Die Wiedervereinigung Deutschlands zeigte uns schmerzlich, dass ostdeutsche Unternehmen in großen Teilen in keiner Weise konkurrenzfähig waren. Die DDR bot zwar alle Kräfte auf, um ihre Betriebe vor dem Untergang zu bewahren, doch irgendwann musste das Kartenhaus einstürzen. Die Folgen waren verheerend.
Gerade in Mecklenburg-Vorpommern konnten wir die Auswirkungen spüren. Zahlreiche Kombinate und volkseigene Betriebe standen vor dem Aus. Dabei war der Nordosten der Republik sowieso vom Grundsatz her immer schon strukturschwächer als andere Bundesländer in den neuen Ländern. Militär, Landwirtschaft und Werften prägten neben der Tourismusbranche das Bild in unserem Land. Durch den Umbau in der Bundeswehr wurden viele Standorte geschlossen oder verkleinert, was in den betroffenen Gemeinden meist zu einer mittelschweren Katastrophe führte.
Die notwendigen Produktionsveränderungen und -stei- gerungen gingen jedoch mit zahlreichen Entlassungen einher, wie man weiß. Dann war ja auch noch unser Schiffbau, der uns über viele Jahrzehnte, ja, bis zum heutigen Zeitpunkt als ein nicht ganz einfacher Sektor begleitet. Die Werftenkrise zog sich durch die 90er-Jahre und hinterließ deutliche Spuren in unserem Land. Viele Werftarbeiter verloren ihre Arbeit und hatten große Schwierigkeiten, eine Neuanstellung zu finden. Die Rahmenbedingungen waren wirklich schlecht, die Lage war angespannt und die Hoffnung auf schnelle Besserung klein. Tja, und so kam es eben, dass manchem die Identifikation mit Demokratie und Marktwirtschaft recht schwerfiel.
Hinzu kam eine gewaltige Abwanderungswelle zur damaligen Zeit. Viele junge Menschen, darunter gerade viele junge Frauen, verließen unser Land und suchten ihr Glück in anderen Teilen der Bundesrepublik, insbesondere in den alten Bundesländern. Wer wollte ihnen das damals verübeln? Wenn 300.000 gut ausgebildete Menschen das Land verlassen, machte das den Aufbau Ost nicht unbedingt leichter. Die Voraussetzungen für einen Superstart haben zur damaligen Zeit an und für sich anders ausgesehen.
Das Land hat eine, wie ich meine und auch die Fraktion, sehr, sehr beeindruckende Entwicklung hingelegt. Die Menschen packten an, sie wollten aufsteigen, ein schöneres Leben leben und die Zukunft ihrer Kinder sichern. Sie wollten ihren Beitrag dazu leisten, dass es in Mecklenburg-Vorpommern vorangeht.
Überall im Land kann man das spüren. Klar gibt es Unzufriedenheit und Resignation, aber der Optimismus und der Glaube an die eigene Stärke überwiegen. Und es freut mich sehr, dass es sich zum heutigen Zeitpunkt in vielen Fällen auszahlt.
Die Lebensleistung, in einer Diktatur aufzuwachsen, zu leben, Kinder zu kriegen, einem Beruf nachzugehen, nur um sich dann in einer Demokratie alles neu erarbeiten zu müssen, kann man nicht hoch genug schätzen. Den Menschen, die das geschafft haben, zolle ich höchsten Respekt. Sie haben unsere Anerkennung verdient und wir sind ihnen zu Dank verpflichtet, weil sie mit dazu beitragen, dass das Land aufgebaut wird. Ohne sie wäre der Aufbau unseres Landes in der Form, wie er derzeit stattfindet, nicht möglich.
Erst durch diese Leistung war es möglich, große Teile der Skeptiker mit dem enormen Wandlungsprozess nach der Wiedervereinigung zu versöhnen. Heute ist unser Land gefestigt, der Rechtsstaat unumstößlich, die demokratischen Werte sind fest verwurzelt. Daran werden weder Nazischläger auf der Straße noch braune Abgeordnete in unserem Landtag irgendetwas ändern. Das kann ich Ihnen ganz klar versprechen, meine Damen und Herren.
Zu der Erfolgsstory Mecklenburg-Vorpommern gehört natürlich, dass man Entscheidungen treffen muss, auch
in der Politik, die hin und wieder nicht einfach sind und die – das gehört auch zur Demokratie – lebhaft diskutiert werden. Eine der wichtigsten war zweifelsohne die komplette Erneuerung der Infrastruktur in Mecklenburg-Vor- pommern.
Ob Schulen, Kitas, Wohnungen, Verwaltungsgebäude, Nahverkehr oder Versorgungsnetze – in einem atemberaubenden Tempo haben wir das Land modernisiert.
Besonders deutlich – das wurde hier schon kurz erwähnt – wird es auf unseren Straßen und Autobahnen. Was war es für eine Qual, den Schlaglöchern auf der Buckelpiste A 24 auszuweichen oder einmal quer durch das Land reisen zu müssen! Es waren unhaltbare Zustände. Allen war klar, dass auf dieser Grundlage keine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung möglich war. So ist viel Geld in die Hand genommen und viel Unterstützung gegeben worden. Es war gut und richtig, dass wir eine so hervorragende Infrastruktur gerade im Straßen- und Verkehrswesen geschaffen haben.
Die Ergebnisse können sich in jedem Fall sehen lassen. Heute regen wir uns bereits über Autobahnbaustellen in der Ferienzeit auf und darüber, dass nach einem strengen Winter die Frostschäden nicht schnell genug behoben werden – sicherlich ärgerlich, aber im Vergleich zu den 90er-Jahren sind das Luxusprobleme.
Mit dieser modernisierten Infrastruktur konnte sich schließlich auch die soziale Marktwirtschaft voll entwickeln und ihre Stärken entfalten.
Es gibt ja nach wie vor wirtschaftliche oder politische Kräfte, die hier andere Vorstellungen haben, aber ich glaube, da kann man nur sagen, das wird hoffentlich immer ein Traum bleiben.
Meine Damen und Herren, es war richtig, dass wir gesagt haben, ja, wir setzen zuallererst auf den ersten Arbeitsmarkt und erst im nächsten Schritt flankieren wir ihn mit dem zweiten Arbeitsmarkt, aber immer ergänzend und nicht konkurrierend. Das Ergebnis ist beeindruckend: ein robustes Wirtschaftswachstum, die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung, viele neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und ein sehr gutes Ausbildungsniveau. Was für eine tolle Entwicklung! An der Stelle möchte ich betonen, die Erneuerung unserer Infrastruktur wäre ohne den Solidarpakt und die damit verbundene Aufbauhilfe niemals möglich gewesen. Und sie ist auch nach unserer festen Überzeugung noch nicht abgeschlossen. Trotzdem an der Stelle einen herzlichen Dank für die Unterstützung, die auch dringend notwendig war.
Von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Bundeslandes ist zweifelsohne der Tourismusbereich. Gewiss strömten schon zu DDR-Zeiten insbesondere die Sachsen an die Ostsee. Aber erst die Wiedervereinigung gab den entscheidenden Schub. Wir investierten viel Geld und es wurde von den Betreffenden eine kluge, vorausblickende und klare Strategie verfolgt.
Mit guter Infrastruktur und professionellem Marketing ist eine Marke geschaffen worden, die in Deutschland immer wieder dazu führt, dass wir derzeit als Urlaubsland Nummer eins gelten.
Egal, ob die Infrastruktur und die Angebote im Binnenland oder an der Ostsee – wir sind ein Land zum Leben. Das ist ein großartiger Erfolg, an dem viele Menschen ihren Anteil haben. Der Erfolg als Tourismusparadies führt auch dazu, dass unser Land viel positiver national und international wahrgenommen wird. Die Urlauber, die zu uns kommen, nehmen viele schöne Eindrücke und Erinnerungen mit nach Hause. Mecklenburg-Vorpommern als lebens- und liebenswerte Idylle – das bleibt hängen.
Mittlerweile ist es aber so, dass die Menschen nicht mehr nur ihre freien Tage hier verbringen wollen, nein, jetzt kommen auch Menschen im Rahmen der Zuwanderung nach Mecklenburg-Vorpommern,
die ihr ganzes Leben hier verbringen wollen, oder aus Teilen der alten Bundesrepublik, die sich hier ihren Lebensabend oder auch die Arbeitsperspektive schaffen. Wir mögen keine starke Industrie oder großen Versicherungs- und Handelsunternehmen haben, aber wir haben einen Arbeitsstandort Mecklenburg-Vorpommern und wir sind ein Universitäts- und Hochschulstandort, der immer attraktiver wird. Das führt dazu, dass wir den massiven Bevölkerungsschwund stoppen konnten. Tatsächlich kommen mittlerweile mehr Menschen zu uns, als das Land verlassen. Was für eine gute Entwicklung, die vor zehn Jahren in der Form nicht ansatzweise zu prognostizieren war! Darauf müssen wir aufbauen und darauf können wir auch aufbauen.
Dennoch, meine Damen und Herren, können wir an der demografischen Entwicklung nicht vorbeiregieren. Es ist eben ein himmelweiter Unterschied, ob in einem Land wie in unserem 69 Einwohner auf einem Quadratkilometer wohnen oder in einem Land wie Nordrhein-Westfalen über 500 Einwohner auf einem Quadratkilometer wohnen. Nur weil wir dünner besiedelt sind, haben unsere Bürger doch nicht automatisch einen geringeren Anspruch auf öffentliche Leistungen und Infrastrukturen. Auch Anklamer wollen ins Theater gehen, Malchow möchte eine Bibliothek erhalten oder in Pasewalk besteht Bedarf für Sporthallen und Sportparks.
Und natürlich erwarten auch die Eltern im ländlichen Raum von uns, dass wir für ihre Kinder eine qualitativ hochwertige Bildungsinfrastruktur zur Verfügung stellen. Die Wahrheit ist aber, das schaffen wir nur, wenn wir an anderer Stelle schlanker werden.
wurde hier schon abgestellt, auch auf die Polizeistrukturreform. Diese waren und sind mit Sicherheit nicht beliebt, und sie sind auch nichts, womit sie als verantwortlicher Politiker einen Sympathiepreis gewinnen können. Aber sie waren und sie sind notwendig, daran geht kein Weg vorbei. Das ist meine feste Überzeugung.
Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen, und manchmal heißt das eben, wir müssen die Strukturen an die Gegebenheiten anpassen. Ich weiß aber auch, ohne die vielen ehrenamtlich engagierten Bürger in unserem Land wäre eine solche Veränderung sowieso nicht möglich. Überall in den Gemeinden, Städten, in den Feuerwehren, beim THW, beim Sport, in sozialen Organisationen, in vielen anderen Lebensbereichen, in der Kirche leisten sie alle einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft und für unser tägliches Miteinander. Das ist bemerkenswert und das zeigt die Stärke unseres Landes. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, woher wir gekommen sind.
Sicherlich, ehrenamtliches Engagement gab es zu Teilen schon zu DDR-Zeiten, aber vieles war damals auch mehr oder weniger verordnet. Die damit verbundenen staatlichen Strukturen sind mit dem Untergang der DDR alle weggebrochen. Es war ein riesiger Kraftakt vieler Frauen und Männer, diese Strukturen in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern neu und vor allem demokratisch aufzubauen. Da ist Großartiges geleistet worden. Gerade dieser anstrengende Reorganisationsprozess kann nicht oft genug gewürdigt werden. Das dürfen wir nie vergessen, weil diese Gesellschaft ohne Ehrenamt nicht funktionieren kann.
Wie wichtig ehrenamtliche Helfer sind, sehen wir nicht zuletzt in der aktuellen Flüchtlingskrise. Alle meine Länderkollegen betonen, wie bedeutend der Einsatz der freiwilligen Helfer ist. Das ist keine Pflichtübung, sondern sie tun das, weil sie vor Ort sehen, mit wie viel Herzblut und Engagement die Menschen dabei sind. Ohne sie, das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, würden wir diese Herausforderung derzeit nicht meistern können.
Deswegen ist es wichtig, dass wir die Menschen motivieren, weiter mitzumachen. Um das zu erreichen, müssen wir bei allen notwendigen Veränderungen sicherstellen, dass wir die Menschen in unserem Land immer mitnehmen. Je komplizierter und gravierender die Entscheidungen der Regierenden sind, desto mehr müssen wir erklären, desto mehr müssen wir werben und desto mehr müssen wir auch zuhören können.
Natürlich werden wir niemals alle zufriedenstellen. Widerspruch und Widerstand wird es in einer lebendigen Demokratie immer geben, aber eben auch mit den entsprechenden Spielregeln, meine Damen und Herren. Wir können und wollen in einem Land, das so sehr auf die Unterstützung der Ehrenamtlichen angewiesen ist, nicht an jenen Ehrenamtlichen vorbeiregieren. Das dürfen wir auch nicht!
Das wird nicht funktionieren. Das sollten alle, die auch in Zukunft Verantwortung haben, beherzigen.
Meine Damen und Herren, die Flüchtlingskrise hat uns aber nicht nur eindrucksvoll die Bedeutung des Ehrenamts vor Augen geführt, ich muss gestehen, sie hat mich auch nachdenklich gemacht. Fast überall in der Republik sind in den letzten 30/40 Jahren Stellen in der öffentlichen Verwaltung abgebaut worden. In Mecklenburg-Vor-
pommern machen wir das sinnvollerweise seit 25 Jahren auch sehr konsequent. Natürlich war und ist das gerechtfertigt. Es gab unmittelbar nach der Wiedervereinigung zu viele Staatsbedienstete. Auch der technische Fortschritt führt zu weiteren Einsparmöglichkeiten. Wir haben uns Vergleichswerte angesehen, Controllinginstrumente eingeführt, mit verschiedenen Maßnahmen die Produktivität der Mitarbeiter immer weiter erhöht – alles mit dem Ziel, eine effektive Verwaltung in Deutschland, in den Bundesländern, in den Kommunen aufzustellen. Und das ist richtig, denn wir müssen mit dem Geld der Steuerzahler schließlich sorgsam umgehen