Protocol of the Session on August 30, 2012

Bei einer Fahrt über eine Bundesstraße mit 60 km/h – das sind jetzt so die gesetzlichen Regelungen, ob einer mehr fährt, das können wir hier nicht berücksichtigen –, also bei einer Fahrt auf einer Bundesstraße mit 60 km/h ergeben sich dieselben Transportkosten wie bei einer Fahrt über die Autobahn mit 80 km/h mit Mautgebühr. Dies führt dazu, dass die Nutzung von Bundesstraßen, die parallel zu Autobahnen verlaufen und mit der gleichen Transportweite verbunden sind, dem Lkw-Verkehr keine relevanten Kostenvorteile bringt. Die eingesparte Maut wird durch einen größeren Zeitbedarf für die Fahrt über die Bundesstraße ersetzt.

Zurück zu den Zielen des Antrages: Wenn der Schwerlastverkehr die Autobahnen in Mecklenburg-Vorpommern nicht wegen der Maut meidet, dann kann eine Bemautung weiterer Straßen logischerweise auch nicht dazu führen, dass der Schwerlastverkehr wieder auf die Autobahn zurückkehrt. Das wäre dann absolut unlogisch. Da also die Terminanbindung das entscheidende Kriterium für die erfolgreiche Auftragserfüllung ist und auch eine größere betriebswirtschaftliche Bedeutung hat als die Mautgebühr, werden nicht automatisch Anreize für die Verlagerung der Straßentransporte auf die Schiene und das Binnenschiff geschaffen. Somit schafft eine Ausweitung der Maut auch keine wettbewerbliche Gleichstellung.

Es bleibt ein weiteres Ziel aus der Antragsbegründung, die Mehreinnahmen. Zumindest, das dürfte Sie nicht wundern, zumindest diese Grundannahme der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist richtig, die teile ich. Eine Ausweitung der Maut generiert natürlich – logisch – Einnahmen. Diese Einnahmen aber, meine Damen und Herren, schlagen sich bei den Transportunternehmen als Kosten nieder – auch das ist, denke ich mir, unstrittig –, einen ordnungspolitischen Zweck erfüllen sie jedoch nicht. Dennoch kann man fragen, ob in Zeiten abschmelzender finanzieller Mittel im Bereich des Straßenbaus Einnahmen aus einer Lkw-Maut nicht gezielt genutzt werden können, was in der Vergangenheit nicht immer so funktioniert hat.

Aber was passiert dann? Zum einen würden die Unternehmen versuchen, die Mehrkosten auf die Verbraucher abzuwälzen, das heißt dann in der Konsequenz, man bezahlt an der Ladentheke schlicht mehr als heute für die Waren, die transportiert worden sind. Auch diese Folge muss man in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern immer mit in Betracht ziehen.

Zum anderen ist klar, das Erheben der Maut verursacht einen heute noch nicht konkret bezifferbaren Verwaltungsaufwand. Ich weiß aus den Verkehrsministerkonferenzen, dass uns bis zum heutigen Datum immer gesagt worden ist, also wenn man die Maut einführen würde, dann würde das einen Aufwand bedeuten in Milliar- denhöhe, sodass die positiven Aspekte, was Mehrein

nahmen anbelangt, relativ schnell wieder weg wären. Deswegen müsste man sehr genau prüfen, was tatsächlich dann am Ende an Mehreinnahmen zur Verfügung stände.

Weiterhin möchte ich auch eines zu bedenken geben: Straßen haben unterschiedliche Funktionen und das ist auch rechtlich festgelegt, definiert. Gemeindestraßen dienen im Kern ausschließlich dazu, Grundstücke ans Straßennetz anzubinden. Dementsprechend ist der Schwerlastanteil – so würde ich mich jetzt mal dazu versteigen, das zu behaupten – dort deutlich zu vernachlässigen, um das mal diplomatisch zu formulieren. Will man dennoch für eine extrem geringe Fallzahl den Aufwand für das Eintreiben einer Maut betreiben? Ich sage Ihnen da klipp und klar: Nein.

Was ich mir wünschen würde … Ich habe einen anderen Ansatz, den haben wir aber hier im Landtag auch schon mal besprochen. Damals war die Reaktion recht positiv, aber es ist nichts dabei rumgekommen. Wir haben doch mit folgendem Problem zu tun und das würde auch Ihnen gut zur Gesicht stehen. Wir haben mit dem Problem „Lärm durch Lkw-Verkehr“ auf solchen Bundesstraßen zu tun. Und ich habe damals deutlich gesagt: Woran liegt denn das, dass wir da nicht wirklich etwas gegen tun können?

Das liegt im Wesentlichen daran, dass wir hier Kennwerte haben, Zahlen, die durch Verkehrszählungen dokumentiert werden, ob sie uns gefallen oder nicht, und diese Zahlen bundesweit gelten. Und es ist eine wissenschaftlich nachgewiesene Erfahrung, dass Lärm, der in einem Ballungsgebiet entsteht durch Lkw-Kolonnen, weil die sich ja in der Regel aufschaukeln, bei uns ganz anders wahrgenommen wird, weil Sie hier Ihre Ruhe haben im ländlichen Raum. Dann, nach zehn Minuten, kommen fünf Lkws, dann ist wieder ein bisschen Ruhe, und dann kommen wieder ein paar Lkws. Das ist viel belastender – wissenschaftlich nachgewiesen – als ein Dauerpegel. Das ist Fakt.

Dann lassen Sie uns doch da auch über das Parlament vielleicht mal den Weg beschreiten, in Richtung Bund aktiv zu werden, dass es uns gelingt – ich habe es versucht, ich habe leider keinen Erfolg damit gehabt –, dass wir diese Grenzwerte differenzieren nach Regionen, weil solche Regionen gibt es ja auch bei meinem Kollegen Ramsauer. Also das wäre eine Aktivität, wo wir vielleicht gemeinsam etwas hinbekommen können. Maut auf allen Straßen halte ich für nicht praktikabel. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Schwenke.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Jaeger, ehe man die Anträge vollständig in die Hand bekommt, da hört man zunächst mal die Überschrift. Und da war ich doch etwas verdutzt, weil ich mir gedacht habe, dass natürlich selbstverständlich auch die GRÜNEN wissen, dass der Landtag nicht die Mautpflicht auf allen öffentlichen Straßen einführen kann. Wir können das ja noch nicht einmal selbstständig für unsere eigenen Landesstraßen.

Aber inzwischen habe ich natürlich den Antrag gelesen und verstehe Ihre Absicht. Sie möchten, dass die Lan

desregierung alle ihr möglichen Maßnahmen ergreift, damit diese Mautpflicht eingeführt wird. Und als Begründung führen Sie den Mautvermeidungsverkehr an, der zu enormen Einnahmeverlusten für die öffentliche Hand führen würde und somit die riesigen Investitionen in Autobahnen ein Stück weit ad absurdum führt. Mit anderen Worten, Sie sorgen sich um das Staatssäckel. Ich meine das nicht despektierlich. Auch wir sind davon überzeugt, dass man nicht immer nur über das Sparen reden darf, also über Ausgabenkürzungen, sondern auch die Einnahmeseite betrachten muss und letztlich Einnahmeerhöhungen auch durchsetzen muss, wenn der Staat seine Aufgaben erfüllen soll.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Es ist auch unbestreitbar, dass wir gerade bei den Kreis- und Gemeindestraßen, bei den Brücken einen großen Investitionsstau haben. Deshalb hatten wir als Fraktion ja das Problem in der Haushaltsdebatte, aus dem Topf für die Straßen Geld für den öffentlichen Verkehr zu nehmen. Dabei ist es für meine Fraktion trotzdem ebenso unbestreitbar, dass wir dringend Investitionen in die Schieneninfrastruktur brauchen und Anreize, diese dann auch vorrangig zu nutzen, sowohl im Individualverkehr als auch für den Gütertransport.

Ich stimme Ihnen zu, dass wir dringend Maßnahmen brauchen, die einen umweltfreundlichen Verkehr befördern und die CO2-Bilanz verbessern helfen. Noch einmal: Ich teile fast alle Aussagen in der Begründung Ihres Antrages. Aber ich habe Zweifel, ob ein entfernungsabhängiges satellitengesteuertes Mautsystem für alle Straßen diese in der Begründung angeführten Ziele erreichbarer macht. Dabei gibt es aus unserer Sicht auch rechtliche Probleme, auf die ich später noch eingehe.

Ich bezweifle auch, ob die daraus erzielten Einnahmen die Kosten der Installierung und der Betreibung eines solchen umfassenden satellitengestützten Systems

rechtfertigen beziehungsweise sogar übersteigen. Alle Experten, mit denen wir gesprochen haben, auch solche, die den hier formulierten Zielen positiv gegenüberstehen, die sagen dazu: Nein, der Aufwand rechtfertige das Ergebnis nicht.

Zunächst ein paar Gedanken zur Praktikabilität. Soweit mir bekannt ist, ist Deutschland eines der wenigen Länder auf der Welt, das bereits über ein satellitengestütztes Mautsystem verfügt. Seit Januar 2005 funktioniert es, von den anfänglichen Kinderkrankheiten mal abgesehen, ziemlich reibungslos. Der Aufbau dieses Systems war teuer, der Betrieb ist es immer noch. Er kostet jährlich derzeit ungefähr 700 Millionen Euro an Mauteinnahmen, die dem Betreiberkonsortium Toll Collect GmbH vertraglich zustehen. Hinzu kommen circa 600 Millionen Euro, die den deutschen Spediteuren als Ausgleich für die Belastungen durch staatliche Maßnahmen zugutekommen.

Von den 4,8 Milliarden Euro Mautaufkommen sind demnach 1,3 Milliarden bereits abzuziehen. Die 3,5 Milliarden, die verbleiben, wurden bis einschließlich 2010 in die Infrastruktur von Straße, Schiene und Binnenwasserstraße gesteckt. Seit 2011 fließen diese Mittel ausschließlich in die Finanzierung der Bundesfernstraßen.

Zur Einschränkung des Mautvermeidungsverkehrs wurde die Maut auf weitere vierspurige Abschnitte von Bun-

desstraßen mit Anbindung an eine Autobahn von über 1.100 Kilometer Länge ausgeweitet. Dabei hat sich aber auch gezeigt, dass das in Deutschland eingesetzte satellitengestützte System bei vertretbarem Aufwand nicht unendlich ausdehnbar ist. Wenn man die Straßen, alle Straßen, satellitengestützt bemauten will, müssen praktisch nach jeder Abbiegung Kontrollbrücken errichtet werden.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist genau der Fehler.)

Das ist aus meiner Sicht praktisch nicht umsetzbar, gerade was die Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen betrifft. Die anfallende Datenmenge wäre unvorstellbar groß und mit dem derzeitigen System in Deutschland auch nicht zu bewerkstelligen.

Natürlich könnte man auf die Kontrollbrücken verzichten und ein völlig neues System errichten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Richtig.)

Für mich scheint das allerdings trotzdem nicht durchsetzbar, zumal ich bezweifle – und das ist eigentlich der Hauptgrund –, dass die ökologische Lenkungswirkung, wie sie in Ihrer Begründung steht, einer solchen Lösung, also die Lkws beziehungsweise den Güterfernverkehr von der Straße auf Schiene und Schiff zu bringen, nicht erreicht wird. Also ich bezweifle, dass das erreicht wird. Auto- und Straßenlobby sind in Deutschland so stark, dass eher über weitere steuerliche Entlastungen für Spediteure nachgedacht würde, als mit den Einnahmen die Voraussetzungen für die Vermeidung von Lkw-Verkehr zu schaffen.

De facto entspricht Ihr Vorschlag, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN-Fraktion, aber einer zusätzlichen Steuer auf alle Transporte, die mit Lkw durchgeführt werden.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: So ist es.)

Vielleicht wäre es klarer, dass dann auch so zu benennen.

Trotzdem bin ich mir bewusst, dass politisch eine neue Steuer nicht so richtig durchsetzbar ist. Ein Vignettensystem könnte ich mir schon eher vorstellen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nee, wir nicht.)

Das könnte auch in Abhängigkeit von unterschiedlichen Parametern erfolgen, hielte aber den technischen Aufwand in Grenzen, allerdings nur dann, wenn man eine Pauschale erhebt und nicht jeden einzelnen Kilometer berücksichtigt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ein solches System würde auch alle ausländischen und Transitfahrzeuge erfassen, und nicht nur die Lkw.

Rechtlich habe ich mit Ihrem Vorschlag auch Probleme. Ich fange mal mit dem Datenschutz an. Das, was Sie fordern, bedeutet nichts anderes als den völlig gläsernen

Lkw-Verkehr. Jede einzelne Fahrt lässt sich so komplett nachvollziehen, abgesehen von Betriebsgeheimnissen auch Privatfahrten, einfach alles wäre nachvollziehbar. Das ist für mich eine ziemlich gruselige Vorstellung und mit den Datenschutzbestimmungen, zumindest so, wie sie auf dem Papier stehen, auch nicht vereinbar.

Ein weiteres Hindernis stellt die föderale Struktur Deutschlands dar,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

die klar getrennte Kompetenzen und Verantwortlichkeiten im Verkehrssektor aufweist. Die Umsetzung Ihres Vorschlages würde entweder eine umfassende Änderung der Zuständigkeiten auf diesem Gebiet erfordern oder es müsste eine neue Mautbehörde geschaffen werden, die die entstehenden Kosten für Planung, Errichtung und Betrieb dieses Systems übernimmt und verteilt. Das Gleiche gilt auch für die Einnahmen, die ja ebenfalls entsprechend den derzeitigen Zuständigkeiten verteilt werden müssen.

Ist das ohne Grundgesetzänderung überhaupt möglich? Gesetze kann man ändern, auch das Grundgesetz, das ist nicht der Punkt. Die Frage ist allerdings, ob damit die in Ihrer Begründung formulierten Ziele erreicht werden, und das ist es, was ich bezweifle.

Auf einen weiteren Punkt möchte ich aufmerksam machen: Wenn es nach der EU-Kommission geht, soll so schnell wie möglich die sogenannte Eurovignette eingeführt werden. Der Entwurf der Kommission sieht vor, dass alle Fahrzeuge des Güterverkehrs ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht eine Mautabgabe bezahlen sollen. Die konkrete Ausgestaltung will die EU den Staaten überlassen.

Deutschland hat bei den Verhandlungen zu dieser Richtlinie eine Ausnahmeregelung durchgesetzt, weil die Systemkosten bei einer Abgabe ab 3,5 Tonnen Fahrzeuggewicht ausufern würden. Deutschland müsste das bisherige Mautsystem abschaffen und ein neues errichten. Der Grund dafür sind zum einen die ungeheuren Datenmengen, die dann vom jetzigen System nicht mehr bewältigt werden können. Alle Lkw müssten mit den erforderlichen Geräten ausgerüstet werden, die dann wieder staatlich subventioniert würden. Technisch ist das alles möglich. Mehreinnahmen und Mehrkosten würden sich aber bestenfalls die Waage halten. Das macht keinen Sinn, ich sage es noch einmal, vor allem auch deshalb, weil eine Verlagerung des Gütertransports auf Schiene und Binnenschiffe in Größenordnungen aus meiner Sicht von solchen Maßnahmen nicht zu erwarten ist – und die Kosten trägt letztlich der Endverbraucher.

Aber um es noch einmal deutlich zu sagen, mit den in der Begründung formulierten Zielen Ihres Antrages kann ich mich identifizieren: Verhinderung des Mautausweichverkehrs, Erzielung zusätzlicher Einnahmen für den Erhalt und Ausbau des Schienenverkehrs und zur Beseitigung der Defizite bei der Instandhaltung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur, Schaffung von Anreizen für die Verlagerung von Straßentransporten auf Schiene und Binnenschiffe und wettbewerbliche Gleichstellung aller Spediteure. Das sind auch unsere Ziele. Der von Ihnen dazu vorgesehene Weg ist für mich und meine Fraktion aber der falsche Weg. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schwenke hatte ja eben schon mal den Punkt der Überlegung der Europäischen Kommission zur Einführung einer EU-Vignette oder Eurovignette angeführt und auch angesprochen, dass das dann ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gelten soll.

Und wenn ich die Diskussion hier heute verfolgt habe, Herr Kollege Jaeger, Herr Verkehrsminister oder Energieminister Schlotmann, Frau Kollegin Schwenke, dann habe ich den Eindruck, als ob da auf zwei verschiedenen Ebenen diskutiert wird:

Auf der einen Seite – und das meine ich jetzt nicht abwertend, das sind zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille –, auf der einen Seite die Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit von Mauterhebungen für Lkws, jetzt mal unabhängig von welchem Gesamtgewicht, auf allen Straßen, ob das, so, wie Frau Kollegin Schwenke das durchdekliniert hat, rechtlich sinnvoll ist, machbar ist, ob es technisch sinnvoll ist, machbar ist.