Protocol of the Session on March 11, 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 116. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 30: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern unverzüglich rechtssicher ausgestalten, auf Drucksache 6/5200.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Kommunalabgabengesetz Mecklenburg- Vorpommern (KAG M-V) unverzüglich rechtssicher ausgestalten – Drucksache 6/5200 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Jeannine Rösler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch in Mecklenburg-Vorpommern gehören die Kommunalabgaben zu den besonders intensiv geregelten beziehungsweise ausgeurteilten Rechtsbereichen. Gleichzeitig beschädigen besonders häufige Rechtsänderungen oder Rechtssprüche gerade im Abgabenrecht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit von Belastungen. Verschärfend kommt hinzu, dass nicht nur innerhalb unseres Landes, sondern auch in den Bundesländern im Einzelnen höchst unterschiedliche Rechtsansichten zur Beitragspflicht vertreten wurden und werden. Der Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist dieser Umstand wenig zuträglich.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich den vorliegenden Antrag neben der schriftlichen Begründung mit drei Anmerkungen erläutern, und das in möglichst einfachen Worten, die auch ich verstehe.

(Torsten Renz, CDU: Das wird schwierig. – Jochen Schulte, SPD: Das war jetzt gemein. – Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Am 5. März 2013 hat das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss zum bayerischen Kommunalabgabengesetz gefasst. Es hat festgestellt, dass das bayerische KAG gegen das Gebot der Rechtssicherheit verstößt, weil es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt festzusetzen. Ich zitiere das Gericht, Zitat: „Für die Auferlegung einer Beitragspflicht … ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten.“ Zitatende.

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, das war im Jahr 2013. Warum haben Sie damals nicht reagiert? Ich meine mich zu erinnern, dass es aus Ihrem Hause hieß, das alles sei mit unserer Rechtslage nicht vergleichbar. Dies in Erinnerung zu rufen, scheint mir vor dem Hintergrund aktueller Äußerungen wichtig. Am 15. April 2015 verkündete das Bundesverwaltungsgericht, dass das KAG Mecklenburg-Vorpommern dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht genügt, weil es keine zeitliche Höchstgrenze für eine Beitragserhebung festlegt.

(Torsten Renz, CDU: Dann können Sie ja froh sein, dass Sie noch ein Thema gekriegt haben.)

Das Gericht bezieht sich übrigens ausdrücklich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum bayerischen KAG. In der Urteilsbegründung zitiert das Gericht nebenbei unseren Kollegen Heinz Müller und unsere ehemalige Kollegin Gabi Měšťan. Eventuell werden ja auch unsere heutigen Ausführungen noch gerichtsrelevant.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU – Torsten Renz, CDU: Hoffentlich verstehen die das dann auch alles.)

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern hat also den Kopf in den Sand gesteckt, nicht auf das Urteil zum bayerischen KAG reagiert und dafür dann eine mächtige Klatsche vom Bundesverfassungsgericht kassiert. In Reaktion hierauf liegt unseren Fraktionen seit 5. November letzten Jahres ein Ressortentwurf zur Änderung unseres KAG zur internen Meinungsbildung und zur vertraulichen Behandlung vor.

(Torsten Renz, CDU: Und dann kommen Sie erst heute damit, ja?!)

Die Vertraulichkeit kann nicht ganz ernst gemeint sein, denn SVZ, „Ostsee-Zeitung“ und auch der „Nordkurier“ zitieren umfangreich aus dem Gesetzentwurf.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Warum aber, Herr Innenminister, gibt es zu dem am Dienstag verabschiedeten Kabinettsbeschluss zu einer Änderung des KAG keine Pressemitteilung der Landesregierung? Das ist ungewöhnlich.

Meine Damen und Herren, die zweite Anmerkung zielt auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 im Zusammenhang mit dem brandenburgischen KAG. Im Kern geht es darum, dass eine KAG-Änderung aus dem Jahr 2004 und entsprechende Beschlüsse des OVG Berlin-Brandenburg den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen und gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstoßen. Diese KAG-Änderung im Jahre 2004 in Brandenburg hat unser Landtag nahezu wortgleich bis hin zur Begründung im Jahre 2005 vorgenommen durch die Einfügung des Wortes „wirksam“,

(Torsten Renz, CDU: Wer hat da reagiert? Wer hat da reagiert?)

Paragraf 9 Absatz 3 Satz 1.

(Torsten Renz, CDU: Wer hat da reagiert?)

Meine Damen und Herren, aus dem Innenministerium ist zu erfahren, dass sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November lediglich auf die Rechtslage in Brandenburg und nicht auf MecklenburgVorpommern beziehe. Das dürfte uns allen sehr bekannt vorkommen, Stichwort „bayerisches KAG“. Nach meiner Lesart geht es aber nicht allein und nicht primär um die angegriffene brandenburgische Rückwirkungsregelung. Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Abgabenpraxis in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit einer anderen Feststellung erheblich ins Schwanken gebracht.

(Torsten Renz, CDU: Frau Gramkow hat das noch verhandelt damals.)

Ich zitiere das Gericht, Zitat: „Bei einer Gesamtabwägung hat der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz der Beschwerdeführerinnen nicht in hinreichendem Maß Rechnung getragen. … fiskalische Gründe“ – nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage – „rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung hier nicht“. Zitatende.

Meine Damen und Herren, übersetzt heißt dies: Die Belastungsklarheit für Eigentümer wiegt schwerer als das Finanzinteresse der Gemeinden. In Sachsen-Anhalt wird die Fraktion DIE LINKE Verfassungsklage einreichen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist klar, weil Sie da in der Opposition sind.)

Der dortige CDU-Innenminister hat diese Absicht ausdrücklich begrüßt.

(Torsten Renz, CDU: Aha! Donnerwetter!)

Verkehrte Welt! Und die CDU-SPD-Koalition hat im Landtag von Sachsen-Anhalt folgenden Antrag beschlossen, Zitat: „Der Landtag von Sachsen-Anhalt bittet die Landesregierung um rechtliche Prüfung, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12. November 2015 … Auswirkungen auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt hat.“

(Torsten Renz, CDU: Na klar, die wollen vor der Landtagswahl Zeit gewinnen.)

„Dabei ist sich der Landtag im Klaren darüber, dass sich die Rechtslage in Sachsen-Anhalt von der in Brandenburg erheblich unterscheidet.“

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

„Bei der Prüfung soll es vordergründig um die Frage gehen, welche Auswirkungen die Abwägungen des Bundesverfassungsgerichtes zwischen dem Vertrauensschutz für die Beitragspflichtigen einerseits und den fiskalischen Interessen der Beitragsgläubiger andererseits … haben.“ Zitatende.

Nach einer derartigen Prüfung wäre der KAG-Entwurf unseres Innenministers letztlich wohl Makulatur, denn er argumentiert gerade nicht abwägend, sondern begründet sich mit noch einzutreibenden 37 Millionen Euro.

Meine letzte Anmerkung ist ein dreifacher Appell: erstens an die Landesregierung,

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

unverzügliche Prüfung und Schaffung klarer Regelungen, zweitens an die Bürgerinnen und Bürger, soweit noch nicht getan, den Fristablauf für mögliche Widersprüche am 17. März zu beachten, drittens an die kommunalen Aufgabenträger, bis zur rechtlichen Klärung Entscheidungen über anhängige Widersprüche auszusetzen. Mehr zu den praktischen Konsequenzen und möglichen Alternativen dann gern in der Aussprache. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Rösler.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Lorenz Caffier. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Liebe Kollegin Rösler, zunächst erst mal Folgendes: In Anbetracht dessen, dass wir das auf der Tagesordnung haben, was die Woche beschlossen worden ist, brauchen Sie nicht zwei Pressemitteilungen zu machen. Wir reden heute über den gleichen Komplex. Ich werde mich auch sehr kurzfassen. Ihnen liegt der Gesetzentwurf vor, er ist ja von der Staatskanzlei zugeleitet worden. Insofern reden wir über einen Antrag, der an und für sich erledigt ist, weil der Gesetzentwurf verabschiedet worden ist.

(Zuruf aus dem Plenum: Sehr richtig.)

Ich will trotzdem zwei/drei Worte verlieren, denn den eigentlichen Inhalt des Gesetzes werde ich selbstverständlich in der nächsten Landtagssitzung im Rahmen der Einbringungsrede begründen. In den Ausschussberatungen – davon kann ich fest ausgehen – werden sich die Fraktionen natürlich intensiv mit dem Gesetz befassen und sich auch einbringen. Ich gehe davon aus, dass das Gleiche für die Fraktion DIE LINKE gilt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ob wir das noch schaffen bis zum Ende? Ich weiß es nicht.)

Ich möchte trotzdem kurz auf die Interpretation des Bundesverfassungsgerichts vom November 2015 eingehen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Zeit ist viel zu knapp für das alles.)

Liebe Frau Rösler, der besagte Beschluss bezieht sich auf das KAG in Brandenburg – so weit, so richtig. Zwar waren die ursprünglichen Kommunalabgabengesetze von Mecklenburg-Vorpommern und von Brandenburg sehr ähnlich, sie waren nicht gleichlautend und es wurde nicht nur ein Wort ersetzt, allerdings wurden sie von den jeweiligen Gerichten – auch darauf sind Sie kurz eingegangen – unterschiedlich ausgelegt. Das führte dazu, dass die jeweiligen Änderungen bei uns und in Brandenburg nur auf wirksame Satzungen abzustellen sind und dann unterschiedliche Auswirkungen hatten. Das ist schon ein gravierender Unterschied zwischen der Gesetzgebung in Brandenburg und der Gesetzgebung in Mecklenburg-Vorpommern. Bei uns war es eine Klarstellung, weil es der Rechtsprechung entsprach.

Herr Minister, es tut mir ganz doll leid, aber wir müssen die Sitzung kurz unterbrechen. Wir haben hinten keinen Ton, das heißt, es wird nichts aufgezeichnet. Ich muss jetzt für fünf Minuten unterbrechen und wir müssen dann noch mal neu starten, sonst wird all das, was Sie in Ihrer Rede ausführen, nicht aufgenommen.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Frau Rösler auch?)