Protocol of the Session on November 20, 2015

Deshalb fordert die Linksfraktion, dass die Landesregierung die Versorgung von schwer und chronisch kranken

Kindern zur Chefsache macht. Sie muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle Eltern mit Kindern, die eine spezialisierte medizinische Behandlung benötigen, diese auch erhalten. Das meine ich sowohl hinsichtlich der Fachdisziplin als auch hinsichtlich der Wegezeiten. Auch wer über kein Auto verfügt, muss die notwendige medizinische Behandlung in einer vertretbaren Zeit erreichen können.

Wahrscheinlich denkt jetzt die eine oder der andere unter Ihnen, das geht uns nichts an, Personalpolitik ist Sache der Klinikleitungen. Dem möchte ich bereits hier widersprechen. Natürlich ist Personalgewinnung Aufgabe der Klinikleitungen, aber nur letztendlich. Damit sie diese Aufgabe bewältigen können, brauchen die Entscheider in den Kliniken die richtigen Rahmenbedingungen, und die werden von der Landesregierung beeinflusst. Das reicht von der medizinischen Aus- und Weiterbildung, die nicht von ungefähr dem Bildungsministerium untersteht, bis zur Schwerpunktsetzung in der Gesundheitspolitik und deren Finanzierung.

Meine Fraktion erwartet, dass die Landesregierung Fehlentscheidungen der Vergangenheit korrigiert.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kinderstation Wolgast!)

Damit meine ich konkret zur spezialisierten Kinder- und Jugendmedizin, dass die strukturelle Trennung von Neonatologie und Kinder- und Jugendmedizin in Rostock beseitigt wird. Die Trennung war eine politische Entscheidung, für die damals sicher ausreichende Gründe vorlagen, doch nun erweist sich diese Trennung als äußerst nachteilig. Inhaltlich angrenzende Fachgebiete sind organisatorisch getrennt, das bedeutet, Geräte müssen doppelt angeschafft werden, Personal kann nicht kurzfristig aushelfen. Das bedeutet unnötige Verluste. Diese Struktur ist so unattraktiv, dass die Kindermedizin seit Jahren keine Bewerber für ihre drei verwaisten Professuren in Rostock findet. Hier muss die Politik wieder eingreifen!

Wir schlagen vor, dass beide Bereiche der Kinderheilkunde in einer gemeinsamen Struktur vereint werden, beispielsweise in einem Eltern-Kind-Zentrum der Universitätsmedizin am Südstadtklinikum. Dann ist organisatorisch zusammengefügt, was inhaltlich zusammengehört. Die Kindermedizin in Rostock würde wieder für entsprechende Fachkräfte attraktiv. Die Hochschulmedizin könnte ihrer Verantwortung für Aus- und Weiterbildung künftiger Kindermediziner gerecht werden. Die spezialisierte Kinder- und Jugendmedizin an diesem Standort würde gestärkt und sie würde damit an allen vier Standorten in Mecklenburg-Vorpommern zukunftsfest gemacht werden.

Sie sehen, die Landesregierung ist hier sehr wohl gefordert. Schnelle Hilfe ist gefragt. Daher bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag will in die richtige Richtung, aber die Schritte dorthin sind nicht alle stolperfrei. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist es völlig klar, dass die Kindermedizin im Land ein bleibendes Thema, eine bleibende Herausforderung ist und sein wird. Das haben uns unter anderem das IGES-Gutachten und auch die konzertierte Aktion mit ihrem Ansatz der regionalen Versorgungskonzepte bereits dargelegt und aufbereitet.

Was wir garantieren müssen, ist eine flächendeckende und wie es immer so schön heißt, wohnortnahe kindermedizinische Versorgung. Damit ist aber eine Grundversorgung gemeint und keine hoch spezialisierte pädiatrische Spartenmedizin. Solche Spezialgebiete lassen sich nur vorhalten, wenn man sie konzentriert und bündelt. Gute Beispiele für lokales, konzentriertes Know-how in der Kinder- und Jugendmedizin finden sich bei uns im Land etwa am Mukoviszidose-Zentrum oder am Klinikum Karlsburg für den Bereich Diabetes. Auch die Perinatalzentren der Level 1 und 2 im Land gehören selbstverständlich dazu.

Es ist doch ganz klar, wir können nicht alle Fachrichtungen an allen Standorten vorhalten. Und dieses „nicht überall“ wird umso deutlicher, je weiter die Spezialisierung geht, denn genauso klar muss doch sein, dass hohe Spezialisierung immer auch mit hoher Qualität einhergehen muss. Die wiederum hängt von zweierlei Dingen ab, von verfügbaren Spezialisten und von vorhandenen Fallzahlen.

Jenseits der Frage nach der Wirtschaftlichkeit geht es darum, dass nur ausreichende Praxis, nennen Sie es „Training für Ärzte oder ihre Teams“, dafür sorgt, dass Expertise auf hohem Niveau erhalten bleibt. Für die Krankenhausplanung heißt das Folgendes: Wir müssen Leistungsschwerpunkte setzen und diese Schwerpunkte zwischen den einzelnen Krankenhäusern auch abstimmen. Natürlich bedeutet das im Ergebnis, dass hoch spezialisierte Versorgung mit längeren Anfahrtswegen verbunden sein kann, als die hin zu allgemeinen kindermedizinischen Leistungen.

Meine Damen und Herren, spezialisierte Mediziner im Bereich Pädiatrie zu finden und zu halten, das wissen Sie alle, hat viel mit der Nadel im Heuhaufen gemein. Das sollte aber niemanden dazu verleiten, zu fordern, dass Unzuständige sich für zuständig erklären. Es ist nicht Sache der Landesregierung, die Expertengewinnung in der Medizin zu übernehmen. Gerade wenn es darum geht, Spezialisten an die Häuser zu holen, sind vor allem – das hat Frau Stramm auch ausgeführt – die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenhausträger und die Krankenkassen gefragt, und in dieser Pflicht sollten wir sie auch lassen. Was Politik, was Krankenhausplanung in diesem Zusammenhang kann, ist dies: einen Rahmen dafür schaffen, dass Spezialisierung, Kooperation und Vernetzung stattfinden können und auch tatsächlich stattfinden. Das ist der richtige Weg.

Den richtigen Weg, sehr geehrte Damen und Herren, beschreiten auch Sie von der Fraktion DIE LINKE, wenn Sie die Ansiedlung eines Eltern-Kind-Zentrums bei der Universitätsmedizin Rostock fordern. Auch die Landesregierung und ich persönlich sind der Auffassung, dass es sinnvoll ist, Geburtshilfe, Neonatologie und Kindermedizin unter einem Dach zu organisieren. Derzeit gilt es,

eine Vielzahl von Fragestellungen zu prüfen, und dazu zählt nicht zuletzt die, wie dieses ambitionierte Vorhaben finanziell untersetzt werden kann. Dazu sind wir sowohl mit der Universitätsmedizin als auch mit dem Südstadtklinikum Rostock in intensiven Gesprächen und ich hoffe, dass diese Gespräche auch bald zum Erfolg führen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Torsten Koplin, DIE LINKE: Da müssen Sie nur zustimmen, nur zustimmen!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau FriemannJennert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den Antrag zu sprechen komme, noch einmal kurz die demografische Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern: Die Bevölkerungszahl in Mecklenburg-Vorpommern schrumpft zwar nicht mehr so schnell wie in den 90er-Jahren,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber wir werden immer älter, ne?!)

sinkt aber nach wie vor. Hatten wir 2013 noch 1,6 Millionen Einwohner, werden es 2020 wohl nur noch 1,5 Millionen Einwohner sein.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist es nicht. Es werden mehr sein.)

2020 wird sich die Bevölkerung in Mecklenburg-Vor- pommern aus weniger jungen und viel mehr älteren Menschen zusammensetzen. Und auch, wenn die Zahl der Geburten ansteigt, sind wir nicht einig mit Ihnen, was die Konsequenzen anbelangt.

Der Anlass zur Freude über mehr Geburten wird doch wieder relativiert. Nach Untersuchungen der Universität Bielefeld hält der Trend nicht an. Die Statistiken zeigen einen Trend nach unten, auch wenn wir momentan eine höhere Geburtenzahl haben.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, da muss man die Rahmenbedingungen mal verbessern. Es gibt ja auch keine Geburtsstationen mehr.)

Ab 2020 wird es ein neues Geburtentief geben. Außerdem wäre ich etwas vorsichtiger mit solchen Hypothesen, da die Geburtenraten steigen, wird sich die Nachfrage nach spezialisierter Kinder- und Jugendmedizin erhöhen, denn ich habe keine Belege dafür gefunden. Zudem hat sich das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung verbessert.

Sie berufen sich auf die IGES-Studie, aber die Studie wurde bereits im März vorgelegt, und mich hat schon gewundert, dass Sie so lange gewartet haben, bis dazu ein passender Antrag gestellt wurde.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Sie beschränken Ihren Antrag auf die spezialisierte Kinder- und Jugendmedizin. Das ist in meinen Augen etwas zu eng gefasst. Ich finde, es sollte der gesamte Fachkräftebedarf bei den Medizinern in Mecklenburg-Vorpommern betrachtet werden,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Machen Sie doch eine Ergänzung zum Antrag!)

und ich denke, auch Sie wissen ganz genau, dass wir damit längst beschäftigt sind.

Bereits im April 2015 hat die CDU-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe eine Veranstaltung in Greifswald, „Konferenz zur ärztlichen Versorgung“, durchgeführt. Da ging es um die Allgemeinmediziner und Fachärzte im ländlichen Raum, und zu den Fachmedizinern zähle ich auch die spezialisierten Kinder- und Jugendmediziner. Wie Sie sehen, beschäftigen wir uns schon länger mit dem Thema und haben die Problematik sehr wohl erkannt.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja, und wo sind die Ergebnisse?)

Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der besten weltweit und Mecklenburg-Vorpommern gilt als Gesundheitsland Nummer eins. Nicht ohne Grund haben unsere Mediziner in Mecklenburg-Vorpommern ein gutes Niveau an Fachwissen und liegen mit einer Weiterempfehlungsrate von 90 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 84 Prozent.

Zwar ist in Deutschland die Dichte der Mediziner gut bis sehr gut, aber die Verteilung bietet Anlass zur Sorge,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

so auch speziell in Mecklenburg-Vorpommern. Beispielweise versorgt ein Kinderarzt in der Stadt im Durchschnitt 2.405 Kinder, dagegen ein Kinderarzt auf dem Land 3.859 Kinder. Die Problematik der ärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern ist komplex. Die IGESStudie verdeutlicht, dass Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Bundesdurchschnitt mit niedergelassenen Kinderärzten deutlich besser aufgestellt ist. Allerdings sind die Verteilung und auch das Alter der Ärzte ein großes Problem für unser Bundesland.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tja.)

Es wird bis 2030 einen Anstieg des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen in M-V geben.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den haben wir heute schon.)

Das möchte ich auch gar nicht wegdiskutieren, aber so, wie Sie es darstellen, sieht es aus, als ob die Kinder und Jugendlichen, die an schweren chronischen Krankheiten leiden, gar nicht mehr in unserem Land versorgt werden können, und das weise ich entschieden zurück.

Uns ist auch klar, dass Krankheit belastend ist in jeder Hinsicht, insbesondere für die Kinder. Aus dem Gutachten geht hervor, dass die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Praxen gut funktioniert, zum Beispiel sind im Landkreis Vorpommern-Greifswald circa 40 Prozent der ambulant tätigen Pädiater ermächtigte Ärzte der Universitätsmedizin Greifswald.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Wolgast macht zu.)

Damit wird auch die Spezialisierung des Arztes genutzt, um eine spezielle medizinische Versorgung für Kinder in Mecklenburg-Vorpommern gewährleisten zu können.

Es werden bei uns im Land gute Rahmenbedingungen geschaffen, um eine Kooperation der Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu gewährleisten. Da circa zehn Prozent aller kranken Kinder und Jugendlichen eine spezialisierte Behandlung benötigen, und das ist ein eher geringer Teil, sehe ich eine Versorgung an Oberzentren als zielführend an. So werden die wenigen Fachärzte, die wir in dem Bereich haben, optimal eingesetzt. Damit stimme ich auch mit dem IGES-Gutachten überein.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Fakt ist, dass ambulante und stationäre Angebote im Land stärker vernetzt werden müssen. So kommt es zu mehr Schnittstellen im Versorgungsprozess und den Patienten bleibt eine Mehrbelastung durch zum Beispiel Doppeluntersuchungen erspart. Die Ärzte stehen in einem engen Kontakt und ein fachlicher Austausch ist gegeben. Behandlungen können schneller eingeleitet werden. Sie müssen sich auch bewusst machen, dass Kinderärzte nicht kleinräumig, sondern auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte geplant werden. Die Planungsbereiche sind Ihnen ja bekannt.

Wir haben doch längst erkannt, dass politisch viel zu tun ist und das, was zu tun ist, beginnt schon bei der Ausbildung des Nachwuchses. Bereits im medizinischen Studium muss die ambulante Versorgung einen höheren Stellenwert erhalten. Hier gibt es bereits erste Handlungsschritte, die auch positiv verlaufen. Ab 2013 wurde auf Bundesebene die einmonatige Pflichtfamulatur in der hausärztlichen Praxis eingeführt. Entscheiden sich die Studierenden für ein Blockpraktikum auf dem Land, erhalten diese einen entsprechenden Zuschuss zu den entstehenden Fahrkosten von der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern.

Und zur Aufklärung: Unsere Universitäten im Land sind nicht für die Weiterbildung der Fachärzte zuständig. Wesentlich für Mecklenburg-Vorpommern ist die Erhöhung der geförderten Weiterbildungsstellen. Zudem sollen die weiterzubildenden Ärzte im ambulanten Bereich die gleiche Vergütung wie Assistenzärzte im Krankenhaus erhalten. Das ist ein wichtiger Schritt für die Gewinnung von ambulanten Medizinern in Mecklenburg-Vorpommern. Auch über die Ärzteschaft in Mecklenburg-Vorpommern wird ein Großteil der Weiterbildungsarbeit abgedeckt. Jeder zehnte Arzt ist im Besitz einer Weiterbildungsbefugnis und unterstützt somit den ärztlichen Nachwuchs.