Protocol of the Session on June 20, 2012

Zeitraum von 2020 bis 2030 ohne weitere gravierende Veränderungen gemeinsam von den Kommunen und dem Land finanziert werden kann. Und ich gebe zu, das wird kein einfacher Weg sein.

In den letzten Wochen wurde anhand eines Fragebogens der Dialog mit allen Beteiligten fortgesetzt. Der Fragebogen hat zum Ziel, eine präzisere aktuelle Lage abzubilden und Leitbilder der einzelnen Theaterstandorte zu erkennen. Dies wird auch der vielfach in den Gesprächen geforderten Vergleichbarkeit der Theaterstandorte dienen. Es wurden deshalb zum einen Daten direkt von den Trägern und Theaterverwaltungen erbeten, die eine verlässliche und aktuelle Beschreibung des Istzustandes ermöglichen, und zum anderen offene Fragen zu verschiedenen Bereichen des Theater- und Orchesteralltags gestellt, die Raum für inhaltlich-konzeptionelle Ideen geben. Diesen Fragenkatalog habe ich an alle Kommunen, Intendanten, Fördervereine und Personalvertretungen übersandt. Es haben sich alle Theater- und Orchesterstandorte an der Befragung beteiligt.

Die Volksinitiative für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern ist ein wichtiger Beitrag, der unterstreicht, dass den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes Kunst und Kultur am Herzen liegen. Mit großem Interesse wurde deshalb den Ausführungen der Initiatorinnen und Initiatoren der Volksinitiative und der eingeladenen Fachexpertinnen und Fachexperten in der Anhörung im Bildungsausschuss am 6. Juni dieses Jahres gefolgt. Inhaltlich decken sich die Aussagen mit dem Ansinnen der vielen Schreiben, die das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in den vergangenen Wochen erhalten und beantwortet hat. Es erreichten uns viele kreative Vorschläge. Manche Anregung wird Eingang finden in die Überlegungen.

Es ist nunmehr vorgesehen, zur Auswertung des nun vorhandenen umfangreichen Daten-, Konzept- und Textmaterials externen Sachverstand einzubeziehen. Die Vergabe des Auftrages an ein auch in kulturellen Fragen ausgewiesenes Beratungsunternehmen wird in den kommenden Tagen erfolgen. Die Auswertung der vorhandenen Unterlagen wird im Sommer stattfinden. Bereits im Herbst werden verschiedene Varianten für eine Theater- und Orchesterstruktur in Mecklenburg-Vorpommern aufgezeigt und mit allen Beteiligten ausführlich erörtert, um im Konsens mit den Kommunen und mit den Theatern und Orchestern daraus ein umsetzbares Konzept zu entwickeln. Damit liegt die Landesregierung bei der Umsetzung des Koalitionsauftrages genau im Zeitplan. Ich freue mich auf die Fortsetzung des konstruktiven Dialogs mit allen Beteiligten und lade bereits heute dazu ein.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie mich noch zwei Zeilen anfügen aufgrund der aktuellen Debatte heute im Haushalt. Ich weise ausdrücklich, Herr Holter, Ihren Vorwurf, dass wir diese Volksinitiative nicht ernst nehmen und die Unterschriften in den Papierkorb wandern lassen, zurück.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Wir nehmen sie ernst. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Wir nehmen sie ernst.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Sie lehnen die Volksinitiative ab.)

Wir nehmen sie ernst,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie lehnen die Volksinitiative ab.)

und sicherlich...

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Wir nehmen diese Volksinitiative sehr ernst. Sie ist ein wichtiger Beitrag. Und sicherlich kann man in der Wertung, wie man mit der Volksinitiative umgeht, wie man sie einfließen lässt mit ihren Meinungen, auch in das Theaterkonzept, unterschiedlicher Meinung sein. Das liegt oft in der Natur von Regierung und Opposition. Aber sicher ist, in dieser doch so schweren Debatte, die nun schon mehr als 20 Jahre dauert, es sich so leicht zu machen wie Sie – ich bin der weiße Ritter und die sind die Bösen –,

(Regine Lück, DIE LINKE: Wir machen es uns gar nicht leicht.)

ist unter jedem kulturpolitischem Niveau dieses Landes. Und deshalb noch mal: Diese Unterschriften wandern nicht für uns in den Papierkorb, sondern liegen auf unserem Schreibtisch. Und wir nehmen diese Unterschriften, jede einzelne Stimme der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ernst. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

(Regine Lück, DIE LINKE: Sie machen es sich leicht mit der Ablehnung.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gern namens der Fraktion DIE LINKE hier in diesem Hause auf drei Fragen eingehen.

Erste Frage: Warum hat die Fraktion DIE LINKE die Volksinitiative unterstützt?

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die zweite Frage, auf die ich eingehen möchte, ist: Warum spricht sich die Linksfraktion für die unveränderte Annahme des Antrages der Volksinitiative aus?

(Marc Reinhardt, CDU: Weil ihr alle unterschrieben habt.)

Und als dritte Frage möchte ich gern eine Antwort geben, warum wir meinen, dass sich die Landesregierung und Sie als Koalitionäre mit der Ablehnung des Antrages der Volksinitiative selbst belügen würden.

(allgemeine Unruhe)

Zunächst erst einmal, keine Volksinitiative in diesem Land hat je in so kurzer Zeit so viel Anklang in der Bevölkerung gehabt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Im Tagestakt, zwischen dem 17. November 2011 und dem 6. Januar 2012 wurden mehr als 1.000 Unterschriften gesammelt. Und diese Resonanz verdeutlicht, es gibt eine zutiefst emotionale Bindung zwischen den Einwohnerinnen und Einwohnern, den Gästen des Landes und den Theatern und Schauspieler/-innen, Tänzer/-innen und Musikern.

DIE LINKE hat die Volksinitiative aktiv unterstützt und wir haben an allen Theaterstandorten, Herr Reinhardt, hierfür geworben.

(Marc Reinhardt, CDU: Das hab ich gemerkt.)

Ob in Parchim, ob in Stralsund, ich könnte Wismar, ich könnte alle aufzählen: Dort, wo Spielstätten sind, wo Theater und Orchester aktiv sind, dort waren wir auch. Und die Gespräche, die wir geführt haben, die waren ausgesprochen berührend. Theatererfahrene haben

schlichtweg die Sorge geäußert, dass eine weitere kulturelle Einrichtung in ihrem Ort, in ihrem Umfeld den Bach runtergehen könnte. Viele sagten uns: Das ist doch das Einzige, was uns noch geblieben ist. Das müssen wir doch unbedingt erhalten. Und erstaunlich viele junge Väter und Mütter, das war wirklich sehr berührend, haben unterschrieben und haben gesagt: Wir wollen, dass es die Möglichkeit gibt – wir sind nicht so aktive Theatergänger – aber wir wollen,

(Marc Reinhardt, CDU: Das ist vielleicht das Problem.)

dass es die Möglichkeit gibt für unsere Kinder, eben Theatervorstellungen, Orchestervorstellungen zu besuchen. Sie haben das also mit der Erwartung verbunden, dass die Kinder die Möglichkeit haben.

Und sie alle, die 51.000, die unterschrieben haben, aber auch viele, die gesagt haben, wir würden schon – das ist auch ein Punkt, worüber man mal nachdenken muss –, wir würden schon, aber angesichts schlechter Erfahrungen, alle persönlichen Daten preiszugeben mit Anschrift und Geburtsdatum und so, möchten wir das nicht – also viele, viele in diesem Land haben sich mit dieser Volksinitiative identifiziert und haben deutlich gemacht, es ist ihnen wichtig. Und unsere Fraktion empfindet das genauso.

Für ein Engagement für den Erhalt der Theater und Orchester gibt es sachlich viele gute Gründe. Theater und Orchester sind bedeutsam für die musisch-ästhetische und kulturelle Bildung. Ich denke allein an Parchim zum Beispiel, das Jugendtheater, die jungen Leute, die dort aktiv sind, welche persönliche Bereicherung sie haben, indem sie sich dort an diesem Ort engagieren. Oder die Tatsache, dass sich hier in Schwerin die Zahl der Schülerabos wohl fast verdoppelt hat in den letzten Jahren, zeigt, dass das für viele ein ganz wichtiger Punkt ist in Sachen musisch-ästhetischer und kultureller Bildung.

Theater und Orchester sind Orte, an denen das kulturelle Gedächtnis lebendig wird. Wir konnten in den letzten

Tagen hier in der „Schweriner Volkszeitung“ lesen: „Bajazzo-Aufführung umjubelt“. Das ist doch eine ganz tolle Sache, wenn man bedenkt, dass hier ein kultureller Schatz aus dem vorvergangenen Jahrhundert gehoben wurde und hier bravourös zur Aufführung kommt.

Theater und Orchester sind mit ihren Kunstformen eng mit Demokratie verbunden. Und da gibt es Beispiele, ob „Nathan der Weise“ in Anklam, wenn der aufgeführt wird, oder das Holocaustdrama „Jedem das Seine“, das in Neustrelitz aufgeführt wird. Wer dort hingeht und sich aktiv mit den Stücken auseinandersetzt, der geht den Nazis nicht auf den Leim, und insofern ist es doch ungeheuer wichtig, dass wir hier Stätten auch der politischen Bildung haben.

(Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Linksfraktion streitet dafür, dass dies bewahrt und unter modernen Gesichtspunkten weiterentwickelt wird. Dort, wo Theater- und Orchesteraufführungen stattfin- den, können gerade junge Menschen lernen, Konflikte auf kulturvolle Weise zu lösen. Hier gibt es die Gedankenanstöße, über die Komplexität und Individualität gesellschaftlicher Zusammenhänge nachzudenken. All das gilt es zu fördern, auszubauen, weiterzuentwickeln und nicht zurechtzustutzen, zu schleifen oder gar abzuwickeln.

Sehr geehrte Damen und Herren, warum spricht sich die Linksfraktion für die unveränderte Annahme der Volksinitiative aus? Zunächst einen Seitenblick auf die vormalige Entschließung der Koalitionäre, die zur Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses wurde. Sie sagen darin, wir wollen Theater- und Orchesterlandschaft auf hohem künstlerischem Niveau erhalten. Hohes Niveau verlangt jedoch Ressourceneinsatz. Und wenigstens die unter Ihnen mit DDR-Erfahrung müssten doch wissen, dass die Formel „Weniger leisten mehr“ ab einem bestimmten Moment einfach absurd ist.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Und Sie sagen, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionäre, Theater- und Orchesterlandschaft soll sich ausgewogen fortentwickeln. Was für eine nebulöse Prosa. Was heißt das? Ein Orchester in jedem Landesteil, quasi in geografischer Ausgewogenheit? Und Sie sagen, Veränderungen sind erforderlich. Die hat niemand bestritten, Allgemeinveränderungen. Aber da Sie den Bestand der Strukturen ausdrücklich ablehnen, bedeuten Veränderungen in Ihrem Sinne: Streichen von Künstlerstellen, Abwickeln von Orchestern, Schließen von Standorten. Das ist der Punkt: Entweder oder, irgendwo heißt es, entweder oder.

Unsere Fraktion hat eine gänzlich andere Sicht, deshalb auch unsere Alternative, also unser Änderungsantrag.

Wir sagen erstens: Die Theaterlandschaft ist eine gewachsene, lebendige, interdependente, also sich gegenseitig befruchtende Struktur. Ich verweise auf die wirklich interessante Anhörung, die wir gehabt haben, und die vielen Stellungnahmen, die wir bekommen haben. Der Landkreistag zum Beispiel warnt in seiner Stellungnahme zur Anhörung vor einer Zerstörung und sagt, allein Fusionen führen zum Verlust von kulturellen Traditionen und kultureller Identität.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte: Entgegen den Behauptungen gibt es für einen Kulturabbau keine finanzielle Not. Also wir haben ja heute nun schon viel über Finanzen gesprochen und es wird dann immer so getan – wenn jetzt in den Blick genommen wird, dass die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich rückläufig sind –, dass uns diese Summe eins zu eins verloren gehen würde. Also mit dieser Mär muss unbedingt mal aufgehört werden.

In der Tat, bis 2015 zum Beispiel werden wir aus dem Länderfinanzausgleich 313 Millionen Euro weniger bekommen. Aber im gleichen Zeitraum – schauen Sie in die gerade eben hier auch mitdebattierte Mittelfristige Finanzplanung – werden wir Steuererhöhungen haben in Höhe von 321 Millionen Euro. Das macht schon mal ein Plus von 8 Millionen Euro.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Aber wir werden doch auch Lohnerhöhungen haben zum Beispiel.)

Die sind doch schon mit drin. Das ist doch in der Mittelfristigen Finanzplanung alles mit abgebildet. Und in der letzten Finanzausschusssitzung haben wir, auch weil wir den Landesfinanzbericht des Rechnungshofes behandelt haben, eine Langfristschau vorgenommen. Es ging darum, wie richtet sich das Land auf die Schuldenbremse ein. Und es war interessant, aus dem Finanzministerium zu erfahren, dass gesagt wurde, wenn die Mittelfristige Finanzplanung weiterprojiziert über das Jahr 2020 hinaus bedacht wird, kommen wir – Herr Renz, Sie können sich sicherlich noch daran erinnern –