Protocol of the Session on January 27, 2016

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht im Ältestenrat, erzähl nicht solchen Quatsch!)

So wurde es mir erzählt, Peter. Ist nun auch egal,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, egal ist es nicht.)

ich muss mich doch auf meine Fraktionsspitze verlas- sen.

(Zurufe von Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Also wie gesagt, Solidarität und Kollegialität gehen da nicht so weiter auseinander.

Auch wenn wir uns heute vorrangig auf …

(Unruhe bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Na ja, Peter Ritter, hier liegt die Deutungshoheit aber nicht bei dir. Du entscheidest nicht, wer hier Unsinn erzählt. So ein Blödsinn! Dann müsste ich ja auch jedes Mal rufen, wenn du hier vorne irgendwas von dir gibst.

(Vincent Kokert, CDU: So ist es. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Also, bitte schön, lass es einfach sein!

(allgemeine Unruhe)

Auch wenn wir uns heute vorrangig auf die innenpolitische Situation …

Jetzt habe ich das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie bitten, dass Sie wieder zur Sachlichkeit übergehen. Wer das Wort ergreifen möchte, kann sich hier vorne an das Präsidium wenden und einen Wortbeitrag für alle leisten.

Herr Silkeit, Sie haben wieder das Wort.

Danke, Frau Präsidentin!

Auch wenn wir uns heute vorrangig auf die innenpolitische Situation in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und die nach wie vor ungelöste Flüchtlingsfrage beschränken, könnte ich mir ebenso gut andere brandaktuelle Themen vorstellen. Einige sind schon genannt worden: EU-Außengrenzen, das ganze Feld des islamistischen Terrors und des gemeinsamen Kampfes dagegen. Aber gut, wir beschränken uns auf diese zwei Kernthemen.

(Udo Pastörs, NPD: Ihr lasst Millionen rein nach Europa.)

Zweifellos befindet sich die EU in einer kritischen Phase, denn wenn selbst Kommissionspräsident Juncker erklärt, dass die Union in keinem guten Zustand sei, dann dürfte da schon was dran sein. Wenn die Grundwerte der Europäischen Union, wie Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, die Wahrung der Menschenrechte oder die Solidarität, zu leeren Worthülsen verkommen, dann ist tatsächlich irgendwas im Argen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Probleme in Ungarn sind angesprochen worden. Mit dem Mediengesetz wird in der Tat die Pressefreiheit massiv eingeschränkt. Auch auf Polen wurde verwiesen. Ich muss zwei Punkte zu Polen sagen aus ganz eigenem Erleben:

Erstens. In Polen war leider immer etwas üblich, was mir nie gefallen hat, wovon man aber die Polen nicht abbringen konnte, und zwar hat es bei jedem Regierungswechsel erhebliche Veränderungen im Staatsapparat gegeben, erhebliche Veränderungen. Das heißt, ich will es

mal an einem Beispiel festmachen: Ich glaube, ich habe in meiner Zeit der Kontakte zu Polen bestimmt inzwischen 15 Hauptkommandanten der polnischen Polizei kennengelernt, also die obersten Chefs der polnischen Polizei. Das wäre in Deutschland ein Unding, weil damit irgendwo die Regierung, sprich Staatsapparatsstrukturen, gefährdet wäre.

In diesem Jahr ist alles etwas anders. In diesem Jahr gehen die Veränderungen deutlich tiefer, als wir es bisher kannten. Aber dennoch: Ich warne davor, ich warne wirklich davor und ich meine es auch so, insbesondere zum Beispiel mit Blick in Richtung der GRÜNEN, wenn es um das Thema „Standort von Atomkraftwerken“ geht, ich warne davor, den Polen erklären zu wollen, wo es langgeht, ihnen was vom Pferd erzählen zu wollen,

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Vom Pferd!)

ihnen die Welt erklären und ihnen Vorschriften machen zu wollen. Erfahrungsgemäß reagieren die Polen gerade auf solche Hinweise vor dem Hintergrund ihrer leidvollen Geschichte äußerst allergisch. Insofern kann ich nur dazu raten, sehr behutsam mit diesem Thema „Polnische Entwicklung“ umzugehen. Ich sage es mal so: Die polnische Geschichte der jüngeren Jahrzehnte beweist uns auch, dass die Menschen in Polen durchaus in der Lage sind, Probleme zu erkennen und sich dieser Probleme anzunehmen,

(Udo Pastörs, NPD: Oh, das ist aber großzügig!)

um das mal sehr allgemein zu formulieren.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Das ist ja schon fast chauvinistisch, was Sie hier raushauen! Das merken Sie gar nicht, ne?!)

Wenn diese …

(David Petereit, NPD: In der Zeile verrutscht!)

Ich habe mir das eben auf der Zunge zergehen lassen. Also gerade von Ihnen hätte ich so einen Einwurf am allerwenigsten erwartet, Herr Pastörs. Aber das ist offensichtlich das Problem, dass wir gerade in solchen Situationen Definitionsprobleme haben, die …

(Udo Pastörs, NPD: Der Unterschied zwischen einem Nationalen und einem Chauvinisten.)

Herr Pastörs, Sie können mich überhaupt nicht verwirren, da müssten Sie ein bisschen üben.

(Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Als wenn diese besorgniserregenden innenpolitischen Entwicklungen in manchen Ländern nicht schon genug wären, sind die Mitgliedsstaaten auch in der aktuellen Flüchtlingskrise zerstrittener denn je. Manche Länder wie Schweden oder Deutschland kommen ihren humanitären Verpflichtungen nach und gewähren Schutzsuchenden Asyl, wobei Schweden inzwischen auch die Grenzkontrollen eingeführt hat, aber nicht komplett das Thema Asyl ablehnt. Österreich beispielsweise hat gerade beschlossen, eine Obergrenze für Flüchtlinge einzuführen, und manche Länder wollen sich dieses Themas über

haupt nicht annehmen. Kurz gesagt: Statt mit einer europäischen Stimme zu sprechen, spricht jeder Staat momentan für sich. Das Fatale an dieser Situation ist, dass damit die Grundwerte der Union ausgehebelt werden, und dazu zählt auch die Solidarität.

Ich sage es aber ganz deutlich: Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung,

(Udo Pastörs, NPD: Alles wird gut.)

dass Deutschland in diesem Zusammenhang eine Vorbildrolle spielen

(Udo Pastörs, NPD: Ja, wie immer.)

und seinen europäischen Nachbarn Vorbild sein wird.

(Udo Pastörs, NPD: Wie immer: Am deutschen Wesen...)

In beispielloser Weise hat unser Land im vergangenen Jahr mehr als eine Million Schutzsuchende aufgenommen. Tagtäglich haben unzählige haupt- und ehrenamtliche Helfer dafür gesorgt, den großen Ansturm an Flüchtlingen so geordnet wie möglich zu gestalten, und sie tun dies nach wie vor. Dafür kann man allen, die anpacken, gar nicht oft genug danken und ihnen Respekt zollen. Das Problem ist jedoch, dass viele andere Mitgliedsstaaten denken, dass Solidarität eine Einbahnstraße sei. Deutschland hat sich in beeindruckender Weise solidarisch verhalten. Von unseren Partnern haben wir hingegen weniger Solidarität erfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig – und das schätze nicht nur ich so ein, sondern das haben auch meine Vorredner so eingeschätzt –, so, in dieser Form kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen. Es kann in meinen Augen nicht sein, dass bestimmte Länder von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ständig profitieren und sich auf der anderen Seite weigern, bestimmten Verpflichtungen nachzukommen.

(Udo Pastörs, NPD: Ich dachte, nur wir profitieren.)

Wenn Solidarität als gegenseitige Hilfsbereitschaft aufzufassen ist, als Zusammenhalt Gleichgesinnter und Einsatz für gemeinsame Werte, dann passt es meines Erachtens nicht zusammen, dass eine Seite den Versuch unternimmt, zulasten der anderen Seite zu leben. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir die Werte, die unser Europa zusammenhalten, respektieren. Dazu gehört jedoch, wer bestimmte Rechte hat und von einer Mitgliedschaft in der EU profitiert, hat auch bestimmte Pflichten. Ich sage, wenn bestimmte Mitgliedsstaaten sich weiter weigern, an einem Strang zu ziehen, so muss die Union in diesen Fällen entschlossen handeln und entsprechende Sanktionen aussprechen. Hier wurde beispielsweise schon das Thema „Einfrieren von Zahlungen“ angesprochen.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Ein ebenso entschlossenes Handeln ist meines Erachtens nötig, wenn es um die innenpolitischen Maßnahmen in manchen Ländern geht. Auch hier gilt: Es gibt klare Grenzen, es gibt Grundwerte, die das Fundament des europäischen Zusammenlebens bilden, und wer diese

Werte nicht akzeptiert, darf sich nicht beschweren, wenn Sanktionen oder entsprechende Maßnahmen seitens der EU getroffen werden.