Protocol of the Session on January 27, 2016

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 111. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Der 27. Januar ist der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hat diesen Tag vor 20 Jahren in Absprache mit den Bundesländern zum Gedenktag erklärt. Seit 2005 ist dieser Tag auch auf der Grundlage einer Entscheidung der Vereinten Nationen Internationaler Holocaust-Gedenktag.

Auschwitz steht symbolhaft für millionenfachen Mord. Es steht für Brutalität und Unmenschlichkeit, für Verfolgung und Unterdrückung, für die in perverser Perfektion organisierte Vernichtung von Menschen. Auschwitz steht als Symbol für eine systematisch umgesetzte Ideologie, die zuerst ganze Volksgruppen zu Untermenschen erklärte, dann entrechtete und schließlich deren Vernichtung organisierte. Dabei ging es nicht darum, dass einzelne Menschen für ihr kriminelles Verhalten bestraft werden sollten oder für ihre Gegnerschaft zu einem politischen System, sondern nach Auschwitz kamen Menschen, weil sie zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe gehörten: Juden, Sinti und Roma, Schwerstbehinderte, Homosexuelle.

Es ist notwendig, sich die grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus immer wieder vor Augen zu führen. Es ist notwendig, sich die Folgen von Rassismus und Totalitarismus bewusst zu machen. Es ist notwendig, die Anfänge zu erkennen und ihnen zu wehren. Wir sind eine wehrhafte Demokratie. Es ist notwendig, dass wir für die Werte unserer Demokratie eintreten, sie verteidigen und entschlossen denjenigen entgegentreten, die diese Werte negieren, die sie abschaffen wollen und die diese Werte mit den Füßen treten.

Wir gedenken heute, in einer Zeit, in der gewaltbereite Extremisten versuchen, Macht über unser Leben, unsere Werte zu erlangen, der Opfer des Nationalsozialismus. Gerade in diesem Gedenken ist es mir wichtig, unsere gemeinsame Verantwortung zur Wachsamkeit genauso wie zur Besonnenheit anzumahnen.

Die Würde des Menschen, eines jeden Menschen, ist unantastbar. Seine Unversehrtheit hat oberste Priorität. Freiheit und Gleichheit gehören zu unseren Rechten. Dafür müssen wir uns starkmachen und Menschen, die keine Chance haben, in Frieden und Sicherheit leben zu können, helfen und sie in unsere Gesellschaft integrieren. All das gilt unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Gerade am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, aber auch an jedem anderen Tag, sollten wir uns immer wieder bewusst machen: Wir tragen zwar keine Schuld, aber wir tragen Verantwortung.

Mit dem Blick von der Vergangenheit auf Gegenwärtiges und Zukünftiges vergewissern wir uns unserer Werte. Daraus nehmen wir die Gewissheit, warum wir an ihnen festhalten wollen und festhalten müssen. So werden wir unserer Verantwortung gegenüber den Opfern des Holocaust gerecht. Das sind wir ihnen schuldig.

Roman Herzog sagte am 27. Januar 1996 in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag, ich zitiere: „Überhaupt erscheint es mir sinnvoll, den 27. Januar nicht als Feier

tag zu begehen, auch nicht im Sinne der Feiertagsgesetze, sondern als wirklichen Tag des Gedenkens, in einer nachdenklichen Stunde inmitten der Alltagsarbeit, auch der Alltagsarbeit eines Parlamentes.“ Ende des Zitats. In diesem Sinne bitte ich Sie innezuhalten und der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Einschließen in unser Gedenken sollten wir gerade heute alle Opfer von Krieg, Gewalt und Terror.

Ich bitte Sie, sich zu einer Gedenkminute von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Vielen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die vorläufige Tagesordnung der 111., 112. und 113. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 111., 112. und 113. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 111., 112. und 113. Sitzung die Abgeordneten Dietmar Eifler, Torsten Renz, Heino Schütt, Andreas Texter, Dr. Hikmat Al-Sabty, Dr. Ursula Karlowski, Johann-Georg Jaeger und Ulrike Berger zu Schriftführern.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserer Finanzministerin Frau Heike Polzin ganz herzlich nachträglich zu ihrem runden Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gratulationen)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Mecklenburg-Vorpommern braucht seriös finanziertes Theaterkonzept statt Geheimniskrämerei“ beantragt.

Aktuelle Stunde Mecklenburg-Vorpommern braucht seriös finanziertes Theaterkonzept statt Geheimniskrämerei

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir das Thema dieser Aktuellen Stunde veröffentlichten, wurde ich gefragt, was wir denn unter dem Wort „seriös“ verstehen.

(Heinz Müller, SPD: Gute Frage. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist eine gute Frage, ja. – Vincent Kokert, CDU: Ja, das müssen wir noch mal definieren. – Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Und seriös, mit dem Blick auf ein Theaterkonzept, meint für uns: auf realistischen Zahlen basierend, für alle nach

vollziehbar, glaubwürdig, zuverlässig und vor allem, was die Zukunft anbelangt, auch tragfähig.

(Torsten Renz, CDU: Das heißt ja im Umkehr- schluss, dass das alles nicht gegeben ist.)

Zu Beginn dieses Jahres wurde jedoch einmal mehr offenbar, dass die Theaterreform des Kultusministers eben nicht auf realistischen Zahlen beruht. Das Einzige, was an der Theaterreform des Ministers zuverlässig ist, ist die Finanzlücke, die den Theatern auch nach einer Fusion innerhalb kürzester Zeit droht. Diese Finanzlücke entsteht, obwohl sich das Theater an die Zielvereinbarung hält, die es mit dem Ministerium geschlossen hat.

Anders als beim METRUM-Modell für den östlichen Landesteil wurden die Defizite nicht nur von der Opposition und den Theaterträgern vorgerechnet, sondern diesmal attestierte Ihnen das auch die landeseigene Tochtergesellschaft für Struktur- und Arbeitsmarktentwicklung. Sie hat aus kulturpolitischer Sicht schon seit längerer Zeit Zweifel an weiteren Fusionen im östlichen Landesteil.

Nun könnte man meinen, dass wenigstens die betriebswirtschaftlichen Zweifel zu einem Umdenken in der Kulturpolitik führen könnten, jedoch weit gefehlt. Minister Brodkorb betrieb an dieser Stelle eine massive Geheimhaltungspolitik. Seit fast 14 Monaten ist er darüber informiert, dass die Fusion des Schweriner Theaters mit dem Parchimer Theater eben nicht die erwünschten Einspareffekte erzielt, dass die Einnahmen niedriger und die Ausgaben höher ausfallen, als ehedem von einer Münchener Beratungsfirma prognostiziert. Doch statt die Reißleine zu ziehen, wurde die Existenz des GSA-Gutachtens verschleiert. Der Minister versteckte die Ausgaben unter dem bis dahin nicht für die Theatergutachten verwendeten Haushaltstitel „Ausgaben aufgrund von Werkverträgen“ und verschwieg über ein Jahr ganz einfach die Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Analyse vor dem Parlament und der Öffentlichkeit, und das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Skandal.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was danach kam, fällt dann eher in den Bereich Tragikomödie. Tragisch, weil die Regierungsfraktionen dieses Gutachten nicht kennen oder nicht kennen wollen,

(Vincent Kokert, CDU: Nee, wir kennen es nicht.)

das im Auftrag des eigenen Bildungsministers erstellt und dessen Existenz durch eine Kleine Anfrage der Opposition offenbar wurde.

(Vincent Kokert, CDU: Oh, welch große Leistung!)

Tragisch, weil das Kabinett im Dezember 2015 eine Entscheidung zum Theater traf, anscheinend, so wird zumindest der Eindruck vermittelt, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass spätestens ab dem Jahr 2018 eine erneute Finanzlücke in Millionenhöhe auf das gerade erst frisch aus der Taufe gehobene fusionierte Theater und die Träger zukommt, zu denen dann auch das Land gehören wird.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Es ist kaum vorstellbar, dass ein so wichtiger Beschluss ohne Kenntnis dieses Grundlagenpapiers erfolgt. Wenn doch, wäre das ein weiterer kulturpolitischer Skandal.

Ich fasse noch einmal zusammen: Bereits in dem ersten METRUM-Gutachten sind massive Fehler aufgetaucht. Dann hat das detaillierte GSA-Gutachten gezeigt, dass es auch zukünftig weitere Finanzlücken geben wird. Nach wie vor jedoch hält der Bildungs- und Kulturminister unbelehrbar an seinem unrealistischen Konzept für die Theater fest. Wir werden bei den Theatern keine Werftenpleite 2.0 nach der Wahl zulassen!

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Nicht zulassen!)

Der Kultusminister hat offensichtlich versucht, sich mit diesem Klein-Klein irgendwie über den Herbst zu retten. Zum Jahresende wären dann plötzlich die neuen Defizite aufgetaucht und nach der Wahl wäre der Weg frei für einen weiteren Kulturabbau. Diese Pläne wurden nun durchkreuzt und das ist gut so.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es nun endlich an der Zeit für ein Theaterkonzept, das auf realistischen Zahlen beruht, nachvollziehbar ist und sich vor allem auch in der zumindest nahen und mittelfristigen Zukunft als tragfähig erweist.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war alles? Was war das denn?!)

Das Wort hat nun der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

(Vincent Kokert, CDU: Das waren die Inhalte der GRÜNEN zur Theaterreform?! – Zurufe von Andreas Butzki, SPD, Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stehen zwei Vorwürfe im Raum, die ich so an den Haaren herbeigezogen finde, dass ich darauf nur sehr kurz reagieren werde, Frau Berger.

(Udo Pastörs, NPD: Na hoffentlich nur kurz.)

Sie attestieren und stellen fest, dass angeblich ein Geheimpapier vorliegt. Das tun Sie vier Wochen nachdem Ihnen dieses Papier offiziell über die Landtagsverwaltung durch die Landesregierung für Ihre Arbeit zur Verfügung gestellt wurde.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwischen Weihnachten und Neujahr! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Ein Geheimpapier ist ein Papier, das man nicht kennt, und nicht ein Papier, das man schon vier Wochen zur Verfügung hat, um sich damit als Abgeordneter auseinanderzusetzen. Dass, warum auch immer, nicht alle Abgeordneten dieses Papier unmittelbar zur Verfügung hatten, mag dann dazu beigetragen haben,

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil Sie es 14 Monate geheim gehalten haben, Herr Minister!)

dass der Eindruck entstanden ist, es handle sich um ein Papier,

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)