Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 1. Tages der Menschen mit Behinderungen hatten drei zentrale Themenfelder bearbeitet und hierzu Leitanträge vorgelegt. Das sind die Themen inklusive Bildung, Barrierefreiheit und trägerübergreifendes Persönliches Budget gewesen. Auf allen drei Politikfeldern hat sich seither einiges getan.
Zur inklusiven Bildung liegen der Bericht der Landesregierung mit dem Titel „Strategie der Landesregierung zur Umsetzung der Inklusion im Bildungssystem in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2023“ und die Beschlussempfehlung sowie der Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur hierzu vor. Darin wird das Ziel bestimmt, erfolgreiche Bildung für alle Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.
pädagogischem Förderbedarf in den Bereichen „Lernen“, „Sprache“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“ soll reduziert werden.
Schülern mit und ohne Handicap soll überall, wo notwendig und möglich und wo es die Eltern wünschen, realisiert werden.
Zu der von den Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE konzipierten Inklusionsstrategie gibt es ein beachtenswertes Positionspapier des Städte- und Gemeindetages. Es gibt Hinweise zu den für eine gelingende Inklusion im Bildungssystem erforderlichen räumlichen, sächlichen und personellen Ausstattungen sowie zur dauerhaften Finanzierung. Dies zu erwähnen, ist uns wichtig, denn es macht deutlich, dass das, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 1. Tages der Menschen mit Behinderungen beschäftigte, nach wie vor ein sehr wichtiges politisches Thema in unserem Land ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, es hat gefruchtet, dass der 1. Tag der Menschen mit Behinderungen seinerzeit das Thema Barrierefreiheit aufrief. Durch viele bauliche und technische Maßnahmen wurden seither Barrieren und Hindernisse beseitigt. Genannt seien diesbezüglich das sogenannte Aufzugsprogramm oder der altersgerechte Umbau von Wohnungen beziehungsweise des Wohnumfeldes. Impulse hierfür gingen, das kann man
Auch hinsichtlich des in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Rechtsrahmens hat sich einiges bewegt. Im Frühjahr dieses Jahres wurden im Zusammenhang mit der Novellierung der Landesbauordnung Bestimmungen zur Barrierefreiheit weiterentwickelt. Nunmehr gilt, dass bei Häu- sern mit mehr als zwei Wohnungen ein Geschoss oder ein Aufgang barrierefrei sein muss. Auch entscheidet weiterhin die Baubehörde und nicht der Bauherr, ob das Herstellen von Barrierefreiheit zu aufwendig ist oder nicht.
Ginge es nach uns LINKEN, wäre der rechtliche Rahmen in Fragen der Barrierefreiheit noch deutlich erweitert worden. Wir wollten barrierefreie Wahllokale, wir wollten, dass bereits in der Planungsphase die Einhaltung von Vorschriften der Barrierefreiheit geprüft wird, und wir wollten, dass zukünftig Gemeinschaftsräume und Abstellräume überall barrierefrei zu sein haben.
Wenn es um Barrierefreiheit geht, ist jedoch auch festzustellen, dass es insbesondere im Gesundheitsbereich manch Beklagenswertes gibt. So sind lediglich 47 Prozent der ambulanten Arztpraxen barrierefrei zugänglich. Dieser Fakt bedeutet zweierlei: zum einen, dass mehr als die Hälfte der ambulanten Arztpraxen für Menschen mit Handicap nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind, und zum anderen, dass in diesem Umfang die Freiheit der Arztwahl nicht gewährleistet ist. Auf diese Weise werden Maßgaben des Artikels 25 der UN-Behindertenrechtskonvention – also ratifiziertes internationales Recht – nicht erfüllt, aber auch die Bestimmungen des Paragrafen 76 des SGB V – also nationales Recht – unterlaufen.
Deshalb stellten wir LINKEN seinerzeit im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen einen Antrag mit dem Ziel, 3 Millionen Euro pro Jahr für ein Zuschussprogramm zum Barriereabbau bei Arztpraxen, Apotheken bis hin zu Freizeittreffs aufzulegen. Auch dieses Ansinnen wurde seitens der Regierungskoalition leider reflexartig abgelehnt. Es bleibt festzustellen, dass es auch zum Thema Barrierefreiheit weitergehenden Diskussions- und Handlungsbedarf gibt.
Sehr geehrte Damen und Herren, um die Inanspruchnahme des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets war es zum Zeitpunkt des 1. Tages der Menschen mit Behinderungen nicht gut bestellt. Heute, sechs Jahre später – so wird uns aus Expertenkreisen mitgeteilt –, sieht es nicht besser aus. Hierfür gibt es mehrere Ursachen: Die Zahl der Beratungsstellen zum trägerübergreifenden Persönlichen Budget ist rückläufig. Gab es beispielsweise vormals spezielle Beratungsangebote in Neubrandenburg und Rostock, gibt es heute ein solches nur noch in Neubrandenburg. Die Trägerlandschaft wird als unübersichtlich eingeschätzt. Die Beratungsleistungen sind nicht allein im Zuge einer Antragstellung notwendig. Notwendig sind auch begleitende Beratungen nach einer etwaigen Bewilligung eines solchen Persönlichen Budgets.
Hoch problematisch ist aus unserer Sicht, dass das Persönliche Budget in vielen Fällen an die Einkommens- und Vermögenssituation geknüpft ist, sodass Betroffene nur Anspruch auf die damit verbundenen Leistungen haben, wenn sie Sozialfälle sind.
Das ist ein Zustand, der für uns inakzeptabel ist. All dies zeigt, dass auch zum Themenfeld trägerübergreifendes Persönliches Budget weiterhin Diskussions- und Handlungsbedarf vorhanden ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, auf dem 1. Tag der Menschen mit Behinderungen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich gemacht, dass für sie das sozialstaatliche Prinzip „Nichts über uns – ohne uns!“ Geltung haben muss. Aus den Reihen der Landespolitik wiederum ist signalisiert worden, dass es um Einbeziehung und Partizipation der Betroffenen geht, dass uns die Einmischung von Expertinnen und Experten in eigener Sache hochwillkommen und wichtig ist. Mit einer Bestätigung unseres Antrages, sehr geehrte Damen und Herren, senden wir das Signal, dass beides nach wie vor gilt. Insofern bitte ich um Zustimmung für unseren Antrag. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Menschen mit Behinderungen – das steckt schon im Begriff – müssen mit Einschränkungen und Hindernissen zurechtkommen. Einige davon haben ihnen Körper oder Geist auferlegt, andere aber sind Barrieren, die Gesellschaft oder Infrastruktur geschaffen haben. Wer Inklusion, wer die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen umsetzen und leben will, der muss daran mitarbeiten, möglichst viele dieser gemachten Barrieren abzubauen. Das wiederum kann nur gelingen, wenn es überhaupt ein Bewusstsein dafür gibt, welche Wege wir welchen Menschen wie verstellen. Dieses Bewusstsein schaffen wir nur, wenn das Thema Inklusion wahrgenommen wird, wenn es also in der Öffentlichkeit stattfindet. Insofern begrüße ich Ihren Antrag, sehr geehrter Herr Koplin, weil Sie das Thema hier noch mal auf die Agenda rufen.
Für die Landesregierung war und ist die Politik für und mit Menschen mit Behinderungen eine wichtige und ernst genommene Aufgabe. Spätestens mit der UN-Behindertenrechtskonvention ist Inklusion ein gesamtgesellschaftliches Thema geworden und für uns ein ressortübergreifendes, das wir bei all unserem Handeln berücksichtigen. Deshalb gibt es auch einen entsprechenden Maßnahmenplan der Landesregierung, in den sich ein Blick durchaus lohnt, weil er zeigt, dass wir vieles auf den Weg gebracht haben, das Inklusion und Barrierefreiheit in Mecklenburg-Vorpommern aktiv vorantreibt.
Ich erspare Ihnen an dieser Stelle eine Auflistung, möchte aber zumindest das Modellprojekt „Budget für Arbeit“ hier noch einmal hervorheben, weil es einen Anreiz in einem so wichtigen Bereich setzt, wenn es um ein möglichst selbstbestimmtes Leben geht, den eigenen Job. Indem wir Arbeitgebern die Belastungen ausgleichen, die ihnen entstehen, wenn sie jemanden mit Behinderung sozialversicherungspflichtig anstellen, schaffen wir für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer reelle
Meine Damen und Herren, da Sie das Thema auf die Tagesordnung gehoben haben, möchte ich die Gelegenheit nutzen, einen wichtigen Partner unserer Politik hervorzuheben, den Integrationsförderrat. Er berät die Landesregierung bei so gut wie allem, was die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention tangiert, allein in dieser Legislaturperiode bei mehr als 200 Gelegenheiten. Ich bedanke mich daher bei allen Mitgliedern für die gute Zusammenarbeit und die wertvolle Beratung.
Weil dieser Antrag den Blick in die nächste Legislaturperiode richtet, sage ich Ihnen, was aus meiner Sicht die ersten und zentralen Schritte sind, die wir hier gehen müssen: zum einen, das neue Bundesteilhabegesetz möglichst gewinnbringend für die Betroffenen umzusetzen, und zum anderen, die aus der UN-Behindertenrechtskonvention resultierenden Rechte auch in die Landesverfassung aufzunehmen. Sicherlich ist es auch eine Prüfung wert, einen regelmäßigen Tag der Menschen mit Behinderungen im Kalender des Landes zu implementieren. Ich halte das aber für keine Aufgabe, die man dem künftigen Landtag hier und jetzt ins Heft schreiben sollte. Ob und wie sie sich mit einem solchen Anliegen befassen, ist Sache der zukünftigen Abgeordneten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, in Mecklenburg-Vorpommern sind circa 14,5 Prozent der Bevölkerung leicht oder schwer behindert, das bedeutet, jeder siebente in Mecklenburg-Vorpommern lebende Einwohner. Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf Integration in das gesellschaftliche Leben sowie auf Anerkennung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es ist auch der Wille und das Ziel der CDU, dass man dieses umsetzt.
Aber ich habe noch mal auf den Antrag geguckt. In dem Antrag der LINKEN geht es um den Tag der Menschen mit Behinderungen und insofern darf ich mit Zustimmung der Präsidentin zitieren, was die Landtagspräsidentin als Schirmherrin dieser Veranstaltung vom Jahr 2010 in der Broschüre gesagt hat: „Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß, die Entscheidung, dass sich der Tag der Menschen mit Behinderungen am Altenparlament orientieren soll, ist nicht bei allen Verbänden auf Zustimmung gestoßen. Dennoch hat sich die überwiegende Mehrheit des Organisationskomitees dafür ausgesprochen...“ Und ich darf weiter zitieren: „Wie Sie alle wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das Schloss zu Schwerin ein denkmalgeschütztes Gebäude, in dem man schon aus historischen Gründen Barrierefreiheit leider nicht im gewünschten Umfang umsetzen kann. In diesem Zusammenhang wurden auch sicherheitsrelevante Bedenken erhoben.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich war damals Mitglied in diesem Organisationskomitee. Es gab viele,
viele Bedenken von den Verbänden zu diesem Tag hier im Schloss. Zum einen stand die Sicherheit infrage. Man fragte sich: Wenn hier ein Brand ausbrechen sollte – was keiner hofft –, wie bekommen wir dann die Rollstuhlfahrer sicher aus diesem Gebäude?
Zweitens. Die Vorstellung, die man hatte, war nicht, dass hier Teilnehmer auf Delegiertenbasis sind, sondern man hatte die Vorstellung, dass dieser Tag so ablaufen soll wie der Tag der offenen Tür hier im Landtag. Alle Leute sollten hier herein. Letztendlich hat man sich geeinigt, weil das nicht organisiert werden konnte, auch aus Sicht der Barrierefreiheit, dass man diese Veranstaltung nur – „nur“ in Anführungsstrichen – auf Delegiertenbasis aus den einzelnen Vereinen und Verbänden hier durchführen kann.
Meine Frage geht an die Fraktion DIE LINKE: Hat man einfach mal im Vorfeld mit den Verbänden und Vereinen darüber gesprochen,
ich denke, das Motto ist „Selbstbestimmtes Leben“ und sie müssen selbst entscheiden, wie dieser Tag gestaltet werden soll und wo dieser Tag durchgeführt werden soll. Will man den Tag wirklich als offen, so, wie wir das hier am Tag der offenen Tür haben? Das war das, was sie gerne hätten. Sie wollten sich als Verein, als Verband hier vorstellen, damit jeder die Möglichkeit hat zu sehen, welche Aktivitäten und welche Aufgaben in den einzelnen Vereinen und Verbänden durchgeführt werden. Insofern kann ich der Ministerin nur recht geben. Wir sollten uns die Zeit lassen, uns mit dem Thema noch mal befassen und auch mit den Vereinen und Verbänden sprechen und fragen: Welche Vorstellungen habt ihr? Wie soll so ein Tag ablaufen und ist das Schloss dafür geeignet? Das ist die entscheidende Frage.