Protocol of the Session on August 31, 2012

Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.

Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 12.22 Uhr

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Wiederbeginn: 12.23 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. An der Abstimmung haben insgesamt 62 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 5 Abgeordnete, mit Nein stimmten 57 Abgeordnete, kein Abgeordneter enthielt sich der Stimme. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/1042 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE: Willkommenskultur für Migrantinnen und Migranten ausgestalten – Asylbewerberinnen und Asylbewerber gleich behandeln, Drucksache 6/1036.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Willkommenskultur für Migrantinnen und Migranten ausgestalten – Asylbewerberinnen und Asylbewerber gleich behandeln – Drucksache 6/1036 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Al-Sabty.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor gut einem Monat, am 18. Juli, hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen, auf die wir lange gewartet haben.

Nach fast 20 Jahren Verfassungswidrigkeit ist nun vom Obersten Gericht bestätigt worden, dass das Asylbewerberleistungsgesetz gegen den Grundsatz des menschenwürdigen Minimums verstößt. Darunter haben viele Menschen gelitten. Die bisherigen Leistungen sind mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar. Nach dem Grundgesetz haben alle Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Es ist unglaublich, dass selbst Grundrechte in Deutschland per Gericht erkämpft werden müssen.

Trotz Preissteigerungen in den vergangenen Jahren von 30 Prozent sind die Geldleistungen im Asylbewerberleistungsgesetz nicht angepasst worden. Das ist eine systematische Verschärfung der Armut und dient letztendlich dazu, dass keine wirtschaftlichen Anreize für die Zuwan

derung gegeben werden und dass sich die Asylbewerberinnen und Asylbewerber hier bloß nicht wohlfühlen. Dabei suchen die Flüchtlinge nicht ein Leben in Wohlstand, sie suchen Schutz und Sicherheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung ist verpflichtet, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu regeln. Wir fordern daher die Landesregierung auf, sich im Bund dafür einzusetzen, das Asylbewerberleistungsgesetz komplett aufzuheben. Die bisherigen Leistungsempfänger sollen in den Wirkungsbereich des SGB II und SGB XII aufgenommen werden. Dies betrifft die Hilfen zum Lebensunterhalt, die Hilfen zur Gesundheit, zur Pflege und zur Grundsicherung im Alter.

Die Leistungen für Flüchtlinge dürfen nicht auf die physische Existenz beschränkt werden. Im Asylbewerberleistungsgesetz ist die Gesundheitsversorgung beschränkt. Auch das ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Nach den jetzigen Regelungen werden nur akute Krankheiten und Schmerzzustände behandelt und die Versorgung bei Schwangerschaft gewährleistet. Behandlungen, die zur Gewährleistung der Gesundheit unerlässlich sind, liegen im Ermessen der Behörden. Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung findet nicht oder nur eingeschränkt statt. Das führt dazu, dass sich behandelbare Krankheiten häufig zu ernsthaften chronischen Krankheiten entwickeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits im Februar 2011 fand im Sozialausschuss des Bundestages eine Anhörung zum Asylbewerberleistungsgesetz statt. Schon damals sprach sich die Mehrheit der Sachverständigen für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes aus. Sie bestätigten damit die Forderung der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Flüchtlingsräte und PRO ASYL nach einer Aufhebung des diskriminierenden Gesetzes.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor sechs Wochen sieht Übergangsregelungen bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen vor. Demnach sind die Geldleistungen entsprechend den Grundlagen der Regelungen im SGB II und SGB XII zu berechnen. Für nicht bestandskräftig festgesetzte Leistungen gilt dies auch rückwirkend zum 1. Januar 2011.

Wir fordern die zügige Umsetzung des Urteils in Mecklenburg-Vorpommern, eine umgehende Auszahlung der neu errechneten Leistungen an die Betroffenen und die umgehende Nachzahlung der Leistungen rückwirkend für die vergangenen Monate. In Mecklenburg-Vorpommern betrifft dies circa 2.200 Menschen. Das Innenministerium schätzt die Mehrausgaben auf etwa 1 Million Euro pro Jahr.

Es muss aber im gleichen Atemzug gesagt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dieses Geld ausgegeben wird, um Menschen in Würde leben zu lassen.

(Udo Pastörs, NPD: Na, dann ist ja alles in Ordnung.)

Seit Jahren hätten bereits höhere Leistungen an die Leistungsberechtigten gezahlt werden müssen. Leider wurde dieses Geld bisher auf Kosten und auf dem Rücken der Flüchtlinge eingespart.

Der Titel unseres Antrages lautet „Willkommenskultur für Migrantinnen und Migranten ausgestalten – Asylbewer

berinnen und Asylbewerber gleich behandeln“. Dazu gehört unserer Auffassung nach auch, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber vom ersten Tag an Bedingungen vorfinden, die Selbstbestimmung und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf/Horst im Landkreis Ludwigslust-Parchim ist dies nicht gegeben. Einige von uns kennen die Verhältnisse vor Ort. Wir alle wissen, dass die Situation der Unterbringung in der Vergangenheit zu erheblichen Protesten geführt hat. Wir fordern die Landesregierung auf, die Erstaufnahmeeinrichtung und die Gemeinschaftsunterkunft Nostorf/Horst umgehend in eine größere Kommune zu verlegen. Nur so kann eine soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleistet werden sowie Anschluss an Infrastruktur und Zugang zu öffentlichen und sozialen Einrichtungen.

Die Erstunterbringung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die der Hansestadt Hamburg zugeteilt werden, erfolgt seit Ende 2006 in Nostorf/Horst. Offizieller Grund war eine bessere Auslastung der nahegelegenen Unterkunft bei Boizenburg, nachdem die Hamburger Erstaufnahmeeinrichtung, das Schiff „Bibby Altona“, im September 2006 geschlossen wurde.

Am 30. September 2012 läuft die Verwaltungsvereinbarung über die Mitnutzung der Einrichtung Nostorf/Horst zwischen Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein idealer Zeitpunkt, um etwas zu verändern.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern, dass keine neue Vereinbarung mit Hamburg unterschrieben wird, sondern dass die Hamburger Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und Asylbewerber auch in Hamburg untergebracht werden. – Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Silkeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Lieber Kollege Al-Sabty, ich setze jetzt das fort, was ich vorhin in der Lobby schon versucht habe zu erklären, und ich gehe zunächst erst mal davon aus, dass zwischen uns, also zumindest zwischen uns beiden, Einvernehmen darüber besteht, dass die große Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung verantwortungsbewusst ihre Aufgabe erfüllt.

Und insofern, denke ich mal, wird es Sie auch nicht verwundern, dass bereits am 26.07.2012 die Landesregierung veranlasst hat – in Form von Arbeitshinweisen an die Landkreise und kreisfreien Städte –, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt wird. Diese

wurden angewiesen, entsprechend der vorläufigen Anordnung des Gerichtes zu verfahren. Eine Nachzahlung der Leistungen an die Betroffenen zum 1. August 2012 und in besonderen Fällen auch rückwirkend zum 1. Januar 2011 war und ist damit sichergestellt. Ich habe mich übrigens am Montag im Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten in Horst persönlich davon überzeugt. Damit hat sich, so denke ich, zumindest der erste Teil Ihres Antrages erledigt.

Gleiches gilt auch für den zweiten Punkt. Ein allgemeiner Handlungsbedarf seitens der Landesregierung ist nicht gegeben, denn es ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers, für eine Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes zu sorgen. Es ist Bundesrecht. Und dieser Aufgabe kommt der Bundesgesetzgeber im Übrigen nach. Er hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Modifizierung des Gesetzes befasst. Auch das, denke ich mal, ist bekannt.

Ja, Kollege Al-Sabty, alle Menschen haben einen Anspruch auf menschenwürdiges Leben, da bin ich voll bei Ihnen. Und insofern schaue ich auch sehr optimistisch dieser Modifizierung des Asylbewerbergesetzes entgegen, aber ich stimme in einer Interpretation mit Ihrer Fraktion nicht überein, und ich denke, was das Urteil betrifft, ist diese Art der Interpretation oder wird Ihre Art der Interpretation auch zukünftig eine Mindermeinung bleiben.

Das Bundesverfassungsgericht hat eben keine grundsätzliche Gleichstellung von Asylbewerbern und Hartz-IVEmpfängern gefordert. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass das Prinzip „Sachleistung vor Geldleistung“ absolut zulässig ist. Und es beanstandet eben nicht den grundsätzlichen Regelungscharakter des Asylbewerberleistungsgesetzes. Bei der Bemessung des Existenzminimums gibt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber ebenfalls einen Gestaltungsspielraum. Insofern ist eine Differenzierung auch weiterhin möglich.

Ich komme zum letzten Punkt Ihres Antrages. Sie fordern die zeitnahe Verlegung der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in eine größere Kommune. Ich nehme gleich vorweg, dass die CDU-Fraktion einer solchen Verlegung ausdrücklich nicht zustimmen wird. Zur Begründung Ihres Antrages führen Sie an, dass die Lebensbedingungen für Asylsuchende in den vergangenen Jahren immer wieder stark kritisiert worden sind. Sie sprechen in Ihrer Antragsbegründung von räumlicher und sozialer Isolation der in Nostorf/Horst lebenden Asylsuchenden. Sie sprechen auch von massiven Problemen bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.

Und ich will an dieser Stelle etwas ausdrücklich hervorheben: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralen Flüchtlingsamtes sind jedes Mal mehr als nur befremdet, wenn sie Besucher mit offenen Armen empfangen, ihnen die Einrichtung zeigen und stolz auch diese Einrichtung präsentieren und wenn kein Besucher vor Ort Kritik übt und sie aber am nächsten Tag oder am übernächsten Tag aus den Medien erfahren, wie schlimm die Zustände in Horst sind. Das, denke ich, ist kontraproduktiv.

Und kontraproduktiv sind auch Aussagen wie die Feststellung des Landesvorsitzenden der GRÜNEN, der von „tristen Gemeinschaftsunterkünften“ spricht, oder des

Landesvorsitzenden der Linkspartei Bockhahn, der von „isolierten Sammelunterkünften“ redet.

(Regine Lück, DIE LINKE: Einen differenzierten Blick muss man schon haben.)

Ja, ja, sicher. Ich sage aber, differenzieren können nur diejenigen, die sich auch vor Ort überzeugen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich habe festgestellt, hier reden oftmals Blinde von Farbe, die sich noch nicht mal in Nostorf haben sehen lassen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Na, na, na!)

Ich verkneife mir jetzt an dieser Stelle Beispiele, ich will auch nicht unsachlich werden. Ich schildere Ihnen einfach eine Situation, die mich sehr betroffen gemacht hat, aus der vergangenen Woche. Auf einer Podiumsdiskussion in Rostock ging es um das Thema Lichtenhagen und es ging um die Flüchtlingsproblematik. Und die Aussage einer Studentin hat mich wirklich sehr betroffen gemacht, die davon sprach, dass Nostorf ein Gefängnis ist. Und hinter mir hörte ich das Wort „KZ“.

Und ich sage es ganz ehrlich, wenn Ideologien aufeinandertreffen,

(Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

dann fehlt der Boden für Sachargumente. Ich sage es ganz deutlich,