Dann möchte ich noch einmal auf diese plötzlich nach den Neujahrsbegebenheiten diskutierten „Schutzmöglichkeiten für Frauen“ eingehen. Also das halte ich nun wirklich für blinden Aktionismus und das, finde ich, geht gleich überhaupt gar nicht. Wenn man etwas von den arabischen Staaten lernen kann, dann ja das: Dort, wo die Frauen immer mehr aus dem öffentlichen Bild verschwunden sind, weil man sie immer mehr verschleiert hat, immer mehr ihre Freiheiten eingegrenzt hat, fanden umso mehr Übergriffe statt. Das zeigen einige Belege ganz klar. Das kann für uns überhaupt kein Weg sein, jetzt hier und da eine Schutzzone für Frauen einzurichten. Verdammt noch mal, in einem Rechtsstaat bin ich als Frau überall dabei und muss mich nicht in der Öffentlichkeit fürchten, auch nicht in größeren Menschenansammlungen. Das fordere ich meinem Rechtsstaat einfach ab. Und wenn dazu auch der eine oder andere Straftatbestand neu eingeführt werden muss oder aber auch eine Strafe verschärft werden muss, dann soll es eben so sein.
Sie mögen in einigen Teilen recht haben, Frau Borchardt, manchmal ist es blinder Aktionismus, aber grundsätzlich zu sagen, keinerlei Strafverschärfungen, das lehne ich oder lehnen wir konsequent ab, und auch der Änderungsantrag der GRÜNEN ist da nicht besonders hilfreich. – Vielen Dank.
Also, Frau Tegtmeier, da haben Sie es sich ja zum Schluss leider ein bisschen leicht gemacht. Sie reden hier wirklich ganz, ganz lange Zeit zum Thema „Verschärfung des Sexualstrafrechts“ und wischen dann den Antrag der GRÜNEN sozusagen im Vorbeigehen einfach vom Tisch, der genau das fordert.
Ja, es tut mir leid, aber da kann man nur sagen, da haben Sie es sich sehr leicht gemacht. Schade, denn vielem konnte ich durchaus zustimmen, was Sie heute hier gesagt haben. Sie haben bloß offensichtlich die falsche Konsequenz daraus gezogen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Strafverschärfungen sind seit einigen Jahren das vorherrschende Motto der Kriminalpolitik. Bund und Länder überbieten sich derzeit in Strafverschärfungsinitiativen, wobei die jeweiligen Gesetze nicht mehr Strafrechtsänderungsge
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe da meine Zweifel bei der Wortwahl. Mehr Härte im Strafrecht führt entgegen einer weitverbreiteten Ansicht nicht zu mehr Effizienz im Sinne einer Rückfallvermeidung. Das Gegenteil ist der Fall, härtere Strafen erhöhen sogar die Rückfallquote. Das lässt sich der vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Studie mit dem Namen „Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen“, die zuletzt im Übrigen im Jahr 2013 veröffentlicht wurde, sehr gut entnehmen.
Darin heißt es, und ich zitiere hier: „Die zu einer freiheitsentziehenden Sanktion wie Freiheits- und Jugendstrafe ohne Bewährung Verurteilten weisen ein höheres Rückfallrisiko auf als diejenigen mit milderen Sanktionen wie Geldstrafe oder jugendrichterlichen Sanktionen.“ Zitatende.
Die Freiheitsstrafe ohne Bewährung weist eine Rückfallquote von knapp 50 Prozent auf, die Geldstrafe hingegen eine Rückfallquote von knapp 30 Prozent.
Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem Beispiel will ich Ihnen sagen, nicht jede Straferhöhung führt zu dem Ziel, das sich vielleicht die CDU wünscht, sondern genau zum Gegenteil, dass Sie nämlich sehr viel höhere Rückfallquoten haben und damit auch mehr Täter.
(Marc Reinhardt, CDU: Am besten gar keine Straftaten. – Beate Schlupp, CDU: Da besteht doch gar kein Zusammenhang.)
Na gut, darauf werde ich gar nicht eingehen. Ich glaube, das sprengt heute den Rahmen, deswegen fahre ich fort in meinem Redemanuskript.
Höhere Strafen haben auch keinen automatisch höheren Abschreckungseffekt. Wir hörten es heute schon.
Mehrere empirische Studien belegen, dass Abschreckung nicht automatisch funktioniert, weil die Täter glauben, nicht erwischt zu werden. Nur bei rational handelnden Tätern wird das Entdeckungs- und Bestrafungsrisiko mit einkalkuliert. Die meisten Straftäter operieren aber nicht rational, sondern handeln situations- und gefühlsbestimmt. Dazu möchte ich Heribert Ostendorf in der Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht zitieren. Ich zitiere: „Wenn Strafgesetze ver- schärft werden, um so nach Darstellung in der Politik den Schutz des Bürgers zu verstärken, so wird dem Bürger Sand in die Augen gestreut.“
Es lassen sich zehn Arten der Kriminalprävention unterscheiden: die Angstprävention, die Identitätsprävention, die Freizeitprävention, die sozialpsychologische Prävention, die sozialintegrative Prävention, die sozialökonomische Prävention, die Gewaltprävention, die situative Prävention, die Opferprävention und die Erziehungsprävention.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, anstatt sich einzig für Strafverschärfungen – zum Beispiel in Fällen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte – einzusetzen, sollte die Landesregierung vielmehr ihre Aktivitäten in allen diesen Bereichen ausweiten und nicht nur selektiv vorgehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte im Namen meiner Fraktion um die nach Ziffern getrennte Abstimmung des vorliegenden Antrages, und zwar jetzt nicht jede einzelne, sondern nach Ziffer I und nach Ziffer II. Das reicht uns aus. Und wenn ich höre, dass Sie gegen I überhaupt nichts einzuwenden haben, kann sich vielleicht auch die Koalition hinreißen lassen, hier zuzustimmen. Die unter Ziffer I des Antrages getroffenen Feststellungen können die GRÜNEN ohne Weiteres mittragen.
Soweit die Landesregierung unter Ziffer II des Antrages aber dazu aufgefordert wird, „künftig keine Initiativen in den Bundesrat einzubringen, die Strafverschärfungen zum Ziel haben und derartige Initiativen auch nicht zu unterstützen“, muss ich allerdings eine Einschränkung machen. Denn es gibt einen Bereich, in dem wir GRÜNEN eine Ausweitung der Strafbarkeit fordern, und zwar bei der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung.
Bisher muss gemäß Paragraf 177 Strafgesetzbuch für eine Vergewaltigung „Gewalt“ oder „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ oder die Ausnutzung einer schutzlosen Lage des Opfers gegeben sein. Das wollen wir GRÜNEN ändern. Wenn die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt wird oder gegen den erkennbar zum Ausdruck gebrachten Willen des Opfers gehandelt wird, soll nach einem Gesetzentwurf der GRÜNENBundestagsfraktion eine strafbare Tat vorliegen. Danach soll es keinerlei Gewaltanwendung oder anderer Nötigungsmittel seitens des Täters mehr bedürfen.
Die Unterstützung dieses Gesetzentwurfes im Bundesrat soll auch weiterhin möglich sein. Daher haben wir Ihnen zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt. Sollte dieser Änderungsantrag abgelehnt werden, können wir natürlich der Ziffer II in ihrer Absolutheit nicht zustimmen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den ersten Blick könnte man dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen.
Auch ich bin der festen Überzeugung, dass Strafverschärfungen weder ein geeignetes Mittel zur Kriminalprävention darstellen noch helfen, jedwedes Problem in Deutschland zu lösen. Diese Auffassung vertrete ich nicht erst seit heute, sondern seit vielen, vielen Jahren,
und Sie können mich auch nach wie vor mit der Aussage zitieren, dass wir in vielen Bereichen der Gesellschaft eher ein Vollzugsdefizit haben. Davon können nicht nur Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern ein sehr umfangreiches Lied singen.
Aber, meine Damen und Herren der LINKEN, damit hat sich dann auch unsere Übereinstimmung, denn erstens muss ich schon bei Ihrer durchaus interessanten und ambitionierten These schmunzeln
und damit auch widersprechen, wonach die Aufklärung von Straftaten potenzielle Täter abschreckt. Schön wärs! Was nützt es zum Beispiel, wenn ein Gericht den Strafrahmen nicht einmal ansatzweise auslastet und die Täter lediglich zu Streicheleinheiten verurteilt werden?
Dafür haben viele Menschen überhaupt kein Verständnis und darüber hinaus wirkt es für Polizistinnen und Polizisten nicht gerade motivierend.
Zweitens erschließt sich mir beispielsweise auch nicht, warum Sie sich in Ziffer II, Frau Borchardt …
Zweitens erschließt sich mir beispielsweise auch nicht, warum Sie sich in II von Ihrer in der Überschrift getätigten Aussage trennen. So macht es schon einen erheblichen Unterschied, ob ich erkläre, dass ich Strafverschärfung als Präventionsmaßnahme ablehne, oder wie Sie fordere, mich von jedweder Form der Strafverschärfung zu verabschieden, insbesondere dann, wenn Sie Rechtsentwicklung und Strafverschärfung in einen Topf werfen.
So stelle ich mir auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung, geprägt durch die Ereignisse der Silvesternacht, die Frage, wie Sie, meine Damen und Herren der LINKEN, dieser Herausforderung begegnen wollen. Wenn ich alle ernsthaften und sachlichen – und ich beziehe mich ausdrücklich auf diese – Kommentare zur Thematik zusammenfasse, so gab es kaum Hinweise auf ein Vollzugsdefizit, sondern eher Kritik an der Alltagstauglichkeit bestimmter gesetzlicher Bestimmungen. Diesem Problem, meine Damen und Herren der LINKEN, begegnet man aber nicht wie der Vogel Strauß und auch nicht, indem wir sie ignorieren.
Drittens. Den sprichwörtlichen Vogel schießen Sie in Ihrer Antragsbegründung ab. Ich muss es so sagen. Ich könnte es mir einfach machen und feststellen, dass Sie nichts, aber auch gar nichts verstanden haben, dabei müsste ich nicht einmal explizit auf Ihre Einlassung zur Initiative der Justizministerin zur Novelle des Paragrafen 113 Strafgesetzbuch eingehen. Aber allein das, was danach kommt, beweist mir, dass Sie die Initiative der Justizministerin nicht verstanden haben. So erklären Sie, dass die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte konstant geblieben ist, und verurteilen die Initiative als bloßen Aktionis
mus. Da weiß ich jetzt auch, was Sie von der Initiative der Gewerkschaft der Polizei „Keine Gewalt gegen Polizisten“ halten, Paragraf 115. Auch wenn der von der GdP geforderte Paragraf 115 weiter geht als der Antrag der Justizministerin, so kritisieren beide Initiativen im Kern bestehende Defizite im deutschen Rechtssystem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin in zweifacher Hinsicht Betroffener dieser Aussage, einmal als Polizeibeamter und dann als einer der Mitinitiatoren dieser Bewegung der Gewerkschaft der Polizei gegen jegliche Gewalt gegenüber Vertretern unseres Rechtsstaates. Gewalt gegen Menschen, die diesen Staat schützen, zu bagatellisieren, ist mit Sicherheit nicht Ihre Absicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sowohl die Justizministerin als auch die Gewerkschaft der Polizei treten mit ihren Initiativen einer besorgniserregenden Entwicklung in Deutschland entgegen. In zunehmendem Maße resultieren Angriffe auf Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und andere Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes aus der Ablehnung und der Feindschaft gegenüber unserem Staat. Diese Menschen werden angegriffen, weil sie sich für unseren Staat einsetzen. Und dabei ist gerade in alltäglichen Einsatzsituationen die Gefahr am größten, durch das Gegenüber – und ich verzichte auf den Begriff „durch das polizeiliche Gegenüber“, denn wie gesagt, Rettungssanitäter haben kein polizeiliches Gegenüber –, durch das Gegenüber verletzt zu werden. Viele Angriffe entstehen aus der Überraschung heraus.
An dieser Stelle möchte ich nur ganz kurz aus einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zitieren. Ich hätte schon ein bisschen mehr hier, aber in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde können Sie das auch gerne im Netz nachlesen.