Deshalb zählt jeder noch so kleine Beitrag und es zählen auch jene kleinen Beiträge, die ich eben für die Landesregierung darstellen durfte, auch wenn wir – noch mal deutlich zugegeben – im internationalen Maßstab natürlich nur ein sehr, sehr kleiner Player sind. Ich wünsche der Diskussion viel Erfolg und insbesondere den Verhandlungen in Paris, auch wenn wir das von hier aus nur begrenzt beeinflussen können. – Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Technische Hochschule Zürich hatte bereits 2011 auf eine gewaltige
Dürrekatastrophe in Syrien hingewiesen. In dieser Studie wird von 800.000 Binnenflüchtlingen gesprochen, die durch die lang anhaltende Dürre ihre Lebensgrundlage verloren haben und damit das politische System in Syrien destabilisierten.
Das vorgestern ausgestrahlte Umweltmagazin OZON des rbb fasst den Zusammenhang zwischen syrischen Flüchtlingen und dem Klimawandel wie folgt zusammen: 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ist seit 2000 nicht mehr nutzbar. Diese Situation gipfelte in einer Massenflucht von 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen im Jahr 2010. Die daraus resultierende Verarmung weiter Teile der Bevölkerung führte letztlich 2011 zu den Demonstrationen, die das Regime gewaltsam niederschlug, und mündete in den heutigen und nunmehr fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg.
Dies sind nur zwei Stellungnahmen. Greenpeace zitiert in einem Beitrag aus dem Jahr 2014 gleich mehrere Quellen. Zitiert wird eine Studie, die die Rolle des Klimawandels beim Arabischen Frühling beleuchtet. Daraus geht hervor, dass klimatisch bedingte Missernten zu höheren Lebensmittelpreisen geführt haben, die die Aufstände begünstigten.
Ich beginne meinen Beitrag mit diesen Aussagen, weil ich deutlich machen will, dass erstens – wie bereits auch vom Minister gesagt – wir mittendrin sind in dem Klimawandel.
Drittens. Aktiver und ambitionierter Klimaschutz bedeutet, Fluchtursachen zu beseitigen. Fluchtursachen zu beseitigen, kann also nicht nur bedeuten, Bedingungen zu schaffen, dass Millionen Flüchtlinge in den Lagern rings um die Krisenherde verbleiben. Die Ursachen, warum sich Menschen auf den Weg machen, auf den gefährlichen Weg nach Europa, sind vielfältig und eine sehr wesentliche ist der Klimawandel.
Wie gesagt, schon jetzt sind die Lebensgrundlagen von Menschen in vielen Regionen der Welt zerstört beziehungsweise bedroht. Unter den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels leiden zuallererst die Armen. Das gilt für Geringverdienerinnen und -verdiener in Industrieländern wie Deutschland, aber insbesondere für große Teile der Bevölkerung in Asien und Afrika.
Um die Erderwärmung in beherrschbaren Grenzen zu halten, muss das Wachstum des globalen Treibhausgasausstoßes in diesem Jahrzehnt gestoppt werden. Danach müssen die Emissionen kontinuierlich sinken. Zahlreiche Studien belegen, dass ein Umsteuern technisch möglich und angesichts der dramatischen Folgen der Erderwärmung auch ein Gebot des Humanismus und der wirtschaftlichen Vernunft ist. Das wird Geld kosten. Aber wenn wir nichts tun beziehungsweise zu wenig, dann kommt das auch uns um Potenzen teurer zu stehen. Noch mehr Landstriche als heute schon werden nicht mehr zu bewirtschaften und damit unbewohnbar sein, mit der Folge, dass der Migrationsdruck auf Regionen, denen es vergleichsweise besser oder gut geht, noch stärker ansteigen wird.
Europa und Deutschland werden einen Großteil dieses Drucks abbekommen. Gemessen daran wird der heutige
Flüchtlingszug ein laues Lüftchen sein. Von 200 Millio- nen Klimaflüchtlingen bis 2050 sprach einer der Vortragenden – die mit mir zusammen in Brüssel waren, haben es gehört –, eine Zahl, die die Internationale Organisation für Migration errechnet hat.
Was ist zu tun? Im Dezember 2015 wird in Paris über ein neues Klimaabkommen verhandelt. Es steht diesmal – wie so oft – die Frage im Raum: Wird es wieder nur Palaver werden und lediglich gut klingende unverbindliche Absichtserklärungen werden das Ergebnis sein? Zumindest scheint es einige Anzeichen dafür zu geben, dass in deutlich mehr Staaten der Ernst der Lage erkannt wird und ein verbindliches Abkommen beschlossen werden könnte. Ob es ausreichen wird, Klimaschutz substanziell voranzubringen, ist noch nicht entschieden.
In diesem Jahr fanden in Bonn gleich drei vorbereitende Konferenzen mit entsprechenden Verhandlungen statt. Letzte Woche debattierte der Deutsche Bundestag – wie immer im Vorfeld großer Klimakonferenzen. Bei den letzten Vorverhandlungen in Bonn sind fast 200 Staaten dem Ziel, ein weltweit gültiges Klimaabkommen als Nachfolger des völkerrechtlich bindenden Kyoto-Protokolls zu vereinbaren, so nah gekommen wie noch nie. Es gelang, ein gemeinsam getragenes Dokument zu entwerfen, das als Grundlage für einen Weltklimavertrag dienen kann. Dabei liegt meine Betonung auf „kann“, denn dieses Dokument enthält noch zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten.
Aber inzwischen haben 158 Länder ihre Emissionsziele an die UNO gemeldet. Diese Länder zeichnen für rund 95 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Rechnet man diese freiwilligen Ziele zusammen, könnte dabei eine Begrenzung der Erderwärmung um 2,7 Grad möglich sein, Kollege Jaeger hat das schon gesagt. Das würde zwar einerseits einen deutlichen Schritt vorwärts bedeuten, ist aber von der notwendigen 2-Grad-Grenze noch ein großes Stück entfernt.
Positive Signale kommen derweil aus China, einem der größten Emittenten von schädlichen Klimagasen. Bundesumweltministerin Hendricks berichtete im Bundestag, dass China in Paris für ein völkerrechtlich verbindendes Abkommen eintreten wird. China will ab 2017 auch den CO2-Zertifikatehandel einführen – hoffentlich nicht mit dem gleichen Grad an Unwirksamkeit wie der in der EU.
Allerdings gibt es seit Bonn auch heftige Auseinandersetzungen unter den Staatenvertretern. Es geht vor allem um die Frage, auf welche Weise armen Ländern finanziell geholfen wird bei der Bewältigung von Wetterkatastrophen und dem Ausbau erneuerbarer Energien. Dabei ist nicht nur die Höhe der zugesagten Gelder der Hauptstreitpunkt, sondern es sind vor allem die Konditionen, zu denen dieses Geld an die Länder verteilt und ausgezahlt werden soll. Denn die Finanzierung soll vor allem über Kredite und Privatinvestitionen laufen – zu Konditionen, die für die ärmsten Länder der Welt nicht zumutbar sind, die sie auch nicht erfüllen können. Ich sehe hier die entwickelten Industriestaaten und die reichen Länder des Nahen Ostens und Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien, aber auch Russland in besonderer Verantwortung.
Die Dekarbonisierung der Energieerzeugung, des Verkehrs und der Wirtschaft bis zum Ende dieses Jahrhunderts muss aber das Ziel des Abkommens von Paris sein.
Dabei ist davon auszugehen, dass es nur zu einem völkerrechtlich verbindlichen Abkommen kommen wird, wenn es nach wenigen bindenden Verabredungen weitere Elemente gibt, die den zwar gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten gerecht werden. Das heißt nichts anderes, als dass die westlichen Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels höhere Ziele erreichen müssen als die am stärksten betroffenen ärmsten Länder der Welt.
Die EU und Deutschland müssen eine Vorreiterrolle spielen. Die in Elmau auf dem G7-Gipfel von der Kanzlerin postulierten Ziele für die Klimakonferenz in Paris hatten die Hoffnung genährt, dass Deutschland tatsächlich bereit ist, Ernst zu machen. Diese Hoffnung war jedoch trügerisch, denn erstens zeigt der wenig ambitionierte EU-Kompromiss über den gemeinsamen Klima- und Energierahmen bis 2030, dass die Kanzlerin beim EUGipfel ihre klimapolitischen Ansprüche deutlich heruntergeschraubt hat – ein Kompromiss, der wahrscheinlich nicht einmal von allen EU-Staaten getragen werden wird, wie die Verlautbarungen in Polen vermuten lassen.
Und zweitens sind bereits wenige Tage nach Elmau die Kanzlerin und der Wirtschaftsminister vor der Kohlelobby zu Kreuze gekrochen. Das hat übrigens auch der Beraterstab der Bundesregierung gerade festgestellt, ein Artikel bei „Spiegel Online“ gibt da ziemlich Erhellendes wieder.
Aber auch während unserer gerade erst stattgefundenen Gespräche in Brüssel konnte ich mich wie Kollege Jaeger des Eindrucks nicht erwehren, dass Klimaschutzpolitik in der EU nicht den Stellenwert hat, der nötig wäre. Aus unserer Sicht muss das 40-Prozent-Minderungsziel beim CO2-Ausstoß bereits 2020 erreicht werden. Die 27 Prozent erneuerbare Energien werden bis 2030 ohne große Anstrengungen auf jeden Fall erreicht werden können. Die Messlatte muss deutlich höher gelegt werden, erst recht in Deutschland.
Eines sollte inzwischen klar sein: Die Energiewende in ihrer Gesamtheit – von Stromproduktion, Wärmeproduktion und dem notwendigen Umbau bei der Sicherung von Mobilität weg von den fossilen hin zu erneuerbaren Rohstoffen – ist der wichtigste Pfad, den Klimawandel in den Griff zu bekommen.
Sie ist Teil praktizierter globaler Gerechtigkeit und liegt damit auch im Interesse Deutschlands. Effizienzsteigerung und Energiesparen sind natürlich inbegriffen.
Allerdings sind auch in Deutschland die Zeichen nicht allzu positiv. Mit knapp zehn Tonnen ist der CO2-Ausstoß je Einwohner in Deutschland mehr als doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt und beträgt das Zehnfache der Pro-Kopf-Emissionen des afrikanischen Kontinents.
Mit einem Gesamtausstoß von fast 800 Millionen Tonnen CO2 liegt Deutschland auf Platz sechs der weltweit größten Klimaverschmutzer. Der als zentrales Klimaschutz
instrument deklarierte Emissionshandel hat weder die finanziellen Mittel aufgebracht, die für den Klimaschutz gebraucht werden, noch hat er die Emissionen gesenkt. Der Treibhausgasausstoß des Güter- und Flugverkehrs kennt ebenfalls nur eine Richtung, und zwar nach oben.
Und alle Jahre wieder blockiert die Bundesregierung in Brüssel anspruchsvolle EU-Klimaschutzstandards, sei es bei den CO2-Grenzwerten für Neuwagen oder auch bei den Auflagen für Industrie – alles unter der Losung „Carbon leakage verhindern“, also die Abwanderung von Industrie aufgrund solcher Auflagen. Und was die Energiewende betrifft, ist sie zwar nach meiner Überzeugung nicht mehr aufzuhalten, aber sie hat sich deutlich verlangsamt.
DIE LINKE fordert ein nationales Kohleausstiegsgesetz. Wir wollen bis 2040 aus der Kohle aussteigen, und das ist auch möglich.
(Dietmar Eifler, CDU: Fahren Sie mal nach Nordrhein-Westfalen, Frau Schwenke, und auch nach Brandenburg! Stellen Sie denen das mal vor!)
Ja, das sagen wir denen auch, aber ich meine, da sind wir nicht in der Regierung. Und wenn Sie jetzt von Brandenburg reden, dann will ich Ihnen sagen, das steht im Programm der Brandenburger LINKEN, dass wir bis 2040 aus der Kohle aussteigen wollen.
Wir fordern, dass CO2 als Umweltschadstoff klassifiziert wird. Das könnte über eine Änderung des BundesImmissionsschutzgesetzes geschehen. Damit wäre auch die Grundlage, den Ausstieg aus der Kohleverstromung schrittweise vorzunehmen und eine Klimaabgabe auf Kohlekraftwerke festzulegen, geschaffen.
(Burkhard Lenz, CDU: Dann zahlen Sie den Saudis auch noch Geld, damit das Erdöl in der Erde bleibt!)
Genau, das denke ich auch. Neuaufschlüsse sind nicht mehr notwendig. Wir haben noch genug, was jetzt schon gefördert wird. Wir müssen umsteigen.
Aber lassen Sie mich noch einiges zu MecklenburgVorpommern sagen: Hierzulande wurde schon etliches auf den Weg gebracht – zuallererst der Ausbau der erneuerbaren Energien, wenn auch nicht ganz in dem Mix, wie wir ihn uns vorstellen. Aber der Minister hat schon etwas dazu gesagt, das halten wir für gut. Es reicht aber nicht. Und ich fürchte vor allen Dingen, es geht zu langsam, die Zeit läuft uns davon.
Wir brauchen konkrete Vorgaben hinsichtlich der Treibhausgasreduzierung, für das Energiesparen und für die Energieeffizienz, eine komplette Ausrichtung der Beschaffung auf diese Vorgaben, mehr, aber sinnvolle energetische Sanierungen der Bestandsgebäude, Neubau nur noch nach dem Passivhausstandard – und nicht erst, wie gesetzlich vorgesehen, ab 2019 –, mehr PV
Anlagen auf den Dächern, und wir brauchen vor allen Dingen die Umsetzung der Energiewende im Wärme- und im Verkehrsbereich. Im Januar oder am Anfang des Jahres werden wir im Energieausschuss den „Aktionsplan Klimaschutz“ auf die Tagesordnung holen. Das ist gut so.
Doch jetzt schaut die Welt nach Paris. Dort werden auf dem alten Flughafengelände von Le Bourget ab dem 30. November wichtige Entscheidungen fallen – Entscheidungen, mit deren Hilfe es der Staatengemeinschaft gelingen kann, die schlimmsten Folgen des globalen Klimawandels zu verhindern, Entscheidungen, die völkerrechtlich verbindliche Regelungen zur Begrenzung des weltweiten CO2-Anstiegs vereinbaren und dabei die unterschiedlich großen Verantwortlichkeiten berücksichtigen, Entscheidungen, die langfristig zu einer Senkung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen führen, Entscheidungen, die trotzdem ein nachhaltiges Wirtschaften und Leben ermöglichen und für die Bevölkerung der ärmsten Länder ein besseres Leben.
All das kann erreicht werden, wenn wir Industrieländer den konsequenten Klimaschutz als Allererstes als einen Akt internationaler Solidarität mit den am meisten vom Klimawandel betroffenen Menschen verstehen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, einen Großteil der Finanzierung zum Beispiel über einen Klimafonds zu übernehmen. Dieses Geld darf nicht mit der Entwicklungshilfe verrechnet werden. Gelingt das nicht, werden wir alle und vor allem unsere nachfolgenden Generationen die Konsequenzen zu tragen haben. Keine noch so hohen Mauern werden uns davor schützen können. Der Grundsatz von Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Soziales im Einklang mit der Natur und nicht gegen sie zu entwickeln sowie global zu denken und lokal zu handeln, das ist unsere Aufgabe. Es zeigt unsere Verantwortung an jedem Tag und an jedem Ort. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietmar Eifler, CDU: Das haben wir schon mal besprochen.)