Die nicht öffentlichen Ausschusssitzungen sind ein Beispiel dafür. Nicht einmal in den Kommunalparlamenten sind Sie bereit, für mehr Transparenz zu sorgen, wie die heutigen Debatten zur Änderung des Fragerechts und der Öffentlichkeit von Hauptausschusssitzungen erneut bewiesen haben. Auf der einen Seite sprechen Sie für das Wahlrecht ab 16 bei den Landtagswahlen und auf der anderen Seite verbieten Sie jungen wie alten Menschen im Land, sachbezogene Fragen auf Gemeindevertretersitzungen zu stellen.
Ich hoffe, dass vor allem die Schüler im Land über diese Widersprüchlichkeiten stolpern werden und ihre Sozialkundelehrer einmal um Aufklärung bitten.
Vielleicht trauen sich manche Lehrer, den Schülern zu erzählen, dass es die NPD-Fraktion im Landtag war, die heute mit zwei Gesetzentwürfen für mehr Bürgerbeteili
Diese Änderungen hätten im Übrigen bereits bei den 14Jährigen gegriffen, denn laut Kommunalverfassung dürfen Einwohner, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, in Kommunalparlamenten während der Fragestunde aktiv werden.
Ebenso widersprüchlich ist die Tatsache, dass Schüler in Brandenburg, Bremen und Hamburg mit 16 zur Landtagswahl an die Urnen treten dürfen und den jungen Menschen in unserem Land anscheinend weniger politischer Sachverstand unterstellt wird. Genauso zerstückelt wie die Bildungslandschaft in der BRD gestaltet es sich eben auch beim Wahlrecht. Jedes Bundesland macht seine eigenen Gesetze. Das sind die krankhaften Ausläufer Ihres BRDFöderalismus – das ist übrigens auch ein interessantes Thema für den Sozialkundeunterricht – und auch hiergegen lehnt sich die nationale Opposition seit Jahren auf.
Wir stehen für bundesweit einheitliche Gesetze, sei es in der Bildungspolitik oder beim Wahlalter. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir bei einer Herabsetzung des Wahlalters auch eine negative Begleiterscheinung sehen, die heute noch gar nicht zur Sprache kam. Es ist nämlich davon auszugehen, und das zeigt auch der Antrag der GRÜNEN ganz deutlich, dass die Änderungen mit einer groß angelegten Aufklärungskampagne, besser gesagt, mit einer gezielten Manipulation an den Schulen verbunden sein wird.
Landtagsabgeordnete, die Landeszentrale für Propaganda, Entschuldigung, politische Bildung und sogenannte Demokratievereine und so weiter werden sich darum reißen, den Schülern einzuimpfen, dass sie bei aller Wahlfreiheit nur eines eben nicht machen dürfen, und das wäre, national zu wählen. Denn wie wir alle wissen, sind Juniorwahlen keine neue Erfindung. Sie finden seit Jahren regelmäßig in den verschiedensten Einrichtungen statt und die Ergebnisse geben besonders den selbst ernannten Volksparteien Grund zur Besorgnis. Während die NPD oftmals weit vorne liegt, streiten sich SPD, GRÜNE und LINKE um die hinteren Plätze.
Beispielhaft möchte ich auf das Ergebnis der Juniorwahl an der Beruflichen Schule des Landkreises VorpommernGreifswald in der Hansestadt Greifswald 2013 zur Bundestagswahl eingehen. 675 Schüler traten an. Die CDU erhielt 26,5 Prozent, die NPD 14,4, LINKE 11,3, SPD 11,3 und die GRÜNEN bildeten das Schlusslicht. Im Nachbarbundesland, in Spremberg, gab es auch so eine Wahl. Da kam die NPD sogar auf ein Drittel der Stimmen.
Bezieht man diesen entscheidenden Gesichtspunkt in die Gesamtbetrachtung mit ein, erscheint der heute von den GRÜNEN vorgelegte Antrag in einem ganz anderen Licht. Die Blockparteien suchen nach einem weiteren Einfallstor, um ihre politische Bevormundung über eine ganze Generation weiter zu verfestigen. Ergebnisse wie in Greifswald und anderswo dürfen auf keinen Fall zur Realität werden. Genau aus diesem Grund appellieren
wir an alle Schüler im Land, solltet ihr die Möglichkeit haben, mit 16 oder 17 eure Stimmen abzugeben, lasst euch von den Gutmenschen nicht bevormunden, entscheidet selbst, wofür ihr eure Stimme abgebt und setzt euren Willen durch! – Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Texter hat ja mathematisch bemüht, das würde nicht nachvollzogen werden können, was ich erzählt habe, und es stimme ja alles rechnerisch. Sie haben das systematisch nicht verstanden!
Übrigens, glaube ich, der Innenminister hat aus den Brandenburger Ergebnissen ähnliche Schlüsse gezogen, die ich hier gar nicht angesprochen habe. Ich will es noch einmal versuchen. Ich mache das jetzt mal nicht mit eigenen Worten, sondern zitiere aus einem MDR-Bericht. Da geht es um diese Forschergruppe, der steht Professor Robert Vehrkamp vor, Direktor des Programms „Zukunft der Demokratie“,
und der versucht, den Zusammenhang zu erklären. Ich erläutere ihn noch mal. „Einen Schlüssel für die Aktivierung der Jugend sehen die Experten bei Lehrern und Lehrplänen: Während Jugendliche sich mit 18 oft in der Umbruchphase befänden, seien die Jüngeren noch stark in Schule und Familie verankert. Im Unterricht erreiche man zudem auch Kinder“
„aus den sich immer stärker verfestigenden NichtwählerMilieus.“ Und jetzt kommt, was man mathematisch unterlegen muss, der Absatz: „Die Wahlforschung zeigt, dass motivierte Erstwähler auch später öfter wählen gehen.“
„Aus Sicht der Wahlforscher sollten junge Menschen daher schon in Schulen aktiviert werden und möglichst zeitig wählen gehen. Langfristig könnte dadurch die seit Jahren sinkende Wahlbeteiligung wieder auf bis zu 80 Prozent erhöht werden, prognostizieren die Autoren.“
Es ist also ein mittelfristiges und ein langfristiges Projekt. Das ist das, was dahintersteht, und das zeigen zum Beispiel auch die Zahlen, die ja empirisch ermittelt worden sind aus den Ergebnissen in Österreich. Da kann man nicht hingehen und sagen, na ja, die Erstwähler wählen da nicht in ausreichendem Maße. Die muss man bekommen und dann hat es eine entsprechende nachhaltige Wirkung.
In dem Zusammenhang, Herr Dahlemann, das ziehe ich mir gern an, ich hätte es hier auch noch mal vortragen können, das ist der neue Aspekt aus der Studie. Einen anderen haben Sie selber genannt, die Shell-Studie mit den, wie ich finde, sehr erfreulichen Zahlen. Das sind gute Gründe, das auszuweiten, überhaupt keine Frage. Aber es ist doch hier völlig unstrittig – so, wie ich das wahrnehme –
dass bei „Jugend im Landtag“ und anderen Veranstaltungen SPD, LINKE und GRÜNE eine gemeinsame Auffassung haben hinsichtlich der Frage, Verantwortung an jüngere Menschen zu übertragen, sie einzubeziehen, sie für Politik zu interessieren und so weiter. Das ist völlig klar. Die Tatsache, dass wir uns jetzt auf die Studie fokussiert haben, sagt ja nicht, dass wir die anderen Positionen, die wir immer wieder vorgetragen haben – ich beim letzten Tagesordnungspunkt auch –, aufgegeben haben.
Ich will aber etwas zu dem sagen, was Sie zu der Frage vorgetragen haben: Machen wir alles schon. Da sind Sie die Maßnahmen durchgegangen, Podiumsdiskussion. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, es gibt doch einen eklatanten Unterschied, ob ich all diese Maßnahmen, die es teilweise schon gibt, zum Beispiel im schulischen Raum, durchführe, junge Menschen erreiche, um ihnen gleichzeitig zu sagen, wenn ein 17-Jähriger oder ein 16-Jähriger vor mir sitzt: „Du darfst hier jetzt mal just for Show wählen, aber am Wahltag, mein Lieber, da kannst du leider nicht wählen.“ – die Frage, wie ernst wird denn mit einem solchen Instrument, wie ernst wird mit solchen Maßnahmen umgegangen, ist dann schon mal eine ganz andere –, oder ob ich hergehe, und so schlagen wir es in dem Antrag ja vor, und sage, das sind die Maßnahmen, die das Wahlrecht mit 16 einfach begleiten müssen. Das ist der zentrale Punkt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe aber auch, was die Christdemokraten angeht, die Hoffnung hinsichtlich der Einbeziehung von 16-Jährigen noch nicht so ganz aufgegeben. Mich hat sehr gefreut – ich weiß gar nicht, wer aus der christdemokratischen, aus der CDUFraktion in der entsprechenden Kommission, in der Enquetekommission ist –, Sie haben ja kürzlich einen interessanten Vorschlag unterbreitet. Sie sind hergegangen und haben gesagt, in die Enquetekommission wird aufgenommen: Führerschein für Ältere, darauf ging der Innenminister vorhin ein. Ein Führerschein soll auch für diejenigen eingeführt werden, die erst 16 sind.
Ich finde, das ist ein guter Vorschlag, Herr Caffier, den Ihre Leute da eingebracht haben. Es wird aber eine skurrile Situation daraus, ich male mal so ein Bild: Wir haben ein Dorf in Vorpommern oder in Mecklenburg, dort lebt eine Familie und vielleicht auch ein etwas älterer Großvater der Familie. Vielleicht ist er 80 oder 85, hat natürlich das Wahlrecht, hat auch den Führerschein, hat vielleicht erste Schwierigkeiten mit Demenz oder anderen Krankheiten, wie das ja zwangsläufig bei älteren Menschen leider manchmal ist.
Und dann kommt der 16-Jährige, der gerade den Führerschein gemacht hat und begleitet fahren darf, setzt sich in das Auto und sagt: „Opa, Großvater, ich fahre dich zum Wahllokal. Du selber kannst zwar nicht mehr so richtig fahren,“
(Heiterkeit bei David Petereit, NPD: Weil die GRÜNEN ihm den Führer- schein weggenommen haben. – Udo Pastörs, NPD: Richtig fahren?)
„vielleicht guckst du auch nicht mehr so richtig. Ich fahre dich mal zum Wahllokal, weil ich Verantwortung übernehme.“ Dann setzt er sich mit dem Großvater ins Auto. Die Wege sind weit in Mecklenburg-Vorpommern.
Sie diskutieren vielleicht auch noch über Politik, weil es heute ja um Wahlen geht. Am Wahllokal lässt er dann den 85-jährigen Großvater raus,
begleitet ihn vielleicht noch, weil ihm das Gehen ein bisschen schwerfällt, bis zur Wahlkabine und setzt sich dann wieder zurück ins Auto. Das macht doch die ganze Skurrilität dessen deutlich, dass wir auf der einen Seite sagen, Führerschein mit 16 finden wir großartig und richtig, Verantwortungsübernahme von Jugendlichen, und auf der anderen Seite gehen Sie her und beschneiden das an einer so elementaren Frage wie der Wahrnehmung des Wahlrechts.
Da, sehr geehrte Damen und Herren, passt es überhaupt nicht mehr. Deshalb kann ich nur dazu auffordern, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen.
Unser Ansatz ist, aus der Studie der Bertelsmann Stiftung heraus mal zu gucken, was kann man hinsichtlich der Verbesserung der Wahlbeteiligung machen. Da muss man bei den Jungen greifen, das ist ein klares Ergebnis. Vor dem Hintergrund würde mich freuen, wenn wir das diskutieren können. Den Vorschlag von Frau Borchardt greife ich gerne auf. Sollte das, was ich befürchte, heute hier abgelehnt werden, dann ziehen wir uns das Thema im Rahmen der Selbstbefassung in den Ausschuss. – Herzlichen Dank.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5063 zur federführenden Beratung an den Innenschuss und zur Mitberatung an den Europa- und Rechtsausschuss sowie an den Finanzausschuss zu überweisen.