Protocol of the Session on March 9, 2016

(Stefan Köster, NPD: Wir zweifeln dran.)

Ein Bild von einem Bundesland, das seine Gäste mit offenen Armen aufnimmt und das seine Gäste und auch die Flüchtlinge, die in ihrer Not zu uns kommen, willkommen heißt, das möchte ich gern gemeinsam mit Ihnen

zeichnen. Dazu passen keine braunen Kader mit einem viel zu engen Weltbild und einer Mauermentalität, die inhuman und ausgrenzend ist.

Es ist ernst zu nehmen, wenn auch die Wirtschaft vor den Folgen des Fremdenhasses warnt. Es ist ernst zu nehmen, wenn der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Ostdeutschen Unternehmerverbände und Berlins, Hartmut Bunsen, in der Wochenzeitung „Die Zeit“ unter Hinweis auf die rechtsextremistisch motivierten Aktivitäten vor „irreparablen Imageschäden“ für Ostdeutschland warnt. Sehr geehrte Damen und Herren, es ist daher wichtig, dass wir gemeinsam mit allen legitimen Mitteln dagegenhalten. Es ist wichtig, dass wir uns auch durch Gewalt nicht einschüchtern lassen. Ich kann sagen – und da bin ich sehr sicher, dass das von allen demokratischen Fraktionen ausgeht – an die Herren an der Fensterfront: Wir werden uns nicht einschüchtern lassen,

(Gelächter bei Stefan Köster, NPD)

weder von Hetze noch von Gewalt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wichtig, dass wir auf die Straße gehen, wenn Rechte versuchen, die Straße für sich zu vereinnahmen. Sehr geehrte Damen und Herren, nur so können wir deutlich machen: Rechte Gewalt und Hetze haben in Mecklenburg-Vorpommern keinen Platz! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Suhr.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dagmar Kaselitz für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! „Übergriffe auf Flüchtlinge sind Schande für das ganze Land“, so das Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Sucht man nach einer Begriffserklärung, ist Folgendes zu finden: „Schande … bezeichnet einerseits den Verlust von Ansehen und Ehre, andererseits die Ursache für diesen Verlust. Schande kann lediglich subjektiv empfunden sein … oder von außen durch Verachtung, Geringschätzung oder Bloßstellung induziert und sanktioniert werden. … Meyers Konversations-Lexikon definierte 1909 ,Schande‘ im Gegensatz zur ,Ehre‘ als ,Missachtung, die denjenigen trifft, der durch sein Verhalten die Sittlichkeit, die gute Sitte oder die Forderungen der … Ehre verletzt.‘“

(David Petereit, NPD: Dann hätten wir auch alle Wikipedia lesen können.)

Deutschland genießt in Europa und weltweit durchaus große Anerkennung als demokratischer Staat, als geachteter Wirtschaftspartner, als sozialer Staat, der sich seiner Kultur und Geschichte verpflichtet fühlt, als Staat mit einer Innen- und Außenpolitik, die das Ziel der Friedenssicherung und der Erhaltung unserer natürlichen Umwelt verfolgt. Deutschland ist bekannt als Staat, in dem Menschenrechte anerkannt und umgesetzt sowie nationale und internationale Vereinbarungen eingehalten werden. Nicht unser ganzes Land hat Schande auf sich geladen.

Als Schande erkennen wir aber das Verhalten, die Handlungen oder die öffentlichen Äußerungen von einzelnen Menschen, von Gruppen, von Parteien,

(David Petereit, NPD: Bundeskanzlerin.)

die sich gerade in der jetzigen angespannten Lage im ganzen Land gegen Flüchtlinge, Schutzsuchende und Menschen mit Migrationshintergrund richten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Die aktuellen, medial mit sehr großer Aufmerksamkeit begleiteten Übergriffe in Sachsen sind Anlass für diese heutige Aussprache. In der letzten Woche nahm ich an der Konferenz der Sprecherinnen und Sprecher für Migration und Integration meiner Partei teil. Wir trafen uns in Dresden, der Hauptstadt von Sachsen. Berichtet wurde vor Ort von 480 Gewalttaten gegen Flüchtlinge, Asylsuchende und deren Unterkünfte im letzten Jahr mit steigender Zahl.

Vom stellvertretenden Ministerpräsidenten und Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr der Freistaates Sachsen Martin Dulig wurde festgestellt, dass besonders die rechte Bewegung in Sachsen unterschätzt und das Problem lange kleingeredet wurde. Inzwischen muss festgestellt werden, dass das, was mit und durch Pegida und die rechte Szene in Sachsen passiert, besonders dem Ansehen Dresdens schadet und auch zu erheblichen ökonomischen Problemen führt, wenn man allein die stark zurückgehenden Besucherzahlen der Stadt betrachtet.

Über die Landesgrenzen hinaus erfolgt aktuell eine oft einseitige Berichterstattung, die alle Anstrengungen bei der Umsetzung einer soliden Flüchtlingspolitik überschattet. Dabei sind in Sachsen ebenso wie anderenorts in Deutschland viele Menschen ehrenamtlich und in ihrer beruflichen Profession für Geflüchtete, die entsprechend den Quoten nach dem Königsteiner Schlüssel auch dort ankommen und zum Teil bleiben, engagiert im Einsatz. Es wurde eine Integrationsministerin eingesetzt. Ein Lenkungsausschuss zur Integration ist unter Beteiligung der Kommunen tätig. Es wurden zum Beispiel Wegweiser- kurse in Erstaufnahmeeinrichtungen eingerichtet. Auch in Sachsen sollen Lücken beim Spracherwerb effektiv geschlossen werden und die Arbeitsmarktmentoren haben ihre Arbeit aufgenommen.

In der Aus- und Weiterbildung in der öffentlichen Verwaltung werden Aspekte der interkulturellen und politischen Bildung Inhalt werden. Ein Format, mit dem Fragen der Menschen vor Ort aufgenommen werden sollen, ist dort die Küchentischdiskussion. Eine Dresdner Unternehmerin entwickelte die europaweit erste Software für Flüchtlinge. Sie investierte Zeit und viel Geld in eine WelcomeApp, die Flüchtlinge in fünf Sprachen herunterladen können. So erfahren sie, welche Behörden und Dokumente wichtig sind, wie wir uns verhalten und was in Deutschland höflich ist und was nicht.

Übrigens ist das bundesweite Netzwerk für Demokratie und Courage eine Idee aus Sachsen. Der derzeitige erste Vorsitzende stammt auch aus diesem Bundesland.

Wir alle wurden gebeten, darauf hinzuwirken, dass bei durchaus berechtigter Kritik und Verurteilung von Geschehnissen in Sachsen immer ganz konkret adressiert

wird, an wen sie sich richtet. Die Menschen in Sachsen wollen ihre ehrliche politische Heimat schaffen, ohne sich dabei missbraucht zu fühlen. Wenn dann eine Gruppe von Menschen in Clausnitz einen Bus belagert und die Flüchtlinge darin in Angst und Schrecken versetzt,

(Stefan Köster, NPD: Sie nennen das doch immer Zivilcourage.)

durch Brandstiftung eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Bautzen zerstört wurde

(Michael Andrejewski, NPD: Was sagen Sie denn zu Köln?)

und Sachsens Ministerpräsident sich mit den Worten äußert: „Das sind keine Menschen, die so was tun. Das sind Verbrecher. Widerlich und abscheulich ist das“,

(Udo Pastörs, NPD: Das sind aber auch Menschen.)

dann kann ich mich dem nur anschließen.

(Udo Pastörs, NPD: Das sind auch Menschen.)

In gleicher Weise trifft das auf das ebenso schändliche Verhalten von Menschen in unserem Bundesland zu, seien es Hasstiraden auf Demonstrationen, Steine oder Feuerwerkskörper gegen Asylunterkünfte, Brandanschläge, körperliche Übergriffe oder Lügen und Verschwörungstheorien in sozialen Netzwerken. Es macht mich betroffen, wie gering die Hemmschwelle bei Menschen geworden ist, sich tätlich an Übergriffen zu beteiligen. Es macht mich betroffen zu erfahren, dass Menschen Beifall klatschen, wenn Häuser brennen. Es ärgert mich, wenn Opfer beschimpft werden und Täter ihrer gerechten Strafe entgehen oder die Öffentlichkeit über Aufklärung, Verurteilung und Strafen nur selten informiert wird.

Andererseits setzte ich große Hoffnungen in das konkrete Wirken und Handeln von vielen einzelnen engagierten Menschen, angefangen bei unserer Bundeskanzlerin über Ministerinnen und Minister auf Länderebene,

(Udo Pastörs, NPD: Vergessen Sie Frau Bretschneider nicht!)

Landes- und Kommunalpolitikerinnen und -politiker, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltungen, Behörden, Aufnahmeeinrichtungen, Betreuungsorganisationen, bei der Polizei, an Schulen und in den zahlreichen Initiativen im Land. Es gehört global zur menschlichen Grundmotivation, zu kooperieren, anderen zu helfen und Gerechtigkeit walten zu lassen. Nach Neurobiologen ist das sogar in uns biologisch verankert.

(Udo Pastörs, NPD: Oh!)

Helfen wir also einander, Tatsachen zu erkennen, Hintergründe zu erklären

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und getroffene Entscheidungen zu verstehen! Lassen wir in der gegenwärtigen Situation niemanden mit seinen Fragen allein! Berichten wir darüber, wie es uns immer besser gelingt, Schutzsuchende, die zu uns kommen, aufzunehmen und für die Zeit, die sie bei uns sind, gut zu

integrieren! Arbeiten wir auf allen Ebenen daran, gemeinsame Lösungen zur Bewältigung der vielfältigen Aufgaben zu finden und diese dann schnell umzusetzen!

Nach einem bemerkenswerten Vortrag letzten Samstag auf der Landeskonferenz „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ von Uli Jäger vom Institut für Friedenspädagogik aus Tübingen wurde mir noch stärker bewusst, es kann uns gelingen, das Thema der aktuellen Zuwanderung als Chance zu erleben. Wir erfahren gerade im Haupt- und Ehrenamt völlig neue Aspekte des Zusammenlebens, die auch als Bereicherung für die Persönlichkeitsentwicklung empfunden werden. Vielfach beginnen wir, unsere Vergangenheit neu zu bewerten. Aktuell machen wir uns mehr als zuvor Gedanken zu Menschenrechten, zur Menschenwürde, zur Gleichberechtigung. Es ist möglich, an vielen Orten mit den bisher fremden Menschen zu reden als nur über sie und so die Welt, aus der sie kommen, besser zu verstehen. Interkulturelle Bildung gewinnt an Bedeutung. Gerade jetzt lernen wir, unsere demokratischen Errungenschaften und unser Gemeinwohl ganz neu zu schätzen.

(Udo Pastörs, NPD: Errungenschaften!)

Wir erkennen, wie wir selber mitreden und mitgestalten können, auch auf politischer Ebene. Oft gelingt es inzwischen, vom Helfen zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe zu kommen.

(Udo Pastörs, NPD: Freundschaft.)

Immer besser werden wir künftig Mechanismen der Ausgrenzung entlarven. Wenn wir miteinander sprechen, können wir eine Radikalisierung verhindern.

Wir sind eine reiche, starke und sichere Gesellschaft. Ich danke denen, die hier menschlich und ehrlich mittun.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dabei werden wir aber immer schändliches, extremistisches, rassistisches, unmenschliches, ja, verfassungswidriges Verhalten aus tiefster Überzeugung ablehnen und verurteilen, und das auch immer wieder öffentlich. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Udo Pastörs, NPD: Bravo!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kaselitz.