Protocol of the Session on April 22, 2016

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also mir war nicht erklärlich, weshalb er den Verkehrsminister vertritt, wenn der anwesend ist, aber okay.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Ich bin ganz froh, dass Sie diese touristische Sicht in Ihrer Rede hier, Herr Kollege Jaeger, etwas relativiert haben. Also es geht natürlich, wenn wir über den Radverkehr reden, nicht nur um die Auswirkung auf den Tourismus.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganz klar.)

Der Antrag treibt zur Eile an. Ich denke, das hat damit zu tun, dass einmal unmittelbar die Saison bevorsteht und da noch einiges getan werden soll, aber sicherlich auch damit, dass im Juli die letzte Landtagssitzung in dieser Legislatur ist.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Klar.)

Das Anliegen befürworten wir LINKEN. Deshalb wollen wir diesen Antrag auch nicht als Aktionismus abtun, sondern unterstützen. Ich gehe davon aus, dass der Bericht über die Umsetzung nicht zwangsläufig in eine separate Unterrichtung münden muss, sondern durchaus auch im Rahmen der Debatte zum Integrierten Landesverkehrsplan erfolgen kann, weil es – und das ist unsere tiefste Überzeugung – um einen Gesamtverkehrsplan geht, in dem das Fahrrad eine immer größere Rolle spielen muss.

Ich verstehe den Antrag so, dass all die Maßnahmen, die mit relativ wenig Geld und Aufwand und ohne langfristige Planungen machbar sind, noch vor der Hauptsaison angepackt werden sollen. Der Antrag ist ein Appell, schnell und unbürokratisch tätig zu werden. Adressat eines solchen Aufrufes ist nicht allein die Landesregierung, das kann sie auch gar nicht sein, sondern sind auch und vor allem die Kommunen. Instandsetzung und Aktualisierung von Wegweisern und auch bloßes Aufräumen (Laub, Gerümpel, alles Mögliche), Entfernung von Hindernissen (Äste zum Beispiel nach einem Sturm), das können durchaus Effekte sein, wenn man da Hand anlegt, die wenig kosten. Zu einer solchen Kampagne könnte man landesweit aufrufen. Frühjahrsputz wird ja an vielen Orten gemacht, warum nicht auch eine Radwegeaktion?!

Aber das bedeutet natürlich nicht, dass damit alle Probleme gelöst wären. Das wäre aus unserer Sicht zunächst schon mal ein Anfang, wenn die Seite des Verkehrsministeriums aktualisiert würde, sozusagen als Sofortmaßnahme. Dort ist immer noch die Rede davon, dass die Landesregierung im Portal www.radnetz-mv.de das für den Radverkehr nutzbare und sichere Straßen- und Wegenetz bis Ende 2014 dokumentieren will.

(Heiterkeit bei Regine Lück, DIE LINKE: Oh, oh, oh!)

Den Radnetzplaner gibt es aber seit dem April 2015. Auch beziehen sich statistische Angaben zur Länge und zum Straßentyp auf Anfang 2013 und Angaben zur Förderung auf den Haushaltsplan 2014/2015. Es kann nicht so schwer sein, das zu aktualisieren.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Aus der ADFC-Reiseanalyse geht hervor, dass für eine problemlose An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein sehr hohes Verbesserungspotenzial besteht. Nach der Analyse erreichen rund ein Drittel der Radreisenden ihr Ziel mit dem Zug. Bei rund 4,5 Millionen Personen, die eine Radreise mit mindestens drei Übernachtungen in 2015 unternommen haben, ist das ein großes Fahrgastpotenzial. Radreisende sind zudem reisefreudig. Neben Reisen mit mindestens drei Übernachtungen haben sie zahlreiche andere Radreisen oder Tagestouren in 2015 unternommen. Unstrittig hat eine Ausdünnung des Schienenpersonennahverkehrs erhebliche Auswirkungen auf die Tourismuswirtschaft. Auch die fehlende oder unzureichende Mitnahme von Fahrrädern ist immer wieder Gegenstand der Kritik. Das trifft für die Bahn – zum Beispiel auch beim Regionalexpress 1 von Rostock nach Hamburg – zu und für den Bus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir denken, es sind vor allem deutlich mehr Mittel erforderlich, um das vorhandene Radwegenetz zu erhalten und auszubauen. Nun einigte sich der Koalitionsausschuss darauf, dass vor der Sommerpause ein Nachtragshaushalt zur Kofinanzierung des Breitbandausbaus beschlossen wird. Eine gute Internetanbindung ist als Orientierungshilfe auch für den Radtourismus wichtig. Aber wenn Sie ohnehin einen Nachtragshaushalt beschließen wollen, sollte auch ein Nachschlag für Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangebote geprüft werden. Über drei Ministerien erfolgt bei uns im Land die Förderung von Radwegeinfrastruktur. Das Verkehrsministerium zeichnet für straßenbegleitende Radwege verantwortlich.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Das Landwirtschaftsministerium unterstützt aus ELERMitteln LEADER-Projekte, die auch Radwege beinhalten können, und das Wirtschaftsministerium unterstützt Vorhaben mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“.

Davon profitiert beispielsweise gegenwärtig Schwerin, wo eine Etappe des Radfernweges Hamburg–Rügen verlegt und künftig mit dem Elbetal-Schaalsee-Rundweg und dem westlichen Backsteinrundweg verbunden sein wird. Das ist eine gute Sache. An anderer Stelle hat das Netz aber noch große Löcher. Das hat Minister Glawe hier schon gesagt und auch gegenüber der Presse eingeräumt.

Das größte Problem im Land haben allerdings die Kommunen, denn die sind im Wesentlichen für die Unterhaltung zuständig, und da liegt die eigentliche Krux. In den letzten Wochen haben wir wiederholt gefordert, dass die Kommunen wieder in die Lage versetzt werden müssen, mehr investieren zu können. Das betrifft auch den Erhalt der geschaffenen Radwegeinfrastruktur. Eine Landesförderung gibt es dafür nicht. Für kommunale straßenbegleitende Radwege sind gerade einmal 2 Millionen Euro im Landeshaushalt eingeplant, und die wurden auch noch von Mitteln für kommunale Straßenbaumaßnahmen abgezweigt und fehlen nun dort.

Nach einer Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums „Grundlagenuntersuchung Fahrradtourismus in Deutschland“ von 2009 sind für laufende Unterhaltskosten je Kilometer Radweg und Jahr bis zu 700 Euro notwendig. Allein für die 5.100 Kilometer touristisch ausgeschilderten Radrouten in Mecklenburg-Vorpommern müssten 3,6 Millionen Euro für die laufende Unterhaltung im Jahr eingesetzt werden. Wie gesagt, das sind Zahlen aus dem Jahr 2009. Der Sanierungsaufwand ist dabei noch nicht einmal eingerechnet. Der würde noch einmal mit 25.000 Euro für einfache und 35.000 Euro für die grundhafte Sanierung.je Kilometer Radweg zu Buche schlagen. Sie sehen also, vor welcher Aufgabe die Kommunen stehen. Das ist ohne Landesunterstützung nicht machbar.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, aber auch das Land selbst hat seine Hausaufgaben zu machen. Auf den Ministeriumsseiten finden sich die Vorschlagslisten der Kreise für das Lückenschlussprogramm 2014 bis 2016. Für alle sechs Landkreise zusammen belaufen sich die Vorschläge auf 180 Kilometer Radweg mit Kosten von knapp 36 Millionen Euro. Etwa 200.000 Euro kostet der Neubau eines Kilometers Radweg.

Mit dem Haushalt 2016/2017 wurde beschlossen, das Lückenschlussprogramm für weitere zwei Jahre zu verlängern. Jährlich sind dafür 5 Millionen Euro eingeplant. Sie können unschwer erkennen, das reicht nicht, um die Vorschlagslisten abzuarbeiten, zumal wir auch alle wissen, dass der Bedarf noch deutlich über diese Vorschläge hinausgeht.

Warum also nicht klotzen und pro Jahr noch einmal 5 Millionen Euro drauflegen? 900.000 Euro sind eingestellt für den Bau von Radwegen an Landesstraßen außerhalb des Lückenschlussprogramms. Das ist gut, aber auch das ist zu wenig. Außerdem wird mit diesen Mitteln nur der Neubau finanziert. 1.900 Kilometer straßenbegleitende Radwege des überörtlichen Verkehrs und bald 200 Kilometer mehr wollen auch unterhalten und saniert werden.

Notwendige Maßnahmen sind im Entwurf des Integrierten Landesverkehrsplanes beschrieben. Das ist die notwendige Zustandserfassung und -bewertung, das ist die Überwachung der in den Zuwendungsbescheiden beauflagten Unterhaltspflichten und das ist die Ausrichtung der Förderrichtlinien auf Substanzerhaltung. Aber diese notwendigen und wichtigen Maßnahmen greifen nicht, wenn nicht auch im Landeshaushalt Vorsorge zu deren Umsetzung getroffen wird. Deshalb meinen wir, dass der Landesverkehrsplan Aussagen zur notwendigen Mittelhöhe enthalten soll.

Meine Damen und Herren, der Radtourismus ist eine Wachstumsbranche. Für Mecklenburg-Vorpommern ist er besonders wichtig, denn wir wollen ja Gesundheitsland

Nummer eins werden. Aber wie Sie alle wissen, geht es beim Radverkehr nicht nur um die Touristen. Das Fahrrad und die dafür notwendige Infrastruktur werden zukünftig als Teil einer vernetzten und integrierten Verkehrsplanung für unsere ganzjährig hier lebende Bevölkerung eine deutlich größere Rolle spielen müssen. Die Voraussetzungen dafür sind bei Weitem noch nicht vorhanden. Das, was der Antrag vorschlägt, sind wichtige Schritte, aber noch lange nicht das gesamte notwendige Maßnahmenpaket. Trotzdem, wir unterstützen den Antrag. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Seidel von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass das Thema Radwege oder ein Radwegenetz nicht nur touristisch eine hohe Bedeutung hat. Touristisch ist das sicherlich sehr wichtig. Wir wissen, dass jeder zweite Gast bei uns in irgendeiner Weise mit dem Fahrrad das Land erleben möchte. Ich glaube, dass mindestens eher noch deutlicher die Frage der Verkehrssicherheit inzwischen in den Vordergrund gerückt ist und dass zum Dritten auch die wirtschaftspolitische Bedeutung von Radwegen und Radverkehren nicht zu unterschätzen ist. Ich habe da Unternehmen vor Augen, die inzwischen vom 2-Mann-Betrieb aufgewachsen sind bis zu 20 Beschäftigten. Es ist erstaunlich, was sich dort abspielt, und insofern darf man, glaube ich, diesen Bogen einmal schließen.

Ich will auch noch einmal darauf hinweisen, dass es ja unterschiedliche Radwege gibt. Das spielt hier und da eine Rolle, aber das muss man wirklich wissen. Die Experten kennen das alles. Das sind einmal die touristischen Radwege, die irgendwo durch die Landschaft gehen und wo ich auch der Meinung bin, dass man schon eine anständige Decke braucht. Der Kampf, den wir früher geführt haben, dass man diese unseligen, ich muss wirklich sagen unseligen aufgeschlämmten Decken auch in feste Radwege umbaut – jetzt rede ich nicht vom Nationalpark oder so was, da kann das so geschehen, da soll Brechsand genutzt werden, gar keine Frage –,

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

aber außerhalb dieser Gegenden muss man schon etwas anderes anbieten. Das ist eine wichtige Geschichte.

Zum Zweiten gibt es die Radwege an den Bundes- und Landesstraßen. Hier sind eigentlich die Dinge relativ gut geklärt, das muss man ja sagen. Da gibt es nicht nur ein Ministerium, in dem Fall gibt es auch eine Landesstraßenbauverwaltung, die diese Wege nicht nur baut, sondern auch pflegt und instand hält. Das ist die große Schwierigkeit.

Und zum Dritten gibt es den ländlichen Wegebau, da hat der Landwirtschaftsminister eine wichtige Funktion über diese Strecken.

Sie sehen also, hier sind eigentlich drei Ministerien – das Wirtschaftsministerium, das Energieministerium oder Verkehrsministerium und der Landwirtschaftsminister – zuständig.

(Minister Dr. Till Backhaus: Auch, ja.)

Ich glaube auch, dass man mit Fug und Recht sagen kann, dass Mecklenburg-Vorpommern in diesem gesamten Bereich gut vorangekommen ist. Das stimmt. Es gibt Zahlen dazu, also allein ungefähr 2.000 Kilometer touristische Radwege, 2.200 Kilometer Radwege an den Bundes- und Landesstraßen. Das kann man oder muss man deutlich hervorheben. Bei den touristischen würde ich gerne mal Berlin–Kopenhagen nennen. Das ist ein Weg, an dem ich zufälligerweise wohne. Der ist so sehr genutzt, das ist erstaunlich, und an diesem gesamten Weg spielt sich auch viel Wirtschaftsentwicklung ab. Man kann da wirklich studieren, wie die Wirkung solcher Einrichtungen am Ende ist.

Das Problem, was auch zu diesem Abrutschen vom 3. zum 7. Platz geführt hat, ist in erster Linie die Frage der Unterhaltung. In der Tat ist diese Geschichte etwas schwierig, um es mal vorsichtig auszudrücken, und sie hat etwas damit zu tun, ich sagte es schon, dass es bei den Wegen an Bundesstraßen und Landesstraßen eine funktionierende Verwaltung gibt, aber es gibt sie so eigentlich nicht bei den touristischen Radwegen, da sind die Landkreise und die Kommunen, die Gemeinden zuständig. Jetzt muss man natürlich fairerweise an dieser Stelle sagen, dass es sicherlich auch ein bisschen verständlich ist, dass sich die Landkreise in den letzten fünf Jahren nicht so sehr mit der Unterhaltung oder dem Neubau von Fahrradwegen befasst haben, sondern sich selber zunächst erst mal sehr stark neu sortieren mussten. Das weiß ich ganz konkret oder da kenne ich ganz konkrete Dinge, die dazu geführt haben, dass wir hier leider Defizite konstatieren müssen.

Was muss aus meiner Sicht getan werden?

Ich glaube erstens, dass die Frage der straßenbegleitenden Wege, da wiederhole ich mich jetzt, nicht unser Hauptthema ist. Das wird immer so sein, dass man sagt, es wird zwar gebaut, aber mein Weg muss der erste sein. Das kriegen wir auch nicht in den Griff, das wird immer so bleiben. Aber da wird gebaut, da wird unterhalten, das kann man auch besichtigen.

Zum Zweiten müssen die Landkreise und Gemeinden ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Landkreise haben vor allem eine koordinierende Funktion, dann klappt das auch, weil man sich für die Gemeinden dort engagiert, das heißt Planungsfragen übernimmt. Das können Gemeinden selbst nicht. Und auch das gemeindeübergreifende Element spielt natürlich eine große Rolle. Insofern fällt den Landkreisen hier wirklich eine große Bedeutung zu und die muss man anmahnen, da muss man helfen, dass die auch wahrgenommen wird.

Ich glaube zum Dritten, dass in der Tat die Zusammenarbeit – die es ja gibt, das weiß ich auch, des Wirtschaftsministeriums, des Energieministeriums und des Landwirtschaftsministeriums, das Lückenschlussprogramm wurde genannt, das zwingt ja förmlich zur Zusammenarbeit mit dem Einsatz von 15 Millionen – vielleicht ein bisschen forciert werden kann oder ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit gebracht werden muss. Das, glaube ich, wäre auch ganz hilfreich.

Ich muss zum Vierten allerdings sagen, Herr Jaeger, der Antrag selbst hilft hier relativ wenig. Wir werden zum Bei- spiel eine Konferenz in der nächsten Woche machen. Also

wenn ich jetzt „wir“ sage, meine ich den ADFC und den Tourismusverband, der am 26.04. in Rostock über dieses Thema sprechen wird. Das Ministerium wird auch vertreten sein.

Der Antrag selbst – ja, was soll ich nun machen? Da sind zum Beispiel solche Sätze, da urteilen Sie mal bitte selbst: „Darüber hinaus ist die Durchführung von weiteren Maßnahmen anzustreben, die zu einer Erhöhung der Attraktivität im Bereich des touristischen Radverkehrs beitragen können.“ Ja, da kann ich mir was für kaufen.

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD)

Das sind Dinge, das hilft einfach nicht, das ist eine allgemeine Wertung. Lassen wir es! Okay.

(Heiterkeit und Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Geschichte mit runden Tischen hat ihre Bedeutung gehabt, das will ich ja gar nicht bestreiten. Das hilft aber hier nicht, denn es gibt ganz klare Zuständigkeiten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: An einzelnen Stellen.)

Hier müssen sich die finden, die für irgendetwas zuständig sind. Da kann man keine runden Tische einfordern.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)