Protocol of the Session on March 16, 2012

Sie wissen ja, in der politischen Diskussion gibt es einen Kanzler a. D., der Lehrer in gewisser Art und Weise betitelt hat, und ich will jetzt nicht jemanden konkret belehren, der jetzt hier nicht im Hause ist, aber es ist schon ein-, zweimal in dieser Richtung vorgekommen, und da will ich sagen, da trifft man mich persönlich überhaupt nicht, da können Sie ganz sicher sein. Ich glaube, dass Sätze wie „Einmal Lehrer, immer Lehrer“ nichts anderes als eine Diskriminierung für diesen Berufsstand darstellen. Und insofern möchte ich einfach mal für die zukünfti

ge Diskussion appellieren im Interesse einzelner, dass sie sich hier nicht vergaloppieren und sich selbst dann ins Abseits stellen.

(Heinz Müller, SPD: Gut, wir schimpfen weiter auf die Juristen.)

Aber jetzt nun konkret zu unserem Antrag. Der Antrag setzt sich ja aus zwei Ziffern zusammen und ich will ganz kurz erklären, in welche Richtung hier CDU und SPD agieren wollen.

Ziffer 1 ist im Prinzip eine kurzfristige Sofortmaßnahme, die ganz klar darauf abzielt, dass die Schulentwicklungsplanung in den Landkreisen ausgesetzt wird, ausgesetzt wird ganz konkret mit der Maßnahme, dass mögliche Schulschließungen für ein Jahr nicht stattfinden sollen. Und ich will an dieser Stelle, auch wenn es nicht abgesprochen ist, einflechten, sollte sich in der Praxis, in den Diskussionen, was die Kommission et cetera ergibt, der Fakt so darstellen, dass es vielleicht auch praktikabler sein sollte aufgrund dieser Situation, dass wir hier gemeinsam inhaltlich an den Themen arbeiten, sollte sich herausstellen, dass es vielleicht sogar praktikabler ist, einen Zeitraum von zwei Jahren ins Visier zu nehmen, dann sind wir sicherlich auf alle Fälle darüber gesprächsbereit.

Wir glauben auch, dass aufgrund der Kreisgebietsreform – die Landkreise befinden sich in der Findungsphase in ihren neuen Strukturen –, aufgrund dieser Findungsphase wir auch den Landkreisen sehr entgegenkommen mit dieser Maßnahme, weil wir denken, dass sich möglicherweise aufgrund der neuen Kreisstrukturen neue Erkenntnisse in den Planungsprozessen, was Schulentwicklungsplanung betrifft, ergeben könnten. Und das Instrument, was die Landesregierung hier zur Verfügung hat, ist die Schulentwicklungsplanungsverordnung, die letztmalige aus dem Jahre 2005, die dann auch sagt, Geltungsende ist 2013.

Das heißt, diese Planung, diese Verordnung läuft sowieso aus und muss modifiziert werden, und da möchte ich ganz einfach noch mal auf Paragraf 2 hinweisen. In Paragraf 2 Absatz 1 ist eben definiert, dass die Schulentwicklungspläne von 2006/2007 bis 2012/2013 auf den Weg gebracht werden müssen. Dieser Prozess ist abgeschlossen und im Absatz 2 steht dann: „Die Schulentwicklungspläne sind rechtzeitig vor Ablauf des Planungszeitraumes für fünf weitere Schuljahre fortzuschreiben.“ Und insofern hat der Landtag heute hier Handlungsbedarf, denke ich, erkannt und muss diesem Passus auch gerecht werden und der Landesregierung sozusagen ein politisches Votum mit auf den Weg geben, in welche Richtung es gehen soll.

Und uns liegt auch der Änderungsantrag der LINKEN vor. Wir können durchaus erkennen und sind auch bereit, das hier mit aufzunehmen, den Punkt 1, den Sie dort angesprochen haben, diese Ergänzung mit der pädagogisch sinnvollen Thematik Inklusion, die ja jetzt in unserer Arbeit eine Rolle spielt. Insofern möchte ich da schon mal an dieser Stelle Zustimmung signalisieren.

Das ist also Punkt 1 unseres Antrages – kurzfristige Sofortmaßnahmen. Wir kommen dann zum Punkt 2 unseres Antrages, der eher einen mittelfristigen Zeithorizont hier aufzeigt, und die Zielstellung besteht eben darin, dass wir sagen, Ja, wir wollen in Mecklenburg-Vorpommern ein langfristiges bestandsfähiges Schulnetz auf den

Weg bringen. Das wollen wir und da müssen wir natürlich auch Bedingungen erfüllen. Und auch hier möchte ich sagen, es sind zwei Prämissen, die die Arbeitsgrundlage bilden. Einmal muss es eben a) pädagogisch sinnvoll sein. Ich glaube, das ist unstrittig. Aber auch b) ist ja ein Punkt, der bei uns häufiger dann viel schwerer verdaubar ist, nämlich es muss finanzierbar sein.

Und vor diesem Hintergrund dieser beiden Bedingungen, die ich eben genannt habe, heißt es für uns dann konkret, es müssen Parameter, so, wie es im Antrag schon mal exemplarisch aufgelistet ist, wie Schülermindestzahl oder zumutbare Schulwegzeiten, aber auch unter Betrachtung des Faktors Inklusion oder anderer Faktoren auf den Prüfstand. Wenn wir dann eine veränderte Gesellschaft hier auch alle erleben, wenn ich Herrn Suhr jetzt mal zum Beispiel sehe mit der modernsten Technik,

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Frau Gajek auch.)

diese moderne Technik hat natürlich auch Einfluss auf Schule. Das sollte doch nicht von mir als Kritik gewertet werden. Sie sollten das vielleicht optimistisch sehen, was für ein fortschrittlicher Mensch Sie sind, dass Sie mit solcher Technik arbeiten. Und dieses Fortschrittliche wollen wir auch in die Schulen hineintragen.

(Marc Reinhardt, CDU: Ein iPad für jeden Schüler.)

Und ich will Ihnen sagen, unter der Problematik E-Learning ist es eben so, wir müssen auch die Istsituation betrachten. Und wenn diese veränderten Rahmenbedingungen dazu führen, dass sich auch Schule verändert, dann müssen wir natürlich schauen, inwieweit das Auswirkungen hat auf ein bestandsfähiges Schulnetz anhand der beiden Faktoren, die ich definiert habe. Deswegen der Prüfauftrag, hier in Punkt 2 solche Dinge in den Fokus zu nehmen, das zu diskutieren und zu einer entsprechenden Lösung zu kommen, die wir dann sicherlich entweder im Landtag oder auch hier im Bildungsausschuss wieder diskutieren werden.

Ich will auch nicht verhehlen, dass uns immer wieder ein Thema, eine konkrete Lösung dann auch noch vorschwebt. Es ist schon mal im IMAG-Bericht der Landesregierung empfohlen worden, dass die kleine regionale Schule entwickelt werden soll, und auch das gehört für uns bei diesen Diskussionen, bei den Betrachtungen dazu, dass wir hier über Lösungsansätze diskutieren, die dann ein bestandsfähiges Schulnetz auf den Weg bringen.

Ich will abschließend bei der Einbringung auch sagen, damit vielleicht der eine oder andere, der im Bildungsbereich nicht so zu Hause ist, das dann vielleicht etwas anschaulicher für sich bezüglich der Problemstellungen und auch der Antworten, die wir darauf geben sollen, definieren kann.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Wenn wir im ländlichen Bereich zum Beispiel Schulen haben, die konstante Schülerzahlen haben, zum Beispiel zwischen 30 und 34, dann stellt sich die Frage, wie wir mit diesen Schulstandorten perspektivisch umgehen werden, wie die Politik entscheiden wird.

Wie Sie wissen, steht im Schulgesetz die Zahl 36, das würde dann zwangsläufig bei Nichtreagieren der Politik bedeuten, dass so ein Beispiel, wie ich es eben hier gebracht habe, dazu führt, dass so eine Schule von der Landkarte verschwinden würde. Und jeder, nicht nur jeder, sondern auch Fraktionen und Parteien müssen für sich definieren, wie wollen sie mit dieser Situation und den veränderten Rahmenbedingungen umgehen. Ich sage für mich ganz klar, es kann nicht die Lösung sein, bei so einem Beispiel, wie ich es eben gebracht habe, dass dann solche Schulen geschlossen werden.

Ich freue mich hier heute auf eine spannende Diskussion und hoffentlich auf eine breite Unterstützung aus den Reihen des Hauses. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Renz.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh über diesen Antrag und sehr dankbar dafür,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na klar.)

weil sehr kurz nach Beginn der neuen Legislaturperiode ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt wird,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Lassen Sie sich mal ein paar andere Floskeln einfallen! Das ist so was von peinlich!)

das für die Schulentwicklung über das Jahr 2020 hinaus von erheblicher Bedeutung sein wird.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Nein, Frau Borchardt, das haben wir nicht. Nein, das haben wir nicht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nicht?! Also das ist ja was! – Peter Ritter, DIE LINKE: Wird aber auch Zeit.)

Und ich würde Sie bitten, dieses Thema vielleicht mit weniger Leichtigkeit zu behandeln,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das machen wir nächstes Mal. Da brauchen Sie keine Sorgen zu haben.)

weil das ist alles andere als lustig, womit wir es zu tun haben an der Stelle, Herr Renz hat darauf hingewiesen. Ich würde mich deswegen gern ganz auf den zweiten Punkt konzentrieren, die langfristige Perspektive, was dafür spricht, kurzfristig sehr, sehr sorgsam vorzugehen

im Rahmen der Kreisgebietsreform. Da, glaube ich, ist alles Notwendige gesagt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das haben wir in der Debatte alles gesagt zur Kreisgebietsreform.)

Aber das zweite – die mittel- und langfristige Perspek- tive – wird dieses Parlament noch intensiv beschäfti- gen, weil wir uns zwischen zwei Zielen bewegen müssen, die in Spannung zueinander stehen, die sich in einem Zielkonflikt bewegen. Wir wollen einerseits möglichst kurze Schulwege, damit Kinder ihre Zeit nicht unnötig im Bus verbringen. Wir wollen andererseits aber Schulgrößen, die überhaupt einen geordneten pädagogischen Betrieb ermöglichen. Und diese beiden Ziele sind nicht in jeder Situation gut miteinander kombinierbar. Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen, um das plastisch zu machen.

Wir haben in diesem Lande eine Reihe von Grundschulen, die verfügen ungefähr über 40 Schüler, nicht pro Klasse oder pro Jahrgang, sondern insgesamt 40 Schüler. Und da können Sie durch alle Schularten gehen und sehen, dass es sehr kleine und sehr große Schulen gibt, und das hat Konsequenzen. Das hat die Konsequenz bei der Art und Weise, wie wir Schule im Moment finanzieren, dass im ländlichen Raum pro Schüler – weil der Unterricht ja erteilt werden muss, es müssen Abschlüsse organisiert werden – 1,5 Stunden für den Unterricht zur Verfügung gestellt werden und in Städten 1,1. Ich bin viel in Schulen unterwegs. Wir haben Grundschulen, da sitzen 15 Schüler in einer Klasse und hier im Mueßer Holz in Schwerin 29. Beide Lehrerinnen, die dort unterrichten, haben übrigens dieselbe Unterrichtsverpflichtung von 27,5 Stunden, obwohl natürlich in der Klasse, in der 29 Schüler unterrichtet werden müssen, sehr viel höherer Aufwand entsteht als in einer Klasse mit 15 Schülern. Das sind einfach Gegebenheiten, die durch unsere Geografie und unsere Bevölkerungsstruktur die Folge sind, und mit denen muss man vernünftig umgehen.

Und in der Tat wird dieser Landtag, so wie auch in der Vergangenheit, vor folgender Frage stehen, das möchte ich heute deutlich sagen. Dieser Landtag wird sich die Frage stellen müssen, Herr Renz hat es getan: Entscheidet man sich, bestimmte Schulen vom Netz zu nehmen perspektivisch und die dadurch freigesetzten Mittel den Schulen zu geben, die übrig bleiben, für besseren Unterricht und bessere Ausstattung? Das ist die eine Möglichkeit. Und die andere Möglichkeit ist, wenn man das nicht will und sagt, man möchte die Schulstandorte erhalten, aus geografischen Gründen, Wohnortnähe zur Schule und so weiter, dann wird dieses Parlament mehr Geld beschließen müssen für Schulen,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

weil sich qualitativer Unterricht nicht mehr anders organisieren lässt. Sie haben die ganzen Katastrophenmeldungen aus dem Grundschulbereich, was Unterrichtsvertretung angeht. Überlegen Sie sich bitte Folgendes: Wenn 40 Schüler an einer Schule sind, brauchen Sie noch etwas mehr als zwei Lehrer, um den Unterricht zu organisieren. Wenn dort ein Kollege oder eine Kollegin ausfällt durch Krankheit, dann ist klar, dass an dieser Schule das Chaos ausbricht, weil der Unterricht nicht mehr vertreten werden kann. Wie soll das auch bei einem solchen Kollegium möglich sein? Das heißt …

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Komischerweise sind die Schulen, in denen es viel Unterrichtsausfall gibt, in Rostock. – Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch Quatsch. Bei uns haben wir so was auch.)

Frau Berger, könnte es wahr sein, dass wir einfach nicht nur an einzelnen Schulen und in einzelnen Regionen Probleme haben, sondern überall? Und dass es verschiedene Ursachen für diese,

(Heinz Müller, SPD: Vielleicht kann Frau Berger nicht so weit gucken. – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass es verschiedene Ursachen für diese …

Frau Berger, mal ruhig! Ich schildere doch einfach nur mal die Faktenlage. Da brauchen Sie sich doch nicht emotional sozusagen zu involvieren.

Es gibt einfach auch für dieses Problem des Unterrichtsausfalls ganz verschiedene Ursachen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig.)

Wollen wir mal eins festhalten: Ein Kollegium, das aus zwei Personen besteht, ist jedenfalls nicht förderlich für Vertretungsunterricht, ja? Das ist jedenfalls nicht hilfreich, um unsere Probleme zu regeln. Das heißt, wir werden politisch alle miteinander genau diese Fragen zu entscheiden haben: Welches Schulnetz wollen wir? Wie wichtig sind uns kurze Schulwege und sind wir auch bereit, die Konsequenzen einer solchen Entscheidung zu tragen?