Die Landesregierung kann die Folgen des Urteils nicht akzeptieren. Die Verwaltungszusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen mit- und untereinander muss dauerhaft von der Umsatzsteuer befreit bleiben.
Bis zu einer gesetzlichen Regelung wird die Finanzverwaltung daher an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festhalten und die negativen Folgerungen aus der Entscheidung nicht ziehen. Das kann aber selbstverständlich keine Dauerlösung sein, daher wird sich die Landesregierung mit Nachdruck im Bundesrat dafür einsetzen, eine rechtssichere, die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand vermeidende Lösung zu finden. Auf nationaler Ebene müssen hierfür alle zulässigen Befreiungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Aber auch das kann nur der erste Schritt sein, denn die Entscheidung des BFH beruht letztlich auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
Für eine rechtskonforme Lösung brauchen wir eine schnellstmögliche Änderung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Hier ist allerdings zunächst die Bundesregierung in der Pflicht, sich dafür auf europäischer Ebene einzusetzen und daraus schlussfolgernd dann auch die Lösung zu finden, wie wir sie als Landesregierung, wie das Landesparlament, aber auch die Kommunen die Rechtsauffassung zur interkommunalen Zusammenarbeit und zur Umsatzsteuerbefreiung haben. Insofern bitten wir auch um Unterstützung dieses Antrages. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag greift die Koalition ein Problem auf, das uns auf den ersten Blick der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom November letzten Jahres eingebrockt hat. Nach bisheriger Besteuerungspraxis waren Leistungen, die eine Kommune
für eine andere erbrachte, nicht umsatzsteuerpflichtig. Beispiele für sogenannte Beistandsleistungen gibt es zur Genüge. Herr Ringguth hatte etliche Beispiele genannt. Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass zukünftig derartige Leistungen umsatzsteuerpflichtig sein müssen, zumindest dann, wenn ein privater Wettbewerber diese Leistungen auch erbringen könnte.
Meine Damen und Herren, die rechtliche Materie ist schon kompliziert genug, die Lösung scheint noch schwieriger. Denn wie ich eingangs sagte, ist der Bundesfinanzhof nur auf den ersten Blick Urheber dieses Problems. Auf den zweiten Blick wird klar, dass europarechtliche Vorgaben maßgeblich verantwortlich sind, namentlich die EU-Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und auch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Sowohl die EU-Richtlinie als auch der Europäische Gerichtshof stellen den freien Wettbewerb in den Vordergrund. Die Richter in München haben das Umsatzsteuergesetz entsprechend europarechtskonform ausgelegt – mit bekanntem Ergebnis.
Ich kann mir an dieser Stelle den Hinweis nicht verkneifen, dass so einige Vertreter auch in diesem Hohen Hause das Hohelied des freien Wettbewerbs nicht oft und laut genug singen konnten und eine Kritik daran, insbesondere von der Linksfraktion, als europafeindlich abtaten. Nun haben wir den Salat!
Meine Damen und Herren, zu Recht will die Koalition heute, dass eine Umsatzsteuerpflicht von öffentlichen Leistungen verhindert werden soll. Die Landesregierung soll unterstützt werden, entsprechende Lösungen auf Bundesebene zu finden. Diesem Ansinnen stimmt meine Fraktion selbstverständlich zu.
Wir hatten das Thema schon im Finanzausschuss auf die Tagesordnung gesetzt. Ich will daher nur Folgendes festhalten: Frau Finanzministerin Polzin sprach im Finanzausschuss davon, dass die Landesregierung schon an der Problemlösung arbeite.
Die Konferenzen der Innen- und Finanzminister haben sich mit diesem Problem bekanntlich auch schon befasst. Konkrete Lösungsmöglichkeiten gibt es noch nicht. Im Wesentlichen ist also bereits alles gesagt, was heute gesagt werden kann. Frau Polzin bedankte sich aber im Ausschuss für die moralische Unterstützung durch den angekündigten Antrag von SPD und CDU.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut. Eine Topkoalition ist das. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)
ich stelle mir vor, die Koalition hätte das Problem in den Ausschüssen thematisiert und DIE LINKE anschließend einen entsprechenden Antrag im Landtag präsentiert.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wir hätten Sie unterstützt. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)
der Antrag von der LINKEN sei völlig überflüssig – so oder ähnlich wäre die Debatte verlaufen, wir kennen das Spiel.
Wir dürfen sicher davon ausgehen, dass die Koalitionäre im Allgemeinen und die Finanzministerin im Besonderen zukünftig auch dankbar sein werden, wenn die demokratische Opposition moralisch unterstützende Anträge im Landtag zur Abstimmung stellt.
(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Torsten Renz, CDU)
Meine Damen und Herren, ich will am Ende auch einen Punkt ansprechen, der mir in der Debatte deutlich zu kurz kommt. Die Koalition legt den Fokus vor allem darauf, vor allem auf die bedrohte interkommunale Zusammenarbeit. Die Kommunen hätten einen großen Verwaltungsaufwand durch die neue Steuerpflicht. Das ist in der Tat ein Problem. Es ist aber genauso hervorzuheben, welche negativen Auswirkungen dies auf die Menschen haben wird. Sagen wir es doch deutlich: Den Bürgerinnen und Bürgern droht die nächste Gebührenerhöhung. Der Steuermehraufwand wird doch in den meisten Fällen umgelegt werden. Auch ein möglicher Vorsteuerabzug durch die Kommunen wird Kostensteigerungen nur abmildern, aber nicht verhindern können.
Na ja, zumindest im Bereich der Personalbereitstellung wird eine Vorsteuerabzugsberechtigung wohl nicht möglich sein. Am Ende werden die kommunalen Leistungen also teurer. Ausbaden werden dies wieder einmal die Einwohnerinnen und Einwohner. Das finde ich schade, dass das doch etwas zu kurz gekommen ist in der De- batte.
(Heinz Müller, SPD: Wir fangen die Debatte doch jetzt gerade erst an. Dann sollten Sie sie auch nicht bewerten.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt entsteht so eine gewisse Erwartungshaltung an mich, dass ich das vorweggenommene Resümee, das die Kollegin Rösler über diese Debatte gezogen hat, ohne dass diese Debatte stattgefunden hat, jetzt entweder Lügen strafe, indem ich jetzt genau Ihre Erwartungen erfülle oder auch nicht. Aber ich habe nicht vor, mich hier mit der Kollegin Rösler vertieft auseinanderzusetzen,
Ich denke, dass der Kollege Ringguth in seiner Einbringungsrede und die Finanzministerin, deren Beitrag hier vom Innenminister verlesen worden ist, bereits viele Dinge sehr deutlich klargemacht haben, aber ein, zwei Aspekte würde ich gerne noch einmal unterstreichen, vertiefen und ergänzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, klar ist, der Bundesfinanzhof sagt, diese Steuerpflicht entsteht, wenn die Leistung, über die wir reden, auch von privaten Dritten erbracht werden könnte. Es muss gar nicht so sein, dass sie erbracht wird, sondern dass sie erbracht werden könnte. Und dann – und das scheint mir ein wichtiger Zungenschlag zu sein –,
der Bundesfinanzhof sagt gar nicht, dass es die gesamte Leistung sein muss, die ein privater Dritter auch erbringen können müsste, sondern dass auch eine Teilleistung bereits eine Steuerpflicht auslöst.
Nun gibt es eine Reihe von Leistungen, die die öffentliche Hand bietet, die hoheitlich sind und die ein privater Dritter so nicht bieten kann, aber bei ganz vielen dieser Leistungen sind beispielsweise Schreibarbeiten mit Teil der Dienstleistungen der öffentlichen Hand und schon beginnt bei einer Kooperation zwischen verschiedenen Trägern die Steuerpflicht zu greifen, weil wenigstens dieser Leistungsteil Schreibarbeit ja theoretisch von einem privaten Dritten erbracht werden könnte. Wenn wir uns dies vor Augen halten, meine Damen und Herren, dann sehen wir, wie weit dieses Urteil reicht und mit was für Folgen wir rechnen müssen.
Lassen Sie mich deshalb noch mal zwei Beispiele ansprechen. Das eine Beispiel, wo zwei öffentliche Aufgabenträger zusammenwirken, sind die gemeinsamen Einrichtungen für die Abarbeitung der Aufgaben nach dem SGB II, also das, was man im Jargon „Hartz IV“ nennt, wird in gemeinsamen Einrichtungen verwaltet und erarbeitet. Hier wirken verschiedene Einrichtungen zusammen und hier gibt es Dienstleistungen, zum Beispiel Schreibarbeiten, die theoretisch auch von privaten Dritten erbracht werden könnten. Frage: Entsteht hier Steuerpflicht? Wenn man dem Bundesfinanzhof folgt, offenkundig ja, und das kann doch wohl nicht gewollt sein.
Zweites Beispiel: Ganz real, eine Reihe von Kreisen in unserem Land – und ich finde das gut – erledigen die Aufgaben des Winterdienstes nicht selbst, sondern bedienen sich zur Erledigung dieser Aufgaben der Straßenbauverwaltung des Landes. Da werden Verträge geschlossen, die Straßenbauverwaltung des Landes übernimmt die Aufgaben des Winterdienstes und wird dafür bezahlt. Ich finde das gut, die Beteiligten wollen das so und dieses ist vernünftig. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Straßenreinigung und Winterdienst können selbstverständlich auch von Privaten erbracht werden, so eine Maschine kann sich jeder kaufen, und damit entsteht nach der Logik des Bundesfinanzhofes eine Steuerpflicht für das, was unsere Kreise hier der Straßenbauverwaltung des Landes zahlen.
Dieses, meine Damen und Herren, kann nicht gewollt sein, dieses dürfen wir so nicht zulassen. Denn wir würden insbesondere die Motivation für die Zusammenarbeit von verschiedenen Verwaltungen damit massiv runterdrücken – und wir wollen sie nicht runterdrücken, wir wollen sie fördern.
Wir würden aber in der Konsequenz gedacht auch die Bürokratie in unseren Steuerverwaltungen fördern, denn wenn die ihre Aufgaben dann wirklich buchstabengetreu nach diesem Urteil erfüllen würden, dann würden sie ja beispielsweise nach solchen Bestandteilen in Kooperationen suchen, die von privaten Dritten erbracht werden könnten. Dieses alles ist nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und, Frau Rösler, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, dieses ist überhaupt nicht im Sinne der Gebühren, die wir dann ja von den Bürgerinnen und Bürgern erheben, oder eines sinnvollen Umgangs mit Steuern, denn letztlich muss es aus der kommunalen Kasse bezahlt werden.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich bei einer Frage, die viele umtreibt, nämlich die Frage: Über wie viel Geld reden wir denn hier eigentlich? Dieses können wir im Moment – und ich glaube, das ist auch aus den Worten der Finanzministerin/des Innenministers deutlich geworden – nicht genau beziffern, weil wir gar nicht genau absehen können, wie weit denn dieser – ich darf das mal so drastisch sagen – Wahnsinn eigentlich noch geht und was alles erfasst wird. Dennoch, und ich möchte diese Zahl hier in die Diskussion einführen, haben die kommunalen Spitzenverbände des Landes Nordrhein-Westfalen für ihr Bundesland eine vorsichtige Schätzung vorgenommen. Nun dürfen Sie gern sagen, Nordrhein-Westfalen ist zehnmal so groß wie wir, da wird das auch zehnmal so viel sein, na gut, dann teilen wir halt durch zehn.