Protocol of the Session on November 16, 2011

sichts der Chance, viele Menschen ins Land zu holen, wenigstens aufschieben.

(Marc Reinhardt, CDU: Und das finanzieren wir wie, Herr Saalfeld?)

Ich komme gleich dazu, Herr Reinhardt.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Marc Reinhardt, CDU)

Das würde uns 4 Millionen Euro jährlich kosten. Sie werden erstaunt sein, woher ich die hole.

(Marc Reinhardt, CDU: Das glaube ich jetzt schon.)

Ebenso sollten wir in den Fachgremien beraten, wie wir die unterdurchschnittliche Unterbringungsquote von Studierenden in Studentenwohnheimen verbessern können. Der aktuellen Wohnraumstatistik des Deutschen Studentenwerkes ist zu entnehmen, dass MecklenburgVorpommern einen hinteren Platz bei der Versorgung mit Wohnraum einnimmt. Das mag vielleicht für einige neu und interessant sein. Da mag man sagen, es gibt doch genügend Platz und Wohnungen, das trifft mindestens in Greifswald aber schon seit Jahren nicht mehr zu. Dort pendeln Studierende bereits zwischen Stralsund und Greifswald.

(Marc Reinhardt, CDU: Man kann auch in Anklam wohnen.)

Zudem ist das Angebot von Studentenwohnraum ein wichtiger Standortfaktor bei der Studienortwahl für Studierende aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland. Hier einmal ein paar Vergleichszahlen: Während in Greifswald die Unterbringungsquote von Studierenden nur 8 Prozent und in Rostock 10 Prozent beträgt, sind es in Frankfurt an der Oder 19 Prozent, in München 12 Prozent, Bayreuth und Erlangen 15 Prozent, also im „bösen“ Westen, in Tübingen 19 Prozent, in Heidelberg 14 Prozent, in Freiburg 15 Prozent. Vor zehn Jahren gab es im Land fast noch doppelt so viele Plätze.

Auch die Ausbauziele sind im Vergleich nicht rühmlich. Hier im Land befinden sich gerade einmal 94 Plätze im Bau oder in der Planung, in Bayern und BadenWürttemberg sind es jeweils 3.000.

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Torsten Renz, CDU)

Meine Damen und Herren, über die Wichtigkeit von Hochschulen, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung will ich hier nicht lange reden. Es wird in Zukunft noch mehr darauf ankommen, dass unsere Wirtschaft nicht von einer Insolvenz zur nächsten subventioniert wird, sondern mit gutem Personal für Forschung und pro Entwicklungsabteilung fit für die Zukunft gemacht wird.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass hier im Land die Wirtschaft kaum wettbewerbsfähig ihre Produkte weiterentwickeln kann und immer beim Ausbleiben von staatlicher Förderung hinter die Konkurrenz zurückfällt. Der Blick in die Statistik gibt mir bei diesem Gefühl leider recht. In keinem anderen Bundesland wird so wenig vonseiten der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Die Zahl der Patentanmeldungen liegt um

den Faktor 100 hinter der Zahl von Baden-Württemberg. Deswegen sollten wir hier mit der Einheit aus Forschung und Lehre und den Hochschulen dieser Entwicklung durch Know-how und Ausbildung von Fachkräften gegensteuern, anstatt zu Unzeiten unsinnige Steuersenkungen umzusetzen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie fragten gerade danach: Wie viel Steuerirrsinn kosten unser Land voraussichtlich die über 30 Millionen Euro jährlich? Damit könnte man dreimal meinen Vorschlag finanzieren, den ich Ihnen gerade unterbreitet habe.

Herr Minister Brodkorb, ich bitte Sie ganz aufrichtig in Ihrem neuen Amt – ich wünsche Ihnen auch sehr viel Erfolg – um mehr Ehrlichkeit beim Umgang mit Zahlen. Es hat viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Hochschulen geärgert, als Sie vor wenigen Wochen die HIS-Studie feierten, wonach es mehr Mitarbeiter an den Landeshochschulen gibt. Ja, das stimmt, allerdings nur, was die Kopfanzahl anbelangt.

Immer häufiger sitzen allerdings Wissenschaftler, also zwei Wissenschaftler auf Teilzeit auf einer Stelle. Die Stellenzahl nimmt exklusive der Drittmittelstellen seit 2005 kontinuierlich ab, und zwar um knapp 20 Prozent bis 2017. Auch die Wirkung des Hochschulpaktes zwischen Bund und Ländern sollte kritisch und ehrlich beleuchtet werden. Die Mehrausgaben durch den Hochschulpakt gleichen nicht die Minderausgaben durch das Personalkonzept 2004 aus, sondern es entsteht eine Finanzierungslücke durch die Verpflichtung des Landes gegenüber dem Bund, die Studienanfängerzahlen gleich hoch zu halten. Das war dieser historische Witz, dass Sie 2004 oder 2005 das Personalkonzept verabschiedet und wenige Monate später dem Hochschulpakt zugestimmt haben, die Studienanfängerzahlen gleich hoch zu halten.

(Torsten Renz, CDU: Und das hat der Landtag beschlossen oder die Landesregierung? – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die Zahlen sind relativ leicht in Eckwertepapier und Personalkonzept zu finden und summieren sich bereits seit Jahren auf. Auch Ihre regelmäßig wiederholte Mär, dass die Hochschulen die Hälfte des Geldes aus den abgebauten Personalstellen behalten dürfen, ist angesichts nicht ausfinanzierter Personalstellen nicht aufrechtzuhalten.

(Torsten Renz, CDU: Na, da bin ich ja gespannt, was der Bildungsminister dazu sagt. Da bin ich ja gespannt.)

Das Geld verschwindet fast 1 : 1 in Fiskalkosmetik.

Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch eine Bemerkung zur ministerial ausgerufenen Kopfjagd auf junge Lehrinnen und Lehrer. Herr Minister Brodkorb, so fragwürdig ich die Idee und die Sinnhaftigkeit des Verteilens finde, muss man froh sein, dass es Ihnen der Redakteur ein bisschen in den Mund gelegt hat. Wenn man nämlich Ihr Interview genauer liest, stößt man auf Ihre ursprüngliche antiquierte Idee, die frühzeitige Bindung von Studenten durch Vorverträge.

(Marc Reinhardt, CDU: Das wäre gar nicht so verkehrt.)

Da muss man nun nicht lange überlegen, welche Zielgruppe Sie mit solchen Verträgen ans Land binden, sicherlich nicht die Leistungsträger und besten Absolventen, die keine Angst davor haben, dass sie später einmal einen guten Vertrag bekommen, nein, ganz im Gegenteil:

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Diese Gruppe der Leistungsträger bekommt während ihres Studiums Mangelwirtschaft, schlechte Ausstattung, demotivierte und überlastete Dozenten, überfüllte Seminare und studienverlängernde Maßnahmen in Form fehlender schulpraktischer Übungen vor Augen geführt.

Wer eins und eins zusammenrechnen kann – ich hoffe, das lernen unsere Lehrer –, der weiß nach dieser Tortur, dass es dann im Arbeitsleben an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern nicht anders aussehen wird, und nimmt Reißaus aus diesem schönen Bundesland. In diesem Interview sprachen Sie davon, dass man den Lehrerinnen und Lehrern …

Herr Abgeordneter Saalfeld, kommen Sie bitte zum Ende. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ja, ich weiß, alles klar.

In Ihrem Interview sprachen Sie davon, dass man den Lehrerinnen und Lehrern mehr Respekt für ihre Leistungen entgegenbringen müsse, sie seien immerhin die wichtigsten Mitarbeiter des Staates. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Das fängt aber meines Erachtens in der Ausbildung an. Vergraulen Sie also bitte nicht die Absolventen!

Morgen, damit schließe ich meinen Vortrag, demonstrieren in Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Deutschland viele junge Menschen für bessere Bildung. Dokumentieren Sie mit der Zustimmung zu diesem Antrag, dass Sie das Anliegen dieser jungen Menschen ernst nehmen! Das ist ein sehr ehrenwertes Ziel und die Konkretisierung des Änderungsantrages der LINKEN tragen wir gern mit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Bildungsminister Herr Brodkorb.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Saalfeld! Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich es mir versagen muss, jetzt auf dieses OZ-Interview einzugehen, da es nicht Gegenstand Ihres Antrages in dieser Debatte ist. Da wird es sicherlich bei Gelegenheit noch einmal die Möglichkeit geben, dazu etwas zu sagen.

Ich möchte mich vielmehr mit Ihrem hier tatsächlich vorliegenden Antrag beschäftigen, insbesondere mit Ihrer Formulierung, dass man landespolitische Verantwortung im Hochschulbereich wahrnehmen müsse. Diese Überschrift und der Antrag suggerieren, das Land Mecklenburg-Vorpommern täte dies bisher nicht und es bedürfte dieses Antrages, um hieran etwas zu ändern.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Was Sie allerdings nicht genau formulieren, ist, worin denn landespolitische Verantwortung besteht, was

denn die Kriterien dafür sein könnten, um darüber zu urteilen, ob wir dieser Verantwortung gerecht werden oder nicht. Wenn man Ihren Ausführungen etwas näher zugehört hat, bieten Sie aber in der Tat ein Kriterium an, nämlich die Studierendenprognosen der Eckwerte für die Jahre 2011 bis 2015.

Dann haben Sie ausgeführt, dass dort Werte genannt werden, die durch die aktuelle Studierendenentwicklung übertroffen werden, und leiten dann eben daraus ab, das Land müsse tätig werden in diesem Bereich. Es ist also mit der landespolitischen Verantwortung nach Ihrer Sicht so, dass Sie uns ermuntern wollen, kohärent zu bleiben, uns also selbst zu korrigieren.

Nun ist es allerdings so, dass diese Eckwerte, auf die Sie sich beziehen, überhaupt keine Landesprognosen beinhalten. Es gibt kein Dokument, jedenfalls nicht die Drucksache 5/3453, in der sich eine Landesprognose für Studierendenzahlen des Landes befindet, sondern es befindet sich der Landesanteil einer KMK-Prognose und einer Referenzlinie für den Hochschulpakt darin. Das wirkt jetzt leider sehr technisch, aber so ist das.

Die letzte Studierendenprognose, die ich wirklich ken- ne aus Mecklenburg-Vorpommern, stammt aus dem Jahr 1999 beziehungsweise 2000. Autor war damals Dr. Dieter Dohmen. Manchen ist der Name noch ein Begriff. Diese Prognose ist grandios gescheitert. Es hat sich dann im Nachgang zu dieser Studierendenprognose eine methodische Debatte in Mecklenburg-Vorpommern ergeben, mit dem Ergebnis, dass festgestellt wurde, dass man im Hochschulbereich im Unterschied zum Schulbereich seriös keine Prognosen machen kann und dass jeder, der das für ein Land versucht, versucht, einen Schildbürgerstreich zu begehen.

Der Grund ist ganz einfach: Schülerprognosen sind deshalb einigermaßen verlässlich sicher, weil man bei einer gegebenen Zahl von Geburten und der Tatsache, dass Schüler relativ immobil sind, jedenfalls bundes-

länderübergreifend, auch auf eine gewisse Gesamtschülerzahl schlussfolgern kann mit einer relativ hohen Genauigkeit. Bei den Studierenden ist es so, dass die Hälfte aller Studierenden für gewöhnlich nicht in ihrem Herkunftsland studiert, dass wir in einem Land Studiengebühren haben, in dem anderen nicht, und viele, viele andere Umstände, die dazu führen, dass für ein einzelnes Bundesland Studierendenzahlen methodisch sauber nicht prognostizierbar sind.

Das war auch die Situation, in der sich die rot-rote Koalition im Jahr 2004 oder in den Jahren 2004 und 2005 befand. Wir haben also damals festgestellt, dass man das, wovon Sie behauptet haben, wir hätten es getan, gar nicht tun kann, weshalb wir es auch unterlassen

haben. Und trotzdem mussten wir uns die Frage stellen: Wie kann man denn landespolitisch Verantwortung übernehmen im Hochschulbereich und was bedeutet das? Das bedeutet, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern in einem föderalen Bildungssystem einen angemessenen Anteil leisten muss an der Hochschulausbildung, gemäß Grundrecht auf Berufswahlfreiheit. Jedem Menschen mit allgemeinem Hochschulzugang steht das grundsätzliche Recht zu, in Deutschland zu studieren. Und alle Bundesländer müssen gemeinsam dazu beitragen, dass diesem Recht auch zum Recht verholfen wird.

Wie macht man das jetzt? Unsere Antwort war ganz einfach. Das ist eine überschaubare arithmetische Aufgabe. Wenn in Deutschland insgesamt so viele Studienplätze zur Verfügung stehen, wie es Studienberechtigte gibt, dann muss aus logischen Gründen jeder die Möglichkeit haben, auch zu studieren, vielleicht nicht an seiner Traumuniversität, vielleicht nicht in seinem Lieblingsbundesland, aber er findet einen Studienplatz in Deutschland. Was bedeutet das jetzt für die einzelnen Bundesländer? Auch das ist nicht so schwer. Wenn jedes Bundesland mindestens so viele Studienplätze bereitstellt, wie es selbst im bundesweiten System in Anspruch nimmt, dann ergibt sich rechnerisch über alle Bundesländer genau die Studienplatzzahl, die wir brauchen.

Ich betone ausdrücklich, das bedeutet nicht, dass die sogenannten Landeskinder auch in diesem Bundesland studieren müssen. Wo die studieren, ist ziemlich gleichgültig. Die könnten auch zu hundert Prozent in andere Bundesländer gehen. Aber es würden dann eben für andere Studierwillige hier in diesem Bundesland Studienplätze bereitstehen und man könnte dem Grundrecht auf Berufswahlfreiheit im Bereich des tertiären Sektors Genüge tun.

Was hat das Land also getan? Nachlesbar in Drucksa- che 4/1949 auf den Seiten 25 bis 27 – es ist lange her. Wir haben in einer Formel damals versucht, die Frage zu beantworten, wie viele Studienplätze wir dann mindestens vorhalten müssen, damit wir unserer landespolitischen Verantwortung im bundesweiten Konzert gerecht werden.