Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 105. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 105., 106. und 107. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 105., 106. und 107. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserem Kollegen Dietmar Eifler nachträglich zu seinem runden Geburtstag ganz herzlich gratulieren.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gratulationen)
Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 105., 106. und 107. Sitzung die Abgeordneten Dr. Ursula Karlowski, Andreas Texter, Dr. Hikmat Al-Sabty und Torsten Koplin zu Schriftführern.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Gemeinsam für unsere Freiheit einstehen – Solidarität mit Frankreich“ beantragt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Ich glaube, wir sind auch heute noch alle in Gedanken bei denjenigen, denen in Frankreich, in Paris das Leben geraubt wurde. Wir sind in Gedanken bei den Verletzten und Hinterbliebenen. Die Schüsse von Paris hätten jeden von uns treffen können,
ob als Konzertbesucher, als Fußballfan, als Gäste in einem Restaurant, und heute, ist die traurige Nachricht, wird in Paris schon wieder geschossen.
Diese mittelalterlichen Glaubenskrieger bekämpfen alles, was unsere freiheitliche Gesellschaft ausmacht. Sie hassen unsere Freiheit der Meinung, sie hassen unsere Freiheit der Kunst, der Wahl unserer Lebensentwürfe, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sie hassen den Rechtsstaat,
Wir beklagen Opfer einer neuen Art von Krieg. Es sind Opfer hinterhältig agierender Mordbanden, Mordbanden aus einem verrückten Paralleluniversum, vor denen uns kein Sicherheitsdienst dieser Welt endgültig schützen kann.
Die Brutalität der offensichtlich koordiniert vorgehenden Kommandos sprengt jede menschliche Vorstellungskraft. Die Täter stürmten in einen Konzertsaal und schossen mit automatischen Waffen in die Menge, bis die Magazine leer waren, luden nach und schossen wieder. Andere zündeten Sprengsätze oder schossen wahllos um sich. Es sind Terroristen, die im Namen des Islam zum Kampf gegen die Demokratie, gegen universelle Werte und auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, gegen Moslime aufrufen,
Ich möchte, dass wir in Europa sagen, egal, welche Differenzen sich zwischen den Staaten derzeit gebildet haben, es muss klar sein, dass wir eine unzerbrechliche Wertegemeinschaft sind.
Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie einzutauschen gegen ein menschenverachtendes islamisches Kalifat – nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Grundwerte, die uns in Europa verbinden, sind unumstößlich. Sie wurden nicht vom Nationalsozialismus abgeschafft, nicht vom Stalinismus. Nicht der linksradikale Terror der RAF in Deutschland und nicht die dschihadistischen Anschläge auf die USA, niemand und niemals wird der Terror in Europa und auf der Welt gewinnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer bis gestern Nachmittag noch gedacht hat, der Terrorismus würde sich vielleicht auf Frankreich beschränken, der muss nach Hannover zur Kenntnis nehmen,
dass schon bei den Anschlägen in Paris nicht nur die französische Nation betroffen sein sollte, sondern man sich ganz gezielt das Spiel zwischen Frankreich und Deutschland ausgesucht hat.
Mir gefällt ein Leitartikel zu dem Thema, der in der „Welt“ veröffentlicht wurde, besonders gut. Ich will daraus kurz zitieren: „Kein linker und kein rechter Populismus hilft uns in dieser Situation weiter, sondern ein Besinnen der gesellschaftlichen Mitte auf die hart erkämpften Grundwerte,“
„eine Mitte, die den Freiheitswerten auf den Grund geht, und eine Mitte, die diese kraftvoll verteidigt.“
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)
„Freedom is not free“ steht am Mahnmal für die im Korea- krieg gefallenen Amerikaner in Washington. Auf Deutsch heißt das, Freiheit gibt es nicht gratis. Leider, meine sehr geehrten Damen und Herren, vergessen wir das viel zu häufig.
Für uns sind die Werte, die wir in Deutschland und in Europa täglich leben, zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir sagen dürfen, was wir wollen, dass wir kritisieren dürfen und dass wir auch über andere spotten dürfen, dass allein der Staat das Gewaltmonopol hat, dass die Gerichte Recht sprechen und dass man das Recht auf eine faire Verteidigung hat, dass niemand in Europa zum Tode verurteilt wird, egal, was er verbrochen hat.
Am 13. November, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben diese Menschen zum Ausdruck gebracht, dass sie unsere, diese unumstößlichen Werte ablehnen. Sie kalkulieren offen damit, dass uns Europäern der Terror in den Wahnsinn treibt, dass wir unsere Werte opfern, weil wir plötzlich hinter jedem Strauch Terror wittern. Wir haben in den letzten Jahren viele furchtbare Anschläge erlebt: Moskau 2002, Madrid 2004, London 2005, Paris im Januar, Istanbul im August und wieder Paris im November. Gott sei Dank nicht gestern Abend Hannover!
Der Terror hat uns bislang nicht gelähmt und er wird uns auch künftig nicht lähmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, er wird uns nur entschlossener machen in unserem Glauben an die Freiheit.
Und gerade Frankreich ist zumindest für Kontinentaleuropa und auch für die Vereinigten Staaten der Wegbereiter der modernen Demokratie gewesen. Die Verfassung der Vereinigten Staaten atmet den Geist der französischen Revolution.
Ein Anschlag auf Paris ist damit nicht nur ein Anschlag auf ein befreundetes Land. Anschläge auf Paris sind gleichzusetzen mit Anschlägen auf die Demokratie, auf die Zivilisation, auf die Freiheit schlechthin, meine Damen und Herren.
Und doch werden uns die Anschläge nicht verzagen lassen. In der französischen Nationalhymne heißt es – auf Deutsch übersetzt, mein Französisch ist nicht so gut –: „Freiheit, geliebte Freiheit, Kämpfe mit Deinen Verteidigern!“
Eine Geschichte, die mich besonders berührt hat, die heute Morgen veröffentlicht wurde, will ich Ihnen vorlesen: „Antoine Leiris trauert. Am vergangenen Freitag verlor der Mann seine Frau Helene. Die 35-Jährige war in der Konzerthalle Bataclan, um die US-Band ,The Eagles of Death Metalʻ zu hören. Doch Helene … kehrte nicht wieder zurück. Sie wurde ermordet, als IS-Terroristen ins Bataclan stürmten und das Feuer auf die tanzende Menge eröffneten. Leiris hätte allen Grund, diese Männer zu hassen. Sie haben ihm die Frau genommen und seinem 17 Monate alten Sohn die Mutter. Doch Leiris schrieb auf seiner Facebook-Seite eine trotzige Botschaft an die Terroristen. Die Überschrift seines Eintrages lautet: ‚Ihr bekommt meinen Hass nicht‘. Darin beschreibt der Witwer, dass ihm am Freitag ‚ein außergewöhnliches Wesen‘, ‚die Liebe meines Lebens‘, gestohlen worden sei. ‚Ich weiß nicht, wer ihr seid und ich möchte es auch nicht wissen, ihr seid tote Seelen‘, schreibt er an die Attentäter gerichtet.“
„Er habe seine Frau am Morgen nach den Attentaten gesehen. Sie sei so schön gewesen, wie am Abend zuvor und genauso schön, wie vor 12 Jahren, als er sich in sie verliebt habe. … ‚Natürlich bin ich von Trauer am Boden zerstört, aber das wird nur von kurzer Dauer sein. Ich weiß, sie wird uns jeden Tag begleiten, und wir werden im Paradies der freien Seelen sein, wo ihr‘“ arme Seelen „‚nie hinkommt‘, schreibt sich Leiris seine Trauer von der Seele. Er und sein Sohn Melvil sind nur noch zu zweit, ‚aber wir sind stärker als alle Armeen der Welt‘. Er habe auch nicht länger Zeit für die Terroristen, die ihm seine Frau nahmen. Er müsse zu Melvil, der gleich aus dem Schlaf erwachen werde. Er werde genauso weitergehen wie in den vergangenen 17 Monaten, sein Sohn werde essen, wie an jedem Tag und spielen. Die Männer, die seine Frau ermordeten, hätten gewollt, dass er Angst habe, seine Mitmenschen voller Misstrauen betrachte und seine Freiheit für die Sicherheit opfere. Aber sie hätten verloren. ‚Ich werde euch meinen Hass nicht schenken.‘“
Meine Damen und Herren, für solche Leute wie Leiris lohnt es sich, weiter für Freiheit und Frieden einzutreten. – Vielen Dank.