Protocol of the Session on April 26, 2012

Heute Morgen zum Beispiel war ich sehr erfreut, als ich die Nachrichten hörte und vorab die Zahlen verkündet wurden, wie sieht es aus am Arbeitsmarkt in Deutschland. Und da kam die Meldung – werden Sie sicherlich auch gehört haben –, neues Rekordtief – und das ist ja eine positive Sache –, nur noch 2,93 Millionen Arbeitslose. Wir sind uns immer einig, jeder Arbeitslose ist zu viel, aber Fakt ist, dass wir uns hier stabil unter der 3-Millionen-Marke einpendeln – und das ist ein Erfolg. Nun kann man immer sagen: Worauf ist der Erfolg zurückzuführen? Das haben wir hier schon häufig diskutiert, dass die Reformen aus dem Jahre 2003 unter Rot-Grün mit Unterstützung der CDU dazu geführt haben, dass wir, das habe ich auch schon mehrmals gesagt, eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik haben. Wir haben noch nie so viele Beschäftigungsverhältnisse gehabt und noch nie so wenige Arbeitslose. Und was mich da so ’n bisschen besonders stolz macht, ist die Tatsache, dass wir in Europa eine Rolle einnehmen, wo wir uns nicht zu verstecken brauchen, sondern dass wir an der Spitze stehen, was Erfolge auf dem Arbeitsmarkt betrifft.

Und dann ist natürlich die Frage, was ganz konkret dazu geführt hat, zu diesen Erfolgen. Herr Foerster hat es in seiner Einbringung gesagt: die Flexibilisierung. Ich habe das jetzt so verstanden, dass Sie da nicht besonders erbaut sind, dass es jetzt unterschiedliche Arbeitsmarktinstrumente gibt. Sie haben es aber zumindest auch nicht negiert, dass Leiharbeit beziehungsweise Werkverträge, so habe ich es auch verstanden, ein mögliches Mittel sind. Ich bin der Auffassung, wir sollten uns mal anschauen anhand von Statistiken, wie groß denn überhaupt der Anteil derer ist, die in solchen Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Da haben Sie zumindest hier mit einer Zahl operiert, was die Leiharbeit betrifft. Für mich ist etwas unverständlich, warum Sie die Junizahlen 2011 nehmen, die über 10.000 lagen. Ich frage mich einfach, warum nehmen Sie nicht die Zahl vom Januar 2012, wo wir dann bei 9.700 liegen.

Und die Frage ist natürlich, wenn wir das ins Verhältnis setzen zu den Beschäftigungsverhältnissen, die wir ins

gesamt haben, nämlich 511.000, wie viel Prozent das ungefähr ausmacht? Wie hoch ist der Anteil an Leiharbeit, der ja zu diesen riesigen Schäden, die Sie hier beschreiben, führt? Und wenn Sie das natürlich mathematisch ins Verhältnis setzen, dann werden Sie feststellen, dass Sie unter zwei Prozent liegen. Und dann ist natürlich die Frage: Inwieweit ist das Thema wichtig? Ganz klar, sagen auch wir, das Thema ist wichtig, man muss sich damit befassen. Wenn es in diesem Bereich zu Lohndumping kommt, dann muss man das Thema analysieren, anpacken und gegebenenfalls Veränderungen herbeiführen. Fakt ist aber auch, das will ich noch mal sagen, dass so, wie der Arbeitsmarkt in Deutschland organisiert ist, die Erfolge da sind, dass wir eine führende Wirtschaftsnation sind. Und da will ich Ihnen ganz deutlich sagen, für die CDU gehört dann das Mittel der Leiharbeit beziehungsweise von Werkverträgen mit zu den Instrumenten, die zu diesen Erfolgen führen.

Ich sage aber auch deutlich, wenn es zu Missbrauch kommt, und das ist ja wohl der Fall, zumindest wenn man Zeitungsberichte beziehungsweise Fernsehsendungen verfolgt – ich hab das auch getan –, so wie bei „Plusminus“, wo es ja um die Autoindustrie zum Beispiel ging, dann kann ich das auch nur verurteilen. Ich habe eine etwas andere Auffassung als Sie, aber vielleicht schließen Sie sich uns nachher an. Wenn das Instrument in der Sache vernünftig ist, dann geht es meiner Meinung nach nicht darum, das zu verteufeln und abzuschaffen, sondern dieses Instrument anzupassen und eben den Missbrauch zu verhindern. Insofern haben wir da eine etwas andere Auffassung als Sie, so, wie Sie sie getätigt haben.

Was ich gar nicht nachvollziehen kann, ist, Frau Ministerin hat es auch angesprochen: Sie stellen eine Kleine Anfrage, bestehend aus, glaube ich, sieben Fragen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, und im Prinzip wird Ihnen bei jeder Frage gesagt, es können keine Auskünfte gegeben werden über die Anzahl der Werkverträge, es kann nichts dazu gesagt werden, inwieweit die Kontrollen dort stattgefunden haben, dazu gibt es keine Ergebnisse. Zu jeder Frage oder in jeder Antwort wird Ihnen gesagt, es liegen keine Daten vor.

(Regine Lück, DIE LINKE: Aber das ist ja auch traurig genug.)

Frau Ministerin hat ihre Schlussfolgerungen dazu gezogen. Ich will da noch mal einen Schritt weitergehen: Das, was Sie machen, wenn keine Daten vorliegen, schlussfolgern, dass die Anzahl zu hoch ist, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, das ist aus meiner Sicht auch nicht redlich. Es ist unseriös, wenn keine Daten vorliegen, dann zu sagen, die sind zu hoch.

Ich habe unmittelbar so gegen halb zehn noch mal mit der Bundesagentur für Arbeit hier telefoniert, um mir nämlich die Zahlen untersetzen zu lassen, so, wie die Statistik diese 9.700 aufweist. Und es ist so gewesen, sie konnten mir gar keine Auskunft geben, ob die Werkverträge dort mit enthalten sind, obwohl wir das ja immer alle sagen, sondern dass das wahrscheinlich nur Leiharbeiter betrifft. Jetzt aber, aufgrund der modernen Technik, ist gerade eine Mail vor zehn Minuten angekommen, wo das noch mal bestätigt wird, dass das reine Leiharbeiterzahlen sind. Ich habe dazu ausgeführt, was den Umfang betrifft, und wenn Sie dann sogar noch in die Regionalstatistik gehen, mir liegt das vor für den Bereich Job

center Westmecklenburg, da haben Sie das immer sehr schön aufgelistet. Ich gehe davon aus, Sie machen das auch, wenn Sie Ihre arbeitsmarktpolitischen Pressemitteilungen rausgeben. Da ist immer sehr schön prozentual aufgelistet.

Es geht dort los mit dem öffentlichen Dienst in diesem Bereich mit 14.200 Arbeitsverhältnissen. Das ist natürlich auch eine Frage, die man sich mal stellen muss: Wie soll unsere Basis weiter existieren, wenn der größte Arbeitgeber hier der öffentliche Dienst ist mit 9,5 Prozent? Und dann haben wir hier eine Rangfolge und wir finden dann tatsächlich, jetzt ist es – einen Moment mal bitte, weit hoch in den Zwanzigern, ach hier, nee, Entschuldigung – auf Platz 19 für diesen unmittelbaren Arbeitsbereich, in dem wir uns befinden, auf Platz 19 mit 2.870 Leiharbeitern, also Arbeitnehmerüberlassung, 1,9 Prozent. Das war mir noch mal wichtig, zu sagen, dass es nicht nur ein Phänomen ist, bezogen auf eine Region, die hier vielleicht arbeitsmarktpolitisch etwas besser dasteht, sondern auch die Durchschnittswerte in Mecklenburg-Vorpommern in der Gesamtheit bewegen sich in diese Richtung.

Kurzum, noch mal zusammengefasst: Sollte es zum Missbrauch kommen, dann muss man der Sache nachgehen und die CDU lehnt so was dann entsprechend ab. Aber das Instrument an sich zu verteufeln, das ist, glaube ich, nicht der richtige Weg, um in Deutschland weiterhin erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik zu gestalten. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Renz.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Gerkan für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Renz, ich möchte Ihre Worte aufgreifen. Die Stimmung scheint ja gut zu sein. Die Erfolgsmeldungen am Arbeitsmarkt überschlagen sich nahezu förmlich, die Zahl der Arbeitslosen sinkt kontinuierlich und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze der Beschäftigten steigt.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Finden Sie das nicht gut?)

Die Prognosen sind optimistisch, aber die Erfolgsmeldungen über die quantitativen Entwicklungen der Erwerbsfähigkeit sagen nichts, aber auch gar nichts über die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse aus. Also darüber, um welche Art der Beschäftigung es geht und inwiefern sie eine sichere Perspektive bietet. Leiharbeit und Werkverträge, so viel ist sicher, tragen nicht zur Sicherheit bei.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das häufig bemühte Argument, Leiharbeit diene zum Einstieg in dauerhafte Arbeitsverhältnisse, kann wissenschaftlich nicht untermauert werden.

Vom IAB, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist zu hören, ich zitiere: „Das Risiko der Lohnar

mut und der Verdrängung regulärer Arbeit, eingeschränkte faktische Mitbestimmungsmöglichkeiten, uneindeutige, häufig überschätzte Arbeitsmarktwirkungen und die geringe Stabilität der Leiharbeitsverhältnisse sorgen dafür, dass der Wunsch nach einer politischen Umregulierung des Sektors“ permanent „auf der Tagesordnung bleibt.“

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Wolfgang Waldmüller, CDU)

Atypische Beschäftigung und Niedriglohn bieten im Fall von Arbeitslosigkeit oft keine soziale Absicherung.

(Torsten Renz, CDU: Am besten übersiedeln in andere europäische Länder.)

Jede und jeder vierte Beschäftigte, die oder der seinen Job verliert, landet aktuell direkt im SBG II.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Neben der schlechteren Entlohnung und der häufigeren Arbeitslosigkeit ist es zudem so, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter viel seltener als ihre Kollegen beruflich weiterqualifiziert werden. Das potenziert das Problem noch. So erweist sich der Einsatz von Leiharbeit als Instrument, um den Betrieben Flexibilität zu ermöglichen und kurzfristig die Kosten zu senken.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Langfristig liegen vor dem Hintergrund des erheblichen Fachkräftemangels die Risiken einer solchen Politik geradezu auf der Hand. Besonders betroffen von gering entlohnten Beschäftigungsverhältnissen sind vor allem Frauen. Diesen Genderaspekt lässt der Antrag der LINKEN leider vermissen.

Die Forderung nach einer Regulierung der Leiharbeit und die Umsetzung des Grundsatzes „Gleiche Arbeit, gleiche Rechte, gleicher Lohn“ finden die uneingeschränkte Unterstützung vonseiten unserer Fraktion.

(Beifall von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tilo Gundlack, SPD: Doch so viel. Doch so viel.)

Auch die Forderung an die Landesregierung, sich sowohl innerhalb der Landesgremien, hier Stichwort „Bündnis für Arbeit“, als auch im Bund für Initiativen gegen Leiharbeit und Werkverträge mit dem Ziel des Lohndumpings einzusetzen, finden wir richtig und sehr wichtig. Inwieweit eine Sensibilisierung speziell der Gewerkschaften für das Thema erforderlich ist, möchte ich mal dahingestellt sein lassen. Mir scheint, hier sollten die Kolleg(inn)en von der LINKEN ihre Forderung noch einmal adressatengerecht überprüfen

Wie lassen sich eigentlich Werkverträge definieren? Wir haben es hier mit einer eklatanten juristischen Grauzone zu tun, wodurch dem Missbrauch quasi Tür und Tor geöffnet wird. Das hat ja auch die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der LINKEN, Drucksache 6/221, deutlich zu erkennen gegeben, aber: Gefahr erkannt, bedeutet noch lange nicht, Gefahr gebannt.

(Zuruf aus dem Plenum: Doch!)

Hier Klarheit zu schaffen, ist deshalb ein Anliegen, das wir deutlich unterstützen.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Wie genau das erfolgen kann, ob über eine Studie oder eine interministerielle Arbeitsgruppe, das möchte ich offenlassen. Sicher macht es Sinn, vorhandenen Sachverstand, wie er zum Beispiel bei den Gewerkschaften zweifelsohne zu diesem Thema vorliegt, zu nutzen. Wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Gerkan.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als SPD-Fraktion sehen erst mal grundsätzlich die Arbeit an sich schon als einen Wert an, den es zu schützen gilt. Wir stehen voll hinter den Parolen – und es sind nicht nur Parolen, sondern die sind vielfältig untersetzt – für gerechten Lohn, für gute Arbeit, was bedeutet, gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Frau Gerkan sprach hier eben auch den gleichstellungspolitischen Aspekt am Rande mit an. Es geht natürlich auch darum, Lohndifferenzen zu beseitigen.

Wir sind für volle Kraft gegen Dumpinglöhne. Wir wissen alle, dass wir auch teilweise bei Tariflöhnen sogar Vereinbarungen haben, die man einfach nicht mittragen kann. Darum sind wir für gesetzliche Mindestlöhne. Hier im Land haben wir die Weichen dafür gestellt. Im Bund setzt sich die SPD auch dafür ein. Denn jeder und jede, der oder die in Vollzeit arbeitet, soll von seinem/ihrem Einkommen auch leben können. Und wir sind auch dafür, dass der Aufschwung oder das wirtschaftliche Wachstum sich in den Lohntüten und in den Einkommen der Angestellten, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer widerspiegelt.

Die SPD war in einem bestimmten Umfang, das gebe ich zu, auch immer für eine Flexibilisierung der Instrumente des Arbeitsmarktes,

(Torsten Renz, CDU: Die haben zum Erfolg geführt.)

auch um Spitzen abzufangen, um reagieren zu können, um die Wirtschaft flexibler zu machen, als sie einmal war. Jedoch überall da, wo neue Türen geöffnet werden, entwickeln sich leider auch missbräuchliche Handhabungen derselben.

Die Entwicklung im Bereich der Leiharbeit erfüllt uns daher natürlich mit außerordentlich großer Sorge. Es wird viel zu häufig von ihr Gebrauch gemacht und viel zu lange während. Waren Leiharbeitsverhältnisse eigentlich mal vorgesehen für kurzfristige Überbrückungen, müssen wir jetzt feststellen, dass sich daraus oftmals jahrelange Arbeitsverhältnisse – wie gesagt, die immer wieder neu geschlossen werden – entwickelt haben. Vor allen Dingen ist die Lohnungleichheit, die man hier beobachten kann, die teilweise bei bis zu 50 Prozent liegt, einfach abzulehnen, nicht auszuhalten und muss umgekehrt,

muss verhindert werden, und dafür setzen wir uns auch in allen Bereichen voll und ganz ein.

Aber nun lassen Sie uns, Sie werden wahrscheinlich sagen, endlich mal, zu Ihrem Antragstext als solchem kommen. Die Ministerin hat zu allen drei Punkten Stellung bezogen. Zu Punkt a) hat sie sich sehr bedeckt gehalten, weil das im Bereich des Wirtschaftsministeriums liegt, die entsprechende Förderrichtlinie vorzulegen. Wir haben gehört, dass sie verändert wird, in Ihrem Sinne verändert wird, so hat Frau Ministerin durchblicken lassen, ohne ins Detail gehen zu wollen. Was ich in diesem Zusammenhang gehört habe, stimmt mich sehr hoffnungsfroh, dass das Ihren Antragstext hier sogar vielleicht noch ein bisschen überflügeln könnte an der Stelle.

Punkt b) Ihres Antrages finde ich, gelinde gesagt – Frau Gerkan hatte sich da sehr zurückhaltend ausgedrückt –, ich finde es teilweise ‘ne Frechheit, praktisch eine Sensibilisierung der Gewerkschaften für dieses Thema anzusprechen. Ich denke mal, wer dafür sensibilisiert ist, ist natürlich die Landesregierung, aber die Gewerkschaften in ganz besonderer Weise. Das liegt schon in der Natur der Sache, dass sie auf solche missbräuchlichen Entwicklungen immer besonders ein Auge haben.