Protocol of the Session on December 18, 2015

(Egbert Liskow, CDU: Das hat er doch vorhin andersrum gesagt.)

Damit muss Schluss sein. Die Kommunen müssen von dieser positiven Entwicklung mehr profitieren, und zwar bereits in den kommenden beiden Jahren und nicht erst ab Januar 2018, denn dann soll ja ein neues Finanzausgleichsgesetz in Kraft treten.

Ich meine, es ist ja ohnehin schon ein starkes Stück, was die Koalition hier seit Monaten abliefert. Mit Verweis auf das ausstehende Gutachten und eine Novellierung des FAG im Jahr 2018 werden einfach alle aktuellen Probleme und Hinweise der Gemeinden und Kommunen abgebügelt und ungelöst auf das Jahr 2018 vertagt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, so können wir doch keine Politik machen! Bereits heute müssen Investitionen getätigt, kommunale Infrastruktur muss erhalten, Vereine müssen unterstützt und die Sport-, Kultur- und Jugendförderung muss sichergestellt werden. Dafür brauchen wir jetzt eine Lösung und nicht erst in drei Jahren.

Meine Damen und Herren, der Innenausschuss hat am 8. Oktober eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt, im Übrigen auf Antrag meiner Fraktion. Bereits damals haben alle Anzuhörenden auf die schwierige finanzielle Lage hingewiesen. Während der Anhörung wurde deutlich, dass eine Lösung nicht erst 2018 auf den Tisch kommen darf. Offensichtlich hatten die Anzuhörenden allerdings schon damals das Gefühl, dass ihre Hinweise nicht ernst genommen werden. Andernfalls wären wohl keine Beschlüsse der kommunalen Vertretungen und Resolutionen, wie sie uns derzeit fast täglich ins Haus flattern, notwendig gewesen, und andernfalls hätten uns wohl nicht so viele Briefe aus den Kommunen erreicht wie in den vergangenen Tagen.

Ich möchte an dieser Stelle einmal wiedergeben, was uns die Vertreterin der Stadt Neubrandenburg und der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte im Innenausschuss berichtet haben. Die Stadt Neubrandenburg konnte einen Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 3,6 Millionen Euro im letzten Jahr verzeichnen. Das klingt ja erst mal gut. Dann müsste der Stadt doch eigentlich jetzt mehr Geld zur Verfügung stehen. Die Vertreterin der Stadt Neubrandenburg berichtete, gleichzeitig ist aber die Kreisumlage um 3,9 Millionen Euro gestiegen.

(Torsten Renz, CDU: Das ist doch eine ganz andere Ebene.)

Das heißt, die verbesserte Einnahmesituation führt zu keinem größeren finanziellen Handlungsspielraum. Die Aufwendungen für Kindertageseinrichtungen und Tagespfle- ge sind gleichzeitig von 2012 bis 2016 um 600.000 Euro gestiegen und die Schlüsselzuweisungen und die Zu- weisungen für übergemeindliche Aufgaben an die Kommune sind auch noch gesunken, und zwar um 340.000 Euro. Wir konnten in der Anhörung auch erfahren, dass die Stadt Neubrandenburg beim Personalabbau weit vorangeschritten ist und keine weiteren Einsparungen mehr erwartet werden können. Dieses Potenzial ist ausgeschöpft. Es ist daher völlig unklar, wie Altschulden eigentlich noch in Zukunft abgebaut werden sollen, wenn Einsparpotenziale ausgeschöpft sind, aber kein konsolidierter Haushalt vorliegt. Das alles führt dazu, dass das Leistungsniveau auf ein nicht mehr vertretbares Maß zurückgefahren werden muss.

(Ministerin Birgit Hesse: Sie hätten sich mal ein anderes Beispiel suchen sollen.)

So hat es die Stadtvertretung in der Begründung ihres Beschlusses, der Ihnen ja auch vorliegt, ausgeführt.

Vergleichen wir die Situation mit dem Landkreis Mecklenburgische Seenplatte!

(Torsten Renz, CDU: Hm, ein bisschen mehr Substanz.)

Landrat Heiko Kärger …

Ich weiß, Herr Renz freut sich. Beim Landrat Heiko Kärger können Sie sich darauf verlassen, dass der Substanz liefert, Herr Renz. Ich glaube, da sind Sie sogar politisch ganz nah dran.

(Torsten Renz, CDU: Der ganze Ansatz da ist ja fragwürdig.)

… hat während der Anhörung im Innenausschuss ausführlich dazu berichtet. Der Kreis hat ein Defizit von 20 Millionen Euro im Ergebnishaushalt. 85 Prozent der Gemeinden des Landkreises haben einen defizitären Haushalt. Das sind 132 von 155 Gemeinden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wenn es gut läuft, so der Landrat, könnte der Kreis im Jahr 2020 einen ausgeglichenen Finanzhaushalt vorlegen, aber nur, weil Entlastungen eingerechnet wurden, die der Bund zwar angekündigt, aber noch lange nicht beschlossen hat. Da gilt das Prinzip Hoffnung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ein Schuldenabbau wäre allerdings selbst dann immer noch nicht erfolgt, und das macht uns Sorgen.

Was uns aber wirklich zu denken geben sollte, ist, dass der Landkreis bereits im Jahr 2017 sein Eigenkapital aufgebraucht haben wird. Deutlicher können die Warnsignale in dieser dunklen Jahreszeit doch eigentlich nicht blinken und leuchten. Wir leben und arbeiten auf Substanzverlust und Verschleiß, wir leben auf Kosten zukünftiger Generationen. Der Landrat hat auch geschildert, dass die Auflagen zur Haushaltsgenehmigung zu weiteren kurzsichtigen Streichungen führen. So werden zum Beispiel die Mittel für den Straßenunterhalt, die ohnehin zu gering eingeplant waren, noch mal halbiert. Solche unrealistischen Annahmen in den Haushalten sind nichts anderes als eine versteckte Verschuldung. Die Instandhaltung von Schulen und öffentlichen Gebäuden wird zurückgefahren. Das ist kurzsichtig. Das Ergebnis ist ein Bestandsverlust und hat immense Folgekosten.

Wenn wir die öffentliche Infrastruktur nicht pflegen und erhalten, werden die Folgekosten wie ein Bumerang zurückkehren. Darauf hat auch der Landesrechnungshof in seinen Berichten immer wieder hingewiesen. Gerade in der letzten Woche hat der Rechnungshof seinen neuesten Kommunalfinanzbericht vorgestellt

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

und festgestellt, dass die vom Rechnungshof untersuchten Kommunen im Bereich Hochbau jedes Jahr eigentlich 29 Millionen Euro in die Bestandserhaltung investieren müssten – nur in den untersuchten Kommunen –, um eine Werterhaltung sicherzustellen. Wir finden in den Haushalten aber nur 16 Millionen Euro statt 29 Millionen Euro. Tatsächlich wurden von diesen eingeplanten 16 Millio- nen Euro nur 13 Millionen ausgegeben.

Diese Rechnung, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann auf Dauer nicht gut gehen. Wir fahren die öffentliche Infrastruktur, das heißt, das öffentliche Eigentum, auf Verschleiß. Jeden Euro, den wir jetzt scheinbar einsparen, werden wir doppelt bezahlen müssen. Es wäre solide und nachhaltig, jetzt fortlaufend zu investieren, anstatt den Sanierungsstau immer weiter anwachsen zu lassen und erst einzuschreiten, wenn es fast schon zu spät ist. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht solide.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese beiden Beispiele zeigen, wie schwierig die finanzielle Lage der Kommunen im Land ist. Und ich glaube, dass es schon eine besondere Situation ist, wenn so viele Städte, Gemeinden, Ämter und Landkreise gemeinsam solch eine Initiative ergreifen und Ihnen diese Resolution zusenden. Deswegen lautet unser Appell an die rot-schwarze Landesregierung: Wir müssen diesen Hilferuf ernst nehmen! Es ist wichtig, dass wir die Resolutionen der Kommunen hier im Landtag zum Thema machen. Wir können sie nicht einfach alle abheften und ad acta legen. Das ist auch ein Zeichen der Anerkennung an die Kommunen, die sich an uns gewandt haben.

Ich denke, dass wir uns einig sein sollten, dass wir die Probleme nicht ungelöst ins Jahr 2018 vertagen können, sondern jetzt eine Lösung bis zu einer grundlegenden Novellierung des FAG brauchen.

(Torsten Renz, CDU: Der Fahrplan für die Lösung steht, Herr Saalfeld.)

Darum liegt Ihnen heute unser Antrag vor, …

Herr Renz, Sie müssen schon lauter rufen! Ich höre Sie nicht.

(Torsten Renz, CDU: Im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden ist der Fahrplan beschlossen.)

… darum liegt Ihnen heute unser Antrag vor, die Landesregierung aufzufordern zu prüfen, wie eine solche Lösung aussehen kann. Dabei haben wir den Antrag in Punkt 5 bewusst etwas offener gehalten, denn es soll ja letztlich ein Prüfauftrag bleiben. Dieser Prüfauftrag soll schneller fertig sein als das Marathongutachten, welches ja auf Wunsch der Landesregierung erst zum Jahr 2018 Ergebnisse zeitigen soll, also zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Landesregierung schon gar nicht mehr bestehen wird.

Uns geht es darum, die Kommunen bis 2018 nicht alleinzulassen, und zwar mit dem klaren Signal, ja, wir erkennen an, dass sich die Haushaltslage des Landes besser entwickelt als bei den Kommunen, und ja, an dieser positiven Entwicklung wollen wir die Kommunen selbstverständlich in den kommenden beiden Jahren beteiligen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Fraktion ist jedenfalls der Überzeugung, dass sich das Land in der Lage befindet, eine höhere Beteiligung der Kommunen umzusetzen, wenn denn der politische Wille besteht. Übrigens rechnet das Finanzministerium auch in diesem Jahr wieder mit einem Haushaltsüberschuss, wie uns in der letzten Woche im Finanzausschuss berichtet wurde.

In diesem Sinne werbe ich um die Unterstützung unseres Antrages und um ein deutliches Signal des Landtages an die Kommunen im Land. Kommunale Selbstverwaltung kann und darf nicht zur Mangelverwaltung degradiert werden. Wir wollen keine weitere Streichung freiwilliger Leistungen, sondern lebenswerte und attraktive Städte und Gemeinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich zum Ende komme, will ich noch kurz darauf eingehen, warum dieser Antrag eigentlich jetzt kommt.

(Heinz Müller, SPD: Gute Frage. – Torsten Renz, CDU: Ja, das wäre noch mal interessant.)

Wir befinden uns ja nach der Haushaltsdebatte. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen,

(Am Rednerpult leuchtet die rote Lampe. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Aaah, das ist ein Zeichen!)

und es geht darum, den begonnenen Reformprozess enorm zu beschleunigen. Wir brauchen ein FAG vor 2018!

(Michael Andrejewski, NPD: Dunkelrot.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat in Vertretung des Ministers für Inneres und Sport der Minister für Wirtschaft, Bau und Tourismus Herr Glawe, Harry Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Saalfeld, Sie haben gesagt, Sie wollen ein Zeichen setzen. Das machen die GRÜNEN ja jeden Tag und zu jeder Stunde. Davon gehe ich mal aus.

(Heiterkeit bei Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und das ist gut so.)

Ich will Ihnen zwei Beispiele bringen. Das Entscheidende ist, dass wir verabredet haben, das FAG im Jahr 2018 auf den Weg zu bringen. Grundlage soll ein Gutachten sein, darauf will ich verweisen. Darauf haben sich alle verständigt. Der Städte- und Gemeindetag, der Landkreistag mit dem Innenministerium und auch die politisch Verantwortlichen sind der Auffassung, dass es im Jahr 2018 genau richtig ist nach einem verabschiedeten Doppelhaushalt, den wir ja vorgestern auf den Weg gebracht haben.

Meine Damen und Herren, Herr Saalfeld, Sie haben Beispiele wie Neubrandenburg oder die Mecklenburgische Seenplatte gebracht. Ich will Ihnen dazu sagen, wir wollen einerseits Prioritäten setzen, andererseits wollen wir gestalten und konsolidieren, das ist entscheidend. Daran arbeiten alle im politischen Raum, genau wie diejenigen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber nicht miteinander.)

die in den Kreistagen und in den Bürgerschaften sitzen, zusammen mit der Verwaltung. Ich will Ihnen auch positive Beispiele bringen: Nordwestmecklenburg, Ludwigslust-Parchim oder auch Vorpommern-Rügen haben ausgeglichene Haushalte, und zwar schon 2016.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber es gibt noch eine Stellungnahme.)

Meine Damen und Herren, ich wollte jetzt nur mal den Vorspann bringen. Auch die Kofinanzierung haben wir auf den Weg gebracht, um Investitionen für am Rubikon stehende Kommunen sicherzustellen. Das sind immerhin 50 Millionen, die dazu beigetragen haben, dass in den letzten Jahren in die Infrastruktur investiert werden konnte, dass Schulen, Kitas und andere Dinge, die wichtig sind, in den Kommunen gefördert werden konnten. Darauf will ich noch mal verweisen. Das ist eine Leistung, die die Große Koalition im Interesse der Kommunen auf den Weg gebracht hat.

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)