Protocol of the Session on April 22, 2016

Herr Schulte, ich bin beim richtigen Antrag, weil wir ja bei der Frage sind:

(Jochen Schulte, SPD: Bettenförderung!)

Wo müssten wir investieren? Wo müssten wir investieren?

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Wir sind hier bei den Großprojekten.)

Und, sehr geehrte Damen und Herren, ein weiterer Punkt, den ich an der Stelle benennen will, ist, wir sind möglicherweise auch dabei, den Kredit zu verspielen, weil der große Schatz, weshalb viele, viele Menschen zu uns kommen und ihren Urlaub hier verbringen, sind die Natur und die Umwelt, das sind die weitgehend intakte Natur und Umwelt. Deshalb kommen die Leute nach Mecklenburg-Vorpommern. Das ist gut so und das muss auch so bleiben.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Fehlentwicklungen kann man sich wunderbar in den Nachbarländern an der Ostsee in Schleswig-Holstein oder auch an der Nordsee in Niedersachsen und Schleswig-Holstein anschauen. Da wurde uns an vielen Orten deutlich gemacht, wie man es nicht machen sollte.

Jetzt reden wir in der Tat – Herr Schulte hat darauf hingewiesen – über Hotelförderung, über Bettenförderung. Das ist ein interessanter Punkt, denn wenn wir das alles mal vorausstellen, die hervorragende Entwicklung, auf die ich gerade eingegangen bin, dann sollte man doch – und jetzt bin ich bei einem ökonomischen Argument – annehmen, dass sich zumindest in den touristischen Hochburgen Investitionen auch wirtschaftlich darstellen können, ohne dass es der öffentlichen Förderung bedarf.

Wir reden bei den vier Vorhaben, die wir angesprochen haben, zumindest in drei Fällen – Wismar, Ahlbeck und Waren-Müritz – von Städten und Vorhaben, die mitten in Tourismusgebieten liegen und die sich in der Vergangenheit hervorragend entwickelt haben. Ich stelle in diesem Zusammenhang folgende Fragen, vielleicht kann sie der zuständige Minister gleich beantworten: Warum braucht es denn Förderungen in Bereichen, von denen ich annehme, dass sie sich eigentlich wirtschaftlich tragen müssten? Und ist eine Förderung nicht eigentlich

dazu da, nur als Unterstützung, als Hilfe zu dienen? Ist es nicht eigentlich unser Ziel, dass der Markt es in dem Bereich selbst regelt? Das müsste übrigens ein CDUArgument sein. Ich bin sehr gespannt, was der Minister gleich sagt.

Die Landesregierung hat das übrigens in der Vergangenheit schon erkannt. Vielleicht war die Grundlage ein Bericht des Landesrechnungshofes aus dem Jahre 2010. Da ist nämlich die Hotelförderung untersucht worden, und der Rechnungshof kam damals zu einem für die Landesregierung relativ desaströsen Urteil, ich zitiere aus dem Rechnungshofbericht, 5. Wahlperiode, Drucksa- che 5/3996: „Insgesamt gewährte das Ministerium Ausnahmen sehr großzügig und durchweg ohne stichhaltige Begründung.“ Man bezog sich dabei auf die Hotelförderung, die die Landesregierung zu diesem Zeitpunkt ausreichte. Der Minister war damals noch nicht im Amt und dafür nicht zuständig, aber es gab einen deutlichen Hinweis des Landesrechnungshofes.

Der Landesrechnungshof wies auch darauf hin, dass er der Auffassung sei, es müsse eine eigene Förderrichtlinie für die Hotelförderung geben. Die gibt es bis heute nicht, aber immerhin hat die Landesregierung in ihren eigenen Förderrichtlinien, wie ich finde, richtige Feststellungen getroffen. Ich will dazu zwei Quellen benennen: Das eine ist die Richtlinie zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Da heißt es unter Punkt 5.13 e), ich zitiere: „Investitionen, die zur Schaffung zusätzlicher Bettenkapazitäten getätigt werden“, sind „nicht zuwendungsfähig“. „Zuwendungsfähig sind hingegen Investitionen in so genannte Zusatzangebote, wie zum Beispiel Wellness, Tagung und Sport.“

Das ist ein interessanter Punkt, wenn wir jetzt nicht über die Hotels reden, weshalb Investoren natürlich auf den kreativen Gedanken kommen, wie beispielsweise in Lohme, ich setze da ein Wellnesshotel hin, schaffe zusätzlich 400 Betten und habe zumindest einen relevanten Förderaspekt drin. Ich glaube, Sie nehmen hier die falsche Weichenstellung vor. Aber immerhin kommen Sie zu dem Ergebnis und sagen, es sollen keine Betten mehr gefördert werden. Das findet man auch in der Fibel für Förderinstrumente des Ministeriums für Wirtschaft, Bau und Tourismus. Dort heißt es, ich zitiere wieder: „Investitionen zur Schaffung zusätzlicher Bettenkapazitäten werden nicht gefördert.“

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Das gibt es schon länger.)

Ja, das gibt es schon länger. Seit dem Jahr 2013 steht das hier drin. Das ist völlig korrekt. Darunter steht übrigens, das will ich nicht verschweigen, Herr Waldmüller: „Ausnahmen von den vorgenannten Einschränkungen sind bei Vorliegen besonderer Struktur- und Beschäftigungseffekte möglich.“

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Auch das.)

Und jetzt haben wir in der Tat nach der Kleinen Anfrage meiner Fraktion eine, wie ich finde, hochinteressante Reaktion des Ministers erfahren. Für mich selbst war es sehr überraschend, dass das Wirtschaftsministerium nach wie vor offensichtlich plant und erwägt oder zumindest prüft, vier Großhotelanlagen zu fördern. Neben der offensichtlich schon bewilligten in Neubrandenburg sind

es die gerade genannten in Waren, auf Usedom und als dritte in Wismar.

Diesen Ausnahmetatbestand, den ich gerade beschrieben habe, erklärt der Minister vor der Kamera wie folgt, ich zitiere: „‚diese Aussage‘“, keine Bettenförderung, „‚stimmt grundsätzlich schon‘. Aber es komme auf eine EinzelfallEntscheidung an, vor allem auf die Frage, ob in der jeweiligen Region noch Potenzial vorhanden sei. Und jeder Fall sei anders“. Das ist ein Freifahrtschein, wenn man es so interpretiert.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist der Grundsatz bei einer Einzelfallprüfung.)

Da ist es völlig egal, was ich in irgendwelche Förderrichtlinien reinschreibe, da zieht Willkür ein, da kann ich alles fördern, was ich in dem Zusammenhang will. Sie verletzen einen Grundsatz, den Sie seinerzeit vor vielen Jahren offensichtlich schon erkannt haben. Jetzt laufen Sie wieder mit den Fördertöpfen durch die Gegend und fördern alles, was nicht schnell genug Beine hat, um wegzulaufen und eine Förderung zu kriegen.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Das ist eine böswillige Interpretation von Ihnen, Herrn Suhr.)

Alles, was eine Hotelförderung im Augenblick beinhaltet, wollen Sie fördern. Die engen Kriterien, die Sie einmal definiert haben, weil Sie gesagt haben, es reicht vor dem Hintergrund der guten touristischen Entwicklung – und eigentlich müssten die wirtschaftliche Entwicklung, die Gastronomie und Hotellerie sich selbst tragen, insbesondere in den touristischen Schwerpunktbereichen –, die verletzen Sie damit.

Vor dem Hintergrund, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir Ihnen diesen Antrag vorgelegt, aus dem zu entnehmen ist, dass wir glauben, dass in anderen Bereichen viel eher eine nachhaltige touristische Förderung sinnvoll und notwendig ist. Aber die Investitionen in Bettenburgen tragen wir nicht mit. Ich hoffe, dass dies ein relevanter Teil dieses Landtages auch so sieht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Suhr, es ist schon eine sehr interessante Interpretation, die Sie hier vortragen. Sie haben es ja selbst zugegeben, dass einerseits die Ausnahmen, einmal die Frage der Struktur und die Frage der Arbeitsplätze, wichtig sind, andererseits geht es um Wellness, Tagungsorte et cetera. Es geht aus unserer Sicht natürlich in besonderer Weise um saisonverlängernde Maßnahmen. Früher hatten wir eine Saison, die war fünf Monate, maximal sechs Monate lang, heute kann man von neun oder zehn Mona

ten sprechen. Das ist ein Erfolg der Förderpolitik der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns, speziell des Wirtschaftsministeriums, und das über Jahre.

Wir haben über 400 Hotels im Land, das ist völlig richtig. Jetzt aber den Präzedenzfall aufzumachen an der Frage „Keine Förderung für aktuell beantragte Hotel-Großprojekte“, das können wir nicht einhalten, schon weil wir in Neubrandenburg fördern werden. Und davon lasse ich mich auch nicht abbringen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Sehr richtig.)

Denn der Markt ist in Neubrandenburg so gestaltet, dass man dort ein Tagungshotel errichten muss, zumal das Radisson zurzeit ja geschlossen ist.

Ich will noch auf eins hinweisen: In den letzten Jahren sind Bettenkapazitäten eher abgebaut anstatt aufgebaut worden. Also, Herr Suhr, da sind Sie nicht ganz auf dem aktuellen Stand.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Ja, ich weiß es. Es wird ja nicht zu Ende gelesen bei den GRÜNEN. Da werden nur die Umwelt und die Natur herangezogen, aber nicht die Frage, was für das Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern insgesamt wichtig und richtig ist

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Darf ich Ihnen ein Taschentuch leihen?)

und wie wir unsere Spitzenposition in Deutschland und in Europa weiter ausbauen und festigen können. Das wird dann sozusagen mit einem Radwegekonzept kurz mal begleitet und abgelenkt. Also ich finde, das ist nicht zu Ende gedacht von den GRÜNEN.

Wir als Landesregierung und als Große Koalition lassen uns von unserem richtig erkannten Weg nicht abbringen, denn wir sind die beliebteste Urlaubsdestination für Familien und Kinder in Deutschland. Der touristische Erfolg der letzten Jahre ist von Ihnen ja kurz beschrieben worden. Es wäre mir eigentlich wichtig, dass Sie den auch mal richtig rauschend feiern. 29,5 Millionen Übernachtungen, fast 7,5 Millionen Gäste in Mecklenburg-Vorpom- mern bei einer Einwohnerzahl von 1,6 Millionen – das ist schon hervorragend.

Und was sagen die Gäste in besonderer Weise? Sie können sich hier gut erholen, sie haben viele Angebote: von Musik über Wellness und Bademöglichkeiten bis hin zu kulturellen Angeboten. Das ist die Vielfalt, auf die wir setzen. Wir haben auch das eine oder andere Großprojekt. Ich will nur mal an das Darwineum erinnern oder an das Polarium. All diese Projekte tragen sich und sind wirtschaftlich auf einem guten Weg. Wenn das so weitergeht, dann würden Sie das Meereskundemuseum in Stralsund wahrscheinlich auch noch zerreden wollen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: So ein Quatsch!)

Ich unterstelle Ihnen auch mal was. Sie unterstellen uns ja, dass wir in der Frage der Entwicklung des Landes zu kurzsichtig denken. Großprojekte kommen für Sie nicht infrage. Ich sage Ihnen, diese Großprojekte haben zu

mindest eine Gesamtinvestition von 120 Millionen Euro, das heißt, dass das Vertrauen der Unternehmen und das Vertrauen der Projektentwickler auch weiter in der Vermarktung steckt und dass man glaubt, in dieser Richtung noch das eine oder andere bewegen zu können.

Sie haben Wismar angeführt, das ist bei mir gar nicht auf der Liste. Sie meinen wahrscheinlich die Weiße Wiek. Da gibt es Bettenkapazitäten von über 1.000, aber das steht schon alles, das ist ja schon vorhanden. Also ich weiß nicht, ob Sie da nicht ein bisschen auf dem Holzweg sind. Die Frage, die wir beantwortet haben und wozu das Förderinstitut Ihnen etwas aufgeschrieben hat, ist: Ahlbeck, Neubrandenburg, Prora und Waren.

Ich sage es Ihnen hier noch mal, wir gucken uns wirklich jeden Einzelfall genau an und entscheiden dann, nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, sondern mit den Regionen, mit den zuständigen Gemeinden und auch mit dem zuständigen Landkreis, um die Dinge, wenn wir sie dann bescheiden, weitestgehend natürlich mit der großen Mehrheit und Unterstützung umzusetzen, wenn wir damit rechnen können. Das ist auch die erklärte Politik meines Hauses. Und ich will mich ausdrücklich bei allen Mitarbeitern, die dafür jeden Tag kämpfen, ob das die GRW ist, bedanken. Die Dinge werden diskutiert, die werden im Einzelnen angeschaut und da lassen wir uns von den GRÜNEN auf keinen Fall überholen.

Meine Damen und Herren, die Grundlagen der Förderung fußen natürlich auf ökologischen, aber auch ökonomischen Aspekten, das ist völlig klar.

(Egbert Liskow, CDU: Vor allem ökonomischen.)

Denn nur so kann man erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben. Und ich sage Ihnen noch eins: In Mecklenburg-Vorpommern leben 175.000 Menschen direkt oder indirekt vom Tourismus. Das sollten mittlerweile auch die GRÜNEN zumindest anerkennen, auch wenn Sie vielleicht damit nicht leben können.

Die Bettenauslastung ist in den letzten Jahren gestiegen und das spricht eigentlich dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das eine oder andere an Förderung, wenn es denn nötig ist, wird in das Gesamtkonzept gesteckt. Das muss nicht das Bett sein, da gibt es ganz andere Möglichkeiten. Sie haben es ja selbst erwähnt, dass man eben sagt, Wellness, Tagungsmöglichkeiten et cetera sind Dinge, die zu betrachten sind. Das Bett steht nicht unbedingt im Vordergrund, aber das Bett steht dann im Vordergrund, wenn man zum Beispiel Qualität verbessern will, und dann kann man auch eine Ausnahmegenehmigung machen. Aber grundsätzlich heißt es, das ist eine Einzelfallentscheidung. Dazu stehe ich auch und das würde ich, solange ich im Amt bin oder vielleicht auch länger, jederzeit weiter so machen. Und den GRÜNEN – weil sie ja immer Regierungsbeteiligung anstreben und davon reden, dass ihr Programm 30 Prozent wert sein soll –, ihnen könnte ich das Wirtschaftsministerium auf keinen Fall anvertrauen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Sehr richtig.)

Meine Damen und Herren, wir werden den Einzelfall mit Augenmaß entscheiden. Dafür sind die richtigen Weichenstellungen insgesamt weiter vorhanden, wir haben