Protocol of the Session on May 23, 2012

Ich hätte mir im Übrigen auch ein Thema für die Aktuelle Stunde gewünscht, das eine höhere landespolitische Relevanz hat, zum Beispiel die finanzielle Zukunft der Werften,

(Vincent Kokert, CDU: Aha, wie ja von Ihnen immer beantragt wird.)

aber die CDU will lieber um des Kaisers Bart debattieren. Sei es drum, ich komme also zu dieser unsinnigen Steuerreform.

Herr Kokert und Herr Renz, als Sie das Thema angemeldet haben, wollten Sie da eigentlich bewusst die Öffentlichkeit täuschen?

(Vincent Kokert, CDU: Das machen Sie doch schon. Da brauchen wir Ihnen gar nicht bei zu helfen.)

Der aktuelle Versuch der Bundesregierung, nach mehrjähriger verkorkster Regierungstätigkeit nun endlich ein Steuerreförmchen auf den Weg zu bringen,

(Vincent Kokert, CDU: Die Regierung vorher war super unter Ihrer Beteiligung!)

entlastet zwar auch kleine und mittlere Einkommen,

(Vincent Kokert, CDU: Jedenfalls ist der Spitzensteuersatz so weit runtergeschraubt worden wie nie vorher in der Geschichte.)

aber vor allem entlastet die Steuerreform die hohen Einkommen. Durch die prozentuale Verschiebung des Einkommenssteuertarifs

(Beate Schlupp, CDU: Wer hat ihn denn gemacht? Wer hat ihn denn gemacht?)

werden höhere Einkommen deutlich stärker entlastet als niedrige Einkommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Ja, ja, das erzählen Sie mal! Sie haben den Spitzensteuersatz gesenkt, Herr Saalfeld.)

Ein Rechenbeispiel,

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

ein Rechenbeispiel …

Moment, Moment. Herr Saalfeld, einen kleinen Moment.

(Vincent Kokert, CDU: Sie können wohl nicht richtig lesen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde bietet immer Anlass für heftige kontroverse Debatten, das ist auch in Ordnung. Sie haben die Möglichkeit, selber ans Mikrofon zu treten. Die Rednerliste ist ja noch lange nicht erschöpft. Also bitte, halten Sie sich jetzt von den Plätzen aus zurück und hören Sie dem Redner zu!

Ein Rechenbeispiel – vielen Dank, Frau Präsidentin –: Wer 1.200 Euro im Monat verdient, hätte netto etwa rund 60 Euro mehr im Jahr nach Ihrer Steuerreform, bei 3.000 Euro sind es schon fast 180 Euro und wer 6.000 Euro Monatslohn bezieht, würde um über 360 Euro pro Jahr entlastet. Angesichts der sich immer weiter

polarisierenden Einkommenssituation in Deutschland ist das ein Schritt in genau die falsche Richtung.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Aha! Welchen Schritt planen Sie denn?)

Es gibt nur noch fünf Staaten auf der Welt, Herr Kokert, die seit Mitte der 90er-Jahre einen höheren Anstieg der Einkommensungleichheit zu verzeichnen haben als Deutschland.

(Vincent Kokert, CDU: Aha!)

Da sind wir in einer traurigen Spitzengruppe angelangt.

(Vincent Kokert, CDU: Deswegen geht es uns auch so schlecht in der Europäischen Union.)

Anstatt nun über ein gerechtes Steuer- und Transfersystem dafür Sorge zu tragen, dass diese Schere nicht weiter aufgeht, gießt die schwarz-gelbe Bundesregierung auch noch Öl ins Feuer und die CDU in Schwerin, Entschuldigung, dass ich das so sage, entblödet sich nicht, zu diesem grotesken Trauerspiel auch noch lautstark Beifall zu klatschen.

(Vincent Kokert, CDU: Tosender Beifall von Ihrer eigenen Fraktion. – Marc Reinhardt, CDU: Toll, was Sie da so erzählen!)

Allein dem Land Mecklenburg-Vorpommern würden jährlich 40 Millionen Euro verloren gehen. Wir haben es eben grade schon gehört. Schulen und Theater würden Tränen in die Augen bekommen, wenn die Landesregierung diesen Betrag über ihnen jährlich ausschütten würde,

(Torsten Renz, CDU: Sagen Sie doch mal, ob Sie die kleinen und mittleren Unternehmen entlasten wollen oder nicht.)

anstatt wie die Bundesregierung den Betrag jetzt über Gutverdienern auszugießen.

(Vincent Kokert, CDU: Die stehen da gar nicht drin! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: In dem Antrag steht gar nichts von Gutverdienern. Ich weiß gar nicht, was Sie da jetzt wollen. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine Damen und Herren, aber damit haben wir den Irrsinn der Steuerreform nicht mal ansatzweise in seiner Widersinnigkeit durchmessen. Während nämlich Europa unter dem Spardiktat der gefühlsarmen Madame Gnadenlos ächzt, gibt sie selbst,

(Beate Schlupp, CDU: Also jetzt ist es mal genug!)

gibt Kanzlerin Merkel Milliarden für ein Koalitionsrettungspaket aus,

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Marc Reinhardt, CDU)

anstatt gemeinsam mit Europa eine solide Finanzpolitik fortzuführen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe CDU, echte Europäer zeichnen sich heute nicht mehr dadurch aus, Europa nur in Sonntagsreden zu beschwören,

(Vincent Kokert, CDU: Sie gehörten ja schon immer zu den Befürwortern. – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

sondern echte Europäer zeichnen sich heute durch Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern in Europa aus.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, das ist jetzt ein toller Vorschlag. Da gehts nicht mehr um 40 Millionen, da gehts dann um 400 Millionen.)

Das heißt aber nicht, den Euroländern ein Sparpaket nach dem anderen abzuverlangen und selbst in Saus und Braus die Kohle aus dem Fenster zu schmeißen. Das gefährdet nämlich in Wahrheit den Geist von Europa.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ganze Trauerspiel von Schwarz-Gelb wird nun auch noch mit verfassungsrechtlicher Notwendigkeit begründet. Das betrifft aber nur die überfällige Anhebung des Grundfreibetrages. Hier fordern die GRÜNEN seit Jahren eine Anhebung auf 8.500 Euro,

(Vincent Kokert, CDU: Ha, ha! Jetzt haben Sie sich gerade um Bausch und Bogen geredet. Haben Sie Ihre Rede vorher gelesen?)

um das Existenzminimum abzusichern.

Die Rechtsverschiebung des Einkommenssteuertarifs bei gleichzeitiger Nichtanpassung des Spitzensteuersatzes hat dagegen wirklich überhaupt gar nichts

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

mit verfassungsrechtlichen Geboten zu tun.

(Torsten Renz, CDU: Wer hat denn den Spitzensteuersatz abgesenkt, Herr Saalfeld?)