung von Demokratie und Parlament. Hitler wollte die Diktatur, Papen die Wiedereinführung der Monarchie. Ihr vorrangiges Ziel bestand darin, den Reichstag auszuschalten. Noch am Tag der Machtübertragung, dem 30. Januar, berieten sie darüber, den Reichstag zu vertagen, also nicht zusammentreten zu lassen.

Weil sie sich der Ausschaltung des Parlaments auf diesem Weg nicht sicher waren, entschieden sie sich am 31. Januar dazu, den Reichstag aufzulösen. Bei den Neuwahlen sollte eine Mehrheit in ihrem Sinne zustande kommen. Hitler und Papen waren sich einig, dass dies dann die letzte Reichstagswahl sein sollte. Eine Rückkehr zum parlamentarischen System sollte für immer ausgeschlossen sein.

Systematisch verfolgten sie ihr Ziel:

Am 1. Februar wurde der Reichstag aufgelöst.

Am 4. Februar wurden Presse- und Versammlungsfreiheit durch Notverordnung des Reichspräsidenten eingeschränkt, Wahlkampf erfolgte unter dem Straßenterror der SA bei Behinderung der anderen Parteien.

Am 27. Februar brannte der Reichstag. Eine Terrorwelle der NSDAP überrollte Deutschland.

Am 28. Februar wurden durch eine weitere Notverordnung des Reichspräsidenten unter dem Vorwand „der Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewalt- akte“ die Grundrechte der Bürger und die Pressefreiheit außer Kraft gesetzt. Es folgte eine Verhaftungswelle. Kommunisten und manche Sozialdemokraten wurden verfolgt und in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Verbot der Presse von KPD und SPD schloss sich an. Massive Behinderungen im Wahlkampf erfolgten, es wurde verboten zu plakatieren.

Trotz dieser irregulären Bedingungen verfehlte die NSDAP die angestrebte absolute Mehrheit, um allein regieren zu können, und das Regierungsbündnis mit der DNVP die angestrebte Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen auch am 5. März 1933 deutlich.

Am 8. März wurden die Reichstagsmandate der KPDAbgeordneten unter Bezug auf die Reichstagsbrandverordnung „annulliert“.

Am 22. März wurde in Dachau das erste Konzentrationslager eröffnet.

Am 23. März sollte sich der Reichstag selbst entmachten mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ – eben besser bekannt als Ermächtigungsgesetz.

Das Ermächtigungsgesetz wurde 1937 und 1941 durch den dann sogenannten „Großdeutschen Reichstag“ noch zweimal verlängert.

1943 verlängerte Hitler seine eigene Bevollmächtigung selbst durch den „Erlass des Führers über die Reichsgesetzgebung“. Wären die furchtbaren Ergebnisse – die

Millionen Toten – nicht so tragisch, wäre dieser Versuch, den Eindruck von Legitimität zu erwecken, wohl kaum an Lächerlichkeit zu überbieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass nie wieder die Demokratie in unserem Land zerstört werden kann. Dazu gehört für uns als Parlamentarier, dass wir unsere Aufgaben mit Ernsthaftigkeit und hohem Verantwortungsbewusstsein ausüben und ausfüllen. Die Rechte des Landtags müssen wir nutzen, um die Richtung für die Entwicklung unseres Landes vorzugeben. Auch die Aufgabe der Kontrolle der Exekutive müssen wir als Parlament erfüllen. Nur so hat der Parlamentarismus seine Daseinsberechtigung und wird vom Volk getragen und verteidigt. Letztlich müssen wir auch darauf achten, dass die Rechte der Landesparlamente im Zuge der europäischen Entwicklung gewahrt bleiben.

Andererseits müssen wir wachsam sein gegenüber Versuchen, die Demokratie zu untergraben. Dazu gehört die so oft geforderte politische Auseinandersetzung mit ihren Feinden. Das beginnt, wenn Feinde der Demokratie den Landtag und uns Abgeordnete lächerlich machen und bei der Bevölkerung diskreditieren wollen. Äußerungen wie „sogenanntes Hohes Haus“ und „Scheindemokraten“ dürfen wir nicht zulassen. Dem haben wir entschieden entgegenzutreten – hier und im Alltag vor Ort. Eine Gemeinsamkeit mit den Feinden der Demokratie kann es nicht geben.

Sinkende Wahlbeteiligungen müssen uns immer wieder Anstoß dazu sein, darüber nachzudenken, wie die Bürgerinnen und Bürger von uns erreicht werden können, um sie für die Demokratie zu gewinnen. Bei dem unzweifelhaft notwendigen Streit um den richtigen politischen Weg und notwendiger Kritik an Missständen müssen wir aber auch die positiven Ergebnisse der Demokratie in ihren ganz konkreten Auswirkungen vor Ort vermitteln. Nur dann werden die Bürgerinnen und Bürger die Demokratie zu ihrem Anliegen machen und für sie eintreten.

Aus der Geschichte können wir lernen, dass die Demokratie und das parlamentarische System aktive Verteidiger brauchen. Wir müssen durch unsere Arbeit überzeugen und aktiv für Demokratie, Frieden und den europäischen Gedanken werben. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Die Fraktion der SPD hat eine Auszeit von 30 Minuten beantragt. Wir sehen uns hier also um 9.50 Uhr wieder. Ich unterbreche die Sitzung.

Unterbrechung: 9.19 Uhr

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Wiederbeginn: 9.55 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners, auf Drucksache 6/1645. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1688 sowie ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/1694 vor.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners – Drucksache 6/1645 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/1688 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/1694 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert für die Fraktion der CDU. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Zunächst ein paar Gedanken zu der Gefahr, die von dem wärmeliebenden Schmetterling, der allerdings wie eine große graue Motte aussieht, ausgeht, mit dem sich dieser Antrag befasst.

Der Eichenprozessionsspinner macht nicht nur uns in Mecklenburg-Vorpommern Sorgen, sondern auch anderen Bundesländern sowie Deutschlands Anrainern. Worüber der liebe Stefan Koslik in der SVZ-Kolumne am 9. März genüsslich witzelte, konnten Betroffene nun wiederum überhaupt nicht lachen, insbesondere Arbeitskräfte von Forst- und Landschaftspflegebetrieben, Straßenmeistereien, Straßenbauunternehmen, Brennholzabnehmer, Kindertagesstätten im ländlichen Bereich, Touristen – um nur einige zu nennen. Wer mit den Krankheitserscheinungen, hervorgerufen durch den Eichenprozessionsspinner, zu kämpfen hat, ist mit Sicherheit alles andere als amüsiert.