Protocol of the Session on October 26, 2012

noch nicht ganz überzeugt, vor allem weil er meiner Meinung nach wichtige Teilaspekte ausblendet. Ich sehe noch Entwicklungs- und Beratungsbedarf.

Solange auch die Debatte im Bundestag durch einen ähnlichen Antrag der LINKEN-Bundestagsfraktion noch nicht geführt wurde – denn ich glaube, der ist noch nicht beraten worden, allerdings schon eingereicht –, sollten wir uns auch hier im Land ein bisschen mehr Zeit lassen und ausloten, welcher Weg am besten geeignet ist, Hartz-IV-Empfängern eben einen besseren Zugang zur Onlinewelt zu ermöglichen.

Der schnellste und teuerste Weg muss nicht immer der beste Weg sein, meine Damen und Herren. Deswegen beantrage ich die Überweisung in den Sozialausschuss. Falls der Antrag nicht in den Sozialausschuss über- wiesen wird, werden wir uns als GRÜNE zunächst enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lachen Sie auch mal, Herr Heydorn!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, man muss hier noch mal einen kleinen Exkurs machen, wie die Dinge denn so entstanden sind.

Einer der Kernelemente bei der Diskussion ist der Begriff des notwendigen Lebensunterhaltes. Notwendiger Lebensunterhalt ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der zeitlich und inhaltlich Veränderungen unterworfen ist. Vor 25 Jahren sah der notwendige Lebensunterhalt völlig anders aus als heute. Und die spannende Frage ist ja an der Stelle: Wie wird denn der notwendige Lebensunterhalt ermittelt?

Wir haben in der Vergangenheit das von der Ministerin angesprochene Warenkorbmodell gehabt. Da war dann beispielsweise eine halbe Kinokarte im Monat drin. Davon sind wir weg, weil das als suboptimal empfunden wurde. Und wir haben uns jetzt einem Statistikmodell zugewandt, das sich an der Einkommens- und Verbraucherstich- probe orientiert der beschäftigten unteren 15 Prozent, einschließlich Aufstockern.

Jetzt kann man trefflich darüber streiten, ob das der richtige Querschnitt ist oder ob man hätte, wie es die SPD in den Verhandlungen gefordert hat, die Stichprobe größer fassen müssen, also 20 Prozent. Aber wenn wir das tun, was von den LINKEN beantragt wird, dann zerschlagen wir den systematischen Ansatz völlig. Da wird ein Sonderbedarf rausgezogen, der finanziert wird. Und wenn man mal anfängt mit diesen Sonderbedarfen, da gibt es ja sogar Tausend andere, auf die man an der Stelle auch eingeht.

Und eins, finde ich, muss man auch noch mal betrachten: Sowohl von Herrn Saalfeld als auch von Herrn Ritter ist auf das Nutzungsverhalten „Internet“ abgestellt worden. Und die Aussage war: Je geringer die Bildung und das Einkommen, desto größer ist der Anteil der Leute, die kein Internet nutzen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Können!)

Ja, das ist eine Unterstellung. Das ist eine Unterstellung, weil Sie unterstellen implizit, dass das Thema …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das sind Zahlen, die vorliegen.)

Ja, Moment!

Sie unterstellen implizit, dass das Thema „Internetnutzung“ beziehungsweise „Nichtinternetnutzung“ lediglich auf das Einkommen zurückzuführen ist. Sie lassen dabei völlig außen vor, dass es auch Leute gibt, die aus anderen Gründen kein Internet nutzen,

(Beate Schlupp, CDU: Meine Mutter!)

was nichts mit Einkommen zu tun hat. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, Herr Ritter …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das hat aber nichts mit Bildung zu tun, Herr Heydorn.)

Aber sicher hat das was mit Bildung zu tun. Also je gebildeter …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Es gibt auch Leute, die hoch ausgerüstet sind, das aber nicht nutzen.)

Ja, aber die sind Ringeltauben. Also da würde ich Ihnen empfehlen, schauen Sie sich die Statistik an, die hier zitiert worden ist! Schauen Sie sich die mal an!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Was erzählen Sie denn den Kindern?)

Also im Bereich der Hochgebildeten ist das Thema ganz klar. Da ist es so, da ist Internet also durchgängig in der Ansetzung.

Was ich den Kindern erzähle? Ich finde, dass das Thema „Heranführen an neue Medien“ für die Schulen eine ganz, ganz wichtige Geschichte ist.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, und zu Hause?)

Aber Sie unterstellen noch was anderes, Herr Holter. Sie unterstellen, dass die Internetnutzung immer sachgerecht erfolgt, ja,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir gehen immer vom Guten im Menschen aus.)

dass jeder, der einen Internetanschluss hat, den sachgerecht nutzt. Auch das ist nicht der Fall.

(Marc Reinhardt, CDU: Vom Betreuungsgeld!)

Die Ministerin ist also heute darauf eingegangen, dass die Behandlungsfälle, gerade bei Kindern und Jugendlichen zum Thema „Mediensucht“, „Internetsucht“, mit der Verbreitung dieses Mediums sprunghaft ansteigen.

Und dann will ich Sie noch auf einen Fehler aufmerksam machen. Sie unterstellen bei Ihren Ausführungen, sowohl

Herr Saalfeld als auch Herr Ritter, dass es sich immer um eine Einzelperson handelt. Die Sätze, die hier vor- getragen worden sind, waren die Regelsätze für Haushaltsvorstände und Alleinstehende. Jetzt gibt es aber auch Haushalte, die bestehen aus zwei, drei oder vier Personen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir haben genug. – Henning Foerster, DIE LINKE: Haushalte unter 1.000 Euro haben keinen Zugang.)

Das heißt: Die Anteile für Kommunikation und Internetnutzung in diesen Regelsätzen müssen Sie dazuaddieren. Die kann man nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Und insgesamt habe ich den Eindruck, dass das, was hier von Ihnen betrieben wird,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Es ist sinnlos.)

letztendlich nur die blanke Ideologie ist.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nee.)

Eine sachgerechte Herangehensweise an das Thema, finde ich, ist nicht zu erkennen. Sie sind auf die wesentlichen Dinge, die man dabei mitbetrachten muss, mit keinem Satz eingegangen. Und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Henning Foerster, DIE LINKE: Ganz sozial und demokratisch.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich habe schon stärkere Ablehnungsgründe von Ihnen gehört.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch Hartz-IV-Empfänger haben einen Sinn für Realismus. Den müssen sie auch haben – sie müssen ja mit wenig Geld auskommen und mit jedem Cent rechnen. Und sie wissen, dass der Staat nicht jedem von ihnen einen internetfähigen Computer schenken kann inklusive Reparaturen, Installationen und so weiter. Das geht vielleicht in der Bundesrepublik Schlaraffia, aber leider hat mir noch keiner mitgeteilt, wo genau die zu finden ist. Und gerechterweise müssten dann ja auch Niedrigverdiener, deren Einkommen knapp über dem Arbeitslosengeld II liegt, genauso ausgestattet werden, sonst wären sie schlechter dran. Wer hilft ihnen, wenn der Computer nicht geht? Dann müssen sie überlegen, ob sie ihren Job aufgeben, damit sie an einen neuen Computer kommen. Da ist irgendwie der Wurm drin in diesem Antrag.

Richtig ist natürlich, dass jeder Bürger Zugang zu einem internetfähigen Computer haben sollte – Zugang. Aber wo es eine Stadtbibliothek gibt, die Teilhabe am Internet kostenlos anbietet und Hartz-IV-Empfängern akzeptable, für ihre Verhältnisse ermäßigte Mitgliedsbeiträge und Jahresbeiträge zugesteht, genügt das, meine ich, vorausgesetzt, der Leistungsempfänger – der Hartz-IVEmpfänger oder Grundsicherungsempfänger – hat die Möglichkeit, ohne zusätzliche ihn umbringende Kosten dorthin zu kommen. Also so schrecklich ist das auch

nicht, sich an die Öffnungszeiten einer öffentlichen Bibliothek halten zu müssen. Und ich kann mir entsetzlichere Schicksale vorstellen als dies, dass ich nicht in der Lage bin, um zwei Uhr nachts aufzustehen und nach Belieben im Internet rumzusurfen, und stattdessen warten muss, bis am nächsten Tag die Bibliothek aufmacht.

Also ich war Hartz-IV-Empfänger – ich kritisiere das heftig, Hartz IV – und in vielen Aspekten frage ich mich: Würde ich verlangen, dass ich einen Computer geschenkt bekomme? Das würde ich nicht, wenn man mir sagen würde, da ist in der Stadtbibliothek ein Computer, da kannst du dich informieren. Es reicht auch, wenn man zweimal die Woche da reinschaut. Man muss nicht jeden Tag da nachrichtenjunkiemäßig an dem Ding hängen. Und wenn man mir sagen würde, da bei der Sozialagentur oder Nebenstelle ist ein Computer, da kannst du deine Bewerbung abschicken, dann hätte mir das gereicht. Und die Hartz-IV-Empfänger, die ich kenne, denen würde das auch reichen. Auch die wissen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, für keinen, auch nicht für sie, sowieso nicht für sie. Aber sie wissen auch, dass sie in einem gewissen Maße realistisch sein müssen. Man kann doch nicht allzu viel erwarten. Es wäre schon schön, wenn die Regelsätze einigermaßen vernünftig wären.

Als Hartz-IV-Empfänger, und Niedrigverdiener auch, ist man sowieso schon froh, wenn einen die Stromrechnung nicht umbringt und die Sozialbehörde die Heizungsaufwendungen anerkennt. Das sind ja jetzt die aktuellen Probleme, nicht, wie kriege ich einen Computer her und wie kann ich um zwei Uhr nachts rumsurfen, sondern wie zahle ich meine Stromrechnung.

Gestern ging durch die Medien, dass in diesem Jahr schon 800.000 Menschen der Strom mal abgestellt wurde. Die Heizungskosten steigen. Die Sozialbehörden sind sehr restriktiv darin, Heizungsaufwendungen anzuerkennen. Und was nützen mir der Computer und das schönste Internetprogramm, wenn ich keinen Strom habe und die Bude kalt ist? Wer aber in einer Region ohne öffentlichen Internetzugang lebt oder wegen Krankheit oder aus Altersgründen einen solchen nicht nutzen kann, für den sollte ein Computer mit Internetzugang als individueller Bedarf in besonderen Lebenslagen anerkannt werden, wenn er den denn möchte, und zwar nach individueller Prüfung und nicht mit der Gießkanne für jeden.

Ländlicher Raum, keine Tageszeitung – die werden sowieso immer teurer, die werden massenhaft abbestellt – und kein Internet, da bleibt in der Tat nur noch der Fernseher oder das Radio und damit Parteibuchfunk à la ARD und ZDF oder Konzernfernsehen à la RTL I und II, nämlich gefilterte, verdrehte, manipulierte Pseudoinformationen. Das Internet bietet da in der Tat eine größere Auswahl, wo man sich auch aus verschiedenen Perspektiven informieren kann, und Hartz-IV-Empfänger, aber auch Niedrigverdiener sollten davon nicht ausgeschlossen sein. Aber man muss realistisch und auf dem Teppich bleiben.

Wenn man das System der öffentlichen Internetzugänge ausbaut, auch in Dörfern – es soll ja auch jetzt Dorfzentren geben und Dorfläden –, und wirklich die meisten Leute eine Chance haben, da hinzugehen, dann reicht das auch. Und bei wem das nicht geht aus irgendwelchen individuellen Gründen, bei dem kann man das dann machen. Aber flächendeckend, das schafft kein Staat,