Protocol of the Session on July 6, 2016

Was könnte sonst noch gegen eine Vergütung sprechen? Eine klassische Begründung ist dabei natürlich der Verwaltungsaufwand, gerne auch von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden angeführt. Ein ganz prominentes Beispiel ist das Mindestlohngesetz. Wie sieht es nun aber bei den Praktikanten aus? Ich denke, auch hier ist der Verwaltungsaufwand absolut vertretbar, denn ein Vertrag muss mit den Praktikantinnen und Praktikanten ohnehin geschlossen und von der Personalabteilung bearbeitet werden. Insofern dürfte es auch problemlos möglich sein, eine Vergütung aufzunehmen und anzubieten sowie die notwendigen Daten zu erfassen und abzuwickeln. Ein Bürokratiemonster ist das ganz bestimmt nicht. Im Übrigen ist das Mindestlohngesetz auch kein Bürokratiemonster. Also auch das ist kein Hinderungsgrund.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Großen Koalition, Sie könnten nun noch ins Feld führen, dass wir GRÜNEN hier ein Problem auf die Tagesordnung setzen, das es eigentlich gar nicht gibt. In der Landesverwaltung würde es so lange dauernde Praktika überhaupt nicht geben und ausgenutzt würde hier sowieso niemand, die machen das ja alle freiwillig. Ja, die überwiegende Zahl der absolvierten Praktika in der Landesverwaltung ist eher kurz, aber wir haben auch genug langfristige Praktika. Die entsprechenden Zahlen können Sie aus meiner Kleinen Anfrage entnehmen, Drucksache 6/5055. Ich gehe darauf in der Aussprache näher ein, freue mich auf die Aussprache und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Finanzen Frau Heike Polzin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Saalfeld, Ihre Einbringung, die führt schon wieder dazu, dass ich im Prinzip mein Konzept zur Seite legen kann,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Müssen Sie aber nicht.)

denn ich muss an der Stelle einfach auch mal sagen, es ist immer schwierig, wenn jemand eigentlich sein Urteil fertig hat

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, die Argumente schon.)

und dann sagt, verwirre mich jetzt aber nicht mit Tatsachen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Den Wind schon aus den Segeln genommen, das wollten Sie sagen.)

Ja, ich will das trotzdem versuchen, weil Ihre erste These, auf die Sie Ihr wackliges Haus setzen, schon per se falsch ist.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, Sie wollten eigentlich auf den Landeshaushalt abheben.)

Wenn Sie in der Kleinen …

Ich habe Ihnen auch schweigend zugehört, auch wenn es mir schwergefallen ist. Ich erwarte von Ihnen jetzt auch mal ein bisschen Zuhören, falls es Ihnen gelingt. Insofern nehmen Sie das jetzt mal entgegen und ertragen Sie, was ich Ihnen zu sagen habe!

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das ist sehr schwer zu ertragen.)

Die erste Behauptung ist schon erst mal, wir haben über Tausend Praktikanten im Land und die Ärmsten werden überhaupt nicht bezahlt. Wer sich mal mit der Kleinen Anfrage auseinandergesetzt hat, der weiß, dass die weit überwiegende Zahl hierbei Schülerpraktika oder Kurzpraktika im Übergang von einem abgeschlossenen Beruf in eine neue Stelle waren, das heißt, wir tun hier im Grunde jungen Menschen insofern einen Gefallen, weil die sich orientieren können, nämlich berufsmäßig, weil sie neue Kenntnisse erwerben und Fertigkeiten. Es ist auch gut für die Expertise, wenn sie sagen können, sie haben hier ein Praktikum gehabt. Auch in unserem Haus gibt es sehr viele Praktikanten und da ist schon wieder der nächste Irrtum, dem Sie dabei unterliegen. Es ist eben überhaupt nicht bürokratisch in diesem Umgang, denn solche Wünsche kommen so, dass sich da jemand am Telefon meldet und sagt, ich würde gerne mal für 14 Tage für ein Schülerpraktikum kommen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)

Glauben Sie, wir beschäftigen damit den Personalrat, wir machen ein Auswahlverfahren und wir machen auch noch eine Bestenauslese?

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Schülerpraktika sollen doch auch in Zukunft nicht vergütet werden. Lesen Sie doch mal den Antrag!)

Natürlich nicht! Natürlich machen wir das nicht!

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenigstens das kann ich von Ihnen erwarten, dass Sie den Antrag vorher mal lesen!)

Ich kann von Ihnen erwarten, dass Sie mir jetzt einfach mal zuhören, ja?!

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber reden Sie zum Antrag!)

Ich rede zum Antrag! Merken Sie überhaupt noch was?

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Schülerpraktika sollen weiterhin unbezahlt bleiben. – Michael Andrejewski, NPD: Regeln!)

Aber ein großer Teil dieser Tausend – und das war Ihr Argument – sind Schülerpraktika. Ihre erste These ist schon mal völlig in den Wind, weil Sie sich mit dieser Zahl ziemlich rausgehängt haben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir gehen jetzt mal zum nächsten Punkt. Ich will zu dem Thema mal erklären, warum wir in der Regel Praktika nicht bezahlen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es ist ja unglaublich, dass man Sie als Ministerin bezeichnet.)

Weil die Landeshaushaltsordnung sagt...

(Unruhe bei Burkhard Lenz, CDU – Zuruf aus dem Plenum: Lillifee ist unterwegs. – Tilo Gundlack, SPD: Lieber Prinzessin Lillifee. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Genauso ist es. Vielen Dank für die Erinnerung, da muss ich es nicht wiederholen.

Die Landeshaushaltsordnung, und dazu stehen wir auch, sagt nämlich völlig zu Recht, dass eine Leistung erbracht werden muss, die dem Land nützt. Und gar nicht notwendig, darüber diskutiere ich nicht, das steht da zwar so drin, ist aber interpretierbar, aber der Praktikant muss eine Leistung erbringen, die dem Land in irgendeiner Weise weiterhilft. Aber bei unseren Praktika ist es genau umgekehrt. Wir müssen unsere Leute, und das sind hoch motivierte Leute, gewinnen, dass die diese Praktika begleiten, dass die ihnen etwas zeigen, dass sie ihnen Kenntnisse vermitteln. Die werden nicht wochenlang an eine Arbeit gesetzt und erarbeiten ein Projekt. Dafür gibt es auch Geld. Und es ist auch so, dass junge Menschen in dieser Phase bezahlt werden können, wenn die nämlich an einem konkreten Projekt arbeiten, wenn sie eine abrechenbare Leistung erbringen. Dafür haben wir mehrere technische Möglichkeiten, das sind in der Regel 427er-Mittel. Sie wissen ja, dass es im Haushalt denkbar ist. Wir können Werksverträge abschließen mit diesen Leuten, die eine Leistung erbringen.

Ich sehe es auch völlig kritisch, das ist wahrscheinlich die einzige Schnittmenge bei diesem Thema, ich finde es unsäglich, wenn junge Leute, gerade mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, in manchen Wirtschaftsbetrieben genutzt werden, um den Laden am Laufen zu halten, und dafür nicht mal die Fahrtkosten sehen. Ich habe im Bekanntenkreis Leute, die haben sich da jahrelang ausnutzen lassen, und ich finde so etwas auch äußerst schäbig. Dafür gibt es ja rechtliche Grundlagen und deshalb würde ich ganz gerne noch mal deutlich sagen, diese Fälle, die zur Bezeichnung „Generation Praktika“ geführt haben, die gibt es in der Landesverwaltung nicht.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Was?! Junge Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung?!)

Und ich möchte gerne mal, ich möchte gerne mal einen einzigen Fall, einen einzigen Praktikanten genannt haben, der sich ausgenutzt fühlte, weil er bei uns ein Praktikum beantragt hat und dann mit viel Kenntnis und Expertise in seinen nächsten Beruf gegangen ist. Dann wissen wir nämlich, ob wir wirklich ein Problem haben. Das muss man an dieser Stelle äußerst differenziert sehen, und darum ist Praktikum nicht gleich Praktikum.

Ich habe vorhin mit den Schülerpraktika angefangen. Das ist die überwiegende Zahl von den über Tausend. Auch wenn dieser Antrag noch nicht mal fordert, dass wir da genauer hinschauen, haben wir hier aber genau das Thema am Wickel. Also es wird nicht mal gefordert, dass wir die in Zukunft vergüten, das ist schon wunderbar,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)

denn ich sage Ihnen, die nächste Konsequenz ist ja, dass auch keine Leute mehr zu gewinnen sind, die diese als Mentoren begleiten. Wer ist denn eigentlich der Nutznießer eines solchen Praktikums? Ist es die Landesverwaltung in diesem Fall? Mittelbar immer, denn wir wollen ja, dass wir Nachwuchs gewinnen und interessieren, aber das ist absolut kein Grund, weshalb wir auch Geld bezahlen können.

Herr Saalfeld hat auf die TdL abgehoben, dass es eine Möglichkeit gibt, freiwillige Praktika – und ich denke mal, nur über die reden wir hier vorwiegend – zu bezahlen. Spannenderweise macht von dieser Regelung fast keiner Gebrauch. Ich könnte mal eine Ergänzung bringen: Hamburg gönnt es sich, seinen Praktikanten ein Erfrischungsgeld zu geben, weil sie im Grunde eine Riesenangst haben, das Ganze mit regulären Beschäftigungsverhältnissen zu vermischen. Das öffnet nämlich auch Tür und Tor für Missbrauch. Und noch mal den ganzen Grundsatz, den ich auch fast als Hauptargument nennen würde: Wenn wir anfangen, diese freiwilligen Praktika in der Landesverwaltung, die ausschließlich der Fort- und Weiterbildung der jungen Leute dienen, in die Mischung mit regulären Arbeitsverhältnissen zu bringen, dann müssen wir auch ganz anders damit umgehen. Dann können wir nicht mehr auf Zuruf und Bitte eines jungen Menschen sagen, komm 14 Tage her, wir zeigen dir mal dieses oder jenes, sondern es muss eine offizielle Bewerbung geben und das Ganze muss durch den Personalrat. Dann können wir nicht mehr frei Hand sagen, das geht in Ordnung. Es ist doch klar, dabei muss ich die Mitbestimmungsrechte einhalten. Da muss ich aufpassen, dass ich nicht irgendwen bevorteile. Das funktioniert im Grunde nur, wenn daraus kein finanzieller Nutzen erwächst.

Ich kann Ihnen versichern, wenn junge Leute, die mit speziellen Fähigkeiten eben keine konkrete Stelle kriegen, aber damit ein Projekt erarbeiten und ein Ergebnis für das Land, dann ist das auch heute schon zu bezahlen. Das war aber nicht die Fragestellung in der Kleinen Anfrage. Darum würde ich einfach noch mal zusammenfassend sagen: Wir müssen sauber unterscheiden zwischen Praktikanten und den Praktikanten in der Wirtschaft, die Sie dabei im Auge hatten. Das sind zwei völlig verschiedene Schuhe. Ich bin gerne bereit, über das Thema zu sprechen, wer Leistung erbringt, der soll das in

irgendeiner Weise auch honoriert kriegen, aber dazu muss erst mal geklärt werden, welche Leistung wird von wem erbracht.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Das scheint hierbei absolut der Streitpunkt zu sein, denn wir sagen, diese freiwilligen Praktika sind zum Nutzen der jungen Leute, und die Landesverwaltung erbringt die Leistung, sie mit einem Mentoring, mit engagierten Leuten zu führen und ihnen etwas beizubringen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deswegen verdienen sie auch nicht 2.300 Euro, sondern kriegen nur 300 Euro.)

Wir haben in unserem Haus oft Praktikanten, die sich freiwillig bei uns melden, und ich habe sie bis jetzt alle sehr erfreut erlebt, dass sie so viel gezeigt bekamen, so viele interessante Sachen kennengelernt haben. Ich habe noch nicht einen erlebt, der dafür auch noch Geld haben wollte, denn eigentlich kostet er unsere Arbeitszeit.

(Beate Schlupp, CDU: Das ist auch so üblich.)

So würde ich die Diskussion von mir aus nie führen wollen, aber so, wie Sie es auf den Punkt bringen, musste ich das mal entgegnen.