Jetzt hat das Verfassungsgericht zugunsten zweier Cottbuser Grundstückseigentümer entschieden, dass hinsichtlich der brandenburgischen Rechtslage nicht rückwirkend für Altanschlüsse aus DDR-Zeiten zur Kasse gebeten werden darf. Inwieweit der Referentenentwurf, der jetzt vorliegt, dies berücksichtigt, inwieweit er die Missstände beseitigt, darüber kann man Prognosen abgeben. In meiner Kristallkugel sieht es, würde ich sagen, eher schlecht aus. Aber ein Basisgebot der Fairness ist wohl, dass man den überhaupt erst mal liest. Das habe ich noch nicht getan, werde ich aber zur nächsten Landtagssitzung erledigt haben. Dann werden wir unsere Meinung dazu sagen.
Und was den Antrag der LINKEN betrifft, der ist angesichts der Tatsache, dass die Debatte im nächsten April stattfindet, in der Tat überflüssig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen! Sie behaupten hier, der Gesetzentwurf liegt allen Fraktionen vor. Sie reden über einen Gesetzentwurf, den wir nicht kennen. Deshalb frage ich die Landtagspräsidentin, welche Drucksachennummer dieser Gesetzentwurf hat.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, richtige Frage. Das Parlament hat der Gesetzentwurf noch nicht erreicht.)
Sollte der Gesetzentwurf des Kabinetts vom Dienstag auch nur in etwa dem Referentenentwurf vom November entsprechen,
zu Sachsen-Anhalt verloren wurde. Vielleicht sollten Sie noch schnell Kontakt zu Ihrer Koalition in Sachsen-Anhalt aufnehmen, denn das könnte ab Montag schon überholt sein.
Meine Damen und Herren, meine Einbringungsrede habe ich beendet mit einem Appell in drei Richtungen: erstens an die Landesregierung, unverzüglich eine umfassende Prüfung der Rechtslage nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum KAG Brandenburg vorzunehmen
sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum KAG Mecklenburg-Vorpommern vom 15. April 2015 endlich umzusetzen.
Vorpommern bis heute nicht geschafft hat, eine zeitliche Obergrenze zu definieren, bis zu der mit einer Heranziehung von Beiträgen zu rechnen ist, dann verletzt auch dies
nämlich den verfassungsmäßigen Grundsatz der Rechtssicherheit. Hier bleibt der vorliegende Antrag aktuell.
Der zweite Appell richtete sich an alle von der Beitragsproblematik betroffenen Bürgerinnen und Bürger, den Fristablauf am 17. März, also in einer Woche, zu beachten. Das betrifft mögliche Rückerstattungsansprüche oder Widersprüche gegen Bescheide. Hierfür gilt eine Frist von drei Monaten ab Kenntnis der Änderung der Rechtslage. Wenn man unterstellt, dass diese Kenntnis in dem Moment der Beschlussveröffentlichung erfolgte, also am 17.12.2015, dann läuft die Frist für die möglicherweise Betroffenen am 17. März aus. Und hier ist abschließend darauf hinzuweisen, dass sich gerichtliche Entscheidungen immer auf bestimmte Einzelfälle beziehen und dass die Rechtslage entgegen aller anderslautenden Pressemitteilungen keineswegs als abschließend geklärt angesehen werden kann.
Mein dritter Appell richtete sich an die kommunalen Aufgabenträger, anhängige Entscheidungen bis zu einer rechtlichen Klärung auszusetzen. Wir konnten heute viel darüber hören, dass die Rechtslage in MecklenburgVorpommern beim KAG mit Brandenburg nicht zu vergleichen sei. Wir teilen diese Auffassung nicht. Meine Argumentation ist jetzt aber eine andere. Deshalb werde ich noch einmal langsam und deutlich aus dem CDUSPD-Antrag aus Sachsen-Anhalt zitieren.
Zitat: „Der Landtag von Sachsen-Anhalt bittet die Landesregierung um rechtliche Prüfung, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. November 2015 … Auswirkungen auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt hat. Dabei ist sich der Landtag im Klaren darüber, dass sich die Rechtslage in Sachsen-Anhalt von der in Brandenburg erheblich unterscheidet. Bei der Prüfung soll es vordergründig um die Frage gehen, welche Auswirkungen die Abwägungen des Bundesverfassungsgerichtes zwischen dem Vertrauensschutz für die Beitragspflichtigen einerseits und den fiskalischen Interessen der Beitragsgläubiger andererseits … haben.“
(Heinz Müller, SPD: Und das hat die Landesregierung hier betrachtet. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Hier hat sie gar nichts betrachtet.)
Hier endet der Antrag von CDU und SPD im sachsenanhaltischen Landtag aber noch lange nicht. Deshalb zitiere ich weiter, Zitat: „Der Landtag begrüßt die Ankündigung des Ministeriums für Inneres und Sport, bis zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen bezüglich der Regelungen zur zeitlichen Obergrenze für die Beitragsfestsetzung … die kommunalen Aufgabenträger zu bitten, die Entscheidungen über anhängige Widersprüche und über die sofortige Vollziehung von Beitragsbescheiden … auszusetzen … und die entsprechende Vorgehensweise kommunalaufsichtlich zu dulden.“ Zitatende.
Meine Damen und Herren, noch im Dezember hatte der Innenstaatssekretär in Sachsen-Anhalt übrigens ein derar
tiges Anliegen abgelehnt. Der Innenminister hingegen hat inzwischen den entsprechenden Runderlass herausgegeben. Auch in diesem Punkt hat der vorliegende Antrag nach der Aussprache also nichts an Aktualität eingebüßt.
Darüber hinaus stehen weitere Fragen im Raum: Wie bewertet die Landesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 einschließlich der Folgen, die sich daraus für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wasser- und Abwasserzweckverbände, die Kommunen und das Land ergeben? Wird die Landesregierung zusammen mit den Kommunen ein Verfahren zum weiteren Vorgehen festlegen? Hat das Land gegebenenfalls gegenüber den Kommunen eine finanzielle Einstandspflicht? Und wie schätzt die Landesregierung das sogenannte Gebührensplitting ein, bei dem die Gruppe der Beitragszahler niedrigere und die Gruppe der Nichtbeitragszahler höhere Gebühren entrichtet? Diese und weitere Fragen verlieren nach unserer Auffassung nichts von ihrer Berechtigung, nur weil sie von der CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag gestellt wurden und von einer rot-roten Landesregierung beantwortet werden sollen.
Gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung: Der vorliegende Antrag meiner Fraktion ist und bleibt nicht zuletzt deshalb aktuell, weil die notwendigen verfassungsrechtlichen Überlegungen auch dazu führen können, dass unser OVG Greifswald bisherige Standpunkte überdenkt und auch überdenken muss.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das sagen Sie mal den Richtern, dass sie ihren Standpunkt überdenken müssen!)
Die stärkere Orientierung des Bundesverfassungsgerichts auf den Vertrauensschutz der Eigentümer könnte zu der OVG-Erkenntnis führen,
dass auch unsere Abgabenpraxis verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht mehr entspricht. Hier sollte der Landesgesetzgeber seine Verantwortung nicht auf das Gericht abschieben.
In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal ausdrücklich auf den offenen Brief, der ja schon genannt worden ist,
des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer vom 7. März an die Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und GRÜNEN im Landtag von Mecklenburg-Vorpom- mern verweisen. Auch daraus zitiere ich gern. Zitat: „Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 im übrigen war dieser Tage dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ‚wichtiger
Grund‘, dem Antrag auf Ruhen der Musterverfahren zuzustimmen, die der VDGN um Altanschließerbeiträge im Gebiet des Zweckverbandes Sude-Schaale führt. Es gibt also gute Gründe daran zu zweifeln, daß die Praxis der Erhebung von Altanschließerbeiträgen in Mecklenburg-Vorpommern den Normen des Grundgesetzes ent
spricht und bei einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Das sollten Sie, die dem Land die Gesetze geben, wissen und bedenken.“ Zitatende.
Meine Damen und Herren, man muss die Konsequenzen beziehungsweise die Bewertung, die der VDGN vornimmt, nicht teilen, aber die Zweifel an der gängigen Abgabenpraxis in unserem Land, die zunehmend auch unser OVG ergreifen, sprechen für den vorliegenden Antrag. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Dieses Thema bewegt mich schon eine ganze Ewigkeit. Begonnen hat das Ganze in meiner Zeit als Oppositionspolitiker